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Schnell, beige und wattig

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06.02.2009
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Schnell, beige und wattig

An der Amalfitana war es wunderschön. Nicht umsonst hatten hier die Kaiser der Antike Quartier bezogen, um den Alltagssorgen der Megacity zu entfliehen: Tiefblaues Meer, manchmal ein wenig Dunst in der Luft. Immerhin wehte hier im Gegensatz zu den umliegenden Städten ein laues Lüftchen. Die unzähligen Mücken in der Nacht können einen ganz kirre machen. Schrecklich, dieser hochfrequente Ton. Surrende Ungetüme sind das!
Unser Arbeitgeber hatte aus Kostengründen natürlich ein Hotel ohne Klimaanlage für uns gebucht. In der Nacht habe ich beim Schwitzen sicherlich zwei Liter Flüssigkeit verloren. Heute Abend werde ich mich ausnahmsweise einmal auf nur eine einzige Flasche Wein beschränken. Durst. Ich strecke geräuschvoll Arme und Beine von mir und wälze mich schlaftrunken noch einmal im nassen Laken von der einen auf die andere Seite. Normalerweise gibt’s zu Hause in der Früh einen samtenen Gutenmorgenkuss von meiner Allerliebsten. Die Kinder sind bestimmt schon in der Schule. Das ist das Gute hier an Italien: Hier beginnt der Tag ganz piano. Drückende Hitze, schon in Allerherrgottsfrüh. Nach einer Katzenwäsche tippele ich gedankenversunken zum Frühstücksbuffet.
Am Tisch quäle ich mir ein freundlich gespieltes „Buon giorno“ ab. Klaus und ich sind dienstlich in dieser Gegend unterwegs. Unaufhörlich versucht Klaus, seine gute Laune zu verbreiten. Wie ich das hasse! Für mich ist das Frühstück wortarm und staubig: Erdbeermarmeladenbrötchen und eine Tasse Cappuccino. Ob das für den ganzen Tag reicht? Klaus packt in seine Papierserviette ein Brötchen zum Mitnehmen ein. Wir räumen unser Equipment zusammen und machen uns auf zur Bushaltestelle. Gestern haben wir uns total mit dem gemieteten Fiat verfahren und die Landschaft konnten wir vor lauter Kartenlesen auch nicht genießen. Hätte ich bloß mein Navi von zu Hause mitgebracht!
Klaus ist heute mit Christusschuhen unterwegs, wo er doch gestern seine Lederslipper noch so gepriesen hat. Im Bus fällt mir dies erst so richtig auf, nachdem er sein rechtes Bein anwinkelt und direkt über meinem Knie platziert. „Na Klaus, sind dir die Tennissocken in den Latschen nicht zu warm?“ „Doch schon, aber meinen hässlichen kleinen Zeh brauchen die ‚donne’ hier auch nicht gleich zu sehen!“, prustet er. Immer noch auf Frauensuche, dieser Klaus. Warum hat er damals eigentlich nicht Gaby geheiratet? „Meine Mutter würde bei dieser Schwüle einen Herzinfarkt bekommen“, trällert Klaus. Vielleicht hätten wir sie mitnehmen sollen. Meiner Meinung nach trägt nur sie alle Schuld an Klaus’ Misere. Ohne sie hätte er sicherlich viel mehr Spaß im Leben gehabt, geheiratet, Kinder bekommen. „Ist deine werte Mutter denn schon wieder aus dem Krankenhaus heraus?“, will ich wissen. Klaus bejaht. „Schon seit drei Wochen.“
Der Busradio dudelt blechern aus den Lautsprechern über uns. Eine ältere Witwe ganz in Schwarz vier Reihen hinter uns verbreitet sehr strengen Achselschweiß. Er wabert direkt in meine empfindliche Nase. Ich würde mich am liebsten übergeben. Links vor mir stopft ein kleiner Rotzbengel eine Tütenmortadella in sich hinein. Oh Mann, hat der seit Tagen nichts mehr zu essen bekommen? Dieser Idiot von Busfahrer, was muss denn der hier so rasen? Mein Magen verkrampft sich noch mehr. Ein Schweißtropfen rinnt langsam von meiner Schläfe über die Wange zum Hals. Zum Glück sitzt Klaus direkt am Fenster. Dumdidumdidu. Beschallung und Motorenlärm erdrücken fast jegliche Kommunikation. Allem Anschein nach singt der Busfahrer. Jetzt kommt mir aber gleich die Galle hoch. Was hupt der denn? Das Auto, das uns entgegenkommt, kann doch auch nicht den Hang hinauffahren. In Deutschland würden nun beide ihre Geschwindigkeit reduzieren. Hier nicht.
Klaus scheint schon über dem Abgrund zu schweben. Bisher haben wir es aber noch immer bei jeder Kurve geschafft. Tausende von Bussen sind hier entlanggetuckert, mal mit viel und mal mit weniger Schrammen. War das dumpfe Grollen der Vesuv oder mein Magen?
Ich kann nicht klar denken.
Klaus schwebt über dem Abgrund, ich auch. Der Busfahrer fuchtelt mit erschrockenem Gesicht wie wild an seinem Lenkrad herum. Idiot!
Der ganze Bus kippt wie in Zeitlupe schräg nach vorne Richtung Steilküste. Das Meer rast auf uns zu. Es ist tiefblau und wellenlos. Gibt es einen Gott? Ich presse langsam und laut ein Amen aus mir heraus. Andere tun es ebenso. Von Hektik keine Spur mehr. Mir aber sitzt panische Angst vor dem Sterben im Nacken. Um mich herum ist es still wie in einem Bergwald bei Dämmerung. Ein Gefühl großer Freiheit und Unabhängigkeit durchzieht meinen ganzen Körper. Um mich selbst ist es nicht schade. Was aber wird aus meiner Frau und den Kindern? Tiefste Vertrautheit lullt mich ein. Irgendwie hatte ich ein glückliches und zufriedenes Leben.
Der Tod kam schnell, beige und wattig.

 

Hallo Timo,
willkommen auf kg.de! :)

Ich würde dir gerne ein positives Feedback abgeben, aber leider kann ich mit deiner Geschichte inhaltlich wenig anfangen, bzw. ich bezweifle, ob der Inhalt überhaupt das Potential für eine Kurzgeschichte bietet. Das Ende, obwohl überraschend und dramatisch, ließ mich sehr unbefriedigt zurück. Gefallen haben mir die Beschreibungen der Umgebung, du baust Atmosphäre auf, usw. Doch Handlung konnte ich in der Geschichte wenig erkennen, es kommt weder Spannung noch sonst etwas auf, allenfalls Neugierde. Die Geschichte bewegt nichts in mir, ich las sie eher passiv. Schade. Dabei finde ich deinen Schreibstil gar nicht übel.

Viele Grüße
Michael

 

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