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Sechs! Setzen!

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30.11.2003
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Sechs! Setzen!

Ein graues Gebäude hebt sich in den grauen Himmel. Der Wind lässt die kahlen Bäume davor hin und her wiegen und die letzten, vereinzelten Blätter abfallen. Eins ist in den Matsch getreten, der Regen rieselt unablässig auf die Erde. Dunkle Wolken lassen den frühen Morgen wie die Nacht erscheinen. Schlecht gelaunt schiebe ich mein Fahrrad über den kahlen Schulhof und schließe es an einem verrosteten Fahrradständer an. Gerade als ich Richtung Schulgebäude schlürfe, höre ich die Sirenenartige Schulklingel. 8:00 Uhr, der Beginn eines tristen Schulalltags. Die Schulflure sind Menschenleer, meine Turnschuhe quietschen auf dem frisch geputzten Parkettboden. Ich mache mir keine Gedanken darum, dass der Unterricht längst begonnen hat, ich komme jeden zweiten Tag zu spät. Am Vertretungsplan bleibe ich kurz stehen und hoffe, dass vielleicht heute irgendeine Stunde ausfällt, aber wie so oft muss ich meine Hoffnungen begraben. Alle Lehrer sind gesund und wohl auf.
Ich mache mir nicht die Mühe an der Klassentür zu klopfen, sondern reiße sie direkt auf.
„ Ah, da ist sie ja. Miss Unpünktlich persönlich. Was ist denn heute der Grund? Keine Wecker im Haus?“, fragt mein Mathelehrer und seine Augen blitzen vor Sarkasmus. Ich wäre gern unverschämt gewesen und hätte ihm meinen blanken Hintern gezeigt, stattdessen entschudlige ich mich und setze mich schweigend auf meinen Platz in der letzten Reihe.
Die letzte Reihe ist günstig, man kann alles tun worauf man Lust hat, solange es nur unauffällig ist. Manchmal blicke ich aus dem Fenster und träume vom Meer, oder ich male ein Bild. Ab und zu verschwinde ich auch einfach nur hinter meinem breit gebauten Vordermann und versinke in Tagträumen. Alles ist in Ordnung – solange man unauffällig ist.
„ Leona, kommst du bitte mal nach vorn und rechnest diese Aufgabe zu Ende?“, entreißt mich Herr Steinhausen meiner Träume. Herrausfordernd streckt er mir die Kreide entgegen. Mit zitternden Knien schreite ich nach vorne zur Tafel. Die Formeln und Gleichungen verschwimmen vor meinem Augen und mein Herz schlägt bis zum Himmel.
„ Ich – also man – muss nur“, stotterte ich verzweifelt und fange den ein oder anderen hämischen Blick meiner Klassemkammeraden auf. Aber der hämischte war der meines Mathelehrers.
„ Na Miss Mathegenie, was hast du uns zu sagen?“
Ich hasste diesen Kerl mit seiner teuren Nickelbrille und den langen Finger, die früher unter Garantie zum Rohrstock gegriffen hätten. Verzweifelt zucke ich mit den Schultern.
„ Mach dir bitte keine Illusionen wegen deiner Endjahres Note, Leona“.
Während ich zurück zu meinem Platz gehe, spüre ich Tränen hinter meinen Augen brennen, ich schlucke sie hinunter.
„ Am Besten du suchst dir später einen Mann der Mathe kann, denn du kannst es nicht.“, höre ich Herrn Steinhausen noch sagen und vernehme das Gelächter meiner Klassenkammeraden, dann verschwinde ich wieder in der letzten Reihe.
Bis zur großen Pause hatte ich wirklich schlechte Laune. Missmütig schiebe ich mir mein Pausenbrot zwischen die Zähne und starre auf die Deutscharbeit, die ich gerade zurück bekommen hatte. Eine satte Fünf und dabei hatte ich Wochen vorher gelernt. Aber was tun, wenn man unter panischer Prüfungsangst leidet und eine leichte Lese-rechtschreibschwäche hat? Den Kommentar meiner Lehrerin, der sicherlich hilfsbereit gemeint war, empfinde ich als regelrechten Hohn:
Ich erkenne noch leichte Schwächen in der Rechtschreibung und der Grammatik.

In Sport, der letzten Stunde dieses Tages, übten wir den Korbleger beim Basketball. Ich war zum ersten Mal an diesem Tag gut gelaunt, denn ich liebe Basketball. Ich kann mich richtig verlieren in diesem Sport. Ich setze zum dutzendensten Korbleger an diesem Tag an. Als meine Füße wieder den Boden berühren, winkt mich die stämmige Lehrerin heran.
„ Was tust du da?“, fragte mich die Lehrerin fassungslos. Mein Herz begann wieder panisch zu klopfen.
„ Ich – einen Korbleger?“, stammelte ich. Frau Stensen schnaubte verächtlich.
„ Das ist doch kein Korbleger. Das ist ein einziges Gehopse. Mach’s nochmal“, befiehlt sie und mit unguten Gefühl, mache ich erneut einen Korbleger.
„ Na, das übst du wohl besser nochmal“, grummelte meine Lehrerin missmütig und wendet sich einer anderen Schülerin zu.
Thema abgeschlossen. Versagt. In dem was du liebst. Nie wieder würde ich mich im Basketball verlieren können. Nicht wenn ich die kalten, grauen Augen meiner Lehrerin im Nacken spüre. Verloren stehen ich in der vollen Turnhalle und fühle mich allein. Die Tränen laufen mir über’s Gesicht. Verzweifelte schmeiße ich den Ball quer durch die Halle und renne auf den Ausgang zu.
„ Leona kommst du bitte zurück! Du kannst nicht einfach gehen!“, höre ich die Rufe meiner Lehrerin, aber es kümmert mich nicht. Ich renne die Treppe hoch zu der Umkleide und schnappe mir meine Sachen. Es ist mir egal, dass ich noch in Sportklammotten stecke, alles was ich will ist weg. Unter Tränen renne ich die Schulflure entlang und stürtze durch den Ausgang ins Freie. Ich renne auf das Schultor zu. Davor verlangsame ich meine Schritte und schaue unter tränenbeklebten Wimpern auf das graue Gebäude. Ich nenne es nicht Schule. Ich nenne es das Gebäude der Schikanen und Seitenhiebe.

 

Hallo bluna,

Ich finde nicht viel an der Geschichte. 'Schäme mich etwas dafür, das zu sagen, sie riecht nämlich streng nach Autobiografie; erfolglose Schülerin versucht nun ihr Glück mit Geschichten, in denen sie sich ihre Sorgen herunterschreibt (?), und da ist meine Holzhammermethode hier sicherlich nicht die feine Englische. Jedoch: Gerade keine Laune, hier irgendwas schön zu färben.

Es ist nunmal nicht die erste Geschichte, die von Misserfolgen, Mobbing und tyrannischen Lehrern in der Schule berichtet. Und dass dazu noch auf so eine farblose Art, die den Leser schulterzuckend und ignorant zurück lässt. Da ist nichts dran, kein "Fleisch", nichts was einem sagt, es sei gut, die Geschichte zu kennen. Schon alleine die Protagonistin bleibt so blass und stereotyp wie nur irgend möglich, provoziert geradezu im Leser dieselbe Sicht des schnöden Lehrers auf die achso doofen Schüler in der letzten Reihe. Sollte das etwa der Sinn dieser Geschichte sein?

Ins Detail zu gehen, sowie Kritik am Technischen (Orthografie, Grammatik, Stil) will ich mir sparen, in diesem Stadium deines Textes wäre das reine Zeitverschwendung, weil, um es ganz hart zu sagen, von etwaigem Inhalt bestenfalls Konturen existieren.

Ich nehme an, du willst Verständnis für deine Hauptfigur im Leser erwecken, und dass er mal darüber nachdenkt, wie ignorant die Lehrer mit ihr umgehen wie mit jedem dieser "doofen" Schüler - an sich ist das ja ein gutes, wenn auch schon in der Literatur tausendfach durchgerolltes Thema. Umso weniger reicht es aus, einen Tag im Leben dieses Schülers bzw. dieser Schülerin nur hinzuskizzieren.
Du solltest diesen einen Tag möglichst detail- und vor allem kontrastreich gestalten, z.B. indem du dem Leser einmal Einblick in die Tagträume der Hauptfigur gibst und diese mit der unmittelbaren Realität der Schülerin in Bezug setzt (Schülerin vergleicht Mathelehrer mit ihrem Vater, ihr Optimismus ihrer allerersten Schultage von einst, o.ä.). Oder was sind das für Formeln an der Tafel? Zwar nicht relevant für den Kern der Geschichte, aber sie würden diese mit Konkretem füllen.

Ich erzähle nicht, was passiert, sondern wie etwas passiert; Ein Text ist erst eine Geschichte, wenn er sich im Kopf des Lesers in einen Film verwandeln kann. Das kann dieser hier nicht zu einem Maße, das mich als Leser befriedigt.


Soweit, FLoH.

 

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