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Seifenblasen

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10.11.2008
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Seifenblasen

1.

Ich stehe nocheinmal an jemem Ort an dem mein Bewußtsein sich einst formte. Der Mensch wird in dem Moment zum Wesen, in dem er seine erste Erinnerung erfährt und damit beginnt, Vergangenheit zu empfinden, zu wissen dass es ein gestern gab und vielleicht ein Morgen geben wird.

Ich liege unter der schweren Federdecke und starre an die mit bunten Bällen jonglierenden Clownsgesichter an der geschmacklosen Tapete meines Zimmers. Im schummrigen Licht der Abenddämmerung zeichnen die Astlöcher an der Decke schemenhafte Fratzen in meine Phantasie.
Ein großer Nachtfalter schlägt auf der suche nach Licht an meine Fensterscheibe und scheint unfähig zu verstehen, dass er dieses Licht nicht erreichen wird. An meiner Seite sitzt eine junge Frau und erzählt mir mit vertrauter Stimmer von einer Schlange, die Elefanten verschluckt.
Ich verstehe nicht viel, aber an die Schlange und den Elefanten erinnere ich mich und an die Zeichnung in dem kleinen Buch. Nach und nach lullt mich die vertraute Stimme der Frau mit den eisgrauen Augen, unterstützt vom gleichmäßigen raunen des Windes in den Tannen, in Morpheus schützenden Arme.
Vielleicht träume ich von Clowns und Riesenschlangen – ich weiß es nicht, aber ich fühle mich wohl.
Mit den ersten Sonnenstrahlen stehe ich auf, in der Küche duftet es nach frischem Kaffe und dem kalten Rauch, den ein Gast am Abend hinterließ. Ich spüre die Kälte des gefliesten Fußbodens unter meinen bettwarmen Kinderfüßen, die dürren Knie schlottern in der weiten Schlafanzughose - wie gefangene Tiere in einem Sack.
Die Frau mit den vertrauten eisgrauen Augen hat morgens eine andere Stimme und weniger Ruhe, sie rennt hin und her, erledigt allerlei und dann ist sie weg.
Ich bleibe zurück mit einer bärtig - brummeligen Gestalt, die kein Wort sagt, sondern die nächste Ewigkeit ihr ganzes Gesicht in eine Zeitung vergräbt. Ich betrachte dieses Gesicht bei Weilen, manchmal macht es mir Angst – ich weiß nicht einmal warum. Wenn ich mit ihm allein bin muss ich sehr aufpassen, nicht im weg zu sein, oder einen Fehler zu machen.
Später sitze ich auf der verstaubten Bodentreppe im Stall, wo der Bärtige unter einem Auto arbeitet – es sprühen Funken und er sagt, ich darf nicht hineinsehen – aber ich kann den Blick nie abwenden vom Feuer. Ich atme den Geruch des erhitzten Metalls tief ein. Es ist der Geruch meiner Kindheit und ich liebe ihn bis heute, so wie ich auch heute noch meinen Blick nie vom Feuer losreißen kann, er ist wie die Motte am Fenster - der Blick.
Ich sitze auf der Treppe und esse geröstetes Brot mit flüssigem Honig, der mir die Finger heruntertropft, sehe ins Feuer und Atme den den Duft des Feuers.

Kinder leben in einer schillernden Seifenblase, durch die man die Grautöne der Welt nicht sieht. Die tristeste Alltäglichkeit zeigt sich in den schillernden Farben einer Ölpfütze und die Welt besteht nur aus dem eigenen Erleben. Geschichten aus fernen Ländern sind wie die Nachrichten im Fernsehen, wie Märchen – mischen sich ins Leben und sind doch nicht wirklich.
Wirklich ist der Geruch von brennendem Metall, von Kaffee, das Gefühl nackter Füße auf kaltem Boden, die wärme der Bettdecke und der Wind in den Bäumen... wirklich und trotzdem mystisch.


Die Jahre gehen ins Feld und hinterlassen ihre Spuren in der Haut, der Seele, den Erinnerungen. Selbst die traumgleich unbewegten Jahre der Lethargie graben sich tief in unsere Erscheinung und unser Inneres ein.
Du schließt die Augen, beendest fortlebend deine Existenz und es könnte ewig so bleiben, wenn nicht irgendwann der verfluchte Moment käme, an dem du glaubst sie wieder öffnen zu müssen.
Der Moment in dem dich dann alles nicht nur zu überrennen droht, sondern dich gnadenlos nieder trampelt.
Der Blick in den Spiegel führt dir dann dein versäumtes Leben vor Augen. Deine Unfähigkeit, die unsagbare Feigheit vor dem Leben speien dir ins Gesicht ihren klebrigen fauligen Geifer und du beginnst in dieser Machtlosigkeit, dich selbst wieder zu lähmen.
Morgen, nächste Woche, nächstes Jahr wird sich alles ändern – ich muss nur untätig auf das Wunder warten welches mir jene Stärke gibt, die ich mein Leben lang vermisse.

Ich verfluche meinen Vater, den ich nie empfinden konnte, verfluche Gott, den ich nie gespürt, verfluche jene Menschen die so stark sind auf sich selbst zu achten und frage mich, was macht meinen Makel aus – welche Pille muss ich schlucken dass sie mich zu einem ganzen Menschen macht.
Wollte ich als Kind stets Kind bleiben kotzt es mich im Mannesalter an, noch eins zu sein – welche Windung meines Hirns muss ich durchschneiden, um endlich Mensch zu sein?
Bin ich Mensch zu wenig, oder doch zuviel? Sind alle um mich vielleicht nur Puppen an unsichtbaren Fäden deren Kraft nicht aus ihnen heraus, sondern aus fremdem Antrieb fließt?
Ich denke zuviel und zu gern um noch zu Handeln - bis das Versäumnis meiner Handlung den Gedanken wieder lähmt, sitze im Laufrad und bleibe in der Rotation, unfähig den nächsten Schritt zu tun, urplötzlich stehen - überschlage mich und bleibe benommen liegen – nicht mehr fähig aufzustehn.

Und wieder packt mich die Wut und die Lust, mein stinkend unfähiges Blut ins Antlitz der Erde zu ergießen, diesen verhaßten Körper auslaufen zu lassen, bis das letzte Fünkchen unwerten Lebens in mir erstickt. Auf jeden Topf paßt ein Deckel heißt es – doch bin ich nicht Topf noch Deckel, bin ich Mensch!!! Mein Topf ist die Erde – der Deckel aus Stein.
Wie ein roter Faden ziehen sie sich durchs Leben – hohe Erwartungen, unerreichte Ziele und zerplatzte Träume. Was gäbe ich um diese Träume meiner Kindheit noch einmal Träumen zu dürfen, mich noch einmal im naiven Sonnenschein des Lebens zu räkeln, die Wolken meiner Realität hinwegfegen zu können. Alles um mich verschwimmt zu schemenhaftem Nebel, ich versinke im Dumpf benebelter Sinne, lasse mich, mein Gefühl, meine Seele fahren...

Irgendwann platzt die Seifenblase und wir versuchen mit zahlreichen Mitteln uns neue zu schaffen, aber wir sind zu groß, unsere Träume sind zu groß um noch in die Seifenblase eines Kindes zu passen. Kinheitsträume platzen langsam – vielleicht passiert es in der Schule, vielleicht auch von ganz allein das wir uns dem nähern, was uns eigentlich fremd ist.
Als Junge habe ich oft Höhlen gebaut im Wald und Flitzebögen, sammelte liegengebliebenes Gemüse auf den Feldern und aß unreifen Mais. Ich grub tiefe Löcher in die Erde und saß Stundenlang darin.
Meine Hände haben die Erde nun lang nicht mehr berührt.

Der bärtige Mann ist mein Vater – damals spielte er mit Autos, damit ich etwas zu essen habe und mit Flitzebögen, Erdlöchern und Höhlen im Wald spielen, oder einem Netz Stichlinge fangen konnte. Als er aufhörte zu spielen und eine Arbeit nahm, damit wir besser leben konnten ist seine Seifenblase geplatzt und meine sollte es auch. Das schlimmste Verbrechen das Eltern begehen können ist der Verrat an ihren eigenen Träumen, denn haben sie die erst verraten, können sie die Träume der Kinder nicht mehr verstehen.
Bärtiger Mann, würdest du noch mit Autos spielen wäre ich vielleicht auch heute noch dein Sohn. Ich habe es damals begriffen und du zerbrichst noch heute daran, aber ich wollte es nicht mit dir teilen und bin gegangen, habe dir und den eisgrauen Augen meiner Mutter den Rücken gekehrt, um euch in eurem Laufrad zu vergessen – wenn ihr nicht mehr stark genug seid wird niemand da sein es für euch zu drehen, aber keine Angst! Unsere Laufräder drehen sich ganz von allein und es muss nur jemand ängstlich genug sein, um einzusteigen und darin zu rennen.

Ich für meinen Teil ging in die Welt, lebte in den Tag - und alle Zirkusdirektoren, die mir auf dem Weg begegneten, baten mir bereitwillig einen Platz in ihrem Laufrad, oder die Chance durch brennende Reifen zu springen, um mich anschließend in zwei Hälften sägen zu lassen. Sie sind raffiniert – die großen humanitären Gönner - verkaufen dir ihren Diebstahl als Geschenk und sitzen selbst im Rad. Sie glauben weil ihr Rad größer ist und besser geölt ginge es ihnen gut, aber auch ihres wird einst stehen, und dann werden sie sehen: Sie haben nur wie Hamster im Käfig gelebt.
Der große Unterschied zum Hamster ist wohl nur der, dass der Hamster seine Situation die ganze Zeit begreift und es ihm ziemlich egal ist.
Ich bin eine Zeit lang von einem Rad durch den Reifen zum nächsten gesprungen, habe mich ab und zu ansägen lassen um zu begreifen, dass ich dazu wirklich nicht Tauge - weder zum laufen, noch zum bauen der Räder. Ich denke das einzige was mir zu Gesicht steht ist es, ein Bremsklotz zu sein, der es den einen schwerer macht im Rad zu rennen, den anderen aber den Ausstieg erleichtert.

 

Hallo B Beck,

nicht nur die 1. ganz oben lässt mich vermuten, dass es sich hier um keinen vollständigen Text handelt, sondern um die Einleitung zu einem längeren.
Der ist sehr abstrakt, von der Idee her ordentlich, von der Ausführung allerdings in den Bildern inkonsistent, wirr und durcheinander.
Zudem strotzt er vor Fehlern, die ich dir in diesem Worddokument aufgelistet habe.

Lieben Gruß
sim

 

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