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Seine Spezialität

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29.04.2009
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Seine Spezialität

Der Gastraum war leer. An dem Tisch, der unmittelbar neben dem Tresen stand, saßen der Wirt in seiner schneeweißen Kochuniform und der junge Aushilfskellner, der gelangweilt an seiner Schürze herumspielte. Beide sprachen nicht. Sie waren auf einen Abend eingestellt, der kein Ende zu nehmen drohte. Denn bei dem kalten Januarwind würde sich kein Gast in das kleine Restaurant, in dem dunklen Weg außerhalb der Stadt, verirren. Doch plötzlich schrak der Kellner auf: „Da komm' zwei“, rief er viel zu laut aus. Ungläubig drehte der Koch seinen Kopf in Richtung der Tür. Und tatsächlich: Sie flog auf, ein Paar, in dicke Mäntel gehüllt, betrat das Restaurant. Der Mann trug seinen Hut tief ins Gesicht gezogen.
„Guten Abend!“, sagte der Wirt erfreut, bekam jedoch keine Antwort. Die Frau hielt einen kleinen Hund auf dem Arm, setzte ihn kurz ab, nur um ihn sofort wieder hoch zu nehmen, weil er wegen seiner noch zitternden Beine nicht vernünftig stehen konnte. Der Herr zog seinen Hut vom Kopf und warf ihn in einer lockeren Bewegung auf die Garderobe. Als er sich in Richtung des Tresens drehte, fiel dem Wirt schlagartig die Kinnlade herunter. „Das ist doch.... “, dachte er, „...ist er es wirklich? Das kann nicht sein!“ Er glaubte in dem Herrn einen alten Bekannten wieder zu erkennen, von dem er gehofft hatte, ihm niemals wieder in die Augen blicken zu müssen.
„Hallo, alter Verlierer!“, sagte der Herr erfreut. „Hier hinten bist du also gelandet. Wie lange ist das jetzt her...20, vielleicht 25 Jahre?“, fügte er fragend hinzu.
„Ungefähr...ja“, antwortete der Wirt, für alle offensichtlich, weitaus weniger glücklich über das unerhoffte Wiedersehen. „Darf ich vorstellen: meine Ehefrau“, warf der unerwartete Gast mit einer präsentierenden Handbewegung ein. „Und du? Hast du auch endlich eine abbekommen? Hast ja damals schon versucht bei den Frauen zu landen, doch leider wurden meistens Bruchlandungen daraus. Es mangelte dir einfach an Feingefühl!“
„Das sagt der Richtige!“, dachte der Koch bei sich. Er antwortete jedoch nicht, sondern stand auf, reichte beiden die Hand und wies lächelnd auf einen Tisch. Die Herrschaften nahmen Platz, der kleine Hund erkundete nun, da er laufen konnte, neugierig den fast menschenleeren Gastraum. Nachdem der Kellner die Karte gereicht hatte und zum Tresen zurückkehrte, nahm ihn sein Chef zur Seite und sagte leise: „Hör' zu! Ich möchte, dass du dir große Mühe gibst. Alles muss stimmen, klar?“ Man sah ihm seine Aufregung an, seine Blicke sprangen hektisch umher. „Klar,“ ,flüsterte der Kellner beruhigend, „so wie immer!“
„Besser!“, bellte der Weißbeschürzte lauter, drehte sich auf den Hacken um und verschwand in der Küche. Nervös lief er vor seinem Herd auf und ab, stellte Schüsseln und Gefäße in den Kühlschrank, nur um sie anschließend wieder exakt ausgerichtet auf der Arbeitsfläche zu positionieren, da er die sich darin befindenden Zutaten möglicherweise noch benötigte. Dies war für ihn die Gelegenheit, seinem alten Bekannten doch noch zu beweisen, dass er ein wahrer Virtuose am Herd war. Bei einem der letzten Zusammentreffen mit seinem damaligen Freund war er noch stolzer Besitzer eines gut gehenden Restaurants in der Fußgängerzone der nahe liegenden Stadt gewesen. Doch all das hatte man ihm genommen, woran der Bekannte unbewusst nicht ganz unschuldig war.
Der Kellner betrat, mit einem Zettel in der Hand winkend, die Küche.
„Einmal Rumpsteak, einmal Schnitzel Jäger Art für deinen Freund“, sagte er.
„Freund ist für den das falsche Wort!“, antwortete der Koch forsch. „Eher Kameradenschwein!“
„Wie auch immer. Rumpsteak und Jägerschnitzel, bitte“, wiederholte der Kellner geduldig, während er den Zettel am ansonsten leeren Brett befestigte. „Sollst du haben. Ich suche die besten Stücke heraus, die werden Augen machen“, entgegnete der Wirt, in Gedanken schon damit beschäftigt, wie er diese Gerichte zu einem unvergesslichen Erlebnis werden lassen konnte. Es verging einige Zeit, hin und wieder hörte man es klappern und brutzeln in der Küche. Der Kellner, mit zwei Gästen nicht gerade überfordert, bereitete die Servietten und das Besteck vor. Anschließend lauschte er mit einem Ohr der Musik im Hintergrund, mit dem anderen versuchte er, etwas von dem Gespräch am Tisch aufzuschnappen. Leider konnte er kaum etwas verstehen, doch was er hörte, ließ ihn nachdenklich werden. Der Herr erzählte seiner Gattin scheinbar einige Anekdoten aus der Zeit, als er und der Wirt noch eng miteinander befreundet waren. Die wichtigsten Fragmente der Erzählungen blieben ihm jedoch verwehrt, was auch daran lag, dass der Herr sie etwas leiser aussprach. Die Grundstimmung allerdings, das verstand er eindeutig, war nicht sonderlich heiter. „Wenn der so über seine Freunde spricht, “, dachte der Kellner, „kann ich verstehen, warum Chefe mich eben in der Küche so angefahren hat. Eines solchen Menschen Freund würd' ich auch nicht sein wollen!“ Plötzlich durchschnitt ein Klingeln aus der Küche seinen Gedankenfaden. Es war das Signal für ihn, das Essen abzuholen. Er betrat die Küche, dort stand der Wirt mit feucht glitzernder Stirn und zeigte auf die üppig ausgarnierten Teller: „Und?“, fragte er, „Wie sieht das aus?“
„Oha! Lecker sieht das aus“, staunte der Kellner, etwas verwundert auch darüber, dass
sich sein Chef wegen des unsympathischen Kerls im Gastraum mehr Arbeit machte, als es üblich war. Dazu sagte er jedoch lieber nichts, sondern nahm die Teller und verließ lächelnd die Küche. Der Wirt folgte ihm wenige Sekunden später nach, gerade als die Gerichte serviert wurden. „Guten Appetit!“, ließ er verlauten, legte die Schürze über die Rückenlehne seines angestammten Platzes und setzte sich auf eben diesen. Es dauerte nicht lange, bis sich der Herr zum Koch herum drehte und sagte: „Naja, wie früher halt!“ Für den Kellner war nicht gleich ersichtlich, ob diese Aussage nun als Kompliment oder eher als eine schlechte Kritik zu verstehen war. Der Wirt jedoch erkannte sofort, dass sein Bekannter diesen Kommentar keinesfalls positiv gemeint haben konnte. Er wollte es sich jedoch nicht anmerken lassen, schnappte nach seiner Schürze und begab sich auf kürzestem Weg zurück in die Küche. Wenige Momente später folgte ihm der Kellner, die beiden noch kaum angerührten Teller in seinen Händen haltend. „Was ist denn mit denen los?“, fragte er seinen Chef bestürzt. „So ’was Unfreundliches hab' ich hier lang' nicht bedienen müssen. Und dann soll ich mir auch noch Mühe geben.“
„Ich weiß, ich weiß. Mach' dir nichts draus, der war schon immer so. Bleib’ einfach freundlich. Was passt denen denn nicht?“, erwiderte der Wirt. Der Tellertragende verzog das Gesicht und zitierte in einer unangenehmen, der zickigen Stimme der Dame ähnlichen, Tonlage: „Das Steak ist zäh und von Sehnen durchzogen, die Jägersoße schmeckt sauer!“
„Die haben doch den Schuss nicht gehört!“, schimpfte der Weiße, „und nu'?"
„Du sollst dir was überlegen hat er gesagt!“, antwortete der Kellner, stellte die Teller ab und entschwand so schnell er eben konnte. „Dieser arrogante Mistkerl! Für wen der sich nach so langer Zeit immer noch hält. Unglaublich“, dachte der Wirt bei sich, während er den Finger in die Soße tauchte. „Dem werd' ich's zeigen!“
Er betrat den Gastraum, steuerte freundlich lächelnd auf den besetzten Tisch zu und
fragte auf halbem Wege: „Darf ich euch meine Spezialität zubereiten? Ich habe die Jägersoße gerade noch mal probiert, sauer ist sie nicht. Aber wenn's nicht schmeckt, dann schmeckt’s eben nicht. Ich bitte vielmals um Entschuldigung! Wenn ihr allerdings etwa eine halbe Stunde warten könntet, garantiere ich dafür, dass es euch munden wird.“
„Einverstanden“, antwortete der Herr sofort, „Dann warten wir natürlich.“
Dem Koch war durchaus bewusst, dass sein Bekannter nur darauf aus war, ihn erneut
niedermachen zu können. „Heute wird ihm das Lachen vergehen, dazu werd' ich's nicht kommen lassen“, überlegte er, schon auf dem Weg in die Küche.
„Das Essen kommt!“, rief er zurück, noch bevor sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. Wieder verging etwas Zeit und der Kellner fragte sich, was sein Chef wohl zubereitete, da er die Tür des Backofens hatte auf und wieder zu klappen hören. Einen Blick in die Küche verbot er sich jedoch lieber, weil er ansonsten befürchten musste die schlechte Laune seines Arbeitgebers zu spüren zu bekommen. Wieder einige Minuten später vernahm er erneut das Öffnen und Schließen des Backofens, worauf auch bald das Klingeln der Glocke ertönte. Der Kellner betrat den von leckersten Düften erfüllten Raum, erblickte begeistert die dampfenden Schüsseln, die dort aufgereiht standen.
„Nimm du die Beilagen, ich bring die Teller mit dem Fleisch nach“, befahl der Wirt.
Und so griff der Kellner nach den Schüsseln mit dem duftenden Rotkohl und den dampfenden Kartoffeln und machte sich auf den Weg zu seinen Gästen. Einen Augenblick später folgte der Wirt, zufrieden lächelnd, nach. „So!“, sprach er, „Ich bin mir sicher, dass ihr dieses Essen niemals vergessen werdet. Ich habe gezaubert, denn ihr sollt ja nicht umsonst so lang' gewartet haben. Lasst es euch schmecken. Natürlich auf Kosten des Hauses.“
„Danke schön, das ist aber freundlich!“, sagte die Dame, während sie gierig nach dem Besteck griff, weil ihr der herrliche Duft bereits das Wasser im Munde zusammen laufen ließ. Der Herr nickte anerkennend. Der Wirt nahm an seinem Tisch Platz und beobachtete die Speisenden unauffällig. Es war augenscheinlich sehr schmackhaft, die beiden sprachen kaum ein Wort miteinander. Nach einiger Zeit ging der Koch wieder herüber und erkundigte sich, ob er noch Soße oder Beilagen bringen dürfe. „Nein danke, “ entgegnete der Herr, „nur etwas Fleisch würde ich noch nehmen, das war nämlich ausgezeichnet. Ansonsten bin ich satt.“
„Das tut mir leid, aber Fleisch hab' ich keines mehr. Es gab leider nicht allzu viel von dieser Spezialität“, musste der Koch eingestehen.
„Schade, schade!“ stellte der Herr fest, „Doch ich muss dir meinen Respekt aussprechen. So ’was Gutes hab' ich tatsächlich nicht oft gegessen in meinem Leben.“ „Danke! Das glaub' ich dir sogar“, antwortete der Wirt, zur einen Hälfte von Stolz, zur anderen von Scham erfüllt. „Was war denn das?“, wollte die Dame wissen. „Kaninchen? Vielleicht kann ich es zu Hause einmal nachkochen.“ Der Wirt suchte kurz nach einer passenden Antwort und sprach: „Oh, das muss mein Geheimnis bleiben. Ich hab' ja vorhin gesagt, dass ich gezaubert habe; und ein Zauberer wird niemals seine besten Kunststücke verraten. Ich bitte das zu akzeptieren.“
„Selbstverständlich. Aber schade find' ich's schon“, antwortete sie und blickte zu ihrem Gatten hinüber. „Wir müssen dann jetzt wohl öfter kommen!“ Die Teller und Schüsseln wurden abgeräumt, die Dame putzte sich gerade mit der Serviette die Mundwinkel, als ihr etwas einfiel: „Wo ist eigentlich der Hund?“

 

Hallo tosh,

und willkommen auf Kurzgeschichten. de :)

Eigentlich eine ganz nette Idee, die du hier auftischst. Aber leider viel zu lang. Das, was du erzählen möchtest, ließe sich auch in einem Viertel des Textes unterbringen.
Was fehlt - und was unterkommen müsste! - ist die Beziehung der beiden Herren. Was genau knistert zwischen denen?
Mit diesen vagen Andeutungen verspielst du die eigentliche Spannung der Geschichte. So ist das nur heiße Luft, das Knistern nicht wirklich spürbar.

Fazit: Ausmisten und verdichten.
Ach ja - und ändere die Formatierung bitte. Linksbündig ohne erzwungene manuelle Absätze, au0er natürlich an den Stellen, wo sie hingehören. Mitten im Satz ist dies leserunfreundlich.
Die Leer-Absätze zum Schluss habe ich bereits herausgenommen. Auf solch billige Effekthascherei bitte verzichten ;)
Schau dir auch unbedingt noch einmal den Umgang mit der wörtlichen Rede um. Wenn Redebegleitsatz folgt, wird innerhalb der wörtlichen Rede nicht mit einem Punkt abgeschlossen:

„Wie auch immer. Rumpsteak und Jägerschnitzel, bitte.“, wiederholte der Kellner

grüßlichst
weltenläufer

 

Hi, tosh2space,
hat mir gefallen, aber auch mir fehlt als entscheidendes Bindeglied für das Handeln des Kochs, was da zwischen den Beiden vorgefallen war. Das wäre doch das eigentlich Interessante und dann kann ich mich als Leser auch ordentlich drüber freuen, wie der Koch es seinem Gast heimzahlt. So hab ich nur die Vordergrundhandlung und weiß nicht, wieso, weshalb, warum.:(

Erinnert mich an "Lamm Ämirstan" von Stanley Ellin.;), Nur dass in Sbirros Restaurant mit Hündchen erst mal garnicht angefangen wird.:cool:

Gerne gelesen
LG butterblume

 

Hallo tosh2space,
Dein Einstand, wenn ich das richtig sehe...ich finde Deine „Rache“-Geschichte ganz witzig. Der anachronistische Erzählstil passt im Prinzip und verleiht der Geschichte eine merkwürdige aber interessante Atmosphäre. Ich würde allerdings so entpersonalisierte Sätze wie „hin und wieder hörte man es Klappern und Brutzeln in der Küche.“ aktivisch umformulieren.
Ich stimme den Vorrednern zu: Das eigentlich Spannende lässt Du leider aus.
Unterhalten hast Du mich jedenfalls!
Gruß
TeBeEm

 
Zuletzt bearbeitet:

Es kann nur besser werden...

Hallo,

zunächst einmal vielen Dank für die konstruktive Kritik. Sie ist voll und ganz zutreffend, ich werde mich daran setzen. Diese Geschichte stellt nicht nur meinen Einstand bei KG.de dar, sondern sie ist meine allererste Geschichte. Ich "übe" also noch, Kritik bringt mich weiter!!! Mir war bewusst, dass die Geschichte unfertig ist, aber sie lag schon etwa ein Jahr unangetastet herum....und so dachte ich: erstmal einstellen, danach (mit Hilfe) überarbeiten!! ;)
Danke nochmal an alle!!!

mfg
tosh

 

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