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Sekunden
Ich öffne die Augen und blicke an die Decke und ein Gefühl steigt in mir hoch, dass ich zu gut kenne, aber nicht mehr kennen will, also schlucke ich es hinunter, da es eben nicht anders geht und ich warte darauf, dass die Nacht auf mich fällt, auch wenn ich sicher bin, dass dann kein Licht mehr hindurch kommen kann.
Nach ein paar Sekunden merke ich, dass die Nacht doch nichts anderes ist als die Nacht und meine Fingerspitzen wandern langsam zur anderen Seite des Bettes. Die erste, zarte Berührung lässt Sicherheit in mich zurückfluten und eine Ahnung von Vergangenheit. Ich lausche ihrem Atem. Ich wage es nicht mich zu bewegen, um die Ruhe nicht zu stören, die von ihr ausgeht.
Vorsichtig, ganz langsam wandert meine ganze Hand zu ihr hinüber und ich lege sie auf ihren warmen Körper. Ihre Haut verbindet sich mit meiner und ihre Wärme strahlt in mir fort und mit ihr kommen Gedanken und Gefühle zurück, die ich nicht einordnen kann, weil sie so vertraut sind und doch im Innern so fremd.
Ich fühle mich endlich zu Hause, zurück von einer viel zu langen Reise. All die Schmerzen sind nun weg und eine nie gekannte Erleichterung macht sich in mir breit. Ich fühle mich sicher und geborgen. Unbesiegbar und stark. Ich frage mich selbst, wo all die Zeit hin ist und warum ich so lange nicht hier war. Ich suche nach dem Gefühl meiner Sehnsucht, aber ich finde es nicht und Schließlich verliere ich das Interesse daran, denn die Gegenwart ist zu gut und liegt neben mir.
Sie erwacht trotzdem und dreht sich zu mir um. Sie fragt, warum ich nicht schlafe und ich sage ihr nur, dass ich froh bin, dass sie hier bei mir ist und es nicht mehr kalt ist. Ich blicke sie nicht an, meine Augen sind immer noch zur Decke gerichtet, aber ich weiß, dass ihre Augenbrauen sich zu einer unausgesprochenen Frage kräuseln und ein leichtes Lächeln ihre Lippen umspielt und in genau diesem Moment weiß ich, dass ich sie liebe. Sie rückt näher zu mir und ihr Kopf sinkt auf meine Brust. Sie liegt so nahe bei mir, dass wir eins werden können und ich schließe die Augen wieder, warte auf die Nacht.
Doch mit der Dunkelheit meiner geschlossenen Augen kommt der Zweifel zurück und ich weiß plötzlich, dass die Sicherheit doch gar keine ist. Die Wärme, die von ihr gekommen ist, gibt es nicht. Meine Hand liegt nicht auf ihrem Körper und eins bin ich höchstens mit mir alleine.
Es dauert einige Sekunden, bis ich leider richtig wach bin. Ich richte mich auf und aus dem Augenwinkel blicke ich ganz vorsichtig auf die andere Seite des Bettes und ich hoffe so sehr, dass ich nicht alleine hier bin in der Dunkelheit. Doch ich sehe nur die Leuchtziffern des Weckers. Meine Gedanken kehren in die Nacht zurück und ich versuche alles zu retten und nichts zu verlieren, doch es geht nicht. Es treibt immer weiter weg zu mir und ich kann es nicht erreichen. Ich stehe auf, gehe zum Fenster und blicke hinaus. Ich merke, dass mir Tränen über die Wangen laufen, denn ein leichter Wind ist aufgekommen und kühlt sie und versucht sie zu trocknen. Ich starre in die lautlosen Lichter der Stadt und ich frage mich immer und immer wieder, warum zum Teufel manche Sekunden so endlos sind.