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Sexy Girls und Schlumpfkalender
Zur Mittagsstunde jörge ich des Öfteren wachen Auges und strammen Fußes in Karstädte. Meine geheime Leidenschaft treibt mich, lässt mir keine Ruhe. Kalt schäkert es mir den Rücken herab, wenn ich nur an dieses Abenteuer denke. Ich bin in einen unauffälligen Gehrock gewandet, habe eine Plastiktüte in der Hand und passiere unbemerkt jede Piepschranke im Eingangsbereich. Ich sehe aus wie Derrick, nur dünner, jünger und ohne Brille. Die Treppe rollt mich ruckelnd ins Erdgeschoß. Ich luge um die Ecke und erblicke die Objekte der Begierde. Aufgehängt an Stahlgittergedöns baumeln sie im Winde der Einkaufszentrumsbelüftungsanlage. Kalender vom bereits angebrochenen Jahr. Die sind jetzt billig!
Die Auswahl ist groß dieses Mal. Ich lasse meine Augen über das Angebot schweifen. Plötzlich bleibt mir der Blick im Halse stecken. Was ich soeben erspäht habe, ist etwas Unglaubliches, etwas Gigantöses.
Es ist ein Schlumpfplaner (und der heißt wirklich so). Meist gekauft von Vätern, die keine Sonne von Pädagogik haben. Stolzen Schrittes kommt Papa Schlumpf dann mit dem Schlumpfplaner unterm Arm nach Hause gehoppelt und triumphiert Mama Schlumpfinchen entgegen: „Ich habe einen Planer geschlumpft.“
Erheiternd fände ich, wenn Politiker mit Schlumpfplanern rumlaufen würden. Stoiber beispielsweise. „Moment, ich schau mal schnell in meinem Schlumpfplaner nach“, würde er dann sagen, wenn ihm Angela einen Termin versucht reinzudrücken gewollt haben täte.
Auf der Rückseite des Planers steht, was „die Schlümpfe“ auf Französisch heißt: „les schtroumpfes.“ Das ist fast so lustig wie die Tatsache, dass Apfelsaft auf Finnisch Abbelesabbele heißt. Sinngemäß zumindest.
Besonders gefällt mir beim Schlumpfenkalender der Juli. Boshold Gargamel rennt einer Schlumpfherde hinterher und brüllt: „Ich kriege euch alle“. Gargamel will ja aus den Schlümpfen eine Suppe kochen und dieselbige dann an die Armen verteilen. Oder so was in der Art.
Mein geübter Blick gleitet weiter und bleibt an Sexy Girls kleben. Dieser Kalender mit Fotos von unheimlich lasziv dreinschauenden Models irritiert Karstadtkriminelle, die eigentlich nur gekommen sind, um Play-Station zu zocken. Die Novemberdame gefällt mir besonders. Sie schmiegt sich behände an kalte Kacheln.
Nebenan machen Sexy Boys talkshowkompatible Vorstadtgören wuschig, die nachmittags im Karstadt umherhorsten, weil Papa zu Hause besoffen randaliert. Heimlich kaufen sich diese Nachtschattengewächse einen Kalender mit sexy Kerlen und hängen ihn in den heimischen Kleiderschrank. In diesen wird dann wochenends zusammen mit Freundinnen reingeäugt und anschließend bei einer Runde Huba-Buba um die Wette gekichert.
Schon vom Januar bin ich tief beeindruckt. Ein Boy, der mit Sicherheit Raoul heißt, lehnt irgendwo in der amerikanischen Tundra lässig lüstern an einem Motorrad. Ein ziemlich einfallsreiches Motiv, wie ich finde. Während der Aufnahmen hat Raoul bestimmt acht- bis zwölfmal das Motorrad umgeschmissen beim sexy Draufrumlümmeln.
Ein Künstlerkalender mit Bildern von z.B. Renoir oder Monet macht ungefähr genauso viel Spaß, wie nachts um halb vier unbeschichtete Pfannen abzuspülen.
Blumen. Hier hat sich ein fescher Fotograf damit beschäftigt, schwarzweiße Mikroaufnahmen von allerlei Pflanzlichem zu machen. Leider sehen die detailblumigen Schnappschüsse für einen Durchschnittsassoziationsveranlagten wie mich allesamt aus wie Genitalien. Auch hier gefällt mir wieder ein Monat besonders gut. Die Juni-Primeln sehen aus wie Penisse.
Abfotografierte Steine schaffen es neuerdings auch in Kalender. Derartiges Druckwerk hängt bevorzugt in Bumsbuden von Jogalehrern. Der Novemberstein droht von einer Klippe zu stürzen. Tut er aber nicht. Tun beängstigend an der Kante herumsteinende Steine nie!
Klokalender sind ohne Frage ein Produkt der Restwitzverwurstungsindustrie. Die schlechtesten Zoten des letzen Jahres werden auf wenige Seiten komprimiert.
Besonders gut gefällt mir der Februar. Lustig tummeln sich hier Knüllerbrüller wie „nachts ist mit Dunkelheit zu rechnen“ oder „Chinesen essen mit Stäbchen, gut dass es in China keine Biber gibt.“
Pädagogisch wertvolle Bastelkalender findet man in den Wohnräumen junger Eltern. Kinder kritzeln lieblos zwölf Blätter voll oder bekleben sie mit dreckigen Gänsefedern und anderem Unrat. Das Schlimmste, was man jungen Eltern antun kann, ist es, am Bastelkalender der Sprösslinge rumzumosern. Pöbelnd stand ich letztlich vor dem jüngsten Kreativerzeugnis meiner Nichte. Man hätte natürlich einen Herbstbaum oder dergleichen Beschönigendes in rotgrünes Fingerfarbengefuchtel reininterpretieren können, ich beließ es bei einem zünftigen „Wassn das fürn Scheiß?“
Seither hat mich meine Familie verstoßen. Bei unbearbeiteten Bastelkalendern gefallen mir eigentlich alle Monate gleich gut, da sowieso keine Abbildungen vorhanden sind. Das lässt Platz für wildes Draufloskleben und unkontrolliertes Universalschmotzen.
Jetzt schaue ich mir einen Pferdekalender an. Wendylesende Zwölfjährige nageln sich diesen zu Neujahr ans Mietpony. Ich stehe nicht sonderlich auf Pferde. Bis auf das Maipferd. Dieses wurde porträtiert. Seine Frisur sieht verdammt nach Haarspray und Pflegelotion aus. Außerdem hat ein übereifriger Pferdefrisör ihm kitschige Zöpfchen in die Mähne geflochten. Wahrscheinlich war der arme Gaul auch noch männlich. Das sieht man bei Pferden ja auf den ersten Blick nie so genau.
Traumstrandkalender sind genau das Richtige für Leute, deren Freunde Mütze, Mücke oder Wolle heißen. Mein Lieblingsmotiv ist der März; Eine elegant geschwungene Palme, die ihr Leben an einem weißen Klischee-Ferrero-Sandstrand fristet. Im Vordergrund stelle ich mir ein Verbotsschild vor, auf dem wahlweise steht: „Hängematten verboten“ oder „Bitte nicht auf die Palme setzen!“
Der Extremsportkalender hängt ganz oben. Im April krallt sich ein Freeclimber nur mit seinem durchtrainierten Mittelfinger an einen Felsvorsprung und droht in den Abgrund zu stürzen. Tut er aber nicht. Tun beängstigend an der Kante herumbaumelnde Freeclimber nie!
Arschkalender sind Kinder des Arschtrends. Zwölf nackte Hintern gibt es zum Popopreis von nur 12,90 Euro. Besonders gefällt mir der Dezemberarsch. Er lugt aus einer roten Weihnachtsmannhose hervor.
Meine Expedition ist zu Ende. Ich bin informierter denn je, weiß Bescheid über Kalender, über Neuerungen und Feinheiten in der Branche. Heimlich, still und leise nehme ich meine Plastiktüte in die Hand, schaue mich um und verlasse pfeifend das Kaufhaus. Ach ja, ich bin übrigens der Kerl, der die Blätter aus den Kalendern in Karstädten reißt und sich seinen eigenen, individuellen Wandkollegen draus zusammenklamüselt.