Sicherheitshinweis
Noch in diesem Moment bin ich ein glücklicher Besitzer eines modernen Computers. Der Grund für diese Anschaffung ist die Aussicht auf die Möglichkeit der ungehinderten Nutzung des Internets gewesen. DSL und Flatrate heißen die Zauberwörter.
Mein erster Ausflug als zahlender Internetnutzer soll ein kurzer Abstecher zu meinem virtuellen Briefkasten sein. Ich rufe den Browser, das Internetprogramm, welches mir Zutritt zum World-Wide-Web verschafft, auf und gebe die Adresse meines eMail-Anbieters ein. „Augenblick!“, denke ich, denn mein Betriebssystem verlangt meine Aufmerksamkeit. „Sicherheitshinweis“, steht in dem Balken über dem Fenster. „Sie sind im Begriff, sich Seiten über eine sichere Verbindung anzeigen zu lassen. Keine der Informationen, die Sie mit dieser Site austauschen, kann von anderen Personen im Web gesehen werden“, steht auf meinem Bildschirm geschrieben. Acht von zehn Deutschlehrern wären in dieser Situation wegen der zwei einsamen Anglizismen auf dieser Site im Web völlig aus dem Häuschen. Da ich meist auf der anderen Seite im Klassenzimmer meinen Platz habe, bin ich über diese Nachricht erfreut, nehme sie zufrieden zur Kenntnis und klicke den OK-Butten.
Ein zweites Fenster öffnet sich: „Sicherheitshinweis“. Weiter ist dort zu lesen: „Informationen, die Sie mit dieser Site austauschen, können von anderen weder gesehen noch verändert werden“. Danke, das hatten wir bereits, denke ich und lese weiter. „Das Sicherheitszertifikat ist jedoch fehlerhaft“, muss ich erfahren. In diesem Moment bin ich ein etwas beunruhigter Besitzer eines modernen PCs. „Das Sicherheitszertifikat stammt von einer vertrauenswürdigen Zertifizierungsinstitution“ - begeistert über das Hauptwort mit sechs i's - und den Inhalt dieses Satzes lese ich weiter. „Das Datum des Sicherheitszertifikats ist gültig. Der auf dem Sicherheitszertifikat angegebene Name ist ungültig oder stimmt nicht mit dem Namen der Site überein. Soll der Vorgang fortgesetzt werden?“ Ich verstehe die Frage nicht. Natürlich will ich fortfahren. Schließlich möchte ich meine eMails lesen.
Ich klicke „Ja“ an und ein drittes Fenster geht auf. „Sicherheitshinweis – Diese Seite enthält sowohl sichere als auch nicht sichere Objekte. Möchten Sie die nicht sicheren Objekte anzeigen?“, fragt mich der Computer. Sagte dieser Kasten mir nicht eben, diese Site sei sicher?
Ich lasse mir alle Objekte anzeigen und erreiche endlich die Homepage meines Providers. Dann klicke ich auf das Feld, das mich zu meinen eMails führt. Ein vierter Kasten geht auf und warnt mich: „Sicherheitshinweis: Sie sind im Begriff, eine gesicherte Internetverbindung zu verlassen. Daten, die Sie senden, können auch von anderen Personen im Web gelesen werden“. Unruhe macht sich in mir breit. In diesem Augenblick bin ich ein leicht verunsicherter Besitzer eines modernen Computers.
Aber ich will an meine eMails und wähle „eMail starten“. Erneut öffnet sich ein Fenster: „Sicherheitshinweis – Sie sind im Begriff, sich Seiten über eine sichere Verbindung anzeigen zu lassen. Keine der Informationen, die Sie mit dieser Seite austauschen, kann von anderen Personen im Web gesehen werden“. Ich befinde mich in einem Wechselbad der Gefühle. Ich bin wieder auf einer sicheren Seite! Jetzt bin ich ein mutschöpfender Besitzer eines modernen Computers.
Ich gebe meinen Webnamen ein: „W-E-B-N-A-M-E“. Und verschaffe mir mit meinen Passwort „**************************************************************************************************************************************************************************************************************************************************************************************************“, das mit 290 Zeichen vielleicht etwas lang ist, Zutritt zu meiner Post. Kasten Nummer sechs erscheint auf dem Bildschirm: „Sicherheitshinweis: Sie sind im Begriff, eine gesicherte Internetverbindung zu verlassen. Daten, die Sie senden, können auch von anderen Personen im Web gelesen werden“. Ich nehme dies zunächst zur Kenntnis und eine nette weibliche Stimme sagt: „Sie haben keine neue Post“, und ich erinnere mich an das letzte Fenster. Meine Daten können von anderen Menschen gelesen werden? Ich bin schockiert und überlege, wem ich was per eMail bereits alles geschrieben habe. In dieser Sekunde bin ich der repressive Eigner einer neumodischen, Energie verbrauchenden Anhäufung von elektronischen Kleinteilen.
Während ich noch völlig verstört darüber nachdenke, melde ich mich ab und ein siebenter Sicherheithinweis öffnet sich: „Sie sind im Begriff, sich Seiten über eine sichere Verbindung anzeigen zu lassen. Keine der Informationen, die Sie mit dieser Site austauschen, kann von anderen Personen im Web gesehen werden“. Ich sehe mich dem Ende dieser Odyssee nahe und schließe die Meldung mit OK. Sofort erscheint Sicherheitshinweis Nummer acht auf dem Bildschirm: „Sie sind im Begriff, eine gesicherte Internetverbindung zu verlassen. Daten, die Sie senden, können auch von anderen Personen im Web gelesen werden“.