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Sie haben's geschafft (2)
Ich stehe vor dem Schultor, will nicht hineingehen, ich könnte einfach gehen, abhauen, diesen Teil meines Lebens zurücklassen, weg von ihnen. Ich fasse meinen letzten Mut und mache mich, zögernd, auf den Weg in meine Klasse.
Sie warten schon auf mich, ihr schelmisches Grinsen lässt mich meine Hoffnungen vergessen, Tränen schießen mir in die Augen, ich entschließe mich auszutreten, erst in die Klasse zu gehen, wenn eine Lehrperson dort ist, wenn ich sicher bin.
Ich drehe den Wasserhahn auf, will mein heißes Gesicht waschen, sehe in den Spiegel, sie stehen hinter mir, lachen.
Sie kommen auf mich zu, ich will ausweichen, kann nicht, ich höre sie lachen, spüre einen Schlag in meine Bauchhöhle, ich will kotzen. Doch schon spüre ich die Faust in meinem Gesicht, ich höre ihr lachen, sehe wie das Blut über meine Hände strömt, schmecke den Geschmack von Eisen in meinem Mund.
Ich liege auf dem kalten, nassen Fliesenboden, in meiner Blutlache. Das Atmen fällt mir schwer, jede Bewegung schmerzt und ich zittere. Ich wünsche mir weinen zu können, doch ich friere so sehr, schließe einfach meine Augen und warte darauf, in meinem Bett aufzuwachen.
Jemand redet auf mich ein, hebt mich vorsichtig und zart hoch, ich sehe meine Lehrerin, sie ist besorgt.
Ich bin zu Hause, liege, sage kein Wort, kann keinen klaren Gedanken fassen, nur das Wort "wieso" kommt mir in den Sinn.
Ich darf Schule wechseln.
Ich habe Angst in der Klasse zu sein. Alle schauen mich an, mein entstelltes Gesicht. Ich bin ein Außenseiter. Auch sie werden mich nie mögen.