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Sie hieß Djäääsica
Dieses ist eine fast wahre Geschichte
Ich wache auf.
Für alle „Nichtseefahrer“ zur Erklärung:
Wenn Sie zu Hause mitten in der Nacht aufwachen, sind Sie noch schlaftrunken;
tasten vielleicht mit der Hand in das andere Bett (`aha ist sie noch da`),
suchen den Schalter Ihrer Nachttischlampe, knipsen das Licht an (`..ach es ist ja erst zwei Uhr`);
drehen sich wieder um und schlafen schnell weiter.
Wenn man in der Nacht auf einem Segelboot aufwacht, bedeutet dieses zwar nicht, dass man sofort hellwach ist, aber wachsam.
Mein Boot schaukelt und ich weiß auch gleich, warum.
Aus der Ferne höre ich die Diesel eines großen Schiffes:
Brumm, brumm, brumm, brumm …
Brumm, brumm, brumm, brumm …
brumm, brumm, brumm, brumm….
Nach jedem vierten „brumm“ setzt das Geräusch aus, als ob der Motor sich verschluckt hat und dann läuft wieder alles ganz normal weiter.
Das ist ein Phänomen, dass mir schon oft aufgefallen ist.
Noch habe ich nicht herausbekommen, warum dieses so ist, man hört diese Abnormalität nur nachts.
Nun weiß ich also, warum mein Boot plötzlich so heftig geschaukelt hat;
Die Wellen, die von dem vorbeifahrenden Schiff ausgingen, haben meinen Ankerplatz erreicht.
Es gibt also keinen Grund zur Aufregung, ich kann beruhigt sein.
Trotzdem kann ich nun nicht weiterschlafen.
Ich denke an ein altes Seemannslied:
Finster ist die Nacht,
und kein Sternlein lacht,
nur in seine Koje der Matrose wacht ...
und kein Sternlein lacht?
Das bringt mich auf die Idee, einmal hinauszuschauen.
Ich schiebe mein Luk auf und – blicke in den sternenübersäten Augusthimmel.
Just in gleichem Moment beginnt im Radio Louis Armstrong mit dem Lied
„What a wounderfull Word“.
Es gibt Momente im eigenen Leben, die man anderen Menschen nicht erklären kann; dieses ist so einer und ich habe ihn erlebt.
Ein leichtes Glucksen des Wassers am Boot - der Sternenhimmel über mir - diese Musik.
Meine Welt ist in diesem Augenblick perfekt.
Der Song ist zu Ende, ich höre eine Frauenstimme irgendetwas sagen und dann beginnt ein Sänger mit einem neuen Lied.
Sie haben ein musisches Gefühl und einen musikalischen Verstand.
Deshalb wissen Sie auch, dass es Musikstücke gibt, die man nicht hintereinander spielen darf …………
So auch hier, nach L.A. kann man nicht plötzlich einen Schlager hören und das dazu in diese Stimmung.
Nun:
Es ist nicht zu ändern und ich höre einfach darüber hinweg.
Aber jetzt – der Refrain klingt aus dem Radio.
„Sie hieß Djääääääääsica“
Hätte er ganz normal gesungen: Barbara, Anica oder Monika, meinetwegen auch Nicolle, oder Angelique.
Aber nein, er singt;
„Sie hieß Djääääääsica“
Es gellt in meinen Ohren
und nicht genug damit, als hält mich dieser „Sänger“ für geistig unterbemittelt, wiederholt er es extra für mich, damit ich auch wirklich begreife, wie sie hießt:
„einfach Djääääääsia“
Ich richte mich ruckartig in meiner Koje auf, stoße mir natürlich den Kopf an der Ablage über mir, will nach dem Radio greifen, es fällt dabei vom Tisch und ich muß –bis ich es wieder gefunden habe und auf die Austaste drücken kann – die Wiederholung des Refrains anhören.
„Sie hieß Djääääääsica
einfach Djäääääääsica“.
Jetzt habe ich endlich auf die Austaste drücken können, es ist still.
Ich krieche aus der Kajüte, setze mich auf das Deck meines Bootes,
versuche meinen Puls wieder auf ein normales Maß zu bringen und schmiede dabei Rachepläne.
Wenn mein Sohn sein Jurastudium in diesem Jahr schon beendet hätte und Rechtsanwalt wäre, ich würde mit seiner Hilfe klagen;
gegen den Sänger,
den Komponisten,
den Texter.
Vielleicht auch gegen den Sender, die Ansagerin, den Programmdirektor, die GEZ, die EU – gegen wen auch immer –irgend Jemand muß doch für diese geistige Folter zur Verantwortung gezogen werden.
Vielleicht auch gegen die Grünen – die haben in der Vergangenheit selber gegen alles und jeden protestiert und sind dabei bis in den Bundestag gekommen, manche sind sogar Minister geworden – nur gegen so etwas unternehmen sie nichts.
Einen konkreten Entschluss kann ich hier – unter dem norddeutschen Sternenhimmel an Deck meines Bootes – nicht fassen.
Gleich nach End dieses Segeltörns werde ich in meinem Testament festlegen, dass jeder meiner Nachkommen vom Erbe ausgeschlossen wird, der sein Kind Djäääsica nennen wird.
Diese Regelung soll bis an das Ende alle Tage gelten.
Diese Entscheidung hat mich befreit, mein Adrenalinspiegel und mein Pulsschlag sind wieder auf das normale Maß reduziert, ich kann den Rest der Nacht in Ruhe und Zufriedenheit verbringen und Sie (den Leser) mit weiteren Schilderungen dieser Nacht verschonen.
Damit ist das Thema beendet und die Geschichte erzählt.
Bitte gestatten Sie mir, weil Sie gerade so geduldig zuhören, noch eine kurze Anmerkung.
In unserem Land gibt es eine Zeitung, die angeblich niemand kauft und niemand liest, jedoch weiß jeder, was darin steht.
Sie kaufen diese Zeitung natürlich auch nicht, wissen aber, dass Ihr Nachbar Kurt jeden Morgen zur Bude geht; extra, um sich dieses Blatt zu holen. (Sie vermuten; dass Kurt sich dabei auch gleich oder hauptsächlich seine Tagesration mitbringt.)
Naja, dieser Kurt - das ist ein gesondertes Thema….
Es kann sein, dass es eines morgens an Ihrer Tür heftig schellt, Sie öffnen, Kurt steht aufgeregt davor – dieses besagte Blatt in der Hand haltend -, wartet Ihren Morgengruß gar nicht ab und sprudelt los:
„Lies mal was hier steht, die Welt wird immer verrückter.“
Natürlich lässt er Sie nicht lesen – er tut es selber:
`Brutaler Überfall auf eine junge Mutter (das ist die fette Schlagzeile).
Die 27 jährige Natalie B. wurde von einem vermutlich geistesgestörten Mann angefallen und
schwer misshandelt.
Während die 5 jährige Tochter mit anderen Kinder auf dem Spielplatz herumtollte,
beobachtete die Mutter das lustige Treiben der Kleinen.
Plötzlich näherte sich ein Mann der Bank, auf der Natalie B, mit anderen Müttern saß und fiel ohne Vorwarnung und ohne jeden ersichtlichen Grund über die junge Frau her.
Kurt liest den Rest dieser brutalen und grausigen Geschichte vor, und brabbelt dann vor sich hin:
`Was heute alles so passiert ….
Gleich einsperren…. Wäre früher nicht passiert…`
Sie lächeln in sich hinein, weil Sie als Einzige in diesem Lande die Wahrheit kennen.
Der Mann war nämlich nicht auf die Mutter losgegangen, sondern, als diese ihre Tochter rief, in plötzlicher Hast von seiner Bank aufgesprungen und davongelaufen.
Das unschuldige Kind hieß
Djääääääsica.