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"Sie werden kommen!"

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15.03.2003
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"Sie werden kommen!"

"Sie werden kommen!", hatte er gesagt. "Sie werden uns holen!", hatte Brian mehrmals gewarnt und keiner hatte ihm geglaubt.
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"Mama!", rief Brian verängstigt. "Sie haben wieder angerufen!"
Er wusste nicht mehr wann der erste Anruf kam. Der fünf Jahre alte Brian, der mit seinen Eltern in einem ruhigen Vorort von Los Angeles wohnte, konnte zuerst nicht recht glauben, was passierte. Nie hatte ihn jemand auf seinem kleinen Spielzeugtelefon angerufen. War dies überhaupt möglich? Seit einiger Zeit hatte er schon gar nicht mehr damit gespielt und plötzlich fing es an zu klingeln. Es war im Wandschrank untergebracht und das Klingeln drang gedämpft und gleichmäßig durch das Holz der Eichentür. Brian saß im Wohnzimmer und sah mit seinen Eltern eine Quizshow an, die jeden Abend um die selbe Zeit zu sehen war. Verträumt lag er auf dem Schoß seiner treusorgenden Mutter und genoss ihre warme Hand, die ihm durch die Haare fuhr. Er ahnte noch nichts von dem Unheil, das kommen würde.
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Verängstigt lag Brian unter der Decke. Eingekugelt wie eine Kellerassel die Schutz suchte. Er zitterte und wiederholte immer wieder die Worte: "Bald sind sie hier!"
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Als Brian nach der Quizshow ins Bett gehen sollte, hörte er es dann zum ersten Mal. Er ging die Stufen der breiten Holztreppe hinauf, als er das Klingeln bemerkte. Deutlich war es für ihn zu erkennen, dass dieses Geräusch aus seinem Zimmer drang und neugierig lief er die Treppe hinauf. Eilig schaltete er das Licht an, es war schon dunkel draußen, und suchte die Quelle des Klingelns. Es war aufgeräumt, und so wurde er schnell auf den Wandschrank aufmerksam, aus dem noch immer das monotone Klingeln des Spielzeugtelefons drang. Langsam, ein wenig ängstlich, hob Brian die Hand, um den geschlossenen Wandschrank zu öffnen. Genauso langsam wie er schon ahnte, dass sein altes Spielzeugtelefon, das nicht mal eine Klingel besaß, der Ursprung war.
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"Ich dachte du spielst nicht mehr mit deinem Telefon.", hatte sie gesagt.
"Lass ihn doch, wenn er es doch will!", hatte er gesagt.
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Zögerlich legte er seine Hand auf das kalte Holztelefon. Es vibrierte leicht. Er atmete noch einmal tief ein und drückte dann den Hörer gegen sein Ohr. Es hatte aufgehört zu klingeln. Leise und vorsichtig sagte Brian: "Hallo?" Niemand antwortete und gerade wollte er auflegen, da dröhnte eine Stimme aus dem Telefon:
"Wir werden kommen! Wir werden euch alle holen!" Nicht nur das, was sie sagte, beunruhigte Brian, sondern erst recht der Klang der Stimme, die zu ihm sprach. Es klang als spreche jemand durch eine große Röhre. Sie klang dazu noch kratzig und betonte die Worte "kommen" und "holen", indem sie in der Tonlage einige Oktaven höher sprang.
"Wer... wer ist da?", wollte Brian, vor Angst stotternd, wissen. Kaum hatte er seine Frage ausgesprochen, begann das Lachen. Nicht nur der Anrufer lachte, sondern tausend weitere Stimmen waren im Hintergrund zu hören und Brian wusste nun, warum der Anrufer "wir" gesagt hatte.
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Vorsichtig blickte Brian unter seiner Bettdecke hervor. Still stand das Holztelefon auf seinem Nachttisch. Er fragte sich, ob sie noch mal anrufen würden, vor ihrer Ankunft.
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Zitternd und weinend rannte Brian aus seinem Zimmer. Er glaubte an das, was er gehört hatte und wollte seinen Eltern davon berichten. Schnell eilte er die Stufen hinunter und sprang auf die Couch, genau zwischen seine Eltern.
"Schatz, was ist denn los?", fragte seine Mutter und wischte ihm eine Träne von der Wange.
"Mei... Mei... Mein Telefon. Es hat ge... geklingelt.", antwortete er und versuchte dabei das stetige Zittern in seiner Lippe unter Kontrolle zu bringen.
"Wie? Dein Telefon hat geklingelt? Du weißt doch sicher schon, dass Telefone, die aus Holz sind nicht funktionieren." Natürlich wusste er das.
"Etwas das keine Klingel hat, kann auch nicht klingeln. Verstehst du das?" Sein Vater legte ihm seine Hand sanft auf den Kopf.
Brian konnte nicht verstehen, wie seltsam sich seine Geschichte anhörte. "Sie werden kommen.", sagte er. "Sie werden uns holen."
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Ob es wohl geholfen hätte, wenn er das Telefon einfach auf den Müll geschmissen hätte. Aber irgend etwas zwang ihn herauszufinden welche höllischen Wesen ihn terrorisierten.
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Am nächsten Abend klingelte das Telefon erneut. Brian hatte den ganzen langen Tag versucht seine Eltern davon zu überzeugen, dass er sich nichts einbildete, dass er die Wahrheit sprach und nun war es ihm egal. Was sollten seine Eltern denn auch tun? Ihm war klar, sie würden es niemals verstehen. Er nahm den Hörer ab und hörte ein Keuchen, ein nach Luft ringendes Keuchen, das dann überging in die Worte: "Bald sind wir da! Du kannst nicht entkommen!"
"LASST MICH IN RUHE!", schrie Brian. "LASST MEINE ELTERN IN RUHE!" Wieder folgte quiekendes Gelächter und das Keuchen setzte sich fort.
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An jedem der vielen Tage war er ans Telefon gegangen. Er konnte nicht mehr schlafen vor Angst und konnte nichts mehr essen.
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"Komm, lass los!", schrie seine Mutter. "Das Telefon muss endlich weg. Ich will nicht mit ansehen wie es unser Leben, wie es DEIN Leben zerstört!" Sie senkte ihre Stimme auf ein liebliches Niveau. "Sei so gut. Gib es her."
"NIEMALS!", entgegnete ihr Brian und die Adern an seinem Hals waren aufgebläht vor Wut. Wieso verstanden sie nicht, dass er wissen musste, wann die Ankunft war. Er musste auf den Anruf warten, der das Ende bedeuten würde. "LASST MICH ENDLICH IN RUHE!" Er hatte ihnen sogar das Klingeln gezeigt, ihnen den Hörer in die Hand gegeben und sie behaupteten noch immer nicht zu hören. Seine Eltern schüttelten besorgt den Kopf. Brian glaubte Tränen in den Augen seiner Mutter zu sehen, als sie eilig den Raum verließen.
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"Oh mein Gott! S... S... Sie sind da!", flüsterte Brian zu sich selbst, als er die Haustür auffallen hörte, und stellte sich die verzogen Fratzen, dieser kleinen unterirdischen Wesen vor, die ihn bedrohten. In den letzten Tagen hatte er Bilder gezeichnet. Er hatte sie genau so gezeichnet wie er sie sich vorstellte. Kleine koboldähnliche Monster, mit rassiermesserscharfen Zähnen und einem roten Glühen in den Augen, das den Ursprung im Brennpunkt der Hölle hatte. Die Bilder hatte Brian überall in seinem Zimmer aufgehängt. Er wickelte sich immer fester in seine Decke hinein. Er konnte die schon die vielen Schritte auf der Treppe hören, die immer näher kamen. Und schließlich konnte er den Schatten erkennen, der unter der Tür das Licht verschluckte, das ins abgedunkelte Zimmer drang. Als die Tür sich öffnete betraten seine Eltern den Raum. Doch jemand war bei ihnen. Zwei Männer.
"Brian?", sagte seine Mutter. "Diese Männer werden dich mitnehmen."
Brian verstand das nicht. Was war da los? "W... Wieso?", fragte er und schaute mit unschuldigem Hundeblick seine Eltern an.
"Du lässt uns doch keine andere Wahl. Ein ganzes Jahr telefonierst du schon mit deinen angeblichen Monstern. Du isst nur noch selten etwas und verlässt dein Zimmer nicht mehr." Was versuchte sie ihm da zu sagen. Er verstand es nicht.
"Und du bist von der Schule geflogen, aber das schlimmste für uns waren allerdings die paar Abende an denen du uns mit dem Messer bedroht hast, weil wir dir dein Telefon wegnehmen wollten." Sie fing wieder an zu weinen und die Männer trugen den um-sich-schlagenden Jungen aus dem Haus.

 

Sehr schön! Gefällt mir gut! Spannend, gut aufgebaut, flott zu lesen und auch ein origineller Schluß.

Nur ein paar Detailkritiken hätte ich:

Brian saß im Wohnzimmer und sah mit seinen Eltern eine Quizshow an, die jeden Abend um die selbe Zeit zu sehen war. Verträumt lag er auf dem Schoß seiner treusorgenden Mutter und genoss ihre warme Hand, die ihm durch die Haare fuhr. Er ahnte noch nichts von dem Unheil, das kommen würde.
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Verängstigt lag Brian unter der Decke. Eingekugelt wie eine Kellerassel die Schutz suchte. Er zitterte und wiederholte immer wieder die Worte: "Bald sind sie hier!"
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Als Brian nach der Quizshow ins Bett gehen sollte, hörte er es dann zum ersten Mal. Er ging die Stufen der breiten Holztreppe hinauf, als er das Klingeln bemerkte. Deutlich war es für ihn zu erkennen, dass dieses Geräusch aus seinem Zimmer drang und neugierig lief er die Treppe hinauf. Eilig schaltete er das Licht an, es war schon dunkel draußen, und suchte die Quelle des Klingelns. Es war aufgeräumt, und so wurde er schnell auf den Wandschrank aufmerksam, aus dem noch immer das monotone Klingeln des Spielzeugtelefons drang. Langsam, ein wenig ängstlich, hob Brian die Hand, um den geschlossenen Wandschrank zu öffnen. Genauso langsam wie er schon ahnte, dass sein altes Spielzeugtelefon, das nicht mal eine Klingel besaß, der Ursprung war.

Diese Passage solltest du als einzige vielleicht noch mal überdenken. Hinsichtlich Chronologie als auch Dramaturgie. Der Leser hat ein bißchen Schwierigkeiten, vorher und nachher auseinanderzuhalten, außerdem wird in der Passage etwas erzählt, was der Leser schon vorher wußte - daß das Telefon im Schrank klingelt. Deshalb kommt keine allzu große Spannung auf.
Außerdem finde ich "Quizshow" nicht übermäßig originell, mir fällt spontan aber auch nichts Besseres ein. Vielleicht eine bestimmte Zeichentrickserie...? Oder eine an sich harmlose Gruselsendung, die Brian dennoch verängstigt und "verwirrt" haben könnte?

Nicht nur das, was sie sagte, beunruhigte Brian, sondern erst recht der Klang der Stimme, die zu ihm sprach.

Dieser Satz ist imho völlig überflüssig.

"LASST MEINE ELTERN IN RUHE!"

Mir persönlich gefällt es nicht, mit Großbuchstaben die Lautstärke oder die Bedeutung eines Satzes hervorzuheben. Ich finde, das sollte allein durch die Sprache rüberkommen (tut es bei dir auch), aber vielleicht bin ich in dem Punkt auch ein wenig altmodisch.
Außerdem fände ich es besser, wenn der kleine Junge rufen würde: "Laß meine Mama und und meinen Papa in Ruhe!"

Aber ansonsten: Prima!

Gruß Menedemos

 

Danke für deine positive Kritik. Deinen Verbesserungsvorschlägen kann ich zustimmen. Über die Ausrufe musste ich mir beim Schreiben auch Gedanken machen. Hab mich dann für die wirklich laute Variante entschieden ;-)

Gruß zurück,
FLOBO

 

Hallo Flobo,

gute Geschichte -

erinnerte anfangs an einen alten Film von Steven Spielberg - dessen Titel mir grade nicht einfällt, kam kurz nach E.T. raus - überraschte dann aber doch mit dem Ende(den Wahnvorstellungen).

Fast, jedenfalls...

Nachdem die Eltern am Telefon nichts mitbekamen, mussten die Monster, die letztendlich erscheinen, ja weisse Kittel tragen, grins...

Trotzdem eine gute Geschichte, die allerdings einen zu erzählerischen Stil hat. Dadurch, dass Du zuwenig - von der ersten Begegnung mit den Stimmen mal abgesehen - auf die Gefühle des Jungen eingehst, geht meiner Meinung nach sehr viel von der Stimmung innerhalb der Geschichte verloren.

Die andauernde Wiederholung, dass sie "kommen", nervt irgendwann. Da wäre weniger mehr gewesen, glaube ich. Aber das ist nur meine Meinung.

Lass Dir davon nicht die Laune vermiesen und schreib weiter, grins

Henry Bienek

 

Auch dir danke für die Kritik.
Der Film, den du vermutlich meinst, heißt JOEY und ist von Roland Emmerich, nicht von Spielberg. Als ich mir die Handlung für die Geschichte ausgedacht habe, hatte ich allerdings noch nicht an den Film gedacht. Als ich fertig war, und nochmal korrekturlas, musste ich allerdings Schmunzeln, da das Telefon und der Wandschrank in JOEY auch vorkamen. Aber die böse Puppe ist Hauptelement von JOEY und nicht das Telefon.

Gruß,
FLOBO

 

Hi Flobo,

Joey war von Emmerich??? - upsi, da hab ich wohl was verwechselt - aber genau den meinte ich...

Henry Bienek

 

Kompliment.
Sprachlich sowie inhaltlich sehr überzeugend.
Man muss schon ein bißchen grübeln, um darauf zu kommen, dass der Protagonist ganz plötzlich nicht mehr 5 ist. Sicher, wenn er zur Schule geht und seine Eltern mit dem Messer bedroht, wird er schon älter sein, aber man kommt erstmal nicht darauf , weil die erzählte Zeit dem Leser nur indirekt mitgeteilt wird

liebe Grüße,
Figaru

 

Hi Flobo,
obwohl ich eigentlich nicht so sehr auf Grusel und Horror steh´ ("Sleppy Hollow" sitzt mir immernoch in den Knochen) hat mich deine Geschichte sofort gefesselt: Spannend geschrieben und vor allem mit unerwartetem, ziemlich realem Ende.
Ich würde gerne mal wieder eine neue Geschichte von dir lesen. Na, wie sieht´s aus?...
Bis bald, Sarah ;)

 

hi sarah, hi gcsha!

Es freut mich, dass mal wieder jemand meine Geschichte entdeckt hat.
Das Problem mit dem "Mitgefühl erzeugen" kann ich verstehen. Damit komme ich oft nicht klar. Ein guter Grund dran zu arbeiten :)

Danke für die Kritik,
Flobo

 

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