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Sinnvoll Sinnlos

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25.04.2005
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Sinnvoll Sinnlos

Der Himmel schwebt milchig über die hohen rostigen Antennenspitzen. Fadig ziehen Flugzeuge ihre Schleier. Ein Vogel durchkreuzt das Muster und macht es doch nicht kaputt.
Grelle Kindergeräusche von der Straße - Jungen, die Steine schnipsen. Eine alte Frau kommt und fragt nach dem Sinn. Sinnlos. In diesem Sinne verlasse ich mein vom Zigarettenrauch vergilbtes Fenster meiner teuren, aber unsanierten Mietwohnung am lauten Kreisverkehr. Und sie ist teuer, weil sie gut gelegen ist. - Und ich weigere mich die Fenster zu putzen . Ich werde bald ausziehen. Seit zwei Jahren. Ich wische etwas Staub vom Schrank und puste es unten in den Wind der zufallenden Eingangstür.
Planlos zieht es mich die belebte Straße entlang. Hundekotslalom. Ein Dackel setzt die Kette fort. Die Frau sucht Schutz vor meinem Blick. Es ist ihr peinlich, doch ich lächele.
Im bereinigten Stadtpark wächst der Wunsch nach Einsamkeit, doch leider kein Platz.
Das saftige Grün des getrimmten Rasen und der maritime Himmel machen die Stadt südländisch gleichgültig. Hastfrei. Lastfrei. Fast frei.
Ein Frisbee fliegt. Hunde hächeln. Dauernd Decken. Skater skaten. Blader bladen und dabei immer locker lachen. Fast fertiges Fleisch auf günstig gestandenen Grills. - Kein Grasgeruch mehr.
Hinter dem sicheren Zaun umkreist die schwere Kette aus Motorengebrüll und Fahrergezeter die grüne Insel. Ich halte mir die Ohren zu und wähle eine fast unbefahrene Seitenstraße.
Kühlende Hochhausschatten und der Wind einer vorbei fahrenden Bahn erlösen nur kurz von den kräftigen Strahlen der Augustsonne, die durch die Smogkuppel lupenähnlich kleine Löcher in die eigentlich zufriedenen Herzen der Menschen brennt. Beschnittene Freude denn örtliche überfüllte Badeseen verlangen Eintritt. Alternative kinderbelagerte, entspannungsresistente Großraumurinverdünnungsbecken demotivieren. Nächstes Jahr Mallorca!
Blasse Bürogesichter erhaschen letzte Pigmente vor szenigen In-Lokalitäten:
Legere Alternativenstudierende, Gestylte Einmann-Theaterbühnen, liebesenttäuschte Suchende, durchatmende Atemlose, einsame Laptop-Gassigeher, Lesende Glückliche, über Unglück Redende, da bist du, trinkst einen Milchkaffee, schaust kurz durch das atmosphärisch-orange Licht über die schwere beige Tasse und vergisst gleich wieder den Menschen, der gerade träumend, stockend das Café passiert und lächelnd auf die Gäste blickt. Mich. Und viele andere.
Auf dem knirrschenden Sandweg der zart beleuchteten Lindenallee, wo ein jeder Stein Geschichte ist, flanieren einige verschlungene Päarchen, liebäugeln im Wechsel mit in Schaufenstern ausgestellten zitrusgelben multifunktionalen Einbauküchen und dem ach so kompatiblen Spiegelbild. Zu mir passt eine Zigarette, die nur halb geraucht unter dem Gitter vor der Eingangstür meines Stammchinesen verschwindet. Die gewohnte Nummer zum Mitnehmen. Es ist kühler geworden. Ein Wettlauf mit Sommer, Herbst und mir bis zur Eingangstür wird bis auf weiteres von mir persönlich als Doppelsieg
deklariert: der Sommer und ich! Wie sich das anhört! Der Sommer und ich.
Dagegen "Der Herbst und ich" werden keine Freunde. Ich setz mich mit meine Schale in meine doch eigentlich ganz heimische Wohnung, die jeden Cent wert ist, sehe aus mein Fenster auf die andere Seite zu den gegenüber liegenden , teilweise beleuchteten Fenstern des unsanierten Gebäudes am lärmenden Kreisverkehr. Charmant-defekte Lichterkette.
Unten, auf den Straßen der Stadt, suchen weiterhin Schlaflose nach dem Sinn ihres Dasein. Möglichst sinnvoll sinnlos. In diesem Sinne.

 

Hi Max Fenster,
mir hat deine Geschichte gut gefallen. Ich mag vor allem deinen schönen stakkatoartigen Schreibstil. Es ist schön wie du mit den Worten jonglierst, und den Satzbau variierst. Die Handlung ist eher nebensächlich, was zählen sind die vielen kleinen Bilder, die ganz alltäglichen Eindrücke deines Prots, die durch die schöne Sprache doch ein Stück aus dem Alltäglichen herausragen.

Bis auf mehrere kleinere Fehler, die ich nicht aufzählen möchte, habe ich hier einen kleinen stilistischen Patzer:

Ein Frisbee fliegt. Hunde hächeln. Dauernd Decken. Skater skaten. Blader bladen und dabei immer locker lachen. Fast fertiges Fleisch auf günstig gestandenen Grills. - Kein Grasgeruch mehr.
Gezielte stilistische Spielereien sind eine Sache, aber nach meinem Empfinden übertreibst du hier etwas mit den Alliterationen. Vor allem das "Skater skaten, Blader bladen" wirkt unpassend. Vielleicht wäre hier weniger mehr? Aber wie gesagt, alles mein rein subjektiver Leseeindruck.

Hab die Geschichte wirklich gerne gelesen :)

Gruß,
Neph

 

Hallo Neph,

ich danke dir vielmals für die sehr motivierenden Worte.. Schön zu lesen, dass das auch ankommen ist, was ankommen sollte und noch schöner, dass mein sogenannter Stil Anklang findet! Danke danke danke.. Ich weiß, dass ich an manchen Stellen vielleicht wirklich etwas zu sprach- und rhetorikverliebt bin, was sich hoffentlich mit der Zeit gibt, wenn man die eigenen kleinen "Raffinessen" nicht mehr sehen kann..(;

Viele Grüße,
M.

 

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