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So ist der Lauf der Welt
Zitternd kroch Lepis, der Gott der furchtsamen Hasen, in die dunkle, feuchte Höhle. „Arana?“, flüsterte er.
„Hier.“, erwiderte eine matte Stimme und dann sah Lepis die Göttin der Weberknechte schlapp am Boden liegen, alle sechs Beine ausgestreckt.
„War Hermine auch bei dir?“
Arana nickte stumm.
„Darf ich mir erlauben, einzutreten?“, ertönte eine sanfte freundliche Stimme und Cortona, die Göttin der Höflichkeit, betrat den Raum.
„Du auch?“, stöhnte Lepis.
„Ich bin ein wenig erstaunt, um nicht gar zu sagen, hilflos. Dürfte ich euch von dem Schreiben, das ich soeben erhalten habe, in Kenntnis setze und um euren geschätzten Rat bitten?“
„Aber ja doch.“, murmelte Arana kraftlos.
„Also. . . . Sehr geehrte und so weiter. Nach der jüngsten Gläubigenschätzung wird Ihnen der Status als kleine Göttin erster Klasse aberkannt. Sie werden in den Status einer Halbgöttin dritter Klasse eingewiesen. Zur persönlichen Entgegennahme von Gebeten, Weihrauch und anderen Devotionalien sind Sie ab sofort nicht mehr befugt. Sie erhalten eine dienstjahresabhängige Pension aus dem Topf unzustellbarer Gebete. Mit vorzüglicher Hochachtung und so weiter.“
„Genau wie meiner.“, stöhnte Lepis.
„Lasst uns zu Antinona gehen.“, flüsterte Arana.
„Wer ist das?“, fragte Lepis.
„Die Göttin der Einsiedler, die der Versuchung erlagen. Sie hat schon alles gesehen und ist sehr klug.“, erwiderte Cortona.
Und so wanderten die drei Halbgötter zur Höhle von Antinona, die in einer fruchtbaren Oase lag, umgeben von Spielcasinos und anderen Vergnügungsstätten. Antinona war offensichtlich am Packen.
„Wollen Sie verreisen?“, fragte Cortona höflich.
„Nein, mir ist fristlos gekündigt worden.“
„Aber gibt es denn keine Gläubigen mehr?“
Antinona lachte leise. „Zum Teil stimmt das. Die Anzahl der Hasen und Weberknechte zum Beispiel hat sehr stark abgenommen. Aber bei Cortona und mir ist ein ganz anderer Wandel eingetreten. Die Menschen halten nichts mehr von ausgesuchter Höflichkeit und Einsiedler fliehen nicht die Versuchungen, im Gegenteil sie suchen sie geradezu. So ist es eben, Götter entstehen und vergehen. Kommt mit, ich zeige euch meinen Nachfolger.“
Zu viert zogen Sie zu einer Nachtbar, die in hunderten von Farben erstrahlte. In der Bar war ein unglaublicher Trubel und Antinona musste schreien, um sich verständlich zu machen.
„Seht ihr den Dicken dort in der Ecke auf dem Sofa? Das ist Solanus, der Gott der Coach Potatoes. Ein junger Gott, der mit Videotix und Xoxa, den Göttern der Computerspiele viele Gläubige an sich gezogen hat. Oder dort, die beiden, die ineinander verschlungen sind. Das sind mein Nachfolger Unikum, der Gott der Singles und Delectamenta, die Göttin der One-Night-Stands.“
„Und wer ist das?“ Lepis deutete mit seinen Löffeln auf einen jugendlichen Menschen, ob Frau, ob Mann war nicht auszumachen, der zwei Gesichter trug. Ein freundlich lächelndes, vertrauenerweckendes, aber statt des Hinterkopfes ein abweisend verschlossenes Gesicht.
„Das ist der doppelköpfige Trend, der immerwährende Gott des Inout. Er hat die Umfrage durchgeführt und die Briefe an uns versandt.“