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So muss man Halloween feiern

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03.08.2003
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So muss man Halloween feiern

„Böser Kürbis! Grrrrr!“
Mr. Alistair tätschelte dem Kürbis die Wangen und streckte ihm die Zunge heraus. Der Kürbis funkelte ihn mit seinen Kerzenaugen dreieckig an und grinste tückisch, als wollte er sagen: Pass auf, du.
Was war das? Als ob ein kalter Finger über sein Gehirn gestreichelt hätte. Für einen ganz kurzen Moment war Mr. Alistair verunsichert. Dann schüttelte er, verwundert über sich selbst, den Kopf.
Auch er musste grinsen. Dieser Kürbis war ihm wirklich recht gut gelungen , wie er da so auf seiner Stange steckte und in der Abenddämmerung wie eine rötliche Eiterbeule leuchtete. Eigentlich schade. Seine Farm war so abgelegen, dass keins dieser kleinen Bälger vorbeikommen und sich gruseln würde. Egal. Martha und er brauchten kein Publikum, um Halloween zünftig zu begehen. Er würde dieses Fest zu etwas ganz Besonderem machen, einem Höhepunkt in seinem sonst recht tristen Leben. Die Vorbereitungen waren getroffen. Martha wartete im Wohnzimmer. Nach einem letzten Blick auf den Kürbis wandte sich Mr. Alistair um und ging durch den Garten zum Haus zurück.
Hoppla, fast wäre er über den Erdhaufen in das Grab gestolpert. Er hätte vielleicht doch besser eine Taschenlampe mitnehmen sollen.
Bald darauf saß er im Wohnzimmer vor dem Kamin, in dem prasselnde Buchenscheite für wohlige Wärme sorgten. Ein Glas Whisky stand vor ihm und wenn er den Blick hob, konnte er durch das Fenster den Kürbiskopf zu ihnen herüber grinsen sehen. Später würde er einige Seiten in dem neuesten Gruselroman von Stephen King lesen. Doch jetzt wollte er noch ein wenig die Atmosphäre dieses ganz besonderen Abends genießen. Zärtlich strich er über Marthas kahlen Schädel und seine Finger erfühlten das schartige Loch – ein Andenken an ihren letzten Ehestreit. Er seufzte. Lang ist’s her, dachte er. Dann zündete er die Kerze an, und Marthas Augenhöhlen begannen magisch zu schimmern und in stillem Einvernehmen Blicke mit dem Kürbis zu wechseln.
Täuschte ihn seine Fantasie? Der Kürbis da draußen schien irgendwie heller zu werden, regelrecht zu glühen und mit seinem flackernden Blick geheime Botschaften auszusenden, die er nicht entziffern konnte. Er nicht, aber vielleicht Martha? Sie schien auf die Signale zu antworten und dieser Fratze da drüben zuzuzwinkern!
Mr. Alistairs Blick wanderte von einem zum anderen. Dann verschwand die steile Falte auf seiner Stirn wieder und er lächelte nachsichtig.
Seine Martha. Konnte es einfach nicht lassen, mit Fremden zu flirten. Doch was spielte das jetzt noch für eine Rolle. Sollte sie doch ihren Spaß haben. Heute war schließlich Halloween.
Liebevoll betrachtete er das ihm so vertraute Gesicht – die grauweiße wachsartige Masse, in die sich ihr Fleisch verwandelt hatte, kaschierte mildtätig jede Falte und Runzel. Die Nase fehlte, aber was machte das schon. In seiner Fantasie war sie vorhanden, da musste er sich gar nicht groß anstrengen. Ein niedliches Näschen. Die Spitze zeigte etwas nach oben. Und die Augen! Er konnte sich nicht satt sehen an diesen großen dunklen Augen. Einst hatten sie ihn mit diesem Leuchten angesehen, in der ersten Zeit ihrer Ehe, wenn er abends von der Farmarbeit nach Hause gekommen war. Bevor dieser Williams ... Doch nein, er wollte nicht daran denken. Nicht heute. Das alles war Vergangenheit. Sie war ein böses Mädchen gewesen, aber sie hatte gebüßt und jetzt gehörte sie ihm ganz.
Mr. Alistair hob seine Hand und streichelte über Marthas Wachswangen. Sie ließ es geschehen. War da ein Zucken ihres Mundschlitzes gewesen? Und wieso Mundschlitz? Volle Lippen von der Farbe wilder Rosen lächelten ihn an. Mr. Alistair konnte nicht anders, presste seine darauf zu einem leidenschaftlichen Kuss. Vom Küssen verstand sie was, keine Frage. Das hatte ihm an ihr schon immer am besten gefallen ...
Mr. Alistairs Puls beschleunigte sich. Seine Hände wanderten über Marthas Hals, ihre Brüste. Vergessen waren der Whisky und der Roman von Stephen King. Das hier war besser.
„Oh Darling“, hauchte Mrs. Alistair, „leg die CD auf. Du weißt schon, welche.“
Mr. Alistair löste sich von seiner Frau. Natürlich wusste er, welche.
Er erhob sich und legte seine Lieblingsmusik auf – „Where the wild Roses grow“ mit Nick Cave und Kylie Minogue.
Der Kürbis sah zum Fenster herein und sein Gesicht war jetzt ein weißglühender Kreis, aus dessen Augen Flammen schossen. Martha stand mit jugendlichem Schwung auf und brachte dabei die Kerze in ihrem Schädel zu Fall. Die Flamme brannte weiter in ihrem Inneren, ein Feuer der Leidenschaft.
Federleicht lag sie in Alistairs Armen, als er sich mit ihr im Takt der Musik durch den Raum bewegte. Tanzen hatte ihr schon immer großen Spaß gemacht. Früher hatte Martha gerne geführt, aber heute – an diesem ganz besonderen Abend – schmolz sie in seinen Armen dahin und er beugte sich zu ihr hinunter und flüsterte ihr verrückte Sachen ins Ohr und was er heute noch alles mit ihr machen würde.
„I know, she was the one ...“, sang Mr. Alistair mit heiserer Stimme im Duett mit Nick Cave. Ja, die Einzige. Für immer. „... her lips ... the colour of the roses ...“
Er schloss die Augen, drehte sich mit Martha im Kreis und ein Bild aus seiner Vergangenheit tauchte vor ihm auf. Martha im Hochzeitskleid, die sich ihm in der Kirche zu wandte, der Blick ihrer glänzenden Augen tief in seine Augen versenkt, ein Ja auf ihren Rosenlippen. Für immer und ewig. Eine Träne kullerte seine Wange hinab. Er spürte die Wärme ihres Körpers, der sich an ihn drängte. So heiß! Er machte die Augen wieder auf. Eine schwarze Fratze starrte ihn an, die wachsartige Masse zu Klumpen verschmolzen, dazwischen der bleiche Schädel hervorschimmernd.

Der Kürbis lugte durchs Fenster und genoss das Schauspiel. Eine lichterloh brennende Puppe mit schwarzem Gesicht, die einen Mann herum schwenkte, der mit den Armen ruderte und schrie.
Er sah, wie das Feuer der Leidenschaft Mr. Alistair entflammte und grinste dazu.
Er hatte ihn gewarnt.

 

Howdy Sturek!

Erst mal die Textarbeit.

Dann schüttelte er verwundert über sich selbst den Kopf.
Dann schüttelte er, verwundert über sich, selbst den Kopf.

Martha und er brauchten kein Publikum, um Halloween zünftig zu begehen.
Mr. Alistar und seine Martha scheinen Amis zu sein, oder? "Zünftig begehen" passt dann irgendwie nicht.

Zärtlich strich er über Marthas kahlen Schädel und seine Finger erfühlten das schartige Loch – ein Andenken an ihren letzten Ehestreit.
Schöner Satz.

Tanzen war ihrer beider große Passion.
Der Satz liest sich zu hochgestochen im Gegensatz zum Rest.

Also, Deine Geschichte ist ganz nett, aber leider nicht mehr.
Ihr fehlt ganz einfach die Substanz, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Stilistisch ist sie nicht schlecht geschrieben und ein, zwei Passagen haben mir auch durchaus gefallen. Mr. Alistair ist schon ziemlich durch.
Bedingt durch ihre Handlungsarmut schafft sie jedoch nicht mehr zu erreichen. Vielleicht war das ja auch gar nicht Deine Intention.

Jorgo

 

Moin Sturek,

nett, wirklich nett. Nicht unbedingt ein Glanzstück, aber so gut geschrieben, dass man dranbleiben musste.

Der schwarze Humor (z.B. Kerze im Kopf) hat die ganze Geschichte lebendig gemacht. Ich denke, du wolltest auch nicht den blanken Horror rüberbringen.

Das Ende hat mir sehr gut gefallen. Da kam dann auch ein wenig Horror ans Tageslicht (böser Kürbis!)

Also, hat mich gut unterhalten. Weiter so!

Gruß! Salem

 

Hi Don Jorgo und Salem.

Wie immer erst mal Danke fürs Lesen und Kommentieren. :)

@ Don Jorgo
Nun ja. Es ist ein Kammerstück für zwei Personen (wenn man den Kürbis nicht mitrechnet). Da ist es schwer, mehr Handlung einzubauen. Aber natürlich ist meine Intention immer, mit der Geschichte einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Schade, dass mir das bei dir nicht gelungen ist.
Zu deinen Detailanmerkungen:
Den Satz mit dem Tanzen habe ich einfacher gemacht. Da hattest du recht.
Die anderen Sachen möchte ich so lassen. Warum sollen Amies nicht auch versuchen wollen, Halloween zünftig zu begehen?
Und der Satz mit dem "über sich selbst den Kopf schütteln" scheint mir in Ordnung zu sein.

@ Salem
Prima, dass du dich gut unterhalten hast.
Blanker Horror ist nicht so mein Ding. Ich muss immer aufpassen, das ich nicht zu viel Humor in meine Gruselstories reinbringe.
Aber diese Story dürfte ich zb. einigen zartbesaiteten Bekannten nicht zum Lesen geben. Hier in dem Horror-Forum ist man natürlich schon abgebrüht. ;)

Grüße
Sturek

 

Hoppla, fast wäre er über den Erdhaufen in das Grab gestolpert.
Was hast das Grab da zu suchen?
Wenn er Martha hätte begraben wollen, dann hätte er dies doch bestimmt schon längst getan, oder? Und da sie noch immer ihr „Rentendasein“ IM Haus verbringt, und Alistar daran auch nichts ändern will, ist wohl auch kein Grab nötig. Oder täusche ich mich da?

@Don Jorgo

Erst mal die Textarbeit.
Zitat:
Dann schüttelte er verwundert über sich selbst den Kopf.

Dann schüttelte er, verwundert über sich, selbst den Kopf.


Die Formulierung kann durchaus so stehen bleiben, wenn das Komma an der richtigen Stelle gesetzt wird. ;)

Dann schüttelte er, verwundert über sich selbst, den Kopf.


Nette Story für Zwischendurch. Die Mischung von Humor und „Horror“ fand ich gar nicht schlecht.

Gruß
LoC

 

Hi Lady of Camster!

Da täuschst du dich.
;) Sie fristet ihr Rentnerdasein nicht im Haus, sondern Mr. Alistair hat sie zu Halloween ausgebuddelt. :hmm: Deshalb also das Grab. Sie ist zu einer sogenannten Wachsleiche geworden, dh. der Verwesungsprozess war nur unvollständig. Ihr Fleisch hat sich in eine harte Wachsmasse verwandelt. Solche Leichen gibt es tatsächlich sehr häufig. Sie entstehen in feuchten Böden, sind praktisch unverwüstlich und auf Friedhöfen ein echtes Ärgernis.

Danke fürs Lesen und Grüße von Sturek

 

Nun ja, dann kommt das in der Geschichte nicht ganz richtig formuliert rüber, meiner Meinung nach.

 

Hi Lady,

manches ist eben für den Autor sonnenklar und für den Leser ein Buch mit sieben Siegeln ...
Danke jedenfalls für den Hinweis. Muss mal überlegen, ob und wie ich das noch klarer mache. Es soll ja auch eine gewisse Überraschung für den Leser bleiben, dass Martha eine Leiche ist, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, wo Alistair ihr über den Kopf streicht.

Grüße
Sturek

 

DAß Martha eine Leiche ist, ist für mich von vornherein klar. Deshalb stört mich ja auch das Grab.

 

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