So schlimm nicht
Er will das auf keinen Fall so. Vor allem nicht in der Farbe. Eigentlich ist es ihm egal, aber so läuft das nicht. Er schüttelt den Kopf. Sie blättert weiter durch die Stoffproben. Bleibt bei einem Rosé-Ton hängen. Schaut ihn an.
„Nicht dein Ernst“, sagt er.
Sie legt die Stoffprobe auf das Sofa. Der Verkäufer steht neben Ihnen.
„Sie können Ihren Senf ruhig dazugeben“, sagt er zu ihm.
„Lass´den Mann in Ruhe, der kann nichts für deine schlechte Laune!“, sagt sie und streicht mit ihren Fingern über den Stoff.
„Ich will kein Schweinchenrosa im Wohnzimmer! Los, Mann, sagen Sie was!“
„Rosé ist eine sanfte, beruhigende Farbe“, sagt der Verkäufer.
„Bei mir nicht, mich macht das aggressiv. Sehr sogar!“
„Welche Farbe hättest du denn gern?“, fragt sie.
„Grau, hellgrau vielleicht.“
„So, wie das alte Sofa? Das haben wir jetzt zehn Jahre“, sagt sie.
„Grau passt zu fast allem, ist meist neutral, aber ein bisschen feige“, sagt der Verkäufer.
„Da hast du`s!“, sagt sie.
Er dreht an seinem Ehering am Finger, gleich geht das Fußballspiel los. Zuhause würde er den Fernseher anschalten und es sich auf dem hellgrauen, zugegebenermaßen etwas durchgesessenen Sofa bequem machen. Der Verkäufer hat ihn gerade als Feigling bezeichnet. Diese durchgeballerte Schwulette in dem lila Hemd hat ihn vor seiner Frau bloßgestellt.
„Was haben Sie gesagt?“, fragt er den Mann.
„Grau passt zu allem“, sagt der.
„Nein, nein, danach, was kam danach?“
„Neutral. Grau ist neutral, habe ich gesagt.“
„Nun lass doch den armen Mann zufrieden!“, sagt sie. Ihre Hände streichen über eine lavendelfarbene Stoffprobe, die Augen fragend auf ihn gerichtet.
„Herrgott, nein!“, sagt er. Noch zehn Minuten bis Anpfiff. Werder spielt heute ohne Weiser, der ist verletzt. Könnte eng werden gegen Wolfsburg. Immerhin Heimspiel, da spielen sie in ihren grünen Trikots, Wolfsburg muss die Trikotfarbe wechseln, sonst laufen die auch immer in grün auf, aber die Heimmannschaft hat Vorrang.
„Grün“, sagt er. „Was ist mit grün?“
Sie blättert durch die Proben, findet ein dezentes Hellgrün.
„Wunderbar“, haucht der lila Behemdete.
„Machen wir so“, stimmt er zu. „Regel du die Formalitäten, ich fahr schon mal vor.“
„Ich soll mit dem Bus fahren? Solange wirst du wohl noch warten können!“, antwortet sie.
„Dann will ich grau“, sagt er.
„Grau passt zu allem“, sagt der Verkäufer.
„Reden Sie bloß nicht weiter!“, warnt er.
„Ist aber ein bisschen feige“, fügt der Verkäufer an.
Ihm klappt die Kinnlade runter.
„Sie haben da was am Mund“, kommt es vom Verkäufer.
Er starrt den Typen an, hadert, weiß noch nicht, was er machen soll. Wenn seine Frau nicht dabei wäre, wüsste er, aber die sitzt auf dem Sofa und sieht ihn an.
„Sie haben da was“, wiederholt der Mann und zeigt auf seinen Mund.
„Was?“
„Woher soll ich das wissen? Nicht, dass das aufs Sofa tropft.“
Seine Frau wühlt in ihrer Handtasche und reicht ihm ein Taschentuch. Er schlägt ihre Hand weg.
„Ich kaufe hier nichts!“, zischt er hervor.
„Reiß dich mal zusammen, wir bringen das jetzt zu Ende!“, sagt sie.
Der Verkäufer wendet sich an seine Frau.
„Letzte Woche hatte ich auch so einen“, sagt der und macht eine Bewegung mit dem Kinn in seine Richtung. Seine Frau schaut den Mann interessiert an.
„Tatsächlich? Was hat der denn gemacht?“
„Ich erspare Ihnen die Einzelheiten, aber das ganze Sofa war unverkäuflich nachdem der weg war. Stellen Sie sich das mal vor!“
Jetzt macht sie eine Bewegung mit dem Kinn in seine Richtung.
„Macht der nicht!“
„Haben Sie Kinder?“, fragt der Verkäufer.
„Sind aus dem Haus“, sagt sie. „Warum?“
„Naja, es gibt besonders strapazierbare Stoffe, imprägniert, abwaschbar, bekommt man alles raus“, sagt der Verkäufer und sieht ihn an. „Fast alles.“
„Nein“, sagt sie und jetzt schaut sie ihn an. „So schlimm ist er nicht.“