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Sommeranfang

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01.02.2005
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Sommeranfang

Dans Hände zitterten, als er sich eine weitere Zigarette anzündete. Es sollte die letzte sein, die er je rauchen würde - genau wie die anderen zwölf letzten Zigaretten auch, die er an diesem Abend schon geraucht hatte. Dan blickte die Rasierklinge an, die er vorhin fein säuberlich vor sich auf den Tisch gelegt hatte. Dann wanderte sein Blick zum Fenster und er sah, dass es draußen regnete. Es regnete, und Dan wollte nicht mehr leben.

Er holte den Zettel, den er gestern bei der Party erhalten hatte, aus seiner Hosentasche. Sie hieß Jenny und sie hatte ihm ihre Telefonnummer gegeben, nachdem sie den ganzen Abend mit ihm geplaudert hatte. Herrgott – er wusste nicht einmal mehr, was er ihr alles erzählt hatte. Aber es musste ihr gefallen haben, denn sonst würde er jetzt wohl kaum diesen Zettel in den Händen halten.

Dan zog an seiner Zigarette und blickte wieder auf die Rasierklinge vor ihm auf den Tisch. Damit könnte er – schnell und relativ schmerzlos – ein für alle mal verschwinden. Schluss mit diesem Leben, dass er so nie gewollt hatte. Weg von diesem beschissenen Physikstudium, dass er ohnehin nie hat machen wollen und um das er sich schon seit Wochen nicht mehr gekümmert hatte. Weg aus dieser Einsamkeit. Und weg aus dieser Welt, in der es am Tag des Sommeranfangs regnete.

„Hast Du jemals an einem stürmischen Tag auf dem Dach des höchsten Gebäudes der Stadt gestanden und hinunter gespuckt, so als ob Dich die ganze Welt mal kann?“ Das hatte Jenny ihn gestern abend gefragt, daran konnte er sich trotz des ganzen Alkohols, den er intus hatte, noch erinnern. „Ob es bei ihr auch regnet?“ fragte er sich, als er seine Zigarette im Aschenbecher ausdrückte.

Als er die Schule verlassen hatte, wollte er eigentlich Künstler werden. Oder Musiker, Schriftsteller – vielleicht sogar Philosoph. Aber auf keinen Fall Naturwissenschaftler. Die Welt mit mathematischen Formeln zu erklären und dabei alles menschliche wegzuerklären – das war nichts für ihn. Aber es war etwas für seinen Vater, denn schließlich musste Dan ja etwas vernünftiges tun. Etwas, mit dem man auch richtig Geld verdienen kann. Etwas, mit dem man sich später ein sicheres Leben aufbauen kann. Und etwas, dass scheißlangweilig ist. Aber er hat ja keine andere Wahl gehabt damals. Was machte Jenny doch gleich? Irgendwas mit Kindern oder so. Er wusste es nicht mehr genau. Aber es hatte sich interessant angehört. Überhaupt hatte sich alles interessant angehört, was er so von ihr erfuhr. Aber was hatte er ihr bloß erzählt? Und wieso hatte er überhaupt ihre Telefonnummer? Ob er ihr auch seine gegeben hat? Ja, musste er wohl, denn er konnte sich erinnern, dass auch er ihr irgendwelche Zahlen auf einen Zettel geschrieben hatte.

Dan zündete sich eine weitere letzte Zigarette an. Heute hatte er eigentlich einen Termin bei seinem Psychiater gehabt, aber er war nicht hingegangen, denn das was ihm da stets gesagt wurde, war immer das selbe: Dass er sich doch nicht so anstellen sollte. Und dass er diese Medikamente nehmen sollte, dann würde es ihm bald schon wieder besser gehen. Er wollte aber keine bunten Pillchen, nein, er wollte etwas anderes, nur ein einziges Mal in seinem Leben. „Es sollte nicht regnen – nicht am Sommeranfang!“
In der Wohnung nebenan sah jemand fern. Dan konnte durch die dünnen Wände den Tagesschau-Sprecher hören, wie er über den Irak sprach, über den Ausgang der Wahlen in der Ukraine, den Schiedsrichter, der Fussballspiele manipuliert haben soll, und schließlich über die Lottozahlen. Vor dem Wetterbericht schaltete die Person nebenan den Fernseher ab.

Ob er Jenny anrufen sollte? Aber selbst wenn sie überhaupt ans Telefon ging, was sollte er ihr erzählen? Was hatte sie überhaupt für ein Bild von ihm? Ob sie die Tagesschau bis zu Ende gesehen hatte?

Dan spürte das Bedürfnis, etwas zu trinken, aber er hatte keine Lust vom Sofa aufzustehen und die angefangene Flasche Wodka aus dem Kühlschrank zu holen. Unter Alkoholeinfluss wäre das hier zwar einfacher, dachte er, aber er hatte schon zu viel Zeit seines Lebens im Rausch verbracht.

Anstatt Jenny könnte er auch seine Eltern anrufen. Doch was sollte er denen sagen? Dass er sie haßt? Das sind keine keine wirklichen Neuigkeiten. Und es sie so direkt wissen zu lassen würde jetzt auch nichts mehr bringen. „Guck Dir Deinen Vater an“ hatte seine Mutter immer gesagt, wenn ihr etwas, was Dan tat, nicht gefiel. Aber wenn er sich seinen Vater ansah, den erfolgreichen Diplom-Physiker, dann sah er nur einen verbitterten alten Mann, der nichts hatte, was ihm irgendwie begehrenswert erschien. Was für ein langweiliges Leben er doch führte – das war nichts für Dan. Und deswegen saß er ja jetzt auch hier, mit seiner vierzehnten letzten Zigarette, die langsam dabei war, zuende zu gehen.

Draußen fuhr ein Krankenwagen vorbei – es gibt einfach nicht genug davon, wo doch die ganze Welt krank ist dachte Dan, während er sich die nächste Zigarette anzündete. Als er klein gewesen war, hatte er eine Katze. Es war ein Kater, den er Merlin genannt hatte, und er hatte jeden Abend mit ihm in seinem Bett geschmust. Irgendwie wünschte er sich, dass Merlin jetzt hier wäre. Aber er war natürlich bereits tot. Genau wie seine Oma, die ihm früher all die Märchen erzählt hatte, die er so gerne mochte. Sie sagte immer, er sei das tapfere Schneiderlein. Und er musste auch tapfer sein. Zum Beispiel an dem Tag, als sein Vater ihn so sehr geschlagen hatte, dass er noch Tage danach lauter blaue Flecken am ganzen Körper hatte. Damals war seine Mutter fremdgegangen. Als er in der Schule erzählte, er sei die Treppe hinunter gefallen, sah ihn die Lehrerin nur komisch an.

Dan drehte sich um und warf einen Blick auf die Uhr an der Wand hinter sich. Halb neun – er saß nun bereits zwei Stunden hier. Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus. Fast regungslos saß er da, sein Blick auf das Fenster gerichtet. Draußen regnete es noch immer.

Auf dem Tisch vor ihm lag der Zettel mit Jennys Telefonnummer und die Rasierklinge. Jenny war eine sehr hübsche Frau – er konnte sich an ihre langen blonden Haare erinnern, ihre Augenfarbe war ihm leider entfallen. Aber sie hatte schöne Augen. Ob sie zuhause war? Ob er sie anrufen sollte? Nur um zu sehen – ja – was überhaupt?

Mit der rechten Hand griff er nach der Rasierklinge, die er kurz in der Luft hielt und nachdenklich betrachtete. Dann setzte er sie an seinem linken Handgelenk an und schloss die Augen. In diesem Moment klingelte sein Telefon und es hörte auf zu regnen.

 

Hallo NHolland,

herzlich Willkommen auf KG.de!

Ich bin mir sicher, dass dies nicht die erste Geschichte ist, die du geschrieben hast. Dein Stil ist dazu viel zu routiniert.

Wirklich gefallen hat mir die Geschichte denoch nicht.
Zum einen redest du vom Sommeranfang, in den Nachrichten kommen aber Dinge, die momentan aktuell vorfallen. Das passt dann für mich einfach nicht zusammen. Natürlich ist das nur eine Kleinigkeit, aber für mich trotzdem störend.

Zum anderen kann ich deinen Prot. nicht verstehen. Er führt ein Leben, dass er so nicht will, weil er anscheinend keine andere Wahl hatte. Ich bin der Meinung, dass man immer eine andere Wahl hat. Niemand muss das Leben führen, dass die Eltern für einen wollen. Nachdem dein Prot. seine Eltern sowieso hasst, hat er erst recht keine Veranlassung dazu. Ehe ich mich dazu entschliessen würde, mich umzubringen, würde ich halt versuchen etwas an meiner Situation zu ändern.

Die Stelle an der von den Schlägen des Vaters die Rede ist würde ich streichen. Das ist wirklich so was von ausgelutscht und eigentlich braucht man es nicht, weil du ja schon vorher schreibst, dass er seine Eltern hasst - die Gründe sind doch egal.

Schön wenigstens, dass deine Geschichte gut ausgeht.

Aber es musste ihr gefallen haben, denn sonst würde er jetzt wohl kaum diesen Zettel in den Händen halten.

Den zweiten Teil des Satzes würde ich streichen. Eigentlich braucht man diese Info nicht mehr.

QUOTE]Das hatte Jenny ihn gestern abend gefragt, daran konnte er sich trotz des ganzen Alkohols, den er intus hatte, noch erinnern.[/QUOTE]

, den er intus gehabt hatte, noch erinnern.

Die Welt mit mathematischen Formeln zu erklären und dabei alles menschliche wegzuerklären – das war nichts für ihn.

Wortwiederholung - vielleicht kannst du einmal ersetzen, zum Beispiel.
Die Welt in mathematische Formeln zu pressen und dabei alles menschliche wegzuerklären - das war nichts für ihn.

Dass er sich doch nicht so anstellen sollte. Und dass er diese Medikamente nehmen sollte, dann würde es ihm bald schon wieder besser gehen.

Ich glaube nicht, dass ein Psychiater sagt, dass sich jemand nicht so anstellen soll.

LG
Bella

 

Hallo Bella!

Vielen Dank für Deine Kritik - ich fand sie sehr nützlich, besonders, da Du mir Dinge aufgezeigt hast, an die ich vorher gar nicht gedacht hatte!

Zum einen redest du vom Sommeranfang, in den Nachrichten kommen aber Dinge, die momentan aktuell vorfallen. Das passt dann für mich einfach nicht zusammen. Natürlich ist das nur eine Kleinigkeit, aber für mich trotzdem störend.
Hier z.B.: Ich habe da ja in der Tat Meldungen aus den Nachrichten gebracht, Du JETZT passiert sind, während die Geschichte ja eigentlich am Anfang des Sommers spielt. Das ist in der Tat unlogisch, und jetzt wo ich's sehe ( :sealed: ) finde ich es auch ziemlich störend. Das sollte ich also auf jeden Fall ändern!
Zum anderen kann ich deinen Prot. nicht verstehen. Er führt ein Leben, dass er so nicht will, weil er anscheinend keine andere Wahl hatte. Ich bin der Meinung, dass man immer eine andere Wahl hat. [...] Ehe ich mich dazu entschliessen würde, mich umzubringen, würde ich halt versuchen etwas an meiner Situation zu ändern.
Auch hier stimme ich Dir generell zu, obwohl das "einfach etwas an der Situation ändern" oft gar nicht so einfach ist. Es gibt ja nicht umsonst viele Leute, die ihr Leben als so "hoffnungslos" ansehen, dass sie es am liebsten beenden würden. Natürlich KANN man theoretisch immer etwas tun, aber das einem wirklich depressivem Menschen klar zu machen ist eine ganz andere Sache. Dennoch ist Deine Kritik nicht unangebracht: Ich denke mir, dass ich in meiner Geschichte durchaus einiges anders hätte darstellen können und werde mir das auch auf jeden Fall noch einmal durch den Kopf gehen lassen!

Danke auf jeden Fall für Dein Feedback!
~Nils~

 

Hallo Nils,

ich stimme dir zu, dass man nicht nicht immer etwas an einer Situation ändern kann - vor allem suizidgefährdeten Menschen fehlt ja dazu oft die Kraft.
Was ich deinem Prot. eher "übel" genommen habe war, dass er sich von vorneherein in das Leben hat drängen lassen, das seine Eltern für ihn wollten.
Mag sein, dass diese ihm angedroht haben, ihm keine finanzielle Unterstützung zu geben oder auf ihn sauer gewesen wären, aber für mich ist das kein ausreichender Grund ein Leben zu wählen, das man so nicht mag.
Vielleicht könntest du erzählen, warum er diesen Weg - wider besseren Wissens - eingeschlagen hat.

LG
Bella

 

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