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Späte Rache

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02.02.2005
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Späte Rache

Späte Rache (geänderte Fassung)


Der hintere Raum der Gaststätte war zum Bersten voll. Alle waren sie nach der Beisetzung des Bauunternehmers Toni Bauer der Einladung zum Leichenschmaus gefolgt. Nur der Bürgermeister ließ sich bei Margarete Bauer, der Mutter des Verstorbenen, wegen dringender Geschäfte entschuldigen, was diese sehr bedauerte.
Wie es in dem kleinen Ort üblich war, gab es ein deftiges Mittagessen mit Schweinsbraten, Knödeln und Salat.
Die Familie Bauer genoss hohes Ansehen im Tal. Der Vater des Verstorbenen hatte der kleinen Gemeinde durch seine Baufirma zu Wohlstand verholfen. Da war es nur Recht, dass man zur Beerdigung seines Sohnes kam, der die letzten Jahre das Geschäft geführt hatte.

Emsig lief Margarete im Saal umher, um sicherzustellen, ob auch jeder genug Essen bekam, während die Kellnerinnen die letzten Schüsseln aus der Küche herein trugen.
Susanne, die junge Witwe, saß stumm und in sich gekehrt am Kopf der Tafel. Um sie herum Stimmengewirr und verhaltenes Lachen, das sie kaum wahrzunehmen schien. Der appetitliche Geruch der Speisen, der den Raum erfüllte, konnte Susanne nicht dazu bewegen, etwas davon zu probieren. Bewegungslos starrte sie vor sich auf ihren leeren Teller.

Plötzlich hob sie lauschend ihren Kopf. Wortfetzen drangen an ihr Ohr, wie „Selbstmord“, „zu schnell gefahren“, „Alkohol am Steuer“. Susanne konnte sich lebhaft vorstellen, was die Dörfler über den Unfall ihres Mannes dachten. Langsam braute sich in ihrem Inneren ein Gewitter zusammen, das sie krampfhaft unter Kontrolle zu halten versuchte. Doch dann hörte sie etwas, was es zum Entladen brachte.

„Aber ja, man kennt das doch“, wetterte die Krämerin. „Jung verheiratet. Da bleibt man morgens schon etwas länger in den Federn.“ Dabei kicherte sie leise vor sich hin. „Da noch ein Küsschen, dort noch ein Schmusen. Die Zeit verstreicht und man ist zu spät dran. Ist doch kein Wunder, dass Toni zu schnell gefahren ist.“
„Vielleicht war er auch mit seiner jungen Frau überfordert“, setzte die Bäckerin Huber nach. „Und dann noch aus der Stadt. Da hat man halt andere Ansprüche wie hier bei uns. Da kam ihm der Brückenpfeiler gerade recht.“

Mit einem Satz sprang Susanne von ihrem Stuhl auf. Erschrocken sahen die Anwesenden auf. Vor Schreck fiel dem Metzger Moosgruber der aufgespießte Knödel von der Gabel zurück in den Teller, so dass die Soße auf sein nagelneues Hemd spritzte.
„Was sollen diese Anspielungen?! Ihr wisst ja überhaupt nicht, was geschehen ist. Nur Klatsch und Tratsch könnt ihr verdammten Weiber im Ort verbreiten. Die Wahrheit, die ist euch doch allen egal!“
„Susanne, was ist denn in dich gefahren“, raunte ihr ihre Schwiegermutter zu und legte ihre Hand beschwichtigend auf ihren Arm. Trotzig schüttelte die junge Frau sie ab und bewegte sich zu dem Platz, auf dem die Krämerin saß und sie herausfordernd ansah.
„Gar nichts wisst ihr von dem Tag, als Tonis Unfall geschah“, fuhr Susanne mit aufgewühlter Stimme fort. „Toni musste vor seiner Abreise noch einmal zum Pfarrhaus wegen den Umbauarbeiten. Dabei bekniete ihn der Pfarrer so lange, die Tombola bei eurem Kirchfest zu übernehmen, bis er einwilligte.“
„Ja, und?“, entgegnete die Krämerin schnippisch. „Da hätte er halt früher aufstehen sollen.“
„Und beim Pfarrer gibt es zur Überredung immer ein kleines Schnäpschen oder auch zwei, nicht wahr?“, mischte sich die Bäckerin wieder ein, der die Bratensoße aus den Mundwinkeln lief.
„Was willst du damit sagen?“, fuhr Susanne auf und sah sie mit funkelnden Augen an. „Toni hat nichts getrunken. Das ist alles erstunken und erlogen von euch. Vielleicht tragt ihr sogar einen Teil der Schuld am Tod meines Mannes.“

„Wie kommst du dazu, solche Anschuldigungen zu äußern?“, zischte die Stimme der Schwiegermutter neben ihr.
„Ich sage nur die Wahrheit. Toni in seiner Gutmütigkeit kam euch doch gerade recht. Nie hatte er jemanden etwas verweigert. Ständig hatte er Bauarbeiten für euch ausgeführt“, fuhr die junge Witwe fort. „Aber die Rechnungen, die wurden gar nicht oder nur schleppend bezahlt. Soll ich die Summen und Namen nennen, von denjenigen, die noch nicht ihre Schulden beglichen haben?“
Dabei ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen. Einige hielt den Kopf gesenkt und stocherte in ihrem Essen herum.
„Zähle ich alles zusammen, ist es ein kleines Vermögen. Aber irgendwo mussten wir ja zu Geld kommen, damit die Arbeiter und das Baumaterial bezahlt werden konnten. Also hatte Toni auch Aufträge mit weiten Anfahrtswegen angenommen, obwohl es über seine Kräfte ging.“
Susanne traten Tränen in die Augen.
„Du lügst“, ließ sich Margarete Bauer vernehmen. „Unsere Firma stand immer gut da. Du warst es, die Toni dazu trieb, mehr zu arbeiten. Dir war doch alles nicht gut genug, du, die immer neue Ansprüche und Wünsche äußerte, die dir mein Sohn auch erfüllte, damit du bei ihm geblieben bist.“ Dabei wurde ihre Stimme immer schriller.
Susanne stöhnte gequält auf.
„Das ist nicht wahr“, verteidigte sie sich. „Ich wollte nie die vielen Geschenke und Reisen, die mir Toni in den drei Jahren unserer Ehe gemacht hat. Oft habe ich mich dagegen gewehrt.“
„Aber wohl nicht heftig genug“, gluckste die Krämerin.
„Und was ist mit dem Pferd, das du erst letztes Frühjahr bekommen hast?“, hetzte Margarete weiter. „Ständig hattest du nur den Reitstall und den Gaul im Kopf, statt dich um den Haushalt zu kümmern. Dafür hattest du ja eine Putzfrau. Die gnädige Frau sollte sich nur ja nicht die Finger dreckig machen.“

Bei all den Anschuldigungen konnte sich Susanne kaum noch auf den Beinen halten. Halt suchend klammerte sie sich an die Stuhllehen der Krämerin.
„Jetzt spiel nur noch die schwache, kranke Witwe.“ Schon wieder diese boshaften Vorhaltungen der Schwiegermutter.

Da erhob sich eine junge zierliche Frau vom Tisch, nahm ihren Stuhl und stellte ihn hinter Susanne. Sanft drückte sie die Zitternde auf den Sitz, reichte ihr ein Glas Wasser und legte beschützend den Arm um sie.
„Warum macht ihr das mit Susanne? Warum könnt ihr sie in ihrem Schmerz nicht in Ruhe lassen? Ihr seht doch, dass es ihr schlecht geht“, sagte sie dann mit leiser Stimme.
„Du musst ganz still sein, Anette“, spritzte die Bäckerin ihr Gift in die Runde. „Dein Mann, der Selbstmörder. Hat sich einfach aus dem Staub gemacht. Einfach gegen den erst besten Brückenpfeiler gefahren. Hach, und sich jetzt so aufspielen.“
„Sei vorsichtig, mit dem, was du sagst, Huberin“, verteidigte Susanne ihre Beschützerin. „Auch ihren Mann hat das Dorf auf dem Gewissen.“
„Hört, hört. Jetzt sollen wir noch einen umgebracht haben?“, ließ sich die Krämerin vernehmen.
„Genau so ist es“, entgegnete Susanne, die sich inzwischen etwas erholt hatte, und trank einen Schluck Wasser.
„Auch ihren Mann habt ihr in den Bankrott getrieben. Auch Peter habt ihr oft seine Elektroarbeiten nicht gleich oder Kleinigkeiten überhaupt nicht bezahlt. Die Schulden wuchsen ihm über den Kopf. Da sah er keinen Ausweg mehr.“
Anette brach verzweifelt in Tränen aus.
„Fast jeden Abend saßen Toni und Peter bei uns in der Wohnstube und überlegten, wie sie ihre Finanzen ordnen konnten“, fuhr Susanne mit leiser Stimme fort. „Toni hat ihm öfters vorgeschlagen, Arbeiten an seinen Bauten zu übernehmen. Doch Peter konnte nicht so weit entfernte Aufträge annehmen, da du seine Unterstützung bei der Pflege der kleinen Mia brauchtest.“ Dabei blickte sie Anette mit traurigen Augen an.
„Bei dem Treffen werden sie auch die Brücke für ihren Selbstmord ausgesucht haben“, setzte die Bäckerin noch einen oben drauf.
„Es war kein Selbstmord, jedenfalls nicht bei Toni“, entgegnete ihr Susanne mit fester Stimme. „Ich habe einen Beweis dafür.
Die junge Frau stand auf und griff mit zittrigen Fingern zwischen die Falten ihres Kleides. Aus der Rocktasche holte sie ein kleines Fetzchen Papier. Sie entfaltete es und hielt es den beiden Frauen unter die Nase.
„Das soll ein Beweis sein?“, fragte die Bäckerin Huber hämisch. „Ein Blatt, herausgerissen aus einem Schulheft und …“
„Aber hier steht es ‚Tonis Tod war kein Selbstmord’“, fiel ihr Susanne ins Wort.
„… und das in einer kaum zu entziffernde Schrift?“ Höhnisch vollendete die Huberin ihren Satz.
„Wie naiv bist du eigentlich, Susanne“, fuhr die Krämerin dazwischen. „Ein Lausbubenstreich wird es gewesen sein, sonst nichts. Da erlaubt sich jemand einen kleinen Scherz mit dir. Mein Mann hat es doch genau auf dem Unfallprotokoll gelesen.“
„Und der muss es ja wissen, als Polizeihauptwachtmeister“, ergänzte die Huberin.
„Aber…“, wollte Susanne beginnen.
„Wirf ihn weg! Und sieh den Tatsachen ins Aug. Es war Selbstmord.“
„Genug jetzt mit dem Gehetze!“, beendete Margarete mit einem herrischen Ton die Rede der Bäckerin.

Das war zu viel für Susanne. „Ich bekomme keine Luft mehr hier drinnen“, presste sie hervor, fasste sich mit den Händen an den Hals und stürzte aus dem Saal.
Wenige Sekunden später lehnte sie sich erschöpft an die Wand im Waschraum der Damentoilette. Die Kühle der Kacheln tat ihrem erhitzen Körper gut. Tränen des Zornes über die Gehässigkeit der Dorfbewohner liefen ihr die Wangen hinunter.
Nur einen Moment, nur einen kurzen Moment der Stille wollte sie genießen und dann wieder in den Saal zurückkehren.
Nach ein paar Minuten wischte sie mit immer noch zittrigen Händen die letzten Tränen aus dem Gesicht, löschte das Licht im Waschraum und trat auf den spärlich beleuchteten Gang hinaus.
Plötzlich wurde die Tür zur Herrentoilette aufgestoßen und zwei Männer kamen heraus. Sie waren so sehr in ihren Streit vertieft, dass sie die junge Frau nicht bemerkten, die sich ängstlich an die Wand drückte. Susanne erkannte die aufgebrachten Stimmen. Sie gehörten den beiden Dorfpolizisten Carsten und Sebastian, Freunde von Toni.
„Mensch, Carsten, das kannst du doch nicht machen“, redete Sebastian auf seinen Kollegen heftig ein. „Es langt schon, dass du ihr diesen Zettel zugesteckt hast.“
„Ich kann nicht anders“, entgegnete dieser mit zittriger Stimme. „Das kann ich Susanne nicht antun. Schau sie dir doch an, wie … wie fertig sie ist. Wenn das mit dem Selbstmord, …. mit dem Unfall von Toni nicht aufgeklärt wird, dann …“ Carsten zögerte kurz.
„Du, du, immer nur du!“, fauchte Sebastian und versetzte Carsten einen schmerzhaften Stoß gegen die Schulter, dass dieser aufstöhnte. „Denkst du dabei vielleicht auch mal an mich! Ich sitze genauso in dem Schlamassel! Ich habe auch das gefälschte Unfallprotokoll unterschrieben! Nur ich habe im Gegensatz zu dir Familie. Ich brauche den Job. Wenn du jetzt auspackst, dann sind wir ihn beide los!“ Er packte seinen Kumpel grob am Ärmel und schüttelte ihn. „Hast du verstanden, was ich gesagt habe?“
Einige Sekunden herrschte Schweigen. Dann wieder die leise Stimme von Carsten: „Ich sage Susanne, dass der anonyme Hinweis von mir war. Das bin ich ihr schuldig.“ Es folgten schnelle Schritte Richtung Saal.
„Verdammt, das tust du nicht!“, brüllte Sebastian und setzte ihm nach.
Kurz darauf fiel die Saaltür hinter ihnen ins Schloss.

Nun wusste Susanne, wer sie informiert hatte. Jetzt war es an ihr, zu erfahren was man ihr verheimlichen wollte und vor allem warum.

Kurz entschlossen putzte sie sich noch einmal die Nase, richtete ihren Körper gerade auf und ging nach einem tiefen Atemzug hoch erhobenen Hauptes zur Trauergemeinde zurück.
Ohne auf die erstaunten Blicke der Dörfler zu achten, die ihren Auftritt interessiert beobachteten, bahnte sie sich schnurstracks den Weg zu den beiden jungen Männern, die inzwischen wieder auf ihren Plätzen gegenüber der Krämerin saßen.
„Carsten“, fuhr sie den Jüngeren der Beiden an. „Ich glaube, du bist mir eine Erklärung schuldig!“
„Ich…? ….wieso? … was soll ich dir erklären?“, stotterte dieser und schob nervös die Knödelstücke auf seinem Teller herum.
„Wie wäre es mit der Wahrheit? Sag doch einfach nur die Wahrheit“, entgegnete Susanne und wedelte mit dem Papierfetzen vor seiner Nase herum.
„Welche Wahrheit soll dir Carsten sagen?“, mischte sich Sebastian ein.
„Carsten soll nur das wiederholen, was er eben auf dem Gang zu dir gesagt hat“, sagte Susanne in einem ruhigen Ton.
„Du … du hast es gehört?“ Bei dieser Frage geriet sogar Sebastian ins Stottern.
„Ja. Jetzt redet endlich. Was verheimlicht ihr Beiden mir über die Todesursache meines Mannes?“ Diese Frage klang sehr eindringlich.

Sekundenlang herrschte Stille. Auch die anderen Trauergäste waren inzwischen aufmerksam und neugierig geworden. Nur die alte Kräuter-Kathi setzte ihre Mahlzeit fort, ohne sich dabei unterbrechen zu lassen.
„Carsten, sei so gut und red“, schrie die junge Frau den Polizisten an, der immer noch zögerte und ängstlich zu seinen Kollegen sah.
„Red endlich, wenn du etwas weißt!“ Kraftlos ließ sie die Schultern hängen.
Leise, dass es kaum zu hören war, kamen die Worte über seine Lippen: „Toni hat nicht Selbstmord begangen.“
„Und was war die Todesursache?“, fragte Susanne. Ihre Kehle war schier zugeschnürt.
„Toni hatte während der Fahrt einen Infarkt erlitten“, antwortete Carsten tonlos, „bevor der Wagen gegen die Brücke raste. Dass … dass er an genau derselben Stelle verunglückte wie Peter, war Ironie des Schicksals.“

Totenstille trat ein. Noch nicht einmal die Krämerin oder die Bäckerin waren fähig, eine bissige Bemerkung zu machen.
Susanne sah den Dorfpolizisten ungläubig an. Dann packte sie den Mann an den Schultern und schüttelte ihn wild: „Warum hast du dann die ganze Zeit geschwiegen und zugelassen, dass sich die Dörfler das Maul über Toni zerreißen konnten?“
„Der Bürgermeister“, jammerte Carsten. „Es war seine Idee.“ Er machte eine kurze Pause. Kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. „Ja, es war die Idee des Bürgermeisters. Er wollte, dass es wie Selbstmord aussehen sollte. Sebastian und ich konnten nichts dagegen tun. Wir mussten das Protokoll unterschreiben.“ Carsten schluckte heftig. Es ging ihm sichtlich nahe.
„Er hätte uns beide entlassen“, fuhr Sebastian fort. „Und ich brauche meine Anstellung. Ich habe doch Familie.“
„Und warum wollte das der Bürgermeister so?“, fragte Susanne sichtlich schockiert.
„Vor einige Zeit äußerte er, dass sein Bruder Willi scharf auf euer Baugeschäft sei“, berichtete Carsten stockend weiter.
„Susanne hätte hier im Ort keinen Fuß mehr fassen können, nach der Blamage und Willi hätte die Firma für ‚nen Appel und e’n Ei bekommen. Des Bürgermeisters Schulden sollten natürlich auch noch unter den Tisch gekehrt werden.“
„Fein hat sich das unser Gemeindeoberhaupt ausgedacht.“ Susannes Stimme klang recht zynisch, als sie dies sagte. Eher nachdenklich fügte sie hinzu: „Doch er schien noch irgendetwas gegen Toni in der Hand gehabt zu haben. Die Schulden vom Bau seiner Luxusvilla und des angrenzenden Hoteltraktes am Ortsrand konnten es nicht alleine sein.“

Die Sensation war zu Ende und die Dörfler widmeten sich wieder dem Essen zu.
Auch Susanne wollte mit ihrer Schwiegermutter zu ihrem Platz zurückkehren, als sie vom Metzger Moosgruber am Ärmel ihres Kleides festgehalten wurde.
„Warte mal Susanne“, sprach er sie an. Umständlich tupfte er sich die Mundwinkel und räusperte sich lautstark. „Ich glaube der Tod von Julius war Schuld am Verhalten des Bürgermeisters.“
„Was noch ein Toter?’“ Entsetzt sah Susanne den Metzger an und ihre leise Stimme klang fast hysterisch als sie hinzufügte: „Wer um Gottes Willen ist jetzt auch noch Julius?“
„Julius ist der Sohn des Bürgermeisters“, klärte Margarete ihre Schwiegertochter auf. „Vielmehr er war es, denn er kam bei einem Sturz in die Schlucht ums Leben. Mein Gott, was war das damals für eine Tragödie.“
„Ja und, was hat Toni damit zu tun?“, fragte Susanne und schaute Hilfe suchend von einem zum andern.
„Toni, Peter und ich waren in einer Gruppe Jugendlicher“, begann der Moosgruber zu erzählen und knüllte dabei nervös seine Serviette zusammen. Man konnte ihm ansehen, dass ihm nicht ganz wohl bei der Sache war.
„An euch kann ich mich noch gut erinnern“, ließ sich die Kräuter-Kathi vernehmen. „Ständig habt ihr mit euren Streichen die Bauern zur Weißglut gebracht.“
„Ähm, ja“, stotterte der Metzger. „Es waren nur kleine Sachen. Ein paar geklaute Äpfel und Birnen oder ….“
„Ein paar Äpfel“, rief die Huberin dazwischen. „Einen ganzen Baum habt ihr leer gepflückt. Ich wollte das Obst noch in meinem Laden verkaufen. Fast ruiniert habt ihr mich!“
Moosgruber schaute verlegen auf seinen Teller. Dann sprach er stockend weiter: „Eines Tages wollte auch Julius, …ja also, wollte der Sohn unseres Bürgermeisters mit uns gehen. Da beschlossen wir, dass er sich vorher einer Mutprobe stellen müsse.“ Er machte eine kurze Pause und tupfte sich die Schweißperlen von der Stirn. „Na ja, er sollte auf der Hängebrücke die Schlucht überqueren. Toni und Peter hatten dies vorgeschlagen.“
„Das marode Ding?“ Entsetzt schaute Carsten den Metzger an.
„Damals war sie noch in Ordnung“, verteidigte sich der Moosgruber. „Eigentlich keine große Aufgabe, aber für jemanden der Höhenangst hat, war es schon sehr schlimm.“
„Und das bei dem fürchterlichen Regen damals“, erinnerte sich Susannes Schwiegermutter.
„Ja, trotzdem trieben wir Julius an, hinüber zu gehen. Doch in der Mitte der Brücke geriet er in Panik und zappelte so sehr herum, dass er auf den nassen Holzplanken ausrutschte und in die Tiefe stürzte.“ Die letzten Worte brachen förmlich aus ihm heraus.
„Ja, so war das damals gewesen“, sagte Margarete in Gedanken. „Ich erinnere mich noch gut daran, wie verstört Toni nach Hause gekommen war. Und dann diese Anzeige!“
„Toni und Peter wurde die Schuld an diesem Unglück in die Schuhe geschoben. Obwohl wir alle beteuerten, dass es ein Unfall gewesen war, kam es zum Prozess."
"Aber man konnte ihnen nichts beweisen", unterbrach ihn Margarete.
"Ja, es stand Aussage gegen Aussage und der Strafantrag des Bürgermeisters wurde abgewiesen“, berichtete Moosgruber weiter, der sich inzwischen wieder gefangen hatte.
„Und was hat das alles mit Tonis Unfall und den Schulden zu tun?“ Susanne sah sie fragend an.
„Nachdem Toni und Peter die Firmen ihrer Väter übernommen hatten, setzte der Bürgermeister die beiden unter Druck. Er drohte die Sache noch einmal aufzurollen, wenn sie ihm nicht bei seinem Bauvorhaben preiswert unterstützen würden.“
„Wie sollte er das machen? Seine Klage wurde doch bereits abgewiesen“, hakte Susanne nach.
„Angeblich hätte er erst nach dem Prozess beim Aufräumen der Sachen seines Sohnes ein Tagebuch von Julius gefunden, ….“
„Ja so was, hat der Jung ein Tagebuch geschrieben“, Die Krämerin schüttelte ungläubig den Kopf.
„… in dem dieser darauf hinwies“, fuhr Moosgruber fort, „dass Toni und Peter eine gefährliche Mutprobe von ihm verlangt hätte, um in die Gemeinschaft von uns aufgenommen zu werden. Wir mussten ja davon ausgehen, dass es dieses Buch wirklich gab.“
„Damit erpresste der Bürgermeister Toni und Peter“, folgerte Susanne und legte dem Metzger dankbar für sein Geständnis freundschaftlich die Hand auf die Schulter.

„Und da entschuldigt er sich bei mir. Wegen dringender Geschäfte, könne er nicht zur Beerdigung kommen.“ Margaretes Stimme klang zornig.
„Von wegen, dringende Geschäfte“, keifte die alte Kräuter-Kathi und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Abgehauen ist er! Hatte bestimmt schon seine Flucht geplant, der feige Hund.“
„Wie kommst du denn darauf?“, fragte Margarete.
„Was ich gesehen hab, hab ich gesehen.“
„Ja, Mensch, Kathi“, meldete sich Susanne. „Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Was hast du gesehen?“
„Er hat halt heute in aller Herrgottsfrühe drei schwere Koffer in sein Auto geladen. Das hab ich gesehen. Was das zu bedeuten hatte, könnt ihr euch ja wohl denken. Aber Gottes Strafe entgeht keiner, nicht einmal der Bürgermeister!“

Susanne hatte genug erfahren. Zielstrebig verließ sie den Saal.

Anette und Susanne haben inzwischen ihre Firmen vereinigt und die Geschäfte beginnen langsam aber sicher Gewinne abzuwerfen.
Die Kräuter-Kathi ist im letzten Monate an einer schweren Lungenentzündung gestorben und der Metzger Moosgruber hat den Ort vor einer Woche verlassen, um in der Stadt eine Schlachterei zu übernehmen. Auch vom Bürgermeister hat keiner der Dorfbewohner mehr etwas gehört. An seine ehemalige Existenz erinnert nur noch die Bauruine seiner Luxusvilla am Ortsrand.
Aber an die Ereignisse im vergangenen Jahr sind noch viele Geschichten im Umlauf. Dafür sorgt schon der Klatsch und Tratsch, der nach wie vor im Bäckerladen und bei der Krämerin ausgetragen wird.

Späte Rache (ältere Fassung)

Der hintere Raum der Gaststätte war zum Bersten voll. Alle waren sie nach der Beisetzung des Bauunternehmers Toni Bauer der Einladung zum Leichenschmaus gefolgt. Nur der Bürgermeister ließ sich zum Leidwesen von Margarete Bauer, der Mutter des Verstorbenen, wegen dringender Geschäfte entschuldigen.
Wie es in dem kleinen Ort üblich war, gab es ein deftiges Mittagessen mit Schweinsbraten, Knödeln und Salat.
Die Familie Bauer genoss hohes Ansehen im Tal. Der Vater des Verstorbenen hatte der kleinen Gemeinde durch seine Baufirma zu Wohlstand verholfen. Da war es nur Recht, dass man dem Sohn, der in der Generation nachgerückt war, das letzte Geleit gab.
Und nun hatte man ihn, der viel zu früh aus dem Leben gerissen wurde, auf dem Friedhof zu Grabe getragen.

Emsig lief Margarete im Saal umher, um nachzuschauen, ob auch jeder genug Essen bekam, während die Kellnerinnen eine Schüssel nach der anderen aus der Küche herein trugen.
Susanne, die junge Witwe, saß stumm und in sich gekehrt am Kopf der Tafel. Um sie herum Stimmengewirr und verhaltenes Lachen, das sie kaum wahrzunehmen schien. Der appetitliche Geruch der Speisen, der den Raum erfüllte, konnte Susanne nicht dazu bewegen, etwas von dem Essen zu probieren. Bewegungslos starrte sie vor sich auf ihren leeren Teller.

Plötzlich hob sie lauschend ihren Kopf. Wortfetzen drangen an ihr Ohr, wie „Selbstmord“, „zu schnell gefahren“, „Alkohol am Steuer“. Susanne konnte sich lebhaft vorstellen, was die Dörfler über den Unfall ihres Mannes dachten. Langsam braute sich in ihrem Inneren ein Gewitter zusammen, das sie krampfhaft unter Kontrolle zu halten versuchte. Doch dann hörte sie etwas, was den Vulkan in ihr zum Ausbruch brachte.

„Aber ja, man kennt das doch“, wetterte die Krämerin. „Jung verheiratet. Da bleibt man morgens schon etwas länger in den Federn. Da noch ein Küsschen, dort noch ein Schmusen. Die Zeit verstreicht und man ist zu spät dran. Ist doch kein Wunder, dass Toni zu schnell gefahren ist.“
„Vielleicht war er auch mit seiner jungen Frau überfordert, konnte ihre Wünsche nicht erfüllen und fuhr deshalb absichtlich an den Brückenpfeiler, um dem Allen zu entkommen“, setzte die Bäckerin Huber nach.

Mit einem Satz sprang Susanne von ihrem Stuhl auf, der nach hinten kippte und polternd auf die Steinplatten der Gaststube aufschlug.
Erstaunt sahen die Anwesenden auf. Vor Schreck fiel dem Metzger Moosgruber der aufgespießte Knödel von der Gabel zurück in den Teller, so dass die Soße auf sein nagelneues Hemd spritzte.
„Was fällt euch ein, solche Vermutungen zu äußern. Ihr wisst ja überhaupt nicht, was geschehen ist. Nur Klatsch und Tratsch könnt ihr verdammten Weiber im Ort verbreiten. Die Wahrheit, die ist euch doch allen egal!“
„Susanne, was ist denn in dich gefahren“, raunte ihr ihre Schwiegermutter zu und legte ihre Hand beschwichtigend auf ihren Arm. Trotzig schüttelte die junge Frau sie ab und bewegte sich zu dem Platz, auf dem die Krämerin saß und sie herausfordernd ansah.
„Gar nichts wisst ihr von dem Tag, als Tonis Unfall geschah“, fuhr Susanne mit aufgewühlter Stimme fort. „Toni musste vor seiner Abreise noch einmal zum Pfarrhaus, wo er in der Woche darauf einige Umbauarbeiten in Angriff nehmen sollte. Nach diesem Gespräch bekniete ihn der Pfarrer noch, die Tombola des Kirchfestes am kommenden Sonntag zu übernehmen, die für die Renovierung der Orgel ins Leben gerufen wurde. Und ließ ihn nicht weg, bevor er eingewilligt hatte.“
Alle Augen der Anwesenden waren auf die beiden Frauen gerichtet.
„Ja und?“, entgegnete die Krämerin schnippisch. „Da hätte er halt früher aufstehen sollen.“
„Und beim Pfarrer gibt es zur Überredung immer ein kleines Schnäpschen oder auch zwei, nicht wahr?“, mischte sich die Bäckerin wieder ein, der die Bratensoße aus den Mundwinkeln lief.
„Was willst du damit sagen?“, fuhr Susanne auf und sah die dicke Bäckersfrau mit funkelnden Augen an. „Toni hat nichts getrunken. Das ist alles erstunken und erlogen von euch. Von euch allen, wie ihr hier in vereinter Runde zusammensitzt. Vielleicht tragt ihr sogar einen Teil der Schuld am Tod meines Mannes.“

Nach dieser Anschuldigung war es so still im Saal geworden, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören.
Dann zischte die Stimme der Schwiegermutter neben Susanne: „Wie kommst du dazu, solche Anschuldigungen zu äußern?“
„Ich sage nur die Wahrheit. Toni war doch das geborene Opfer für euch. Nie hat er jemanden etwas verweigert. Ständig hat er Bauarbeiten für euch ausgeführt“, fährt die junge Witwe fort.
„Das ist wahr“, pflichtete ihr der Huber bei.
„Aber die Rechnungen, die wurden gar nicht oder nur schleppend bezahlt. Soll ich die Summen und Namen nennen, von denjenigen, die noch nicht ihre Schulden beglichen haben?“
Dabei ließ sie ihren Blick durch den Raum schweifen. Jede zweite Person hielt den Kopf gesenkt und stocherte in ihrem Essen herum. Keiner konnte ihr in die Augen sehen.
„Zählt man sie zusammen, dann kommt eine horrende Zahl zustanden. Aber irgendwo mussten wir ja zu Geld kommen, damit die Arbeiter und das Baumaterial bezahlt werden konnten. Also hat Toni ständig neue Aufträge im ganzen Land angenommen, obwohl es über seine Kräfte ging, immer weitere Strecken in Kauf zu nehmen.
Susanne traten Tränen in die Augen, die langsam an ihren Wangen hinunter liefen und auf ihr schwarzes Kleid tropften.
„Du lügst“, ließ sich Margarete Bauer vernehmen. „Unsere Firma stand immer gut da. Du warst es, die Toni dazu trieb, mehr zu arbeiten. Dir war doch alles nicht gut genug, du, die aus der Großstadt kommt, und immer neue Ansprüche und Wünsche äußerte, die dir mein Sohn auch erfüllte, damit du bei ihm geblieben bist.“ Dabei wurde ihre Stimme immer schriller.
Susanne ließ hörbar Luft ab, um nicht platzen zu müssen.
„Das ist nicht wahr“, verteidigte sie sich. „Ich wollte nie die vielen Geschenke und Reisen, die mir Toni in den drei Jahren unserer Ehe gemacht hat. Oft habe ich mich dagegen gewehrt.“
„Aber wohl nicht heftig genug“, kicherte die Krämerin.
„Und was ist mit dem Pferd, das du erst letztes Frühjahr bekommen hast?“, hetzte Margarete weiter. „Ständig fuhrst du zum Reitstall, wo der Gaul stand, statt dich um den Haushalt zu kümmern. Dafür hattest du ja eine Putzfrau. Die gnädige Frau sollte sich nur ja nicht die Finger dreckig machen.“

Bei alle den Anschuldigungen konnte sich Susanne kaum noch auf den Beinen halten. Halt suchend klammerte sie sich an die Stuhllehen der Krämerin.
„Jetzt spiel nur noch die schwache kranke Witwe.“ Schon wieder diese boshaften Vorhaltungen der Schwiegermutter.

Da erhob sich eine junge zierliche Frau vom Tisch, nahm ihren Stuhl und stellte ihn hinter Susanne. Sanft drückte sie die Zitternde auf den Sitz und legte beschützend den Arm um sie.
„Warum macht ihr das mit Susanne? Warum könnt ihr sie in ihrem Schmerz nicht in Ruhe lassen? Ihr seht doch, dass es ihr schlecht geht“, sagte sie dann mit leiser Stimme.
„Du musst ganz still sein, Anette“, spritzte die Bäckerin ihr Gift in den Raum. „Dein Mann, der Selbstmörder. Hat sich einfach aus dem Staub gemacht. Einfach gegen den erst besten Brückenpfeiler gefahren. Hach, und jetzt den Moralapostel spielen.“
„Sei vorsichtig, mit dem, was du sagst, Huberin“, verteidigte Susanne ihre Beschützerin. „Auch ihren Mann hat das Dorf auf dem Gewissen.“
„Hört, hört. Jetzt sollen wir noch einen umgebracht haben?“, ließ sich die Krämerin vernehmen.
„Genau so ist es“, entgegnete Susanne, die sich inzwischen etwas erholt hatte und einen Schluck aus dem Wasserglas nahm, das ihr die junge Frau gegeben hatte.
„Auch ihr Mann wurde in den Bankrott getrieben. Auch Peter habt ihr eure Elektroarbeiten machen lassen und habt sie nicht bezahlt. Doch er konnte nicht in der Gegend herumreisen, um Aufträge einzuholen. Er hatte Kinder zu Hause, die ihren Vater brauchten. Doch dann sah Peter keinen Ausweg mehr. Die Schulden fraßen ihn immer weiter auf. Er sah kein Land mehr.“
Anette brach in Tränen aus. Noch immer sah sie das zerbeulte Auto vor sich, wie es am Brückenpfosten stand.
„Fast jeden Abend saßen Toni und Peter bei uns in der Wohnstube und überlegten, wie sie ihre Finanzen ordnen konnte.“ Susanne sagte dies mit sehr leiser Stimme. Aber es war so still geworden, dass man sie trotzdem bis in die hinterste Ecke des Raumes verstand. „Toni hat ihm öfters angeboten, die Elektroarbeiten bei seinen Bauten auszuführen. Doch er musste ablehnen, da er bei den weiten Entfernungen zu lange von seiner Familie getrennt war. Und Anette brauchte Unterstützung bei der Pflege von Mia. Und ihr wisst wie schwierig das ist mit ihrer Behinderung.“
„Noch nicht einmal ein gesundes Kind hat er zeugen können“, keifte die Krämerin. Obwohl sie einen Rüffler von ihrem Mann bekam, der mit hochrotem Kopf neben ihr saß, fuhr sie ungebremst fort: „Bei den Treffen werden sie auch die Brücke für ihren Selbstmord ausgesucht haben.“
„Genug, Mutter!“, unterbrach sie ihr Mann barsch. „Jetzt hältst du dein Maul und gibst Ruhe. Ich glaube die beiden jungen Frauen haben schon genug Leid erfahren müssen, indem sie ihre Männer auf so tragische Weise verloren haben. Da brauchst du nicht auch noch die Glut zu schüren.“

Plötzlich wurde die Tür zum Saal mit einem Ruck aufgerissen und ein dickleibiger Mann in Polizeiuniform stolperte atemlos in den Raum.
„Habt ihr es schon gehört?“, begann er und rang nach Luft.
„Was soll denn diese Störung, Jupp?“, unterbrach ihn sofort Margarete. „Kannst du nicht später wiederkommen? Du störst. Wir wollen in Ruhe meines verstorbenen Sohnes gedenken.“
„Tut … tut mir leid“, stotterte Jupp. „Aber es ist sehr wichtig.“
„Na, dann“, erteilte Margarete Bauer ihm wieder das Wort. „Aber schnell.“
„Gerade habe ich es über Funk erfahren“, setzte der Polizist seinen Bericht fort. „Unser Bürgermeister ist heute in den Vormittagsstunden…“ Jupp holte noch einmal tief Luft. „…in den Vormittagsstunden auf der Autobahn Richtung Österreich verunglückt.“
„Oh, Maria und Josef!“, rief die Huberin aus.
„Ist ihm was passiert?“, wollte ihr Mann erfahren.
„Man weiß nichts Genaues. Hieß er liege auf der Intensivstation im städtischen Klinikum. Wie schwer die Verletzungen sind und ob Schäden zurückbleiben werden, ist noch nicht bekannt.“

„Es gibt doch noch Gerechtigkeit auf dieser Welt. Jetzt ist der Tod von Toni doch noch gerächt worden.“ Susanne, die immer noch auf dem Stuhl hinter der Krämerin saß, drangen diese geflüsterten Worte ans Ohr. Erstaunt sah sie auf und erblickte den jungen Wachtmeister Mayer, der neben der Krämersfrau seinen Platz hatte.
„Was meinst du damit?“, fragte sie ihn.
Nervös schob der Polizist mit seinem Besteck die Knödelstücke von einer Seite des Tellers auf die andere.
„Mensch Carsten“, mischte sich sein Kollege Sebastian ein. „Sei ruhig. Liefere dich nicht ans Messer. Noch lebt der Bürgermeister.“
„Was soll das? Was verheimlicht ihr beiden? Was hat der Unfall des Bürgermeisters mit dem Toni zu tun? Und warum Rache?“ Eindringlich sah Susanne die beiden jungen Männer an.
Sekundenlang herrschte Stille. Die anderen Trauergäste waren aufmerksam und neugierig geworden. Nur die alte Kräuter-Kathi setzte ihre Mahlzeit fort, ohne sich dabei unterbrechen zu lassen.
„Carsten, sei so gut und red“, flehte die junge Frau den Polizisten an, der immer noch zögerte und ängstlich zu seinen Kollegen sah.
„Red endlich, wenn du etwas weißt!“ Susanne schrie förmlich die Worte heraus.
Leise, so leise, dass es kaum zu hören war, kamen die Worte über seine Lippen: „Es war kein Selbstmord. Toni hat nicht Selbstmord begangen.“
„Aber wieso stand es dann als mögliche Ursache im Protokoll?“, mischte sich Jupp ein, der inzwischen wieder zu Atem gekommen war.
„Und was war die Todesursache?“, fragte Susanne dazwischen, die Kreide bleich war.
„Herzinfarkt“, antwortete Carsten. „Toni hatte während der Fahrt einen Infarkt erlitten und war an den Brückenpfeiler gerast. Dass er an genau derselben Stelle verunglückte wie Peter, war Ironie des Schicksals. Schuld an dem Unfall war Herzstillstand und nicht Selbstmord.“

Totenstille trat ein. Jeder musste das eben Gehörte erst verkraften. Noch nicht einmal die Krämerin oder die Bäckerin waren fähig, eine bissig Bemerkung zu machen. Es verschlug ihnen schier die Sprache.
Susanne sah den Polizeibeamten ungläubig an.
„Warum, warum sagst du das erst jetzt. Weshalb hast du die ganze Zeit geschwiegen und zugelassen, dass sich die Dörfler das Maul über Toni zerreißen konnten?“
Mit diesen Worten packte sie den jungen Mann an den Schultern und schüttelte ihn wild. „Warum? Warum nur?“, schrie sie all ihren Kummer aus ihrer Seele heraus.
„Es ist schwer zu erklären“, setzte Carsten an. „Wir hatten Befehl vom Bürgermeister, die eigentliche Todesursache zu verschweigen. Es sollte wie Selbstmord aussehen. Danach wollte sein Bruder das landesweit angesehen Baugeschäft der Witwe abkaufen.“
„Für nen Appel und en Ei wohlgemerkt“, fügte Sebastian hinzu. „Denn Susanne hätte hier im Ort keinen Fuß mehr fassen können, nach der Blamage. Die Schulden sollten natürlich auch unter den Tisch gekehrt werden.“
„Fein hat sich das unser Gemeindeoberhaupt ausgedacht.“ Susannes Stimme klang recht zynisch als sie dies sagte. Eher nachdenklich fügte sie hinzu: „Doch er schien noch irgendetwas gegen Toni in der Hand gehabt zu haben. Der Bürgermeister schuldet Toni zwar eine Menge Geld, denn er hatte sich mit dem Bau seiner Luxusvilla und des angrenzenden Hoteltraktes am Ortsrand übernommen. Ich höre noch Toni und Peter darüber diskutieren, wie sie bei ihm die ausstehenden Schulden eintreiben könnten. Aber war das alles?“

Da die Gäste der Überzeugung waren, dass die Frage heute und hier sowieso nicht beantwortet werden konnte, widmeten sie sich wieder ihrer Mahlzeit. Besteck klapperte und leise Gespräche kamen auf.
Auch Susanne wollte zu ihrem Platz zurückkehren, als sie vom Metzger Moosgruber am Ärmel ihres Kleides festgehalten wurde.
„Warte mal Susanne“, sprach er sie an. Umständlich tupfte er sich Soßenreste von den Mundwinkeln die kaum vorhanden waren und räusperte sich lautstark. „Ich glaube der Tod von Julius war Schuld am Verhalten des Bürgermeisters.
„Was noch ein Toter?’“ Entsetzt sah Susanne den Metzger an und ihre Stimme klang fast hysterisch als sie hinzufügte: „Wer um Gottes Willen ist jetzt auch noch Julius?“
„Julius ist der Sohn des Bürgermeisters“, klärte Margarete ihre Schwiegertochter auf. „Vielmehr er war es, denn er kam bei einem Sturz in die Schlucht ums Leben. Mein Gott, was war das damals für eine Tragödie.“
„Ja und, was hat Toni damit zu tun?“, fragte Susanne und schaute Hilfe suchend von einem zum andern.
„Toni, Peter und ich waren in einer Gruppe Jugendlicher“, begann der Moosgruber zu erzählen und knüllte dabei nervös seine Serviette zusammen. Man konnte ihm ansehen, dass ihm nicht ganz wohl bei der Sache war. „Wir machten Tag für Tag das Tal unsicher.“
„An eure Lausbubenstreiche kann ich mich noch gut erinnern“, ließ sich die Kräuter-Kathi vernehmen, denn das neu entfachte Gespräch hatte die Trauergäste wieder hellhörig gemacht. „Ständig habt ihr mit euren Streichen die Bauern zur Weißglut gebracht.“
„Ehm, ja“, stotterte der Metzger. „Es waren nur kleine Sachen. Hier ein kleines Feuer, das wir natürlich immer unter Beobachtung hielten, dort ein paar geklaute Äpfel oder Birnen.“
„Ein paar Äpfel“, rief die Huberin dazwischen. „Einen ganzen Baum habt ihr leer gepflückt. Ich wollte das Obst noch in meinem Laden verkaufen. Fast ruiniert habt ihr mich!“
Unwillkürlich musste Susanne lächeln. Ihr war die krankhafte Knauserigkeit der Krämersfrau wohl bekannt.
Moosgruber wurde ganz rot im Gesicht, vor Verlegenheit. Nur stockend sprach er weiter: „Eines Tages wollte auch Julius, …ja also, wollte der Sohn unseres Bürgermeisters, in unsere Gruppe aufgenommen werden. Da beschlossen wir, dass er sich vorher einer Mutprobe stellen müsse.“ Er machte eine kurze Pause und tupfte sich die Schweißperlen von der Stirn. „Na ja, er sollte halt auf der Hängebrücke die Schlucht überqueren. Toni und Peter hatten dies vorgeschlagen.“
„Das marode Ding?“ Entsetzt schaute Carsten den Metzger an.
„Damals war sie noch in Ordnung. Wie oft sind wir Jungs da rüber und nüber gesprungen“, verteidigte sich der Moosgruber. „Eigentlich keine große Aufgabe, doch für jemanden der Höhenangst hat, war es schon sehr schlimm.“
„Damals hatte es doch so furchtbar geregnet, als es passierte. Ich weiß das so genau, denn ich hatte gerade Dienst“, ergänzte Jupp. „Und ihr habt ihn trotzdem über die glitschige Brücke geschickt.“
„Ja, wir trieben Julius an, hinüber zu gehen. Doch in der Mitte der Brücke geriet er in Panik und zappelte so sehr herum, dass er auf den nassen Holzplanken ausrutschte und in die Tiefe stürzte.“ Die letzten Worte brachen förmlich aus ihm heraus, so als hätte er das Ganze gerade eben noch einmal durchlebt.
„Ja, so war das damals gewesen“, sagte Margarete in Gedanken. „Ich erinnere mich noch gut daran, wie verstört Toni nach Hause gekommen war. Und dann diese Anzeige!“
„Toni und Peter wurde die Schuld an diesem Unglück in die Schuhe geschoben. Obwohl wir alle beteuerten, dass es ein Unfall gewesen war, kam es zum Prozess. Da man nichts beweisen konnte, stand Aussage gegen Aussage und der Strafantrag des Bürgermeisters wurde abgewiesen“, berichtete Moosgruber weiter, der sich inzwischen wieder gefangen hatte.
„Ja, und was hat das alles mit Tonis Unfall und den Schulden zu tun?“, wollte Susanne wissen.
„Nachdem Toni und Peter die Firmen ihrer Väter übernommen hatten, setzte der Bürgermeister die beiden unter Druck. Er drohte die Sache noch einmal aufzurollen, wenn sie ihm nicht bei seinem Bauvorhaben preiswert unterstützen würden.“
„Wie sollte er das machen? Seine Klage wurde doch bereits abgewiesen“, unterbrach ihn der Huber interessiert.
„Angeblich hätte er erst nach dem Prozess beim Aufräumen der Sachen seines Sohnes ein Tagebuch von Julius gefunden, in dem dieser darauf hinwies, dass Toni und Peter eine gefährliche Mutprobe von ihm verlangt hätte, um in die Gemeinschaft von uns aufgenommen zu werden. Wir mussten ja davon ausgehen, dass es dieses Buch wirklich gab.“
„Damit erpresste der Bürgermeister Toni und Peter“, folgerte Susanne, die dem Geständnis des Meztgers aufmerksam gelauscht hatte. „Beide sollten sich selbst umbringen und so ihre angebliche Schuld am Tod seines Sohnes abtragen. Bei Peter ist es ihm gelungen. Doch Toni war stark genug, dem zu widerstehen.“

„Und da stand er seelenruhig an Tonis Grab und hielt eine Rede, in der er die Hilfsbereitschaft meines Sohnes lobte. Danach verschwand er, wegen dringender Geschäfte, wie er betonte.“ Margaretes Stimme klang zornig.
„Von wegen, dringende Geschäfte“, keifte die alte Kräuter-Kathi und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Abhauen wollt er. Hatte bestimmt schon seine Flucht geplant, der feige Hund.“
„Wie kommst du denn darauf?“, fragte Margarete.
„Was ich gesehen hab, hab ich gesehen.“
„Ja, Mensch, Kathi“, meldete sich Susanne. „Jetzt lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen. Was hast du gesehen?“
„Er hat halt heute in aller Herrgottsfrühe drei schwere Koffer in sein Auto geladen. Das hab ich gesehen. Was das zu bedeuten hatte, könnt ihr euch jetzt wohl denken. Aber Gottes Strafe entgeht keiner!“

Susanne hatte genug erfahren für heute. Zielstrebig ging sie zur Tür, um den Saal zu verlassen. Noch einmal blickte sie zurück in die Runde der Anwesenden und konnte nur bestürzte, aber auch zornige Gesichter ausmachen. Keiner konnte die Kaltblütigkeit, mit der der Bürgermeister vorgegangen war, begreifen.

Noch heute werden die Bewohner des Dorfes jedes Mal an die nun ein Jahr zurückliegenden Geschehnisse erinnert, wenn eine Krankenschwester ihren ehemaligen Bürgermeister mit dem Rollstuhl durch die Straßen fährt. Er kann nur die vorwurfsvollen Gesichter in seiner Gemeinde nicht mehr ausmachen, da er bei dem Unfall erhebliche Hirnverletzungen erlitten hat.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo bambu,

eine schöne geschriebene Geschichte über Karma und Schicksalsverstrickung, auch wenn sie mir nicht immer ganz plausibel erscheint. Auf alle Fälle habe ich sie gern gelesen.
Unplausibel finde ich das Lästern noch beim Leichenschmauß. Das ist schon gehörig dreist, zumal sich die bösen Zungen ja irgendwie selbst in einer Person uneins sind, ob nun die überhöhten Ansprüche der Gattin oder der vermutete Selbstmord verwerfliche waren. Es muss sich also um ein streng katholisches Dorf handeln.
Ich kann mir schon vorstellen, dass sich das Maul verrissen wird, aber schon beim Leichenschmauß auf Kosten der Ausrichterin? Zu dieser Haltung passt für mich irgendwie nicht, dass die Nachricht vom Unfall des Bürgermeisters solchen Schock auslöst. Dazu waren die Schandmäuler vorher viel zu abgebrüht.

Langsam braute sich in ihrem Inneren ein Gewitter zusammen, das sie krampfhaft versuchte, unter Kontrolle zu halten.
nur ein stilistischer Vorschlag: zusammen, das sie krampfhaft unter Kontrolle zu halten versuchte.
Er sollte auf der alten Hängebrücke die Schlucht zu überqueren.
Lieben Gruß, sim

Edit: Ich habe beim Kochen gerade noch einmal überlegt, weshalb mir die Geschichte so noch nicht stimmig erscheint. Es könnte daran liegen, dass du die Dorfgeheimnisse nicht als Spannung aufbaust. Er verwendest du sie als rückwirkenden Erklärungen für die jeweiligen Geschehnisse. Erst die Klatschweiber, der Zorn, die Spekulationen, hinterher der Herzinfarkt.
Erst den Hinweis auf Erpressungen, dann gleich der Grund. Dadurch nimmst du der gespannten Atmosphäre des Dorfes die Spannungfür den Leser. Vielleicht gestaltest du Aufbau und Struktur noch einmal um

 

hallo bambu,

anklagende dorfgeschichten sind dein baby *smile*.
ich bin nicht ganz zufrieden mit dem, was du hier bietest. grundsätzlich könnte das eine starke geschichte werden. aber davon bist du m.e. noch weit entfernt. was dir zweifelsfrei wirklich hervorragend gelungen ist, ist die sprache. diese sprache ist auch der ganze aufhänger in deiner geschichte. das thema - eigentlich ein kleiner krimi - und der ort des inhalts, der saal, sind ebenfalls wunderbar gewählt.
der inhalt selbst - also wer, wann und wie die szene betritt und in ihr was agiert, ist nicht konsequent genug durchgeführt. meiner ansicht nach (obgleich der guten sprache) warst du nicht ausreichend genug in der situation drin. wen haben wir da? die trauernde witwe mit der traudl, die beide ahnungslos sind, auf der einen, und die lästernde möchtegernrichter auf der anderen seite. und zwischen ihnen die geheimnisträger. und hier beginnt die schusterei. wieso unterhalten sich die lästerer derart laut? ich weiss, warum. damit susanne einen anlass bekommt, aufzustehen. wieso eröffnet jupp das geheimnis? ja, ich weiss, sein gewissen plagt ihn. und gerade jetzt war der moment erreicht, bei dem er es nicht mehr aushält? jetzt - vor der versammelten mannschaft? geschustert ist das! nicht geschustert wäre das: Die Unruhe hatte Susanne fest im Griff. Die ganze Zeit spielten ihre Finger mit einem Stück Zettel. Die anonymen Worte auf ihm verursachten Tränen, aber ihre Wut zwang sie zur äußerlichen Ruhe.
später: "Nachdem ihr euer Maul zerissen habt, möchte ich euch das hier vorlesen." Susanne hebt anschaulich den Zettel hoch, und zitiert ohne darauf zu sehen: "Der Tod von Toni war kein Selbstmord!" "Wer soll so einen Schmarren geshrieben haben?", fragte die Huber. Susanne stütze sich müde auf die Lehne. "Der Absender ist anonym." Allgemeines Gemurmel setzte an. "Anonym, habe ich gesagt!", schie sie aus und dann leiser: "Aber nicht unbekannt." Sie geht ein paar Schritte, bis sie vor einem uniformierten, jungen Mann stand. "Jupp, nun rede doch endlich." Erschrocken sieht der Angesprochene zu ihr auf.
wieso sie den verfasser ausfindig gemacht hat - dafür gibt es viele möglichkeiten. einfach sind 2 strafmandate. schwieriger ist es, dass es eine logische schlussfolgerung ist. wie auch immer, so klingt es aber nicht geschustert.
auch das ist einfach verbesserungswürdig. der metztger führt einen ellenlangen - eigentlich nüchternen - vortrag. ist er prdiger? so was fehlt: "Hannes, du erinnerst dich doch auch noch an den Prozeß?!" Der Angesprochene nickte verhalten. oder "Ihr wißt doch noch alle, was mit Klaus, dem Sohn unseres Bürgermeisters, geschehen ist." versetze dich in die menschen!

das andere, was ich für verbesserungswürdig halte, ist die abfolge der wörtlichen rede. sie sind zu lang und werden kaum durch mimik oder gestik oder reaktion der zuhörer unterbrochen. ganz furchtbar ist der monolog des metzgers. der stottert nicht, alle hören ihm muksmäuschenstill zu, er ist nicht nervös. nervös ist keiner deiner geheimnisträger. sowas fehlt zum beispiel. "Bei Diagnose kam überhaupt nicht heraus, dass es Mord war." "Nu, halt doch dein unverschämt' Maul", ruft der Krämer. "Nein, nein", verhaspelt sich Jupp, "das muss jetzt gesagt werden." Susanne krallt verzweifelt ihre Hände ins Gesicht: "Dann rede, Jupp. Um Gottes Willen, rede doch endlich!" "Ja, also. Es war so..." das sind dialoge, wie sie für die situation passen. unterbreche sie, wenn die rede zu lang ist. lass den redner nervös umher sehen. lass einen anderen einen zwischenruf machen. als mass schlage ich vor, bringe nicht mehr als 2 sätze in eine wörtliche rede unter.

als vorletzten punkt. in einem dorf gibt es keine unbekannten. nicht "jemand" macht einen zwischenruf, sondern ein "Name". sieh diese eingeladene dorfgemeinschaft als eine grosse familie an. natürlich können die ganzen namen den leser erschlagen, aber fremde als synonyme zu verwenden ist schlicht falsch.

der letzte punkt sind di namen selbst. versuche bitte bei namen mit der zeit zu gehen, besonders dann, wenn es eine solche vielfalt der namen in der geschichte auftreten. alte generation bekommen alte namen, neue generation neue namen. traudl ist sicherlich nicht auf einer ebene mit susanne. "Kerstin", "Anette" sind gleichwertige namen. es ist eine art kathegorisierung, die dem leser aber ungemein hilft.

die textbezüge dazu:


Da war es nur Recht, dass man dem Sohn, der in der Generation nachrückte, das letzte Geleit gab.

der sohn ist tot, deshalb "nachgerückt war"

Und nun hatte man ihn auf dem Friedhof zu Grabe getragen, viel zu früh aus dem Leben gerissen.

irgendwie klingt das aber unpassend. ist das nicht besser: Und nun hatte man ihn, der viel zu früh aus dem Leben gerissen wurde, zu Grabe getragen.?

Um sie herum Stimmengewirr und Lachen, das sie kaum wahrzunehmen schien.

ein lustiger leichenschmaus. ich habe schon ein paar beigewohnt, aber gelacht hat dort keiner.


Mit einem Satz sprang Susanne von ihrem Stuhl auf, der nach hinten kippte und mit einem Poltern auf die Steinplatten der Gaststube aufschlug.
„Was fällt euch ein, solche Vermutungen zu äußern. Ihr wisst ja überhaupt nicht, was geschehen ist. Nur Klatsch und Tratsch könnt ihr verdammten Weiber im Ort verbreiten. Die Wahrheit, die ist euch doch allen egal.“

nach "aufschlug" sollte m.e. nicht sofort die wörtliche rede kommen. das poltern des stuhles, das stehen der witwe erregt erst einmal aufmerksamkeit - wahrscheinlich sogar schrecken!

„Susanne, was ist denn in dich gefahren“, raunte ihr ihre Schwiegermutter zu. Ihre Hand legte sich beschwichtigend auf Susannes Arm.

dein namenswiederholungen haben überhang. in diesem satz ist es doch leicht, das zu verhindern. hinter "zu" geht es weiter ...und legte die Hand beschwichtigend auf ihren Arm.
dass es susannes arm ist, ist selbstverständlich.

Dir war doch alles nicht gut genug. Du, die aus der Großstadt kommt,

"Du" klein

Und Traudl brauchte Unterstützung bei der Pflege ihrer behinderten Tochter.“

in einem/deinem dorf kennt jeder jeden. deshalb kannst du hier nicht von einer fremden sprechen. "... bei Gabrielas Pflege. Und Ihr wisst, wie sehr sie behindert ist."

„Ich kann nicht mehr lügen“, brach es aus ihm heraus.
sorry, bambu - aber das ist schmierenkomödie.

„ Toni, Peter und ich waren eine Gruppe von Jugendlichen, die das Tal unsicher machten. Es waren nur kleiner Streiche, mit denen wir die Bauern wütend machten.

"kleiner" >> "kleine"
vor "Toni" ist ein leerzeichen zu viel

Eines Tages wollte auch der Sohn des Bürgermeisters in unsere Gruppe aufgenommen werden.
hier wieder mein kritikpunkt. es ist ein dorf. man kennt jeden. hinter "auch" noch ein "Name," - zumindest

keine unbekannten! die anwesenden identifizieren sich gegenseitig mit namen.

Wir trieben den Bürgermeistersohn an,

s.o.

Die ersten Meter geschah nichts. Zitternd setzte er einen Fuß vor den anderen.

diese datailierte schilderung ist unpassend. er will etwas loswerden, und deshalb wird er zügig erzählen und nicht einen spannungsaufbau krieren.

Obwohl wir alle beteuerten, dass es ein Unfall gewesen war kam es zum Prozess.

vor "um" ein komma
du, das ist alles schlecht erzählt. stell dir doch vor, es ist ein dirf. man kennt sich under erinnert sich gemeinsam.

setzte er die Beiden unter Druck.

"Beiden" besser klein?

um in die Gemeinschaft von uns dreien aufgenommen zu werden.
"dreien" dann gross

„Wo ist eigentlich das Oberhaupt unserer Gemeinde?“, fragte jemand dazwischen.

jemand?

Wahrscheinlich bleibt er querschnittsgelähmt.“

eigentlich ist diese diagnose verfrüht! ich empfehle, einen nachsatz zu verfassen, der die situation im dorf nach wenigen monaten schildert. DANN wäre es eine tolle schilderung, dass der (ehemalige) bürgermeister sinnesverwirrt und gelähmt umher geschoben wird.

Die Ereignisse der letzten Minuten hatten ihnen allen den Appetit verschlagen.

dieser satz ist eine überflüssige wertung

fazit: das könnte eine tierisch gute geschichte werden. aber nur nach viel liebe für perfektionismus!

bis dann

barde

 

Hallo Sim,
hallo Barde,

vielen Dank für die Kritiken. Hat mich gefreut, dass die Geschichte gefallen hat, wenigstens die Idee, wenn auch nicht immer die Umsetzung.

Werde mich am Wochenende an die Bearbeitung machen. Da ich bis zum Sonntagabend nicht in der Nähe eines Computers bin, gebe ich euch später noch eine ausführlichere Stellungnahme.

Bis dann
bambu

 

Hallo Sim,
hallo Barde,

so, heute habe ich ein bisschen mehr Zeit für eine Stellungnahme zu eurer Kritik. Wie schon gesagt, habe ich mich am Wochenende an eine Bearbeitung gemacht. Es haben sich einige Passagen geändert.

@ Sim: Ich habe versucht, die Fragen, die gestellt wurden, nicht gleich zu beantworten und somit die Spannung noch ein wenig zu steigern. Besonders in der Szene, in der es um das Druckmittel ging, das der Bürgermeister gegen Toni und Peter in der Hand hatte.
Auch die Stelle, an der die Trauergemeinde von dem Unfall des Bürgermeisters erfährt, habe ich nach oben gesetzt.
Nicht schlecht, was dir so beim Kochen alles einfällt. *smile*

@ Barde: So nun zu dir. Ich habe mir alle Kritikpunkte gründlich durchgelesen und auch im Text geändert.
Dein Beispiel mit dem anonymen Brief war natürlich wieder so optimal, dass ich keine andere Lösung gefunden habe. Aber mein Ego hat mir keine Ruhe gelassen. Ich wollte etwas finden, das auch gut ist.
So habe ich den Absatz, der den Unfall des Bürgermeisters betrifft, nach oben gezogen und so dem Polizisten Carsten (früher Jupp) Gelegenheit gegeben, die Sätze

„Es gibt doch noch Gerechtigkeit auf dieser Welt. Jetzt ist der Tod von Toni doch noch gerächt worden.“

zu sagen, die dann zu seinem Geständnis überleiten. Ich hoffe, das ist auch eine Lösung, vielleicht nicht perfekt, aber vielleicht doch gut????

Bei der Namensgebung habe ich auch einige Änderungen vorgenommen.

Ich nehme ja an, dass du dir die neue Version auch zu Gemüte führst und ich bald von dir hören werden.

Bis bald
bambu

 

hallo bambu,

an einer geschichte muss man u.u. noch lange feilen. aber ich bin der meinung, dass sich einiges schon wesentlich verbessert hat. besonders der spannungsbezogene mittelteil, also als es zur sache geht, ist sehr mitreissend geworden.

Dein Beispiel mit dem anonymen Brief war natürlich wieder so optimal, dass ich keine andere Lösung gefunden habe.

das ist absoluter humbug! ich trete grundsätzlich alle meine rechte von meinen vorschlägen an den schreiber ab. du beschneidest dich doch selbst. meine vorschläge nehmen dir die möglichkeit, zufällig auch auf die selbe idee zu kommen. ich müsste mir angewöhnen, bei dir auf vorschläge zu verzichten.
also - ich übernehme immer die vorschläge anderer, wenn sie mir gefallen, die prüfung der vorschläge gehört auch zu meiner kreativitätsarbeit - und trotzdem bleibt die geschichte 100% meine. ich bediene mich sogar anderen hilfsmittel. duden, rechtschreibprüfung und sysnonym-wörterbuch.
die laute diskussion an der tafel bleibt also als kritikpunkt bestehen.

ich habe noch einige textbezüge. bekomme keinen schreck, wenn es trotzdem so viel ist. deine geschichte inspiriert den perfektionismus in mir. sie ist jetzt schon sehr gut, aber es gibt dinge, die könnte man m.e. besser schreiben:

Was fällt euch ein, solche Vermutungen zu äußern.

ist das eine frage?

Nach dieser Anschuldigung war es so still im Saal geworden, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören.

lasse bitte etwas anderes fallen. "Stecknadel" ist abgegriffen. wie wäre es mit "Nudel"?

Bei alle den Anschuldigungen konnte sich Susanne kaum noch auf den Beinen halten.

"alle" >> "all"

Hieß er liege auf der Intensivstation im städtischen Klinikum. Wie schwer die Verletzungen sind und ob Schäden zurückbleiben werden, ist noch nicht bekannt.“

"Hieß" >> "Es heißt," aber eigentlich kann man der info der polizei trauen.
das andere ist - deine zaunpfahlmethode! "ob bleibende Schäden zurückbleiben werden..." du bist gut beraten, das wegzumachen - du greifst der pointe vor.

Es gibt doch noch Gerechtigkeit auf dieser Welt. Jetzt ist der Tod von Toni doch noch gerächt worden.“

auch das! der ansatz "Es gibt doch noch Gerechtigkeit auf der Welt" MUSS reichen. der 2. satz ist mit dem kopf drauf stossen. du stiehlst deiner geschichte die reize.

„Carsten, sei so gut und red“, flehte die junge Frau den Polizisten an, der immer noch zögerte und ängstlich zu seinen Kollegen sah.
„Red endlich, wenn du etwas weißt!“ Susanne schrie förmlich die Worte heraus.

die emotionen sind falsch rum. zuerst schreien, dann kraftlos und mitleidserregend.

Leise, so leise, dass es kaum zu hören war, kamen die Worte über seine Lippen: „Es war kein Selbstmord. Toni hat nicht Selbstmord begangen.“

ja, das gefällt mir gut!

„Aber wieso stand es dann als mögliche Ursache im Protokoll?“, mischte sich Jupp ein, der inzwischen wieder zu Atem gekommen war.

du bist auf dem höhepunkt deiner geschichte. jedes verb bekommt ein adverb. wie spricht jupp? vielleicht anstatt "mischte" >> "fragte gedehnt"

„Und was war die Todesursache?“, fragte Susanne dazwischen, die Kreide bleich war.

dramatik. hinter susanne ein punkt. Ihre Kehle wie zugeschnürt.
statt "fragte" wegen vorschlag zum vorangegangenen textbezug. "hakte nach"

Herzinfarkt“, antwortete Carsten. „Toni hatte während der Fahrt einen Infarkt erlitten und war an den Brückenpfeiler gerast.

ein adverb für das verb - wie sagt er das. "tonlos"?

eine bissig Bemerkung zu machen.

"bissig" >> "bissige"

Es verschlug ihnen schier die Sprache.

der satz ist zu viel

Susanne sah den Polizeibeamten ungläubig an.

vielleicht "Dorfpolizisten"?

„Warum, warum sagst du das erst jetzt.

ein fragezeichen?

Mit diesen Worten packte sie den jungen Mann an den Schultern und schüttelte ihn wild.

nein, nicht in der dramatikphase. solche aktionen müssen vor der wörtlichen rede kommen. der leser möchte jetzt nicht immer einen schritt zurück machen müssen. Sie packte den Mann an der Schulter und rüttelt ihn wild: "Warum,warum sagst..."

„Es ist schwer zu erklären“, setzte Carsten an. „Wir hatten Befehl vom Bürgermeister, die eigentliche Todesursache zu verschweigen.

hey - so eine gewaltige anschuldigung vor der gesamten dorfschaft. die beichte kommt ihm nicht sachlich über die lippen.

„Es ist schwer zu erklären“, setzte Carsten an. „Wir hatten Befehl vom Bürgermeister, die eigentliche Todesursache zu verschweigen.

"Na ja, der Bürgermeister halt", setzte Carsten ziemlich nervös an, und als er Susannes fordernde Augen sah, fuhr er mit zittriger Stimme fort...

„Für nen Appel und en Ei wohlgemerkt“, fügte Sebastian hinzu.

wer ist sebastian? auf wessen seite steht er? verurteilt er das? ist er carstens freund? ganz wichtig - ein adverb für das verb. "sarkastisch", "ironisch", "bekräftigend" hinter "Sebastian"
"nen" >> "'nen" und "en" >>"e'n"

Da die Gäste der Überzeugung waren, dass die Frage heute und hier sowieso nicht beantwortet werden konnte, widmeten sie sich wieder ihrer Mahlzeit. Besteck klapperte und leise Gespräche kamen auf.

schöner und kürzer: Mit der Ruhe kam auch für die meisten der Hunger wieder.

Umständlich tupfte er sich Soßenreste von den Mundwinkeln die kaum vorhanden waren und räusperte sich lautstark.

lass doch mal diese sossenreste weg. du erzeugst ein ekelgefühlt - das passt jetzt nicht, der leser ist im spannungsgefühl drin.

Was noch ein Toter?’“ Entsetzt sah Susanne den Metzger an und ihre Stimme klang fast hysterisch als sie hinzufügte: „Wer um Gottes Willen ist jetzt auch noch Julius?“

lass hier unbedingt durchschimmern, dass sie das leise sagt. sonst müsstest du umständlich schreiben, dass die dorfgemeinschaft wieder aufhorcht etc.

„Julius ist der Sohn des Bürgermeisters“, klärte Margarete ihre Schwiegertochter auf.

erinnere den leser VORHER daran, dass die schwiegermutter immer noch an susannes seite steht. sonst fragt sich der leser, wo die auf einmal herkommt.

„An eure Lausbubenstreiche kann ich mich noch gut erinnern“, ließ sich die Kräuter-Kathi vernehmen, denn das neu entfachte Gespräch hatte die Trauergäste wieder hellhörig gemacht.

die näher sitzende trauergäste nur! ich würde das aber ganz weg lassen
der einwurf von kathi, jene du clevererweise vorher erwähnt hattest, ist sehr gut!

„Ehm, ja“, stotterte der Metzger. „Es waren nur kleine Sachen. Hier ein kleines Feuer, das wir natürlich immer unter Beobachtung hielten, dort ein paar geklaute Äpfel oder Birnen.“

wirklich schön! sehr lebendig!
"Ehm" >> "Ähm"

„Ein paar Äpfel“, rief die Huberin dazwischen. „Einen ganzen Baum habt ihr leer gepflückt. Ich wollte das Obst noch in meinem Laden verkaufen. Fast ruiniert habt ihr mich!“

*smile* prima!

Unwillkürlich musste Susanne lächeln. Ihr war die krankhafte Knauserigkeit der Krämersfrau wohl bekannt.

der leser hat schon ein komplettes bild von der krämerin. keine nachinfos bitte. ausserdem sollte susanne nicht lächeln. das ist falsch! besser lasse die beiden sätze weg.

Moosgruber wurde ganz rot im Gesicht, vor Verlegenheit.

und das nach so vielen jahren!

Eines Tages wollte auch Julius, …ja also, wollte der Sohn unseres Bürgermeisters, in unsere Gruppe aufgenommen werden.

sehr schön!
aber nicht in die gruppe aufgenommen werden sondern mit uns gehen. eine gruppe hat i.r. viele mitglieder.

„Damals hatte es doch so furchtbar geregnet, als es passierte. Ich weiß das so genau, denn ich hatte gerade Dienst“, ergänzte Jupp.

och - ich hatte nicht vermutet, dass jupp schon so alt ist. also muss vorher beim "dicker" noch "alter" ergänzt werden.

Ja, wir trieben Julius an, hinüber zu gehen. Doch in der Mitte der Brücke geriet er in Panik und zappelte so sehr herum, dass er auf den nassen Holzplanken ausrutschte und in die Tiefe stürzte.“

du hast hier die spannung entfernt! sehr gut!

Die letzten Worte brachen förmlich aus ihm heraus, so als hätte er das Ganze gerade eben noch einmal durchlebt.

keine nacherklärung bitte. besser weglassen

„Wie sollte er das machen? Seine Klage wurde doch bereits abgewiesen“, unterbrach ihn der Huber interessiert.

ja genau, eine andere person muss den gedanken aufgreifen.

„Damit erpresste der Bürgermeister Toni und Peter“, folgerte Susanne, die dem Geständnis des Meztgers aufmerksam gelauscht hatte.

es wäre ein schönes bild, wenn sie dem metzger nebenbei ihre hand auf seine schulter legt. erstens hat er sich unglaublich überwinden müssen, zum anderen wird die freundschaft zwischen toni und ihm klar - und somit ist seine trauer sehr deutlich - und die teilt er ja mit susanne!

Susanne hatte genug erfahren für heute.

die vergangenheitsform von "heute" ist "dieser Tag". oder besser weglassen - die info ist nicht notwendig.

viel erfolg weiterhin *smile*

barde

 

Hallo Barde,

vielen Dank für deine zweiten ausführlichen Anmerkungen.

Natürlich habe ich erst einen Schreck bekommen. "Nein, nicht schon wieder so viel!"
Aber beim genaueren Hinsehen habe ich bemerkt, dass es dir dieses Mal um die Feinheiten in der Geschichte ging. Die bessere Herausarbeitung der Spannung.
Ich freue mich über diese Hilfen und habe sie innerlich bereits gespeichert, um sie bei einer der nächsten Geschichten hoffentlich mit einzuarbeiten.

Dein Beispiel mit dem anonymen Brief war natürlich wieder so optimal, dass ich keine andere Lösung gefunden habe.

Ja, hier war es nicht negativ gemeint. Aber ich wollte noch eine Lösung finden, in der ich das Vorhandene umschreiben kann, um auch den gleichen Effekt zu erzielen. Ich hoffe, du verstehst was ich meine?
Ich nehme an, es ist mir durch die Umstellung innerhalb der Geschichte gelungen.

Ansonsten werde ich in der nächsten Zeit, die Änderungsvorschläge von dir noch in die Geschichte einarbeiten. Du siehst, ich nehme doch Vorschläge von dir an. *smile*

Bis bald
bambu

 

Ich nehme an, es ist mir durch die Umstellung innerhalb der Geschichte gelungen.
ich glaube, nicht! es geht hier auch nicht um mein ego - nur um den wichtigen rat, falls du keine eigene idee findest, die mindestens so gut ist, wie der vorschlag des kritikers (wer immer das ist), dann solltest du nicht zu eitel sein, diesen vorschlag zu verwenden.

ja, es geht mir jetzt um die feinheiten. bei dieser geschichte lohnt sich das! und so oft du die geschichte überarbeitest, so oft schaue ich mit deinem wohlwollen darüber, und gehe noch tiefer in die feinheiten.

bis dann *smile*

barde

 

Hi Bambu,

ich könnte mich vielleicht ärgern! Eine lange Kritik und ein einziger unbesonnener Klick und alles war verschwunden. Super. Gut, nochmal von vorne - auf die Detailanmerkungen werde ich jetzt aber verzichten.

Meiner Meinung nach ist diese Geschichte hier deine Beste. Die Stimmung im Gasthaus, die Personen hast du sehr gut beschrieben. Die Dialoge fand ich besonders gelungen. Sie wirkten auf mich sehr echt.

Inhaltlich gefiel mir deine Geschichte gut, wenn ich auch, wie Barde, der Meinung bin, das du noch mehr daraus machen könntest. Ich werde dir jetzt mal meine Eindrücke schildern.

1. Auf dem Dorf wird viel getratscht, das ja. Komme ja selbst von dort. So dreist würde aber kaum jemand sein auf dem Leichenschmaus abzulästern. Vielleicht wäre es besser, wenn Susanne zwei Frauen auf der Toilette belauscht, später sieht wie sie tuscheln und daraufhin die Nerven verliert?
2. Das Geständnis von Jupp fand ich aus der Luft gegriffen. Also nicht das Geständnis an und für sich, sondern dass er vor versammelter Mannschaft damit herausplatzt. Das kann ich einfach nicht glauben. Jahrelang schweigt er, trägt sein schlechtes Gewissen mit sich herum und wählt sich dann ausgerechnet einen solchen Moment. Nee!
3. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sich die Charaktere deiner Geschichte Dinge erzählen, die sie eigentlich wissen müssten. Das finde ich immer relativ ungünstig. Notfalls könntest du vielleicht eine Person einbauen, die schon länger nicht mehr im Dorf war und über die Geschehnisse nicht mehr ganz auf dem Laufenden ist.
4. Ich finde den "personellen Rahmen" deiner Geschichte zu groß. Ich kann mir Namen sowieso schon schlecht merken und sie bestimmten Personen zuordnen, aber wenn sie nur so beiläufig und kurz auftauchen, wie teilweise in deiner Geschichte, dann schaffe ich es gar nicht mehr. Ständig musste ich einzelne Passagen nochmal lesen, weil ich nicht mehr wusste, welchem Charakter ich die sprechende Person zuordnen muss bzw. was sie in der Geschichte für eine Rolle spielen.

Soweit mal meine Gedanken zu deiner Geschichte.

LG
Bella

 

Hallo Bella,

vielen Dank für deine erfreuliche Kritik und deine Anregungen für Änderungen. Es hat mich sehr gefreut, dass ich noch einmal von einer anderen Seite eine Meinung bekomme.

Zunächst einmal möchte ich dich wissen lassen, dass das noch nicht die Endfassung sein wird, denn dafür sorgt schon Barde.
Ich bin auch inzwischen dran gegangen, dessen Hinweise im Text zu verarbeiten. Nun habe ich ja von dir auch noch Einiges erfahren, an dem ich herumknabbern kann.

So nun zu den einzelnen Punkten.

zu 1. Ich habe früher gerne Heimatromane gelesen und auch diverse Filme verschlungen. Daher bin ich der Meinung, dass es in einem Dorf, (sagen wir mal) nicht gerade zur heutigen Zeit, durchaus möglich war, dass man sich beim Leichenschmaus die Mäuler zerrissen hat und das auch z.T. laut von sich gab. Aber deine Idee, mit den Damen auf der Toilette ist auch nicht von der Hand zu weisen.

zu 2. An diesem Punkt bin ich am Arbeiten. Ich will den Vorschlag von Barde einarbeiten, mit dem anonymen Zettel. Aber bei meiner jetzigen Fassung bin ich etwas zu sehr in Plaudern gekommen. Muss ich noch dran feilen.

zu 3. Diesen Punkt habe ich nicht ganz verstanden. Ich meine, da ist Susanne, die ja erst seit ca. drei Jahren (so lange ist sie mit Toni verheiratet gewesen) im Dorf ist. Also finde ich es garnicht so falsch, wenn das eine oder andere, für die Dorfbewohner durchaus Bekannte, noch mal wiederholt wird. So wird es auch dem Leser mE am Besten vermittelt.
Zum anderen sind auch ältere Dorfbewohner dabei, denen die Ereignisse durchaus entfallen sein könnten. Bei der Erzählung kommt dem ein oder anderen dann die Erinnerung, wie man an den Einwürfen sehen kann.

zu 4. Gut, es mag manchmal schon etwas verwirrend sein, wenn die ein oder andere Person nur einmal und dann gegen Ende noch einmal auftaucht. Aber die Dialoge nur auf ein paar wenige Personen zu verteilen, finde ich etwas unrealistisch, da ja das fast das ganze Dorf beim Leichenschmaus erschienen ist. Und die Dialoge waren ja auch nicht so leise, dass es nur eine Handvoll Leute mitbekommen hat, zumal es auch die Szene mit dem Wachtmeister Jupp gab, der die Unfallnachricht vom Bürgermeister lauthals übermittelt hat.

Falls du mir zu Punkt 3 noch ein paar Beispiele oder wenigstens eins nennen könntest, würde es mir vielleicht etwas klarer werden.

Vielen Dank nochmals für deine doch recht ausführliche Kritik.

Auf bald
bambu

 

das mit den personen ist mir auch aufgefallen, aber ich bin noch nicht auf eine idee gekommen, das problem zu umgehen. sie sind schon ziemlich mindestmass.
vielleicht müssen die namen noch prägnanter sein.
aber das ist ein problem das zum feinschliff gehört.

ja, ich finde es auch ihre bislang von mir gelesene beste, und es ist eine freude, daran mitzueifern *smile*.

 

Hallo Bambu,

So wird es auch dem Leser mE am Besten vermittelt.

Du hast schon recht, aber manchmal kann so etwas unglaubwürdig wirken. Du kannst es zum Beispiel umgehen, indem du einfach jemanden nachfragen lässt. Vielleicht ist jemand von Außerhalb dabei, oder jemand der längere Zeit nicht im Dorf war.

Hier zwei Beispiele:

Nach diesem Gespräch bekniete ihn der Pfarrer noch, die Tombola des Kirchfestes am kommenden Sonntag zu übernehmen, die für die Renovierung der Orgel ins Leben gerufen wurde.

Das ist eine Stelle, die ich meine. In einem kleinen Ort WISSEN die Leute, wenn eine Tobola zur Renovierung der Orgel ansteht.

Und Anette brauchte Unterstützung bei der Pflege von Mia. Und ihr wisst wie schwierig das ist mit ihrer Behinderung.“

Das wäre auch ein Beispiel.

zu 4. Gut, es mag manchmal schon etwas verwirrend sein, wenn die ein oder andere Person nur einmal und dann gegen Ende noch einmal auftaucht. Aber die Dialoge nur auf ein paar wenige Personen zu verteilen, finde ich etwas unrealistisch, da ja das fast das ganze Dorf beim Leichenschmaus erschienen ist. Und die Dialoge waren ja auch nicht so leise, dass es nur eine Handvoll Leute mitbekommen hat, zumal es auch die Szene mit dem Wachtmeister Jupp gab, der die Unfallnachricht vom Bürgermeister lauthals übermittelt hat.

Ich verstehe dich natürlich schon, aber vielleicht könntest du die einzelnen Personen durch besondere Details besser herausarbeiten. Sie also nicht nur mit Namen benennen, sondern ihnen irgendetwas mitgeben. Bei der "Kräuterfrau" fand ich das z. B. ganz gut. Da war klar, wer spricht. Oder beim Metzger.

Ich bin wirklich sehr gespannt, was du aus der Geschichte machen wirst! Du bist auf jeden Fall auf dem richtigen Weg.

LG
Bella

 

Hallo Bella,
hallo Barde, Kritiker meiner schlaflosen Nächte,

also, ich bin ja noch am Überarbeiten. Nur schlimm, dass mir immer die Ideen beim Einschlafen kommen.

Das mit den Personen kann ich noch in Angriff nehmen.
Eine kleine Überraschung habe ich auch noch für euch Beiden. Hoffe, dass sie mir gelingt.

@ Bella
Das mit dem behinderten Kind musste ich doch erwähnen, denn den Hinweis braucht der Leser, um zu verstehen, dass die Hilfe des Vaters dringend gebraucht wird. Mal sehen, ob ich da auch noch eine Möglichkeit finde.
Die Ergänzung mit der Tombula werde ich streichen.
Wie gesagt, ich bin noch dran am Ball!

Bis bald
bambu

 

Hi Bambu,

denn den Hinweis braucht der Leser, um zu verstehen, dass die Hilfe des Vaters dringend gebraucht wird.

Das meine ich. Der Leser braucht den Hinweis, nicht die Protagonisten.

LG
Bella

 

"ach diesem Gespräch bekniete ihn der Pfarrer noch, die Tombola des Kirchfestes am kommenden Sonntag zu übernehmen, die für die Renovierung der Orgel ins Leben gerufen wurde."

das kann man auch als anklage schreiben: "die Tombola" >> "für eure Tombola"

 

Hallo Bella,
hallo Barde,

hier folgt "Späte Rache die Vierte".

Ich habe die erste Version gelöscht und die neu nun als geänderte Fassung oben gepostet.

Viel Spaß beim Durcharbeiten
wünscht
bambu

 

Hallo Bambu,

klasse, was du aus der Geschichte noch gemacht hast. Wenn ich dagegen an die erste Version denke, hast du wirklich eine tolle Verbesserung erreichst. Einige Ungereimtheiten sind ausgebügelt, ein paar Fehlerchen auch - insgesamt lässt deine Geschichte jetzt viel flüssiger lesen!
Mir fällt jetzt auf Anhieb nichts mehr ein, was du noch verbessern könntest. Ich bin schon sehr gespannt, auf deine nächste Geschichte!

LG
Bella

 

Hallo Bella,

freut mich, deine positive oder noch positivere Kritik.

Hatte schon Angst, dass ich sie in den Sand gesetzt hätte.
Wenn man längere Zeit daran arbeitet und immer wieder was ändert, dann verliert man mit der Zeit den Blick dafür, ist es jetzt besser oder eher das Gegenteil.

Freut mich, dass es besser geworden ist.

Viele Grüße
bambu

 

Hallo bambu,

den Unfall des Bürgermeistesrs hast du jetzt nur noch im Abspann, stimmts?
Irgendwie haben sich beim neuen Lesen neue Fragen ergeben. Schon der Selbstmord Peters kann nicht im Interesse des Bürgermeisters gelegen haben. Das schlimmste an einer Quelle ist doch ihr Versiegen. Warum also solle der Tod Tonis für den Bürgermeister geschäftlich von Bedeutung sein, selbst, wenn ein verwandter von ihm den Betrieb übernimmt?
Rache als Motiv, die beiden in den Tod zu treiben kann ich ja noch verstehen, aber die inneren Beweggründe und Motive für die Handlungen erscheinen mir noch nicht deutlich genug.
Nach wie vor gut getroffen finde ich das lokale Ambiente, die Atmosphäre dieser missgünstigen Dorfgemeinschaft.

weitere Details:

Toni musste vor seiner Abreise noch einmal zum Pfarrhaus wegen den Umbauarbeiten.
mE wegen der Umbauarbeiten
die noch nicht ihre Schulden beglichen haben?“
die ihre Schulden noch nicht beglichen haben (erschiene mir flüssiger)
dann kommt eine horrende Zahl zustanden
zustanden
„Bei dem Treffen werden sie auch die Brücke für ihren Selbstmord ausgesucht haben
Fast jeden Abend ist nicht nur ein Treffen. Vorschlag: Bei den Gesprächen
Es lang schon, dass du ihr diesen Zettel zugesteckt hast
es langt schon
Eher nachdenklich fügte sie hinzu: „Doch er schien noch irgendetwas gegen Toni in der Hand gehabt zu haben
Wie kommt sie darauf?

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Sim,

vielen Dank für deine Anmerkungen. Ich habe sie bereits im Text geändert.

Schon der Selbstmord Peters kann nicht im Interesse des Bürgermeisters gelegen haben. Das schlimmste an einer Quelle ist doch ihr Versiegen.

Diesen Einwurf von dir habe ich auch beseitigt, indem der Bruder auch die Elektrofirma von Peter aufkaufen will.

„Doch er schien noch irgendetwas gegen Toni in der Hand gehabt zu haben

Textstelle ist ebenfalls umgeändert.

Ich hoffe, dass nun alle Klarheiten beseitigt sind.
Nochmals vielen Dank für die Kritik.

Viele Grüße
bambu

 

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