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Spielball der Götter

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05.02.2005
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Spielball der Götter

Spielball der Götter

„Nun bin ich doch wieder hier, dabei wollte ich nie mehr zurück.“
Über ein Jahr war vergangen, als Manfred verbittert alles hingeschmissen hatte. Hals über Kopf, war er abgereist, denn zu sehr hatte ihn Claudia enttäuscht. Zunächst war er zu seiner Schwester nach Heilbronn gefahren, aber eine innere Unruhe trieb ihn weiter. Kassel, Fulda, München, waren einige seiner Stationen. Nirgendwo hielt er es lange aus, denn er dachte immer wieder an Claudia – an Claudia seiner großen Liebe.

Manfred starrte dem Zug nach, dessen rote Schlusslichter immer kleiner wurden. Tief sog er den Rauch der Zigarette in seine Lunge. Mit zittrigen Händen fingerte er ein Bild aus seiner Brieftasche und betrachtete es in der fahlen Beleuchtung. Es war das einzige, was ihm von Claudia geblieben war.

Er dachte an jenen denkwürdigen Tag, als Claudia in sein Leben getreten war. Als der Wecker an jenem Morgen geklingelt hatte, hätte er ihn am liebsten ignoriert. Sonst war er morgens immer gut drauf, aber in der letzten Zeit hatte sich einiges geändert. Es fing damit an, daß er mit dem Schirm gegen den Garderobenspiegel stieß, der dann aussah wie ein riesiges Spinnennetz.
Am Tag darauf hatte ihm seine Freundin Ruth völlig unvermittelt eröffnet, daß sie sich in einen anderen verliebt hätte. Daß dieser andere ausgerechnet sein bester Freund Bruno Westphal wäre, erwähnte sie so nebenbei.
Eigentlich war Manfred nicht abergläubisch, aber da begann er doch zu zweifeln: „Ob nicht doch etwas dran ist an diesem Volksmund: sieben Jahre Pech? Am besten, ich würde gar nicht mehr aufstehen!“
Doch dann schwang er seine Beine aus dem Bett. Es war besser pünktlich im Büro zu sein, besonders jetzt. Urplötzlich hatten sich auch noch Fehler in seine Arbeit eingeschlichen. Sein Boss hatte schon zweimal die Stirn gerunzelt – und genügend Programmierer warteten auf eine Chance.
Die Dusche war erst zu kalt, dann zu heiß eingestellt; in Windeseile zog er sich an. Verzweifelt, leicht fluchend, kämpfte er mit der Krawatte, bevor sie einigermaßen saß. Als er sich dann noch das Hemd mit Kaffee bekleckerte, stöhnte er händeringend: „Auch das noch.“
Gehetzt blickte er auf die Uhr und beeilte sich mit dem Umziehen. Doch alle Eile nützte nichts: Er kam zu spät ins Büro.

Sein Kollege Werner schüttelte nur den Kopf.
„Manfred, wo bleibst du denn? Der Chef hat schon zweimal nach dir gefragt! Am besten, du gehst gleich zu ihm rein!“
Manfred nickte nur, warf seinen Mantel über den Stuhl und betrat das Chefzimmer. Dr. Theils Gesicht war nicht gerade freundlich, als Manfred leise grüßte.
„Endlich, Herr Bohren! So geht das wirklich nicht weiter!“ Er wedelte mit einer Diskette.
„Sieben Fehler! Nur gut, daß ich sie noch mal überprüft habe. Was ist denn bloß los mit Ihnen? Sie waren doch mal mein bester Mitarbeiter!“
Manfred´s Lippen begannen zu zittern, mühsam rang er um seine Fassung.
„Es... es tut mir leid“, stammelte er. „Ich weiß auch nicht, in letzter Zeit habe ich nur noch Pech!“
„Unsinn!“ sagte Dr. Theil streng. „Pech hat man nicht, Pech macht man sich!“
Er sah Manfred prüfend an: „Sie müssen sich zusammenreißen! Sonst... es würde mir leid tun, aber... Dies ist Ihre letzte Chance!“
Manfred bemühte sich den ganzen Tag nach Kräften, trotzdem fand Werner wieder drei Fehler.

Niedergeschlagen machte Manfred sich an diesem Abend auf den Heimweg. Unterwegs hielt er mit seinem alten Golf vor einem Supermarkt. Sein Kühlschrank war ziemlich leer, außerdem brauchte er neue Kaffeetassen. Die alten waren alle, bis auf eine, in letzter Zeit zu Bruch gegangen.
Als er nach dem Einkauf rückwärts aus der Parklücke fuhr, vernahm er einen dumpfen Stoß.
„So ein Mist, mir bleibt auch nichts erspart!“
Da saß sie neben seinem Wagen auf dem Boden, eine hübsche junge Frau mit einem kupferroten Wuschelkopf und lustigen Sommersprossen im Gesicht.
„Aua, mein Bein, mein Bein“, jammerte sie.
„Tut mir leid. Können Sie aufstehen? Warten Sie, ich helfe Ihnen. Ich fahre Sie zum Krankenhaus.“

Im Krankenhaus wurde festgestellt, daß sie nur ein paar schmerzhafte Prellungen hatte. Vorsichtshalber behielt man sie aber zur Beobachtung da.
Am nächsten Tag nahm Manfred sich früher frei und fuhr zum Krankenhaus. Unterwegs kaufte er einen bunten Blumenstrauß.
„Hallo, darf ich rein kommen?“
„Aber sicher.“
„Wie geht´s dem Bein? Tut mir leid... hier die Blumen.“
„Oh, sind die hübsch! Dankeschön! Halb so schlimm, es ist noch dran. Morgen darf ich wieder nach Hause.“
„Gott sei Dank, das ist ja super. Übrigens... Manfred Bohren.“
„Claudia Zilken.“
„Ich habe Ihnen hier meine Adresse und die Versicherung aufgeschrieben, das brauchen Sie sicher für...“
„Das ist nicht nötig – aber ich behalte den Zettel trotzdem.“
„Es tut mir leid, was ich Ihnen zugefügt habe. Wie kann ich das nur wieder gutmachen?“
„Nun, machen Sie sich mal keine schlaflose Nacht!“
„Dann..., gute Besserung, Wiedersehen. Vielleicht sehen wir uns mal.“
„Vielleicht.“
Verlegen wandte er sich ab und war schon an der Tür, als Claudia plötzlich sagte: „Holen Sie mich morgen ab?“
Manfred schwanden fast die Sinne. Als er sich umdrehte, sah er in strahlend blaue Augen umrahmt von einem teils spöttischen, teils naiven Gesichtsausdruck. In ihren Bann gezogen, spürte er, wie sein Herz zu rasen begann.
„Gerne! Und wann?“
„So um zehn.“

Schon vor zehn Uhr war Manfred am nächsten Tag wieder im Krankenhaus und brachte Claudia nach Hause. Sie wohnte in einem Hochhaus, ganz oben. Wie selbstverständlich ging er mit in ihre Wohnung. Einfach so, als ob sie sich seit einer Ewigkeit kannten. So lernten sie sich kennen und lieben. Jede freie Minute waren sie von nun an zusammen. Claudia arbeitete in einer Boutique, und Manfred holte sie jeden Abend mit seinem klapprigen Golf dort ab.

Manfreds Leben verlief nun bestens. Seine Pechsträhne und die kleinen Mißgeschicklichkeiten waren Schnee von gestern. Wenn man sagte: Frauen würden durch die Liebe aufblühen, so betraf dies auch ihn. Auch sein Chef, Dr. Theil war wieder sehr zufrieden mit ihm und lobte ihn über den grünen Klee.

Dann kam dieser schreckliche Tag, an dem sie sich trennten. Es regnete in Strömen und Manfred starrte durch das tropfenverscheierte Schaufenster ins Innere der Boutique. Claudia und ein Fremder standen ganz dicht zusammen und hielten sich an den Händen. Enttäuscht und bis tief in sein Herz verletzt, beobachtete er, wie sie dem anderen um den Hals fiel und ihn zärtlich küßte. Eine grenzenlose Eifersucht brachte ihn fast um den Verstand. Noch während der geheimnisvolle Fremde die Boutique durch den Hinterausgang verließ, stürmte Manfred in das Geschäft.
„Ich will gar nicht wissen, wer der Kerl war! Ich habe genug gesehen, deine Ausreden kannst du dir schenken. Hier die Blumen, die kannst du ihm schenken. Mach´s gut Claudia!“
Unter Claudias fassungslosem Blick hatte er den wundervollen Rosenstrauß, der für sie bestimmt war, in einen Papierkorb geworfen. Wutentbrannt rannte er zurück in den Regen und sah nicht, wie Claudia weinte.
Wäre er damals noch einmal umgekehrt, dann hätte er eine Antwort auf seine jetzt quälenden Fragen erhalten. Aber zu sehr war Manfred damals in seinen Stolz verletzt, als daß er umgekehrt wäre.

Zwei Wochen nach seinem Auftritt, hatte er die Boutique noch einmal betreten. Er wollte sich bei ihr entschuldigen. Doch Claudia war nicht mehr da. Sie hatte gekündigt, gerade so, als wollte auch sie alle Brücken hinter sich abbrechen. Seit jenem Tag war Claudia aus seinem Leben verschwunden – nicht aber aus seinen Gedanken und schon gar nicht aus seinem Herzen.

Manfred sah auf die Bahnhofsuhr, halb neun.
„Mein Gott, wie lange stehe ich schon hier?“
Wie aus einer Trance erwacht, meinte er Stunden wären vergangen. Er machte sich auf den Weg. Die Gegend war ihm bestens vertraut.
„Hochhausring“, las er. „Claudia wohnt Nummer achtzehn.“

„He, Sie Idiot! Wollen Sie hier Wurzeln schlagen? Gehen Sie von der Straße runter!“
Kopfschüttelnd ließ ein Mann in brauner Lederjacke den Motor seines Sportwagens aufheulen, während Manfred auf den Eingang des Hochhauses zuging.

Sie wußte nicht, daß er kommen würde. Erst wollte er ihr schreiben. Dann sie anrufen. Doch beides hatte er wieder verworfen.
„Ob sie überhaupt noch hier wohnt?“
Krachend schlug die Fahrstuhltür zu. Manfred stand noch immer davor, als der Fahrstuhl sich ohne ihn in Bewegung setzte. Von irgendwoher ertönte Kinderlachen. Waren das womöglich Claudias Kinder?
„Claudia und ich hatten uns so sehr Kinder gewünscht. Ein Pärchen sollte es sein – ein Junge und ein Mädchen. Sicher hatte sie sogar schon die passenden Namen ausgesucht.“

Noch einmal betrachtete er ihr Bild, dann begann er die Treppen hochzusteigen.
Achter Stock, Claudia wohnte im zehnten, direkt unter dem Dach. Manfred spürte, wie seine Beine immer schwerer wurden.
„Was ist, wenn irgendein Kerl, den ich nicht kenne, ihre Tür öffnet? Womöglich sogar der, den sie damals geküßt hatte?“
Seine Hand, in der er noch immer ihr Bild hielt, fing an zu zittern. Doch er konnte seinen Blick nicht davon lösen.
Dann stand er vor ihrer Tür. Das Namensschild war noch da. Pochend schlug sein Herz bis zum Hals. Manfred wartete noch einige Minuten, um sich etwas zu beruhigen.
„Ist Claudia überhaupt zu Hause? Ob sie mir verzeiht?
Entschlossen drückt Manfred die Klingel, ein heiseres Surren ertönte und eine bange Zeit des Wartens begann. Endlich öffnete sich die Tür.
„Manfred? Du?“
„Ja Claudia“, flüsterte Manfred und bedauerte, daß er nicht mal einen Blumenstrauß hatte.
„Kannst du mir verzeihen?“
Claudia nickte nur und fiel ihm um den Hals.
„Komm endlich rein, du Dummkopf! Ich habe damals meinem Bruder zum bestandenen Abitur gratuliert, und du wurdest gleich rasend vor Eifersucht.“
Plötzlich bemerkte sie ihr Bild in Manfreds Hand.
„Du hast es die ganze Zeit über aufgehoben?“
Manfred wollte etwas erwidern, doch da hatte auch er ein Foto entdeckt – sein eigenes Konterfei auf der Flurgarderobe. Er wollte darauf zugehen, da stieß er gegen eine Vase. Sie fiel um und zerbrach in tausend Scherben.
Manfred stammelte eine Entschuldigung.
„Ich denke, Scherben bringen Glück“, unterbrach ihn Claudia und lächelte bedeutungsvoll.

 

Hallo anubis,

herzlich willkommen auf kurzgeschichten.de im allgemeinen und in diesem Dschungel der Fantasien über Liebe, Lust und Leidenschaft im besonderen.

Zu deiner Geschichte: Sie ist routiniert und glatt geschrieben, was eine janusköpfige Einschätzung ist. Denn für meinen Geschmack fehlen herausragende sprachliche oder inhaltliche Elemente, an denen sich das Leserinteresse festhalten könnte. Ich muss gestehen, dass ich zunehmend unaufmerksam wurde, weil das Geschehen so vorhersagbar war.

Das muss nicht unbedingt ein Manko sein; gerade in Romantik/Erotik gibt es geradezu archetypische Situationen, die immer wieder variiert werden, weil sie dramatisches Potenzial bergen. "Deine" Idee der tragischen Fehldeutung einer Beobachtung gehört dazu. Bei solchen Standardplots besteht immer die Gefahr, dass die Leser gähnen und weiterklicken, und ein Mittel, trotzdem Faszination zu wecken, besteht darin, dass du die handelnden Personen unverwechselbar und spannend skizzierst.

Aber deine beiden Prots sind das nicht. Claudia bleibt für mich (von ein paar Äußerlichkeiten abgesehen) konturenlos und ohne Charisma. Und Manfred ist ein Loser, buckelnd und weinerlich, ein wenig an den Herrn Taschenbier aus den "Sams"-Büchern erinnernd, aber ohne dessen linkischen Charme. Für mich als Leserin ist es völlig unwahrscheinlich, dass eine Frau offenbar über Jahre auf ihn wartet (was ich sowieso für unrealistlisch halte).

Versteh mich richtig, ich will deine Geschichte nicht zerreißen, sondern dir nur Hinweise geben, wo ein paar mehr Akzente guttun würden: Lass den Leser mehr von deinen Prots, ihrem Leben und ihrer Persönlichkeit wissen. Manfred ist doch nicht nur working-class hero und Claudia nicht nur Butikenmaus. Mach die Dialoge ein wenig unhölzerner. Bring ein bisschen Frechheit und Frivolität rein.... lass Manfreds Augen über die Beine der umgenieteten Claudia straucheln oder so. Und achte auf folgende Textstellen:

Über ein Jahr war vergangen, als Manfred verbittert alles hingeschmissen hatte.
... vergangen, seit....
denn er dachte immer wieder an Claudia – an Claudia seiner großen Liebe.
... an Claudia, seine große Liebe.
Kassel, Fulda, München, waren einige seiner Stationen.
Den Satz finde ich überflüssig, er stört die Stimmung und bringt so eine Nuance von Biederkeit in die Geschichte.
Er wedelte mit einer Diskette.
Wo werden denn noch Disketten anstatt CD-ROMS gebraucht?

Grüße!
Chica

 

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