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Spielgleichnisse

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05.04.2006
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Spielgleichnisse

Mikado

Mikado

Vorsichtig führte er den trockenen, leblosen Holzstab an das wirr destrukturierte Gebilde und ließ den toten Baum an der Einheit kratzen.
Nichts.
Behutsam machte sich das Stäbchen zum Rückweg bereit, und mit seinem Ziel, einem Toten, im Anschlag erreichte es schließlich den Mutterhafen, wo es sich zu seinen unzähligen Freunden gesellte.
„Verstehen sie, mein Freund?“, meinte er mit einer monotonen und irgendwie auch traurigen Stimme, „Es geht um das Konstrukt. Das Konstrukt!“
Ich sah ihn verständnislos an und erwartete den nächsten Zug. Sein Stoßtrupp drang unentdeckt in diese seltsame Matrix ein und fischte etwas heraus.
„Das Konstrukt ist so labil, so labil!“
Ein seltsamer Stamm wanderte in den Hafen.
„…so labil.“
Er schien aus seiner Horrorvision aufzuschrecken und grinste mich an, mit einem kalten, gestellten Lächeln.
„Verstehen sie? Es ist labil, aber wir geben ihm Kraft.“
Mit einem Geräusch, das sich wie eine Druckwelle von dem Tisch ausbreitete, schreckten wir zusammen.
Wieso?
Dann verstand ich, denn ich sah den Terror in den Zügen jener Person. Die graublauen, kalten Augen in dem leeren Gesicht weit aufgerissen, starrte er auf das noch immer vibrierende Stäbchen und seine Hände begannen mit Zittern.
„Nein… Ich habe das Konstrukt bewegt,… dabei ist es doch so labil…“
Kurz schien er es nicht begreifen zu wollen, dann lächelte er mich an.
„Kommen sie, sie sind am Zug, geben sie ihm Kraft!“
Wie sollte ich nur?
Meine Wurstfinger bewegten sich unglaublich behände und so entwand ich dem Konstrukt ein weiteres Teil.
„Sie sind gut…“, meinte er, „Wenn sie so stark sind, haben wir bald das ganze Konstrukt abgebaut. Aber seien sie nur vorsichtig, es ist ja so labil…“
Das wusste ich bereits, ich hatte es gespürt, als meine Haut die kalte Rinde berührt hatte.
„Warum…“, wollte ich flüsternd fragen, aber er unterbrach mich mit einem leisen „Psst…!!“
„Arbeiten sie nur, arbeiten sie, dann ist es bald unser!“, lächelte er mich an.
Ein wenig irritiert dezimierte ich das so labile Konstrukt um einen weiteren Abschnitt. Ich konnte meine Frage nicht mehr zurückhalten und ignorierte sogar die hastigen Stille-Huldigungen des Mannes.
„Sagen sie mir, wieso tun wir das? Wenn sie es besitzen wollen, wieso nehmen sie es nicht einfach mit Gewalt, wie alles andere?“
Er blickte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an und schien einen Moment lang nachdenken zu wollen. Dann lächelte er, ohne den Gesichtsausdruck zu ändern.
„Aber denken sie doch! Wenn wir das Konstrukt zerstören, verteilt es sich im ganzen Raum! Dann können wir es nicht mehr besitzen…“
Er verfiel in einen Flüsterton und lehnte sich vorsichtig auf den Tisch.
„Es darf nicht merken, dass wir es haben wollen…! Wir müssen es … Stück für Stück abbauen!“
Ich stand auf und zerrte den hölzernen Stuhl hinter mich.
„So ist das also? Ich gebe dem Konstrukt also erst die Kraft, ihnen zu gehören?“
Der Mann lächelte, ein hinterhältiges, böses Lächeln.
„Aber ja, mein Freund! Wenn es sich sicher fühlt, merkt es nicht, wie wir es langsam zerstören! Das Konstrukt ist so labil, aber wenn wir es diese Tatsache vergessen lassen, fühlt es sich stark!“
Ich war außer mir.
Meine Faust schlug auf den Tisch und zerstörte mit ihrer destruktiven Macht das Konstrukt auf einen einzigen Schlag. Kurz schien der Mann verunsichert, dann lächelte er und nahm ein neues Bündel Stäbchen aus dem Jackenbund.
„Es ist nicht schlimm, mein Feind, sie kommen alle wieder, das Konstrukt kehrt immer wieder, und irgendwann wird es mir gehören.“
Ich sah ihn mitleidig an und kratzte mir am Kinn, während der Alte weiterredete.
„Und irgendwann, vielleicht in hundert Jahren, wird niemand wie sie hier sein, um mich daran zu hindern.“
Ich sah mir die Stämme, die auf dem Tisch gerade eine neue Matrix formten, eingehend an, ihre wunderschönen Farben ebenso wie ihre gefährlichen Spitzen, eine Verteidigung, aber ebenso ein Ansatzpunkt für jeden hinterhältigen Gegner. Das alte Holz war teilweise gesplittert, teilweise war es noch ganz weiß, manche Farben waren verblasst, andere glänzten. Aber sie alle bildeten ein neues Konstrukt.
„Dann tut es mir leid.“, meinte ich und warf den Tisch um.

 

Hi La Cipolla,

wenn jemand eine philosophische Geschichte nach einem Spiel wie Mikado schreibt, würde ich ja erwarten, dass er dabei auf die Herkunft des Spiels aus dem chinesichen Chien Tung Orakel eingeht, er in den Stäbchen also eine gewissen Weisheit entdeckt.
Um zu deiner Weisheit zu gelangen, musst du die Regeln des Spiels beugen und so den Vergleich verlassen, den du letztlich anzustreben scheinst. Entsprechend misslingt der Versuch, da der Vergleich hinkt. Ebenfalls misslingt er, da er es nicht schafft, da du es nicht schaffst, fehlerfrei aus dem Gewirr von dekonstruierten Wörtern Sätze mit Sinn und Verstand zu bilden, ohne anzustoßen.

Vorsichtig führte er den trockenen, leblosen Holzstab an das wirr destrukturierte Gebilde und ließ den toten Baum an der Einheit kratzen
Gleich der erste Satz ist unverständlich und führt vom Mikado fort. Geht man dort nicht mit äußerst lebendigen Fingern in ein wirr strukturiertes Gebilde, um ein lebloses Holzstäbchen so herauszuziehen, dass die anderen sich nicht bewegen? Nur einen bestimmten Stab, nämlich den Mikado (bei vereinfachter Variante zusätzlich den Mandarin) darf man unter bestimmten Bedingungen zum Entfernen der Stäbe benutzen.
Von welchem Baum, welcher Einheit ist hier die Rede?
Behutsam machte sich das Stäbchen zum Rückweg bereit, und mit seinem Ziel, einem Toten, im Anschlag erreichte es schließlich den Mutterhafen, wo es sich zu seinen unzähligen Freunden gesellte
Die leblosen und toten Holzstäbchen sind also doch so lebendig, sich von alleine auf Rückwege zu machen, Mutterhäfen zu erreichen und sich zu Freunden zu gesellen? Zombies?
„Verstehen sie, mein Freund?“, meinte er mit einer monotonen und irgendwie auch traurigen Stimme
Er - Das Stäbchen?
Sein Stoßtrupp drang unentdeckt in diese seltsame Matrix ein und fischte etwas heraus.
Ein Trupp wären mehrere Stäbchen, jeder Spieler darf aber nur einen zuhilfe nehmen.
Ein seltsamer Stamm wanderte in den Hafen
Das leblose Stäbchen ist also zum Stamm mutiert? Zu einem Baum- oder einem Indianerstamm?
„…so labil.“
im wirren destrukturierten Aufbau wäre die Verschnaufpause eines Leerzeichens nach den Auslassungspunkten nicht nur ratsam, sondern unabdingbar.
Mit einem Geräusch,
Sie machten also Krach beim Zusammenzucken? Oder zuckten sie wegen des Geräuschs zusammen?
denn ich sah den Terror in den Zügen jener Person. Die graublauen, kalten Augen in dem leeren Gesicht
Da terrorisiert also jemand mit seinen Augen, dessen Hände durch immer noch vibrierende Mikadostäbchen zu Zittern beginnen? In pseudoklugen Texten finde ich Gossensprache wie "Hände begannen mit Zittern" ja immer besonders apart. Sie verraten so schön die Substanzlosigkeit.
„Nein… Ich habe das Konstrukt bewegt,… dabei ist es doch so labil…“
Ja, einmal Regeln lesen: Der nächste ist dran. Schließlich liegt in der Labilität des "Dekonstrukt" wenn du den ersten Satz konsequent im Gedanken weiterführen würdest, der Reiz des Spiels. Er bewegt es also, weil es so labil ist.
Meine Wurstfinger bewegten sich unglaublich behände
Meine Finger bewegen sich auch immer wie von selbst, vor allem, wenn sie Antworten auf solchen Schrott schreiben dürfen. Ich bin da nicht so boshaft, aber meine behänden Wurstfinger ...
„Aber denken sie doch! Wenn wir das Konstrukt zerstören, verteilt es sich im ganzen Raum! Dann können wir es nicht mehr besitzen…“
Ab hier stimmt der Vergleich nicht mehr. Zwar geht es beim Mikado ums Besitzen, jeder spielt aber für sich, um anhand der Stäbchen Punkte zu sammeln. Es geht also nicht um das Besitzen des Konstrukts. Um eine Parabel zu einem Spiel zu schaffen, muss aber der Vergleich tragen. Von dem, was der Icherzähler aus dem Stapel nimmt, hat sein Gegner gar nichts.

Sorry, das war nichts.

sim

 

Hallo La Cipolla,

manchmal ist ein Haufen Mikadostäbchen einfach ein Haufen Mikadostäbchen. :) Die Sprache Deiner Geschichte wirkt besonders am Beginn etwas zu abgehoben - das macht den Einstieg schwierig.

Mikado ist in Deinem Text Metapher für eine Ansammlung von Mustern, die ein Ich bilden. Erst nach seiner Auflösung kann dieses Ich "überall" sein, auch im Nicht-Ich. Das ist eine tiefe Wahrheit, aber in Deinem Text fehlt die Erklärung, warum gerade dieser Haufen Mikadostäbe irgendwie relevant sein sollte.

Und der alte Mann: Wer ist er? Wie hat der Erzähler ihn kennengelernt?

Meiner Meinung nach müsste der Text vom Alltag zur Erklärung der Bedeutung dieses Mikadospiels übergehen, und dann erst in die "Tiefe".

In der jetzigen Form liest sich der Text wie ein betulicher Versuch, intellektuell und mystisch gleichzeitig zu sein. Dein Protagonist macht das schon richtig: Anstatt wissend zu nicken, wirft er den Tisch um. :)

meint der esoterisch angehauchte

Fritz

 

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