- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 8
Spinne und Affe
Ulf starrt auf das Spinnennetz und sieht die Spinne zwischen Scanner und Drucker auf Beute lauern. Die Woche fängt ja herrlich an, denkt er, jetzt nistet sich schon Ungeziefer im Büro ein. Ein Klopfen an der Tür lenkt ihn ab.
„Ja bitte“, sagt Ulf und sieht die fragenden Augen von Paul zwischen Tür und Rahmen. „Morgen Ulf, darf ich?“
„Mensch, Paulchen, guten Morgen, was ´ne Frage, los komm rein, ich hab` gerade an dich gedacht.“
„An mich?“, Paul schließt die Tür und setzt sich. „Wieso denkst du morgens halb neun an mich? Sollst du mich grüßen von Deiner Frau? Hat sie beim Anblick deiner Jammergestalt schmachtend an deinen Kollegen Paul gedacht?“
Ulf grinst. „Nee, aber guck mal hier, das Affenhaus im Zoo.“ Er tippt leicht mit dem Zeigefinger gegen den Bildschirm des PC. „Der große Gorilla hier, ja, also ich meine, der sieht ein bißchen aus wie Du.“
Paul schaut fasziniert auf die Livebilder. „Du meinst also, dieser fette Affe sieht mir ähnlich. Hm, naja, der Kerl macht einen ganz patenten Eindruck.“ Auch Paul tippt an den Bildschirm. „Sieh mal, da klettern mindestens acht Affenfrauen im Gebüsch. Das gefällt mir. Du, stell Dir vor: Ich, Affenpaule, der geile Obergorilla, dazu ein Haufen wilder Weiber. Alle eingesperrt! Keine entkommt!“
Ulf verzieht das Gesicht. „Ich sollte deine Frau anrufen und von deinen perversen Wunschträumen berichten!“
„Mach das nicht. Die fährt sofort in den Zoo.“, fleht Paul.
„Meinst du, dein Treiben gefällt ihr?“
„Ja, sicher! Die lässt sich sofort mit einsperren.“ Sie lachen schallend.
Die Kaffeemaschine röchelt und Ulf gießt Kaffee in die Tassen. Paul nickt in Richtung der Affen.
„Wieso schaust du Affen im Internet an?“
Ulf antwortet, „Schau dir diese Tiere doch mal genau an! Dieses glänzende Fell, diese ....“
Paul unterbricht ihn. „Glänzendes Fell? Ulf, du Tausendsassa, Christine kriegt einen Mantel aus Affenfell!! Stimmt`s? Kann ich mir gut vorstellen; abends bei euch im Schlafzimmer. Gedämpftes Licht, du liegst frisch gepudert im Bett und Christine steht nackt davor und hält den Mantel in ihren Armen. Ihr Gesichtsausdruck ist unsicher. Sie hatte wohl eher auf eine Schokoladentorte in dem rosa Karton gehofft. Du forderst sie auf, in den Affenmantel zu schlüpfen. Tanzen soll sie und über dich herfallen. Ulf, ich sehe es dir an, das macht Dich jetzt schon scharf. Hm?“
Paul trinkt einen Schluck Kaffee und spricht weiter, „Deine Idee mit der nackten Christine im Affenmantel ist gut. Sag mal, würdest du mir den Mantel auch mal leihen - mit Christine drin? Das wäre........“
Das Telefon klingelt und sie starren es ungläubig an. Ulf bittet Paul, „Paul, heb du mal für mich ab, ja? Sei einmal in Deinem Leben ein Kumpel.“
Klar, mach ich, aber nur wenn der Anrufer Geduld hat.“
„Wieviel Geduld?“
„Sehr viel!!
„Fünf mal Geduld?“
„Mehr!!“
„Zehn mal Geduld?“
„Nein, Fünfzehn mal Geduld.“
Ulf zählt mit den Fingern mit. Es klingelt zwölf mal. Ihre Gesichter entspannen sich und sie atmen tief durch.
„Ich wußte es.“, sagt Paul. „Die Leute haben einfach keine Geduld. Und keinen Anstand. Es ist zehn vor neun. Die Sprechzeit beginnt um neun. Früher war alles anders. Gesitteter, besser und ........“
Ulf unterbricht Paul. „Entschuldige, wenn ich deinen tollen Vortag unterbreche, aber ich muss pinkeln. Bleib` bitte noch.“
Paul blickt durch Ulfs Büro. Er entdeckte an der Wand den Spielplan der 1. Bundesliga. Den kopiere ich mir noch, dachte er.
Ulf kommt zurück und blickt auf Paul und erinnert sich an die erste gemeinsame Kaffeepause vor zehn Jahren. Paul sitzt wie damals: Gerader Rücken, Arme verschränkt, Beine gestreckt und den Kopf leicht zur Seite geneigt. Etwas weniger Haare, aber dasselbe Lächeln. Ein Geschenk für mich, denkt Ulf, jeden Tag wieder.
Paul sagt, „Sag mal, ist doch herrlich so ein Wochenauftakt ohne Chefin. Wie lange hat Frau Blum noch Urlaub?“
„Bis Donnerstag.“, antwortet Ulf und zeigte Paul die Spinne. „Darf ich vorstellen. Meine neue Kollegin im Hintergrund. Wird ein Kunde frech, dann ab ins Netz mit ihm!! Frau Blum kann 24 Stunden am Tag Fleisch fressen.“
„Frau Blum?“, fragt Paul.
„Ja, passt doch, oder?“
„Wow“, sagt Paul, „eine Spinne am Arbeitsplatz. Mensch, Ulf, das wäre doch eine gefundenes Fressen für die Bildzeitung. Stell dir vor, Millionen Arbeitslose sitzen Montagmorgen zu Hause und lesen in Bild „Faulster deutscher Beamter faulenzt in Frankfurt. Er rührt sich nicht vom Fleck. Spinnen haben sein Büro erobert und schon sein Telefon gefressen. Staat zahlt 3.000 Euro Gehalt pro Monat!“
Dazu ein Foto von Dir und Frau Blum. Du mit Ärmelschonern, grinsend. Du, das wäre ein Kracher! Auf dem Weg zum Bahnhof würde der Mob dich dreimal lynchen“
Beide halten sich die Bäuche vor Lachen. Ulf beugt sich vor und zieht eine Schublade auf und eine Rolle mit Keksen kommt zum Vorschein. „Na, Paule, wie sieht`s aus? Wollen wir ein bißchen Winterspeck anfressen?“
„Na klar.“, sagt Paul und nimmt sich einen Keks, „Und jetzt erzählst du mir noch eine lustige Geschichte beim Keksfressen.“
Ulf überlegt.
„Was möchtest du für eine? Eine Knastgeschichte, eine erotische Geschichte, etwas von den Kindern, los sag, was willst du hören?“
Paul hat einen Turm von 6 Keksen gebaut und hebt die oberen fünf hoch. Den sechsten schnippt er mit den Fingern Richtung Kaffeetasse und sagt, „Verstecken ist zwecklos.“ Dann schaut er Ulf an.
„Ulf, ich bitte dich, vor dir sitzt der scharfe Affenpascha, also, will ich was erotisches hören.“
Ulf räuspert sich und erzählt: „Also, letzten Donnerstag war ja mein freier Abend und ich hab` Badminton gespielt. Danach ging`s wie immer in die Sauna und ich sitze da, schau mich um und denke, schade, dass nur Kerle da sind. In dem Moment kommt eine rein, na, vielleicht 1,50 groß, schwarze lange Haare und ein ziemlicher Kasten. Naja, denke, ich, immerhin. Aber die zog sich nicht aus! Ein dickes rotes Handtuch verhüllte fast alles und nur die Füße, Arme und der Kopf waren zu sehen. Eine Iranerin oder so, denke ich.“
„Oder ein Affe!“, ruft Paul dazwischen.
„10 Minuten später geht sie raus und ich treffe sie 3 Minuten später beim Duschen wieder. Paul, pass auf jetzt. Sie steht mit dem Rücken zu mir. Nackt. Und ich schaue genau auf den riesigen Arsch. Ein Kessel vor dem Herrn und weißt du woran er mich erinnerte?“
„An Christines Arsch?“
„Nein, an einen aufgegangenen Hefeteig. Hast du schon mal einen Hefeteig gesehen, wenn er aufgegangen ist? Du nimmst den Deckel von der Schüssel, es macht „Blops“ und du schaust auf einen riesigen Klumpen Teig. An ein, zwei Stellen ist er bereits gerissen, an anderen wieder leicht eingefallen, die eingedellten Stellen werfen Schatten. So ein Hefeteig hat was bedrohliches, abstoßendes.......Paul, dieser Hintern sah zum Fürchten aus.“
„Mir wird schlecht, bring`s zu Ende, bitte!“, sagt Paul.
„Mein Blick wandert ihren Rücken hoch Richtung Hals. Da entdecke ich zwischen zwei Haarsträhnen eine riesige braune Warze. Du, die war so groß, da bleibt garantiert jeden morgen der Hemdkragen hängen.“ Paul zeigte mit beiden Zeigefingern auf seinen Nacken.
„Ulf, das ist keine erotische Geschichte. Das ist ein Alptraum. Oder gibt’s ein Happy End? Seid ihr ein Paar?“
Ulf erzählt weiter. „Dann dreht sie sich um und ich sehe ihren teilrasierten, schwarzen Bären. Paul, du glaubst es nicht, dieser Bär reichte bis zum Bauchnabel, dazu zwei feste knackige Brüste und ein recht flacher Bauch. Ich denke, komisch, alles auf der Welt hat zwei Seiten, auch dieser Kasten. Also, Paul, merke dir, fälle nie zu früh ein Urteil! Betrachte die Dinge zuvor von allen Seiten!.“
Ulf nickt zu seiner Erkenntnis.
Paul sagt, „Mein Gott, Ulf, wo spielst du Badminton? Beide kicherten. Der Kaffee war alle und Paul sah auf die Uhr und sagte, „Oh, bereits viertel nach neun, ich habe gleich Personalratssitzung. Ich mach mich vom Acker. “ Er steht lächelnd auf, winkt und geht.
Ulf greift zum Telefonhörer. Beim Wählen rollt er mit dem Bürosessel nach rechts. Er kann jetzt genau zwischen Bildschirm und Scanner schauen. Er sucht Frau Blum. Der Anrufbeantworter geht an.
„Hallo Christine , geh mal ran, wenn du da bist, ich bin`s Ulf. Hm, anscheinend bist du nicht da. O.k., du, hör mal, ich habe mich im Internet informiert, der Zoo macht Samstag zehn Uhr auf und die Eintrittspreise sind o.k. Die Kinder kosten 5 Euro, wir 10. Und es sind noch alle Gehege und Häuser offen. Sag den Kindern, dass wir die Affen und Robben füttern. So, ich hab` gleich noch`ne Sitzung. Ist voll der Hammertag. Wir sehen uns dann heute abend. Küss die Kinder von mir“
Ulf legt den Hörer auf. Er nimmt den letzten Keks und rätselt, wo Frau Blum wohl stecken mag.