Was ist neu

Stau

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29.08.2008
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Stau

Stoll wird kautzig im Alter, das fällt mir schon seit langem auf. Bauder sagt das auch, und auch ihm ist die Sache von Anfang an sauer aufgestoßen. Da haben wir jetzt den Preis bekommen für die Arbeit über dieses Polymer….wie hieß es doch gleich? Ach – egal, und was macht Stoll mit dem Geld? Richtet eine Sekretärinnen-Stelle ein! Dabei war es vereinbart, daß ich ein größeres Büro bekomme. Das darf doch nicht wahr sein! Seit wann brauchen wir eine Sekretärin? Hat doch immer gut geklappt mit den Praktikantinnen, das sagt Bauder auch! Und Professor Weck hat auch immer die richtigen geschickt, keine, die den Betrieb aufhalten durch zuviel Fragen, oder solche, die sich einmischen in die Projekte oder aus ihren Diplomarbeiten vorlesen! Was interessieren mich deren Diplomarbeiten? Ich will einen starken, guten Kaffee morgens! Und die, die von Weck kamen, haben das auch ganz schnell gelernt. Und nett anzuschauen waren sie auch, Bauder und ich haben immer gesagt, daß beide locker in eines unserer Hosenbeine passen würden – welch hinreißende Vorstellung!

Seit einer halben Stunde stehe ich jetzt hier. Was ich an Staus am schlimmsten finde, ist die Enge. Man sieht alles. Zum Bespiel den Grauhaarigen nebenan. Obwohl, voll ist sein Haar ja schon noch, aber beruflich ist er klar gescheitert: das Siebziger-Jahre-Modell, das er fährt, hatte ich als Student, aber da war es neu. Gut, es schafft eben nicht jeder.

Und Stoll hat jetzt die dickliche, alte Frau eingestellt. War sie die Einzige, die sich beworben hat? Der Anblick bietet sich mir jetzt jeden Morgen, wenn ich ins Institut komme: sie hockt da und hat die Lesebrille auf die Nase geklemmt, und sie hat rosa Pausbäckchen, und ihre weichen, rosa Arme quellen aus der knappen Bluse und drücken sich platt an ihrem Körper. Gut, sie hat einiges in dieser Bluse, aber zwischen den Brüsten faltet sich die welke Haut, wer will das denn sehen? Niemand, und das muß sie doch wissen! Ein Unding, in dem Alter so rumzulaufen! Das hat ja auch Susanne eingesehen. Sie wird ja in zwei Jahren vierzig, und da muß sie schon etwas tun! Wir haben das ja dann auch gut hingekriegt mit ihren Brüsten und den Tränensäcken und der Bauchdecke, das muß ich wirklich sagen. Fast ein Kilo haben sie abgesaugt am Bauch, ganz erstaunlich! Allerdings hängt auf ihrem Rücken das Fleisch immer noch etwas schlaff unter den Schulterblättern, da kann man nichts machen, aber dann schaue ich eben weg, solange sie sich umdreht. Von vorne ist sie ja wieder wie neu! Und löblich auch, daß sie das eingesehen hat, ihre Lebensversicherung für die OP aufzulösen, schließlich bin ich doch ihre wirkliche Lebensversicherung, oder? Und beschweren kann sie sich auch nicht, sie hat es ja selbst so gewollt, schließlich ist sie ja eine erwachsene Frau.

Ob der Grauhaarige nebenan nicht doch vielleicht ein Toupet trägt, die sollen ja jetzt sehr hochwertig sein und kaum noch zu erkennen und trotzdem bezahlbar, auch in seiner Gehaltsklasse….

Und auch abends sehe ich die Sekretärin dann wieder da sitzen mit ihren rosa Armen, wie ein schlechter Gruß für den Heimweg. In Ordnung, sie muß arbeiten, wird wohl geschieden sein, und einen Neuen wird sie nicht kriegen, mit Kindern ist es ja jetzt schon eng und mit der Bluse auch. Ach, Stoll, was haben Sie sich dabei gedacht? Gekostet haben die Praktikantinnen doch auch nichts, also: wo war das Problem?

Es geht tatsächlich weiter. Ich fahre seit fünf Minuten immerhin im zweiten Gang. Und der gescheiterte Grauhaarige ist jetzt drei Wagen hinter mir. Ich brauche keine Lesebrille. Es liegt alles am Licht. Wenn das Licht hell genug ist, kann ich alles lesen. Ich glaube, bei Frauen setzt das auch früher ein mit der Altersweitsichtigkeit.

Der Stau hat sich aufgelöst, gleich bin ich zuhause. Susanne ist wohl heute ausnahmsweise länger beim Shoppen, normalerweise steht ihr Wagen immer schon da um die Zeit.

 

Hallo Acacia,

zunächst: Willkommen auf KG.de.

Mit deinem ersten Text kann ich leider überhaupt nichts anfangen. Da steht jemand im Stau und macht sich Gedanken, kommt heim und bemerkt, dass Susanne noch nicht da ist.

Und wo ist die Geschichte?

Schöne Grüße,

yours

 

Tjoa Acacia,

warum hört es mittendrin auf ? Die eigentliche Geschichte ist doch noch garnicht erzählt, Du führst ja erst einen Ich-Erzähler ein, mit dem oder wegen dem dann noch was passieren sollte.
Mehr jedenfalls, als die kurzen Seitenblicke auf das Nachbarauto im Stau und dann der schnelle Heimweg, den Du in zwei Sätzen und spannungslos abhandelst.

Die Schreibe gefällt mir, doch eine reine Situationsbeschreibung ist keine Geschichte, sondern eben eine Situationsbeschreibung. Und damit zuwenig, es bleibt so eine Schreibübung, die als solche gelungen und fluffig lesbar ist, doch nicht mehr.

Grüße und herzlich Willkommen
C. Seltsem

 

Und wo ist die Geschichte?

Moin, Yours,

ein frustrierter, beruflich erfolgloser Mittfünfziger ohne Selbstbewußtsein und eigene Meinung, dafür aber mit umso mehr (altersbedingten?) Figur-, Haar- und Augenproblemen wird von seiner zwanzig Jahre jüngeren Frau verlassen, nachdem er sie zur Runderneuerung nötigte (und sie auch noch selbst bezahlen ließ).

Schade, daß das nicht rauskam (Deine Kritik war nicht die einzige in die Richtung), muß da wohl noch dran arbeiten!

Grüßle
Acacia

 

Hallo Acacia,

daß sie ihn verlässt solltest Du präzisieren, weil

Susanne ist wohl heute ausnahmsweise länger beim Shoppen, normalerweise steht ihr Wagen immer schon da um die Zeit.
ist dann als Ende doch sehr offen und Deine Intention bei dieser Formulierung nur eine (und nicht die naheliegenste) Möglichkeit, die Situation zu betrachten. Dabei müsste es nichtmal sehr viel mehr sein, nur eine Verdeutlichung der Tatsache, daß sie weg ist; da reichte ein Satz, ggf. sogar ein Halbsatz - und würde damit die erzählerische Absicht adeln.

Grüße
C. Seltsem

 

Hallo Acacia

Au ja, knall dem frustrierten, beruflich erfolglosen Mittfünfziger mit der Anregung von C.Seltsem eins vor seinen eingebildeten Sack, auch wenn er es nicht schnallt. Denn solche Kerle sind mit einer der Gründe für die ganzen Schönheitswahntragödien.
Dazu hätte ich gerne etwas als Gegenpol gelesen, aber vielleicht war das ja gar nicht deine Absicht.

Ansonsten: Süffiger Schreibstil, gut zu lesen.
Gruss.dot

 

Hallo, Acacia,

die Geschichte liest sich gut. Aber Seltsem hat recht: Du hörst auf, wo Du anfangen, richtig loslegen könntest.
Daß Susanne ihren Mann verlassen hat, hätte ich nicht gelesen, wenn Du es nicht im Kommentar dazugeschrieben hättest. Ich dachte beim Lesen: Och, schon aus? Dann seh ich Susanne wohl nicht mehr.
Du schreibst, der Erzähler sei beruflich erfolglos, habe Haar- und Augenprobleme, aber auch das geht nicht klar aus dem Text hervor. Okeh, er hat kein größeres Büro bekommen, verdrängt evtl. eine beginnende Fehlsichtigkeit, schielt auf das volle Haar eines anderen und tröstet sich damit, daß der vielleicht ein Toupet trägt und immerhin ein altes Auto fährt. Daraus könnte man schließen, daß sein eigenes Haar nicht mehr so voll ist. Muß man aber nicht.
Daß der Held dick ist, lese ich nur aus dem Hosenbeinsatz. Ob es ihn stört, weiß ich nicht. Und wie alt er ist, weiß ich auch nur aus Deinem Kommentar.
Ich dachte beim Lesen an jemanden, der sehr wohl beruflich Erfolg hat, zwar nicht mit den ganz großen Hunden pinkelt, aber immerhin genug Geld hat, um z.B. Schönheitsoperationen zu bezahlen und ein dickes Auto zu fahren. Auch hat er eine Sekretärin für seinen Morgenkaffee, auch wenn sie ihm nicht gefällt und er sie teilen muß.
Deutlich lese ich, wie jemand, der schlimme Angst vor dem Altwerden hat, an diesem Thema vorbeidenkt, immer schön vorbei. Wie er das Alter in seiner Nähe nicht sehen will (Frau, Sekretärin), was er dagegen tut (Motzen, Schönheitsoperationen bezahlen, sich umdrehen, um den Rücken der Frau nicht zu sehen) und bei sich selber verdrängt, notfalls mit der saudummen, aber sehr gebräuchlichen Ausrede, er habe es ja immerhin zu etwas gebracht. Ich lese, daß das noch funktioniert, aber nicht immer funktionieren wird und der Held nicht die innere Festigkeit hat, damit umzugehen, wenn er es nicht mehr wird verdrängen können.
Insofern ist es schon sehr wichtig für die Geschichte, daß Susanne ihren Mann verläßt. Jetzt steht er nämlich da und müßte Tatsachen ins Auge sehen. Seine Welt muß entweder heftig wanken oder noch enger werden. Daß der Held an einem klassischen Scheideweg steht und es noch gar nicht weiß, ist das Spannende an der Geschichte und geht unter.
So ein Monolögchen kann viel mehr ahnen lassen. Hat nicht selbst das größte Arschloch ein geheimes Universum im Kopf?
Aber gut, es gibt nicht in jedem davon gleich ein geheimes Feuer, einen verlorenen Garten oder ein dunkles Geheimnis. Manche sind einfach nur borniert und bescheuert, denken nie im Leben wirklich nach und leiden dennoch. Tragisch.
"Übrig bleibt ein wenig Übelkeit und ein Kauz, der darüber Geschichten schreibt", sagt Rainer von Vielen.

Du kannst gut schreiben. Schreib mehr.
Lieben Gruß,
Makita.

P.S. Kennst Du Herrn Wendriner von Sankt Tucholsky? Falls nicht, möchte ich Dir das ans Herz legen. Herr Wendriner kann nicht einschlafen z.B. Ganz groß.

 

die Geschichte liest sich gut. Aber Seltsem hat recht: Du hörst auf, wo Du anfangen, richtig loslegen könntest. .

Hallo, Makita,
erstmal ganz lieben Dank, freut mich, daß Dir mein Schreibstil gefällt! Im Nachhinein glaube ich auch, daß ich da am Ende noch etwas ausführlicher hätte werden sollen, danke auch für diese Kritik.

Du schreibst, der Erzähler sei beruflich erfolglos, ...aber auch das geht nicht klar aus dem Text hervor.

Er schmückt sich mit fremden Federn: "WIR haben den Preis bekommen", aber da er den Namen des Polymers nicht kennt, war er bei der prämierten Arbeit nicht dabei. Damit kommt er nicht klar.

...verdrängt evtl. eine beginnende Fehlsichtigkeit, schielt auf das volle Haar eines anderen und tröstet sich damit, daß der vielleicht ein Toupet trägt und immerhin ein altes Auto fährt. Daraus könnte man schließen, daß sein eigenes Haar nicht mehr so voll ist. Muß man aber nicht.

Stimmt aber.

...Und wie alt er ist, weiß ich auch nur aus Deinem Kommentar.

Er war Student in den Siebzigern (fuhr den Oldie des Grauhaarigen als Neuwagen).

... zwar nicht mit den ganz großen Hunden pinkelt, aber immerhin genug Geld hat, um z.B. Schönheitsoperationen zu bezahlen .

Nein, er hat Susanne "davon überzeugt", ihre Lebensversicherung für die OP aufzulösen.

Deutlich lese ich, wie jemand, der schlimme Angst vor dem Altwerden hat, an diesem Thema vorbeidenkt, immer schön vorbei. Wie er das Alter in seiner Nähe nicht sehen will .

...und das eigene Scheitern auch nicht (altern ist schließlich kein Charakterfehler). Genau, das ist exakt der Kern der Story. Und solange Frauen sich immer erst dann zum Gehen entschließen (wenn überhaupt!) nachdem sie zur selbst zu zahlenden Schönheitsoperation genötigt wurden, wird sich daran auch nicht viel ändern.

... Daß der Held an einem klassischen Scheideweg steht und es noch gar nicht weiß, ist das Spannende an der Geschichte und geht unter.

Hast Recht....aber dann wäre es ein Roman geworden....

... Manche sind einfach nur borniert und bescheuert, denken nie im Leben wirklich nach und leiden dennoch. Tragisch.

Leiden ist cool, und beim Denken könnte ja Selbstkritik gefordert sein. Gilt übrigens für Frauen wie für Männer ;-)).

Kennst Du Herrn Wendriner von Sankt Tucholsky? Falls nicht, möchte ich Dir das ans Herz legen. Herr Wendriner kann nicht einschlafen z.B. Ganz groß.

Kenne ich leider nicht, sollte ich aber wohl dringend kennen lernen, ganz lieben Dank für den Tip.

Du kannst gut schreiben. Schreib mehr. Lieben Gruß,
Makita.

Na, das mach ich doch glatt :-))). Das nächste Mal was Witziges, vielleicht...
Auch Dir ganz liebe Grüße
Acacia

 

Hallo nochmal,
Herrn Wendriner gibt es auch im Internet. Guckst Du da mal.
Viel Vergnügen und einen sonnigen Tag,
Makita.

 

Kennst Du Herrn Wendriner von Sankt Tucholsky? Falls nicht, möchte ich Dir das ans Herz legen. Herr Wendriner kann nicht einschlafen z.B. Ganz groß.

Hallo, Makita,
tausend Dank für den Link! Hast Recht (schreibt man das jetzt eigentlich groß oder klein ;-))), wirklich ganz groß!!! Früher hab ich Tucholsky gerne gelesen. War einer meiner Favoriten neben Frisch, Dürrenmatt und Canetti (ein Hoch auf die Schweiz!!!!). Ich sollte mal wieder auf ihn zurückgreifen! Wie konnte das passieren, daß ich Herrn Wendriner nicht kannte? Asche auf mein Haupt!

Auch Dir einen schönen Tach und viele Grüße
Acacia

 

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