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Streifen
Die Streifen
Umgeben von lauer Sommerluft saßen Cornelius und Martin im Wagen und rauchten ihren Joint. Sie wollten nicht lange bleiben, so hatten sie in der Halteverbotszone des Alsterparkplatzes geparkt. Es war vollkommen ruhig. In weiterer Entfernung leuchtete die Stadt, glitzerte hell, Sternen gleich, sich auf der Alster spiegelnd, während die lose am schwarzen Himmel hängenden Wolken die dunklen Silhouetten der Bürohäuser, Villen und Bäume absetzten. Auf der anderen Seite des Wagens blitzten zwischen den Sträuchern die Scheinwerfer anderer Autos, die an der Alster entlang irgenwohin fuhren. Direkt auf dem Parkplatz standen noch vereinzelt Wagen von Pärchen, die sich in großen Abständen auf den Wiesen verteilt hatten. Seit einiger Zeit hatte sich hier nichts getan, nichts auffälliges, ausser des regelmäßig rotaufglühenden Joints. Leise lief Musik im Radio.
Plötzlich beleuchtete ein Paar Scheinwerfer eine Seite des Wagens und Martins Gesicht. Ein Wagen näherte sich gemächlich dem Parkplatz. Martin war mit reden beschäftigt.
Cornelius beobachtete den Wagen kurz, während er Martins Erzählung von irgendwelchen Zukunftsplänen zu folgen versuchte. Es ging hierbei um die Verknüpfung einer großartigen Idee (die Cornelius bereits im Ansatz nicht verstand) entstanden aus dem Konflikt der Gesellschaft und ihrer Gewohnheit sich an alles zu gewöhnen. Es sei doch so, dass ein Konflikt erst den Menschen einen Standpunkt einnehmen läßt, zudem er sich dann bekennen kann. Und so könne er eine Gewohnheit ablegen.
Cornelius beobachtete den Wagen. Er näherte sich auffällig ruhig.
Der Parkplatz war genaugenommen ein Kreisverkehr. Eine Stichstrasse führte in diesen Ruhepol der Stadt, um sich gegen den Uhrzeigersinn um eine schraffierte Parkfläche zu wickeln. Cornelius machte die Zielstrebigkeit und Ruhe des Wagens nervös, denn er fuhr direkt auf sie zu; entgegen der erlaubten Fahrrichtung.
Martin hatte inzwischen mal wieder den Faden verloren und forderte mit der für ihn typischen Geste den Joint ein. Dabei spreizte er Zeige- und Mittelfinger waagerecht zu einem V, die Finger achtlos hingestreckt und setzte wieder mit seiner Idee an. Er sei auf der Suche nach Konflikten, um sie dann zu packen und zu lösen. Daraus wolle er dann Profit schlagen. Wie oft ärgere man sich zum Beispiel über raues Klopapier? Ein automatischer Befeuchter, der die wohlriechende Masse auf das Papier brächte sobald man daran zöge, würde doch Abhilfe schaffen. Nur über den Duft sei er sich noch unklar. Nach und nach verließen die anderen Wagen den Parkplatz.
Cornelius winkte ab, schaltete das Radio aus und neigte seinen Kopf leicht in Richtung des blaugestreiften Polizeiwagens, der sich wahllos auf und zwischen die Parkstreifen gestellt hatte, in bester Position, um den Wagen und die beiden jungen Männer beobachten zu können; interessanterweise im Halteverbot stehend.
Neugierig, aber mit gleichzeitig größtmöglichen Desinteresse für den Polizeiwagen, schaute Cornelius zu dem Wagen herüber.
„Weißt Du eigentlich, dass wir im Halteverbot stehen? Wenn wir den Wagen bewegen, fischen sie uns raus.“, sagte er. „Verkackt!“, murmelte er in sich hinein.
„Und jetzt?“ Markus roch nach Alkohol. „Doof! Ich glaub’, pusten wär’ bei uns riskant“.
„Scheiße!“
„Wir warten, bis sie fahren. Wir halten das länger durch!“
„Nein, wir stehen doch voll im Halteverbot, wenn sie keinen Bock mehr haben oder weg müssen…die lassen sich uns doch nicht entgehen. Sobald sie einen Verdachtsmoment haben, müssen sie was machen. Wir sind so ein Verdachtsmoment.“
„Scheiße!“
„Gib mir mal!“
„Nee, warte mal kurz.“ Cornelus schaute wieder zu dem Polizeiwagen.
„Das sehen die doch gar nicht aus der Entfernung.“
„Das nicht, aber Du willst doch das Ding gleich wieder anschmeisen. Ständig leuchtet hier ein Licht.“ Langsam reizte ihn Martins Gelassenheit.
„Egal!“
Cornelius blieb stur. Was soll man machen. Sie saßen in der Zwickmühle.
Plötzlich kam Markus eine seiner Ideen.
„Wir rufen ein Taxi! Den Fahrer fragen wir, ob er uns die Kiste umparkt, wir steigen ins Taxi und lassen uns nach Hause fahren. Du musst nur noch morgen früh den Wagen abholen.“
„Scheiss Idee!“
„Fällt Dir was besseres ein?“
„Wir warten!“
„Und dann? Gib mal die Tüte!“
„Nein!“, zischte Cornelius völlig entnervt.
„Entspann’ Dich!“
Die Scheinwerfer des Polizeiwagens erloschen.
„Die haben Zeit mitgebracht.“
Es vergingen fünf, sechs unruhige Minuten. Auf dem Parkplatz herrschte absolute Ruhe.
„Ok, lass uns das Taxi rufen.“, durchbrach Cornelius die Stille.
Markus zückte sein Telefon und bestellte.
Fünf Minuten später erhellten ein erneutes Paar Scheinwerfer den Parkplatz. Der Parkplatz war bis auf die drei Wagen völlig verlassen. Cornelius stieg aus und sprach mit dem Taxifahrer. Der stieg in ihren Wagen, fuhr ihn kopfschüttelnd die drei Meter rückwärts in eine freie Parklücke, knapp neben den Wagen der Polizei. Sie stiegen in das Taxi und fuhren davon. Cornelius drehte sich nochmal um und sah, dass die Scheinwerfer der Polizeistreife die verlassenen Wiesen der Alster erleuchteten. Die Streife setzte sich wieder in Bewegung.
„Weißt Du, wie knapp das war?“, fragte Markus.
„Ja, Mann.“
„Hast Du noch den Joint?“
„Nee. Weggeworfen. Mann haben wir Glück gehabt!“
„Glück? Das war eine meiner genialen Ideen!“
Der Taxifahrer lächelte in sich hinein.
Im Txi steckte in der Rückenlehne des Vordersitzes eine Zeitschrift. Mit Markus besonders gelassenen Art zog er es heraus und blätterte achtlos darin herum, legte es ab, und schaute Cornelius an.
"Weißt Du, mit Ideen ist das doch so, erst durch den Konflikt mit sich und der Umgebung kommt man auf Ideen."
"Dann mach doch mal. Du sitzt nur rum und kiffst", sagte Cornelius. Er ließ seinen Blick herausfordend an Markus heruntergleiten und schaute in die aufgeschlagene Zeitschrift.
"Warum geht Ihr mir ewig auf die Nerven. Es macht mir Spaß, wie ich lebe!" Cornelius glaubte ihm kein Wort. Sein Blick fiel auf eine kleine Anzeige.
"Ach, seuftzte Markus, wer weiß, ob irgenjemand den automatischen Toilettenpapierbefeuchter mit vielen Extras, wie eigener Beleuchtung etc. haben will."
Cornelius starrte das Foto der Anzeige derart verdattert an, dass Markus hearbschaute. Dort war ein Bild und eine Zeile abgebildet. Es war eine kleine Anzeige für den automatischen Toilettenpapierbefeuchter.
Die Stadt lag ruhig und schwarz in der Nacht und spiegelte sich in der Alster. Auf der gegenüberliegenden Seite leuchtete unregelmäßig das Blaulicht eines Streifenwagens.