Was ist neu

Sturer Glaube

Mitglied
Beitritt
01.05.2002
Beiträge
66

Sturer Glaube

Sturer Glauben

Die folgenden Zeilen wollen in einem angemessenen Ton belegen, welch peinumrankte Litanei Jakob Sturmhai schicksalsschwer zu meistern hatte. In paraphrasierten Zitaten und zitierten Paraphrasen soll es unser Ziel sein, seinen Leidensweg in und aus der inneren Immigration zu beschreiben. Dabei sei die Nichtigkeit seines Namens betont, deren Preisgabe durch den Autor suggerieren mag, dass weitere Details aus dem Leben Jakob Sturmhais folgen mögen. Doch weder seine Lieblingsspeise noch der Vorname seiner Kindergärtnerin sollen uns im weiteren tangieren.

Schon lange hatte er den zirkulären Charakter der Religion durchschaut. Unmöglich schien es, diesen Christen – es konnten aber auch Juden, Muslime oder Anhänger Quizlipochtlichs sein – beizukommen, wenn man auf der Achse des irdischen transzendente Kausalzusammenhänge zu entwurzeln versuchte. Nicht mit Terroranschlägen, Kreuzzügen oder züchtenden Nonnenhänden ließen sie sich aus der Reserve locken. Auch logische Disharmonien verblassten wie der Rauch eines schief spielenden Pianisten. Die Subjektivität der Moral? Gott wird schon wissen, welche Moral für uns die beste ist! Die Ächtung Homosexueller? Gottes Schöpfung darf sich nicht selbst ausradieren! Sex vor der Ehe? Also bitte…

Religion – so ging ihm auf – ist wie ein Axiom. Ein Kette zusammenhängender Dependenzen, die sich ihre eigene Logik erschafften.

Und dann immer diese Liebesduselei! Gott ist die Liebe, Jesus liebt dich, Höre auf Gott und du findest Erlösung, bla-bla-bla! War es nicht er, der das System durchschaute und der Welt zu offenbaren hatte?

Sein Wirken lässt sich als detailliert platzierter Sprengstoff umschreiben, dessen Positionierung angemessen und nur insofern auffällig war, als dass er als einziger das tat, wonach es allen in den Fingern kribbelte. Kleine Glaubenspamphlete, wie man sie häufig in Telefonzellen findet, fanden ihre Erlösung im Müllcontainer. Lautstark ließ er öffentliche Mülleimerdeckel nach Nahrung betteln, die dann – der piepsig hohen Stimme nachkommend – aus christlichen Flyern bestand. Ein Hupkonzert beim Umfahren einer mormonischen Kirche sollte die Leute aufhorchen lassen. Die Christen handelten ja ähnlich, weshalb er laute Glockenschläge nachzuäffen versuchte. „Gong, Gong, Gong“ ertönte es manches mal aus seinem Halse, eine Tat, die in der Öffentlichkeit zu anstößigen Blicken führte. Doch er war im Recht, zweifelsohne. Was die Christen dürfen, so sagte er gerne, dürfe er ja wohl auch noch.

Zu seinem Entsetzen änderte sich nichts.

Wut brodelte in seinen Gedärmen und forderte in zyklischen Abständen Opfer. Ein Supermarktparkplatz, volle Einkaufstüten, Schokoladensüchtige Kinder, ein Auto mit dem Aufkleber „Jesus ist unser Erlöser“: Hass. Erlöser, Liebe, Schnörkeleien, warum packte niemand das Geschenk aus, riss die schimmernde Fassade entzwei und entlarvte sie als solche? Waren die Drohgebärden der Christen nach Hölle, Leid und Todesqualen nicht der Motor ihres Antriebes, die Druckerschwärze ihrer Pamphlete und der mühselige Schweiß aller Missionare? Das Fenster kurbelte sich wutentbrannt von selbst herunter, das neonrote „t“ zog einen Schleier vor die zu Schlitzen verkommenen Augen. Jakob schrie: „Hööööllllleeee?“, der Christ hörte es. Scham.

Gleicher Abend. Der Drang etwas zu tun wuchs ins unermessliche. Der Hass: endlich nahm er nicht mehr ab und schärfte seinen Geist, der ansonsten für Vernebelungen aller Art empfänglich war (doch auch hier: keine Details!). Es surrte der Drucker das leise Lied der Rache. Rache an all jenen, die das System des panikvollen Glaubens an eine allmächtige Transzendenz am Laufen hielten. Auf den Zetteln stand:

UND BIST DU KEIN AN’STÄNDGER CHRIST
DU BALD SCHON IN DER HÖLLE SITZT!

Endlich ein sichtbarer Akt seiner Mühen. Vermummt in schwarze Stoffe, die sein Konterfei vor der Macht des korrupten Staates schützen sollten, und versorgt mit präpariertem Material aus Papier, Idealismus und Klebestreifen, machte er sich auf den Weg. „DANKE“ gellte es ihm entgegen, jedoch nicht vom Menschenpack, das seine Mühen nicht zu schätzen wissen würde. Was gilt der Prophet schon im eigenen Land? Das Wort zierte eine Tafel, an der Dorfkirche positioniert. „Konfirmanden 2008“, gedruckt auf einem Bild der indoktrinierten Kinder. Verloren an einen Glauben, der auf axiomatischen Ängsten basiert. Ein „Danke“ an die Gemeinde, durch deren Hilfe sie fürstlich entlohnt das Stahlbad durchschritten, an dessen Ende gebleichte Gehirne gewaschen zum Trocknen hingen. Welch Schmach für jeden aufgeklärten Geist.

Am Ende Polizei, Sachbeschädigung, 300 Euro Strafe. Verteidigung in eigenen Worten: „Ich handelte aus hehren Gründen, agierend gegen die zirkulären Kräfte asozialer Monotheisten.“

 

Hallo hoEyo,
einen amüsanten Text am Rande des Wahnsinns hast du hier hingelegt. Das Schöne daran ist, dass die Form Hand in Hand mit dem Inhalt geht. Konkret: Der Fanatismus und die schräge, verrückte Logik deines Protagonisten spiegeln sich wieder in der Sprache des Textes!
Andererseits geht das hier doch oft zu weit – denn die Verständlichkeit des Textes darf daran nicht leiden. Den Wahnsinn auf der Sprachebene zeigen, ohne dass es unsinnig wird, ist in der Regel ein schwieriger Balanceakt. Aber hier fehlt nicht mehr viel zu einer guten Lösung! Der Wahnsinn ist so ausgeprägt da, in den Formulierungen, dass nur noch ganz wenig Unsinn ausgebügelt werden muss. :D

welch peinumrankte Litanei Jakob Sturmhai schicksalsschwer zu meistern hatte.
1. Wo ist die Litanei, von der gesprochen wird, im Text? Ich habe keine gefunden. -> Das Wort hat keinen Bezug.
2. Wenn man den Satz aktiv formuliert - Jakob S. meisterte schicksalsschwer eine peinumrankte Litanei – merkt man, der macht keinen Sinn. Wie meistert man eine Litanei und dazu noch schicksalsschwer?

In paraphrasierten Zitaten und zitierten Paraphrasen soll es unser Ziel sein, seinen Leidensweg in und aus der inneren Immigration zu beschreiben.
1. Paraphrasierte Zitate sind vielleicht drin, zitierte Paraphrasen nicht, oder du hast versäumt, sie mit „“ zu kennzeichnen. ;) Nicht gut, wenn ein Wortspiel plötzlich gegen den Autor spricht.
2. Leidensweg in und aus der inneren Immigration: Ich vermute, du meinst als Erstes den Leidensweg in die innere Immigration, Akkusativ also – „in der inneren“ macht keinen Sinn. Dann stimmt obige Formulierung so nicht.

Doch weder seine Lieblingsspeise noch der Vorname seiner Kindergärtnerin sollen uns im weiteren tangieren.
im Weiteren

Unmöglich schien es, diesen Christen – es konnten aber auch Juden, Muslime oder Anhänger Quizlipochtlichs sein – beizukommen, wenn man auf der Achse des irdischen transzendente Kausalzusammenhänge zu entwurzeln versuchte.
Irdischen – großgeschrieben also

Inhaltlich frage ich mich nach dem Grund, warum man „transzendente Kausalzusammenhänge“ zu entwurzeln versuchen sollte. Um den Christen usw. beizukommen? Warum?
Ich versuch’s mir zu erklären ;): Jakob möchte den Gläubigen die Augen öffnen und ihnen zeigen, wie unsinnig (da ist es wieder, das Wort ) die Religion/ ihr Glaube ist, und dass sie sich im Kreise drehen, möglicherweise auch noch dass sie dumm genug und eingebildet sind, zu glauben, sie hätten die Wahrheit gepachtet. Aber er schafft es nicht, wenn er es nur durch die Logik versucht?
Und warum mahnt er dann, ein guter Christ zu sein?

UND BIST DU KEIN AN’STÄNDGER CHRIST
DU BALD SCHON IN DER HÖLLE SITZT!

Liege ich mit meiner Interpretation vollkommen daneben? Der Spruch widerspricht doch allem, was Jakob sonst tut, total!

Nicht mit Terroranschlägen, Kreuzzügen oder züchtenden Nonnenhänden ließen sie sich aus der Reserve locken. Auch logische Disharmonien verblassten wie der Rauch eines schief spielenden Pianisten.
Angesichts des Terrors, der Kreuzzüge und „züchtenden Nonnenhänden“ (??? – schlagende Nonnen? – komische Steigerung übrigens :D), halten sie trotzdem an ihrem Glauben fest. – Ich hab’s hoffentlich richtig verstanden.
Ein schief spielender Pianist raucht? Brennt?

Religion – so ging ihm auf – ist wie ein Axiom. Ein Kette zusammenhängender Dependenzen, die sich ihre eigene Logik erschafften.
erschaffen – Präsens, weil für ihn das ja allgemeingültig, absolut ist, also nicht an Zeitlichkeit gebunden

Sein Wirken lässt sich als detailliert platzierter Sprengstoff umschreiben, dessen Positionierung angemessen und nur insofern auffällig war, als dass er als einziger das tat, wonach es allen in den Fingern kribbelte.
Schöner Satz! Nur, wer sind „alle“? Er wäre ja überflüssig, wenn die Christen usw. sich selbst aufklären wollten. Oder nicht?

Kleine Glaubenspamphlete, wie man sie häufig in Telefonzellen findet, fanden ihre Erlösung im Müllcontainer.
Wie erlösen sich oder werden Pamphlete erlöst? Ich denke, sie haben’s nicht nötig, kenne keine Pamphlete, die glauben, denken, fühlen, leiden können. Auflösung?

Lautstark ließ er öffentliche Mülleimerdeckel nach Nahrung betteln, die dann – der piepsig hohen Stimme nachkommend – aus christlichen Flyern bestand.
Welcher hohen Stimme? Welchen Zweck soll bitte das Betteln der Mülleimern nach Flyern erfüllen? Also diese Passage (Pamphlete, Flyern) ist mir höchst schleierhaft, was ihre Funktion und Bedeutung betrifft.

Ein Hupkonzert beim Umfahren einer mormonischen Kirche sollte die Leute aufhorchen lassen.
*grins

„Gong, Gong, Gong“ ertönte es manches mal aus seinem Halse, eine Tat, die in der Öffentlichkeit zu anstößigen Blicken führte.
Nicht die Blicke anderer sind anstößig, sondern das was er tut.

Ein Supermarktparkplatz, volle Einkaufstüten, Schokoladensüchtige Kinder, ein Auto mit dem Aufkleber „Jesus ist unser Erlöser“: Hass.
Schokoladensüchtige Kinder – schokoladensüchtige (kleingeschrieben)

Ab jetzt wirst du gern elliptisch: Hass. Kann ja als Mittel der Steigerung dienen, aber ich würde es noch mal überprüfen, denn es ist oft unverständlich. Was spricht hier dagegen, „All das führte zu Hass“ zu schreiben?

Waren die Drohgebärden der Christen nach Hölle, Leid und Todesqualen nicht der Motor ihres Antriebes, die Druckerschwärze ihrer Pamphlete und der mühselige Schweiß aller Missionare?
Dieser Satz ist semantisch krank!

Das Fenster kurbelte sich wutentbrannt von selbst herunter, das neonrote „t“ zog einen Schleier vor die zu Schlitzen verkommenen Augen. Jakob schrie: „Hööööllllleeee?“, der Christ hörte es. Scham.
Warum muss sich da das Fenster allein herunterkurbeln? Woher kommt plötzlich das neonrote „t“? Wessen Scham?

Gleicher Abend. Der Drang etwas zu tun wuchs ins unermessliche.
Der Drang etwas zu tun, wuchs ins Unermessliche.

Der Hass: endlich nahm er nicht mehr ab und schärfte seinen Geist, der ansonsten für Vernebelungen aller Art empfänglich war (doch auch hier: keine Details!).
Sachen in Klammern sind blöd. :)

die das System des panikvollen Glaubens an eine allmächtige Transzendenz am Laufen hielten.
Das nenn’ ich Nominalstil! :D

und versorgt mit präpariertem Material aus Papier, Idealismus und Klebestreifen, machte er sich auf den Weg.
*grins

„DANKE“ gellte es ihm entgegen, jedoch nicht vom Menschenpack, das seine Mühen nicht zu schätzen wissen würde. Was gilt der Prophet schon im eigenen Land? Das Wort zierte eine Tafel, an der Dorfkirche positioniert. „Konfirmanden 2008“, gedruckt auf einem Bild der indoktrinierten Kinder. Verloren an einen Glauben, der auf axiomatischen Ängsten basiert. Ein „Danke“ an die Gemeinde, durch deren Hilfe sie fürstlich entlohnt das Stahlbad durchschritten, an dessen Ende gebleichte Gehirne gewaschen zum Trocknen hingen. Welch Schmach für jeden aufgeklärten Geist.
Ab „Konfirmanden 2008“ wird’s schwer verständlich, auch wieder wegen der elliptischen Form. Ganze Sätze und/oder klarere Zusammenhänge sind gefragt!

Stahlbad?

an dessen Ende gebleichte Gehirne gewaschen zum Trocknen hingen
Starkes Bild!

Ich handelte aus hehren Gründen, agierend gegen die zirkulären Kräfte asozialer Monotheisten.
Asoziale Monotheisten – :lol:

Ich vermute, der Text diente dir hauptsächlich dazu, dich sprachlich auszutoben. (Auf die Religion und so gehe ich nicht ein ;)) Ich habe diesen halben Amoklauf aber mit Vergnügen gelesen!

Gruß
Kasimir

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom