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Sturmnacht
Regentropfen schlugen wie Steine gegen die Fenster und das Prasseln, das nur vom Donner unterbrochen wurde, hallte in dem großen quadratischen Raum wieder und klang wie Trommeln in meinen Ohren. Es schien, als ob der spärlich möblierte Raum, in dem bereits die Spinnenweben in den Ecken hingen, sich mit der Natur gegen mich verschworen hätte. Abgesehen von dem kleinen Tisch, unter dem ich mich ohnehin schon versteckt hatte, bot der Raum keinerlei Schutz und die Wände schienen mit ihrem Echo mein Trommelfell platzen lassen zu wollen. Sanft und liebevoll zog ich das kleine Kissen in meiner Hand näher an mein Herz. Dann blitze es und meine Hände verkrampften sich, klammerten sich panisch an meinem letzten stummen Wegbegleiter fest. Wer würde mich schützen, wenn er fort wäre? Leise sang ich, auch wenn meine Stimme in dem an mein Mund gepresstem Kissen beinahe erstickte.
“Wenn der Regen draußen in Strömen fällt,
Und ein Blitz die dunkle Nacht erhellt,
Angst in deinen Adern kocht,
Es laut an deiner Türe pocht ...”
Ein Blitz zerriss die Nacht und ein Schatten huschte über das mittlere der drei großen Fenster. Meine Finger zitterten und krallten sich schmerzhaft fest. Mein Herz schlug, als wollte es meinen Brustkorb sprengen. Das Blut rauschte in meinen Ohren. Irgendwo im Haus knarrte es. Ich spürte die kalte Wand an meinem Rücken und wie die Kälte in meinen Körper kroch. Das Blut in meinen Adern wurde kalt und stach wie tausend Nadelstiche. Wie ein kalter Schauer lief es mir erst eisig den Rücken herab, dann in meine Hände und Füße und schließlich schien mein Herz zu gefrieren, als ein grausiger Schatten am Fenster einen dunkles Gesicht zeigte, das nicht einmal die schmerzhafte Helligkeit eines Blitzes vertreiben konnte. Wieder knarrte es, doch war es lauter und unverwechselbar näher, als hätte jemand seinen Fuß auf die nächste Treppenstufe gesetzt.
“Wenn der Donner dir schmerzvoll das Ohr zerreißt,
Und die Angst das Blut in den Adern vereist,
Trägt jedes Knarren es mit sich mit:
Es nähert sich dir Schritt für Schritt!”
Mein Blick fiel auf die wenigen Schatten im Raum, die wild durcheinander tanzten. Stechend scharf im Licht eines Blitzes verschmolzen sie im nächsten Moment wieder zu einer grauen Masse, die immer näher auf mich zuzukriechen begann. Ängstlich vor den dunklen Klauen zurückweichend, die auf dem Boden ununterbrochen auf mich zukrochen, zog ich meine Beine näher an den Körper. Doch dann in der Gewissheit, dass es mit der Wand im Rücken und dem Tisch über dem Kopf keinerlei Fluchtweg gab, stürzte ich nach vorne in das Dunkel, während Schatten nach mir griffen und mich niederreißen wollten. Das kleine Kissen eng an meine Brust gedrückt, stand ich nun in der Mitte des großen Raumes. Der Blick flog panisch von einer Ecke zur anderen und ein kalter Wind umwehte mein Haar. Ein lautes Quietschen erfüllte den Raum, als die Tür aufschwang und eine Böe eisiger Luft über meine Wangen glitt.
“Mit spitzen Zähnen und scharfen Krallen,
Ist es aus den dunklen Wolken entfallen,
Niemals spricht es auch nur ein Wort,
Doch schleppt es dich so gerne fort!”
Der Weg in mein Zimmer, von Blitz und Donner angetrieben, war schnell hinter mich gebracht. Meine weiche Decke schmiegte sich an mich, während unablässig große Tropfen wie Hammerschläge auf das Fenster niederprasselten. Ein Blitz ließ die alte Eiche vor meinem Zimmerfenster hell erleuchten, deren Äste vom Wind geschüttelt wurden. Die alte Straßenlaterne an der Straße warf ihr blasses Licht in mein Zimmer und zeichnete einen langen Schatten auf die Wand gegenüber. Arme, einen Rumpf und einen Kopf, die, obwohl sie immer wieder auf grässliche Weise verzerrt wurden, eindeutig nicht die meinen waren. Die Arme des Schattens an der Wand hoben sich und legten sich unwiderstehlich um meinen Körper. Ich kuschelte mich sanft in die Arme meiner Mutter, während ihre zarte Stimme leise sang:
“Helles Licht vertreibt das Grauen,
Nie mehr wird es sich zu dir trauen,
Denn ich bin bei dir, Tag und Nacht,
Und gebe sorgsam auf dich Acht!”