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Suche nach Moral
Ich lege meinen Kopf auf ihre von diesem schwarzen flusigen Pulli bedeckte Schulter, bis sie anfängt zu lallen, sie wolle das nicht, sie sei bereits in einen anderen Kerl verliebt. Natürlich mache ich mir kurzerhand ein Bild von diesem Kerl, stelle mir schöne blaue Auge, blondes volles Haar und einen edlen sanftmütigen Charakter vor. Nichts davon kann ich bieten: Meine Augen sind braun und langweilig, mein Haar wird dünner und mein Charakter, ja... da fehlen mir die Worte.
Wir sitzen im Schlafzimmer der Eltern eines gemeinsamen Freundes. Durch die Tür dröhnen Bässe, lassen Tischlampen und sogar Schränke vibrieren. Wieder und wieder höre ich das Mädchen neben mir laut stöhnend, kurz scheinbar grundlos kichernd und danach will sie wohl aufstehen, aber - schon zu betrunken - lässt sie sich auf ihre Pobacken fallen. "Du solltest nicht so viel trinken...!", sage ich. Sie sieht mich mit verzogenen Augenbrauen an und fragt nach meinem Namen, wer ich sei und warum ich nicht endlich verschwinde. Ich habe mich neben sie gesetzt. Sie sah so betrunken aus, das ich geglaubt habe, sie wäre bereit, mir zu lauschen. Aber selbst im Dunkeln und betrunken erkennt sie noch, was ich für ein Arschloch bin. O bitte, flehe ich, höre mir zu. Jedoch weiß ich, was sie von mir denkt: Was für ein notgeiler Wichser, der sich neben mir platziert und mich flachlegen will, weil ich betrunken bin. Ich kann nicht einmal widersprechen, denn vielleicht - im Innersten - sehne ich mich bloß danach, in sie rein zu stoßen, wie jeder andere Junge auch. Vielleicht spiele ich nur diesen unverstandenen Jungen, der versucht jemanden zu finden, der ihm zuhört, aber in Wahrheit möchte ich ficken. Die ganze Welt dreht sich um Sex. Ich hasse die Welt dafür. Ich hasse das Gedankengut der Oberflächlichkeit. Ich hasse es, das die Schönheit der Physiognomie mehr zählt als die Schönheit der Seele. Ich hasse die Tatsache, das ich selbst von diesem Gedankengut verseucht bin... Ich hasse die Tatsache, das meine Gedanken verrückt spielen. Ich versuche irgendein System zu finden, versuche Aktenschränke zu erstellen, um Gedanke für Gedanke abzuarbeiten, sie zu archivieren, aber sobald ich einen zu fassen beginne, scheint er in weitere verknotet zu sein. Eine endlose Arbeit, sie voneinander zu lösen!
Endlich hat die Fremde wieder so viel Kontrolle über ihre Bewegungen erlangt, das sie sich erheben kann. Sie verschwindet - trotz der Tatsache, das ich noch einmal verzweifelt an ihrer kleinen glatten Hand zerre und sage: "Bitte, nur zuhören!" und wieder muss ich denken, das ich sie in Wahrheit flachlegen will. Warum kann ich nicht einmal ehrlich zu mir sein?
Sie torkelt durch den Flur, wird vom erstbesten Jungen mit offenen Armen empfangen. Sie stürzt in seine Arme, diese Hure. Diese verdammte Hure... sie freut sich. Sie kennt ihn wahrscheinlich genau so wenig wie mich. Sie sieht ihn wahrscheinlich gerade zum ersten Mal. Sie freut sich wahrscheinlich nur, weil sie im Licht seine Schönheit erkennen kann, weil sie glaubt seine Augen schon einmal in irgendeinem Film im Kino gesehen zu haben. Sie glaubt vermutlich: "Wenn ich auf dem reite, sehe ich auch direkt viel schöner aus. Folglich werde ich beachtet, folglich werden sie mich nach dem Spaß fragen, den ich im Bett hatte." Kleine verhurte Diva.
Mit unkontrollierbarer Wut im Bauch stürze ich aus dem fremden Schlafzimmer, schlag die Tür hinter mir zu, höre noch die fallende, klirrende Tischlampe und will dem Mädchen in ihr feines Gesicht schreien, wie verflucht ungerecht ihr oberflächliches Denken doch ist. Aber noch bevor ich auf sie zu marschiere, sie an der Schulter herumreiße, holt mich die Realität ein, die Realität meiner eigenen Gedanken. Ich bin doch selbst oberflächlich. Warum suche ich mir nicht irgendein hässliches Mädchen? Warum laufe ich dieser hübschen Fremden mit der verdorbenen Seele hinterher? Weil ich nicht besser bin. Ich wünsche mir selbst eine filmreife Liebe.
Als ich anfange mir dumm vorzukommen, verschwinde ich auf der Toilette und pisse.
Die Bässe dröhnen so sehr, das ich glaube, mein Gehirn platze auf und quelle als kleine rote Paste aus meinen Ohren hinaus.
Ich wasche meine Hände und rauche danach - erneut im Flur stehend - eine Zigarette; in der Hoffnung, cool auszusehen, so cool, das mich irgendein betrunkenes Mädchen anspricht. Manchmal bemerke ich tatsächlich einige Blicke, aber als ich wie ein Voyeur zurückstarre, fangen sie an, mitleidig zu lächeln, als hätten sie gerade irgendeinen armen Verrückten gesehen, der vor eine Laterne gelaufen ist. Ohne zu wissen, wie ich die Schamröte auf meinem Gesicht verbergen kann, verschwinde ich letztlich wieder in dem Schlafzimmer, schließe die Tür hinter mir und hebe die heruntergefallene Tischlampe wieder auf.
Auf dem Bett liegt eine dieser kleinen verhurten Divas und ich würde ihr am liebsten ins Gesicht pissen, wenn ich nicht gerade schon gepisst hätte. Ich sehe das dumpfe Lächeln. Sie ist wunderschön. Ich setze mich neben sie auf die Bettkante, streichel ihr mit aller verfügbaren Sänfte meiner zittrigen Finger über ihre nackten Unterarme und vertreibe die ganze Wut in mir.
Sie schläft.
Ich ziehe ihren Rock runter und stelle fest, das sie nicht einmal Unterwäsche trägt.
Ich fange an, weine unterdessen, weine wie ein kleines Kind. Ich kann nicht aufhören. Ich schiebe ihn rein und raus und weine dabei.
Sie ist eine Fremde, sie ist eine Fremde, womöglich unschüldig, womöglich die reinste und beste Seele, die ich kenne. Ich kann nicht zu einem solchen Tier werden. Bloß weil ihre blauen Augen so einzigartig unter dem Einfluß des einfallenden Mondlichtes zu strahlen scheinen, und weil ihr Haar glänzt und gewellt ist und weil sie so niedlich lächelt, das man glaubt, sie habe nie ein Unrecht dieser Welt mitansehen müssen. Aber bei diesem Gedankengang störten mich die Bässe und das ununterbrochene Gelächter und Gekreische hinter mir, das mich wie ein einziges "Weiter! Weiter!" anzutreiben scheint. Da ich mich an die Dunkelheit im Zimmer bereits gewöhnt habe, kann ich auch erkennen, das das Mädchen, in das ich eindringe, sich langsam zu regen, anfängt.
Ich ziehe meinen Penis raus, packe ihn wieder ein und sinke zusammen, falle auf den Boden, weine.
Wenn ich doch selbst wenigstens ein besserer Mensch wäre, denke ich mir.