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Tödliches Verlangen

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21.03.2004
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Tödliches Verlangen

Tödliches Verlangen


Ich konnte den goldenen Widerschein des Feuers in ihren glänzenden, grossen Augen sehen, als er zwischen den schwarzen Bäumen hervortrat. Sie raffte ihren braunen Rock, lief auf ihn, das lange, schwarzgelockte Haar wehte ihr wie ein Schleier hinterher. Und als ob jemand in ihm ein Licht entzündet hätte, begann sein Gesicht zu strahlen, er breitete seine Arme aus und sie warf sich ihm an die breite Brust. Die Muskeln zeichneten sich deutlich unter seiner Bluse ab, als er sie, die zierliche, feingliedrige Frau, an sich drückte. Sein Gesicht in ihren Locken vergraben, strich er ihr zärtlich mit dem Handrücken der Wirbelsäule entlang hinunter und wieder hinauf. Dann umschlang er ihre Taille, und mit einem Ruck hatte er sie über die Schulter geschwungen. Sie lachte und begann, ihm spielerisch mit den Fäusten auf den Rücken zu trommeln. ‚Lass mich hinunter!’, rief sie glucksend, doch er trug sie wie einen Sack über seiner Schulter zum Feuer. Seine seidenen Kleider waren mit Schlamm und Erde beschmutzt, und seine sorgfältig frisierten Haare waren von ihren Händen zerzaust. Dann, nahe am Feuer, nahm er sie sachte wieder herunter und sie setzten sich ans Feuer. Sie sahen so glücklich aus, die kleine, zarte Frau und der grosse, schöne Mann, wie sie so am Feuer sassen und sich innig küssten.
Welch eine Idylle, dachte ich bitter. Sie sind ja so ein schönes Paar, der junge, reiche Kaufmannssohn und die arme Waldhexe. Es schmerzte mich, sie so zu sehen, es zerriss mich beinahe, doch es schien mir unmöglich, meinen Blick von ihnen abzuwenden, abzuwenden von dem jungen Glück. Es schien, als ob sie in jetzt in diesem Moment in einem eigenen, kleinen Universum schwebten, das Feuer ihre Sonne, der harte Boden unter ihnen die Erde und ihre Liebe ihre Luft. Ein kleines Universum, aus dem alle ausgeschlossen waren, alle, auch ich. Ich schaute an mir herunter. Unter dem eng geschnürten Korsett trug ich ein blutrotes, aufwendig genähtes und weit ausgeschnittenes Seidenkleid, dessen Saum mit Erde und Schlamm beschmutzt war, wie meine ebenfalls seidenen Schuhe. In meinem langen, goldblonden Haar, welches mir offen auf den Rücken floss, hatten sich kleine Ästchen und trockene Blätter verfangen. Es wärmte mich ein bisschen in der kühlen Herbstnacht; ich hatte keinen Umhang dabei. In meinem Decolleté auf der milchweissen Haut glitzerte im fahlen Mondlicht ein taubeneigrosser Diamant an einer schlichten Silberkette, der sich mit meinen Atemzügen hob und senkte. Ich wusste, dass ich schön war. Wieder sah ich zum Feuer. Sie, die junge Frau an seiner Seite, war nicht schön.

Ich erinnerte mich an den Tag, an dem ich sie das erste Mal gesehen hatte. In unserem Haus hatten wir, die Grafenfamilie, einige der wichtigsten und reichsten Kaufmannsfamilien zum Dinner eingeladen. Wir sassen bei Tisch, assen gefüllten Truthahn, Wachteleier und ähnliche Delikatessen, und ein friedliches Gesumme von Gesprächen füllte den Raum, als man plötzlich Schreie und Getrampel aus der Eingangshalle hörte. Die Türe wurde aufgestossen, und atemlos platzte ein livrierter Hausdiener herein. Alle Gespräche verstummten augenblicklich, und alle Blicke waren auf ihn gerichtet. ‚Verzeiht mir, mein Herr’, sagte er, um Atem ringend, an meinen Vater gerichtet und fiel auf die Knie. ‚Aber es ist wirklich ein Notfall! Es wurde...’, er verschluckte sich, ‚Es wurde wieder eingebrochen. Diesmal haben wir den Dieb – besser gesagt, die Diebin erwischt.’ Er schwieg und senkte seinen Kopf wieder zu Boden, ich sah, dass seine Hände zitterten. Er würde bestraft werden für die Unterbrechung. Mein Vater legte die Silbergabel auf den Teller, was ein leise klirrendes Geräusch verursachte. Dann wischte er sich mit der Brokatserviette rasch über den Mund, erhob sich und sagte mit beherrschter Stimme: ‚Ich werde mir die Verbrecherin kurz ansehen. Führen Sie mich zu ihr.’ Ohne ein weiteres Wort verliess er mit dem Diener das Esszimmer, kam aber kurz darauf wieder zurück. ‚Es ist alles in Ordnung’, verkündete er aufgeräumt, als er sich setzte. ‚Lassen wir und das Dessert servieren.’ Als wir von den diversen süssen Kuchen und Zuckergebäcken kosteten, sprach niemand mehr. Und plötzlich durchschnitten markerschütternde Schreie die bleierne Stille.

Wieder blickte ich zum Feuer. In seinem hellen Schein sah man in ihrem Gesicht eine grosse, v-förmige Narbe, die sich über ihre ganze linke Wange erstreckte und im flackernden Licht noch tiefer und grotesker aussah auf ihrem sonst ebenmässigen Antlitz. Und wenn man genau hinsah, erkannte man auch, dass an der rechten Hand, die auf dem Oberschenkel des Mannes ruhte, alle Fingerkuppen fehlten.

Als wir das Dessert beendet hatten, erhob sich mein Vater und räusperte sich. Alle schauten zu ihm. Er blickte gewichtig in die Runde und verkündete dann: ‚Ich habe die Ehre, heute Abend eine sehr erfreuliche Entscheidung öffentlich zu machen.’ Er machte eine kleine Pause und blickte erst zu mir, dann zum mittleren Sohn des einflussreichsten Kaufmanns. Dann fuhr er fort: ‚Juliette, meine Tochter, und Delon, der Sohn des Kaufmanns von Labourgoi, werden sich im nächsten Frühjahr vermählen.’ Ein wohliges Kribbeln verspürte ich zuerst in der Magengegend, dann breitete es sich langsam in meinem ganzen Körper aus. Mein grösster Traum war wahr geworden: Ich würde die Frau des bestaussehenden, jungen Mannes der ganzen Stadt werden, die Gemahlin des Mannes, der schon seit meiner Kindheit mein heimlicher Schwarm gewesen war. Und jetzt, jetzt war es Wirklichkeit. Nicht mehr lange, und seine zärtlichen Berührungen würden nicht mehr Illusionen sein, die sich in Luft auflösten, sobald ich die Augen öffnete. Ich konnte nicht sprechen, so benommen war ich vor Glückseligkeit. Ein freudiges Gemurmel brandete auf und verebbte sofort wieder, als mein Vater eine beschwichtigende Geste machte. Dann bedeutete er einem livrierten Diener, der in einer Ecke stand, zu kommen. Dieser wollte dann meinem Vater die schwarze Samtschatulle überreichen, die er vorsichtig, als wäre sie aus Glas, in den behandschuhten Händen hielt, besann sich dann aber und brachte sie zu mir. Verwundert hielt ich den Atem an und öffnete die Schatulle. Darin, auf mitternachtsblauem Samt, lag geheimnisvoll und im Kerzenlicht funkelnd ein taubeneigrosser Diamant an einer filigranen Silberkette. Mit grossen Augen blickte ich zuerst auf das Schmuckstück, dann zu meinem Zukünftigen. Auch er blickte mich mit seinen unergründlichen blauen Augen an. Ich konnte nicht erraten, was er dachte. Doch von da an gab es für mich nur noch ihn und mich, und hörte nicht mehr, wie mein Vater in die atemlose Stille sagte: ‚Und dies ist ein bescheidenes Zeichen von Delon, unserer Juliette zu zeigen, wie sehr er sich auf die Vermählung mit ihr freut.’

Delon. Auch ihn schaute ich an, wie er neben dieser Schlampe unter dem Sternenhimmel auf der nackten, kalten Erde lag, obwohl er mit mir ein warmes, reich ausgestattetes Schlafgemach und ein weiches Federbett hätte teilen können. Die Eifersucht loderte wie eine Stichflamme wieder in mir auf, als er ihr Kinn mit zwei Fingern anhob und sie versonnen anschaute. Die Liebe in seinem Blick war beinahe greifbar. Die Liebe zu ihr, dieser undankbaren Hexe.

An dem Abend war ich nach der Verlobung so glücklich, dass ich das dringende Bedürfnis hatte, etwas Gutes zu tun. Also machte ich mich in der Nacht auf die Suche nach der Verbrecherin und fand sie auch bald, in einem dunklen Hauseingang nahe unserem Herrschaftshaus. Zusammengekauert und leise wimmernd drückte sie sich wie ein Häufchen Elend in eine kalte Ecke, rundherum um sie war Blut. Aus ihrem Gesicht tropfte Blut, ihre rechte Hand war eine blutige Masse. Ihre sonst schon schmutzige, zerrissene Kleidung war getränkt von der ekelhaft süsslich riechenden Flüssigkeit. Doch die Welle des Ekels konnte nicht den Mantel des nicht schwächer gewordenen Glückgefühls durchdringen, und so stützte sie und liess mich von ihr zu ihrer Hütte im Wald leiten.

Die Hütte. Hämisch lächelnd schaute ich auf den verkohlten Haufen hinter dem Liebespaar. Die Überreste ihrer kläglichen Behausung hoben sich beinahe nicht von den schwarzen Bäume ab, die neben dem sternenbehangenen, wolkenlosen Himmel und dem fahlen Angesicht des Mondes als Kulisse für diese Szene dienten. Delon und seine Geliebte hatten sich nun hingelegt und wärmten sich aneinander und dem Feuer.

Jeden Tag schlich ich mich nun zu ihr, um ihr Medikamente und Kleidung zu bringen und sie aufzupäppeln. Es war eine anstrengende, aber durchaus befriedigende Beschäftigung denn Satine, so hiess sie, war schnell über dem Berg und die Wunden heilten gut. Doch bald hatte ich das Bedürfnis, dieses Geheimnis mit meinem Verlobten, den ich nun beinahe täglich sah, zu teilen. Und so nahm ich ihn eines schicksalshaften Tages mit zu der Verbrecherin.
Da ich mich nun auch noch um die Hochzeizvorbereitungen kümmern musste, konnte ich bald nicht mehr jeden Tag hingehen, also ging Delon manchmal alleine zu der Hütte im Wald, um nach ihr zu sehen. Und ich naives Ding hatte geglaubt, dass das so gut gehen würde.
Ich konnte die brennende Wut nun beinahe nicht mehr unterdrücken, die in meinem Innern tobte. Meine Fingernägel krallten sich in die zu Fäusten geballten Hände. Ich konnte einen Aufschrei kaum noch unterdrücken, als sie sich auf ihn legte und ihre verkrüppelte rechte Hand um sein schönes Gesicht schmiegte.

Genauso hatten sie dagelegen, als ich es herausgefunden hatte. Genauso, ausser dass sie dort nackt auf ihrem Lager in der Hütte gelegen hatte. Eines Tages hätte ich eigentlich für eine Anprobe meines Brautkleides zum Schneider gehen sollen, doch der Termin fiel kurzfristig aus. Also wollte ich zu Satine gehen, doch sie hatte bereits Besuch. Delon. Als ich sie so auf ihrem Lager liegen sah, war ich zuerst sprachlos, dann packte mich die eiskalte Wut. Ich wollte hingehen und die den Verräter zur Rede stellen, doch dann besann ich mich. Nein, ich wollte ihm, meinem Geliebten, noch eine Chance geben. Ich wollte nicht mit einer unüberlegten Aktion meine ganze Zukunft zerplatzen lassen wie eine Seifenblase. Würde er es nicht mehr tun, würde auch ich ihm verzeihen. Doch er spielte weiterhin den liebenden Verlobten, und weiterhin ging er zu ihr. Ich folgte ihm regelmässig, wie auch jetzt. Doch jetzt, heute, würde ich mich nicht unerkannt davonschleichen und so tun, als ob ich von nichts wüsste. Nein, heute würde ich handeln und versuchen, die brennende Eifersucht zu lindern. Und jetzt war es an Zeit.

Ich griff in eine Falte meines Kleides und tastete nach dem rubinbesetzten goldenen Dolch, den ich mitgebracht hatte. Das kühle Metall schmiegte sich in meine Handfläche. Lautlos schlich ich mich ihnen von hinten an. Sie küssten sich gerade, als ich klar und deutlich, mit jedoch leicht zitternder Stimme sagte: ‚Ach, wie romantisch!’ Sie erstarrten und liessen augenblicklich voneinander ab. Ungläubig und mit weit aufgerissenen Augen starrten sie mich an. Wie eine Todesfee stand ich da, mit zerzausten Haaren und beschmutztem, blutrotem Kleid. Delon sprang auf und wollte auf mich zugehen, doch ich riss mit einer ruckartigen Bewegung den Arm in die Höhe. Die Rubine auf dem Dolch glitzerten warnend im Feuerschein. ‚Du!’, sagte ich rau an Satine gewandt. Sie zuckte zusammen, als sie den unbändigen Hass in meiner Stimme hörte. ‚Du! Eine Schlange habe ich an meiner Brust genährt, ich habe dich vor dem sicheren Tod gerettet, doch ich hätte dich besser verrecken lassen sollen!’ Meine Stimme versagte. Da sagte Satine leise: ‚Ich kann doch nichts dafür. Und Delon auch nicht! Wir... wir lieben uns!’ Ich kreischte auf. Der Wald warf das Echo mehrmals zurück. ‚Liebe! Liebe! Ich liebe ihn, und ich habe auch das Recht dazu! Und du’ – mit bebendem Körper machte ich einen Schritt auf Delon zu – ‚Und du solltest mich lieben. Ich bin deine rechtmässige Frau, ich –’ ‚Juliette!’, unterbrach er mich bestimmt. ‚Wir waren noch nicht einmal verheiratet! Ich gehörte dir nicht! Unsere Eltern hatten das so abgemacht, doch ich...’ Er verstummte, ging wieder zu Satine und legte einen Arm um ihre Taille. Offensichtlich erkannten sie den Ernst der Situation nicht. Doch wie er so dastand, konnte ich auch die Liebe für ihn nicht unterdrücken, unbändige Liebe und brennende Eifersucht lieferten sich an der Stelle, wo einmal mein unschuldiges Herz gewesen war, einen erbitterten Kampf. So atmete ich tief durch und sagte beherrscht: ‚Delon, wenn du jetzt zu mir kommst, werde ich dir verzeihen. Doch entscheide dich jetzt!’ Er atmete tief durch. Ich konnte seine Gedanken förmlich rasen sehen. Dann, nach einigen Momenten, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, sagte er leise, doch mit sicherer Stimme: ‚Ich bleibe bei Satine. Dies ist meine Entscheidung.’ Ich war fassungslos, konnte es nicht glauben. Er musste mir gehören! Er musste! Er gehörte mir, er war mein Eigentum! Und diese Hexe hatte es mir weggenommen! Und so kreischte ich in die Nacht heraus: ‚Wenn ich ihn nicht haben kann, dann soll ihn niemand haben! Auch nicht du!’ Und mit einem Ausfallschritt stiess ich ihm den Dolch ins Herz. Warmes Blut spritzte mir ins Gesicht und Decolleté, der Diamant war rot gesprenkelt. Satine schrie auf und warf sich über Delon, als er in sich zusammensackte. ‚Was für ein reizendes Paar’, dachte ich, als ich mir das Blut an den Händen abwischte, mich umdrehte und langsam in den Wald schritt. So gut es ging , versuchte ich die heissen Tränen zu ignorieren, die meine blutverspritzten Wangen herabrannen.

 

Hei Sissi-Maus!!!
Han doch dänkt das ich dich under "Sissi" oder so öppisem gfinde...:-)
Ich schriibe ez uf hochdütsch, dases alli verschtönd.
Also, deine Geschichte ist hammer! Nur keine Panik weil sie noch niemand gelesen hat, oder zumindest niemand geantwortet! Ich würde ihr vielleicht noch einen anderen Titel geben, der etwas packender ist, dann liest man sie auch eher...
Wünsche dir no es mega schöns wuchenend, sissi.
Bis am mäntig, besos
adaneth (ich nime a du hesch gmerkt das ichs (salome) bin...? =) )

 

hey adaneth! (wie du wohl auf diesen namen gekommen bist... ?)
ja also das mit dem titel ist schon ein problem, zugegeben. mir fiel eben nichts besseres ein, und stand etwas unter stress... hast du vorschläge? wenn ja, biiiiitte sag sie mir! war mir schon bewusst dass es ein etwas langweiliger titel ist, aber was solls... :-)
ach ja: danke für das kompliment... :-)

love,
*sissi*

 

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