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Türklinkenstreik auf dem Finanzamt

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16.01.2006
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Türklinkenstreik auf dem Finanzamt

Mitte April – es ist mal wieder so weit. Die Lohnsteuererklärung ist fällig. Obwohl Claudia als Studentin durch ihre Nebenjobs im letzten Jahr nicht gerade viel verdient hat, will sie sich zumindest die 79,00 € Lohnsteuer wiederholen.
An einem Dienstag vormittag begibt sie sich zur Finanzabteilung des Landkreises, um sich die benötigten Formulare für die Einkommenssteuererklärung abzuholen. Entgegen ihrer Erwartung stellt sie fest, dass die Formulare nicht öffentlich ausliegen. Sie ist also gezwungen, sich zu den beiden Damen zu gesellen, die bereits auf dem Flur vor der Tür des Finanzbeamten sitzen und ihrem Aufruf entgegendämmern. „Na toll, jetzt auch noch rum sitzen und warten wegen ein paar blöder Formulare“ denkt sich Claudia, sagt aber nichts. Möglicherweise lässt eine der beiden Damen sie vor?? Claudia wirft der Dame links von ihr ein leichtes Lächeln zu. Ihr Blick wird zwar erwidert, doch die Mundwinkel der Dame verändern die Position nicht. O. K., also warten.

Die Tür des Finanzbeamten öffnet sich, heraus kommt ein älterer Herr, herein geht die erste der beiden Damen. Na gut - fünf Minuten sind um, Claudia ist guter Dinge, dass das Ganze innerhalb der nächsten 10 Minuten über die Bühne gegangen sein wird. Derweil hat sie Zeit, sich ein bisschen im Flur umzuschauen. Der gesamte Bau sowie das Innenventar stammen noch aus den 60er Jahren.
„Scheiß-PVC-Belag, scheiß-graue Türen mit Plastikklinken“ denkt sich Claudia, sagt aber nichts. Wieder einmal wird sie in ihrer Annahme bestätigt, dass die 60er Jahre bautechnisch ein regelrechter Flop waren. Während sie dies denkt, öffnet sich die Tür des Finanzbeamten und die Dame links von Claudia darf eintreten.

An der Tür des Finanzbeamten hängt ein Schild mit Titel „38,5 bleibt – sonst Streik“. Claudia will gerade beginnen, sich mit dem Streikverhalten der öffentlich Bediensteten gedanklich auseinander zu setzen, als die Tür aufgeht und der Finanzbeamte sie herein bittet. Flinken Schrittes betritt Claudia das Zimmerchen, das kaum breiter ist als der Flur auf dem sie gesessen hatte. Durch die halb offenen Fenster kommt eine frische Frühlingsbrise geradewegs auf Claudia zu. Die Brise erschwert es Claudia die Tür hinter sich zu schließen. Sie wendet ein wenig Kraft auf und schon ist die Tür geschlossen. Claudia hat allerdings auch die gleich die Türklinke mit in der Hand.
Das alles wäre ja gar nicht so schlimm gewesen, hätte sie die gesamte Klinke aus der Tür gerissen. Zu ihrem Entsetzen stellt Claudia jedoch fest, dass sie den Griff der Klinke abgebrochen hat. Der Rest befindet sich noch in der Tür.

„Dass Sie mir nicht die Klinke abreißen“ mahnt der Finanzbeamte und erhebt sich von seinem Schreibtischstuhl. „Tja, sieht so aus als wäre genau das passiert“ erwidert Claudia sichtlich nervös. Der Finanzbeamte schaut über den Rand seiner Brille auf Claudia, die in der rechten Hand den abgebrochenen Griff der Türklinke hält. „Das glaub’ ich jetzt aber nicht!! Randalieren sie hier herum?“ Claudia merkt, dass dieser Zwischenfall den Finanzbeamten ganz schön aus seinem Konzept bringt. „Ich habe die Tür ganz normal geschlossen. Wahrscheinlich war der Griff vorher schon lädiert gewesen“ erwidert Claudia zu ihrer Verteidigung.
Der Finanzbeamte nimmt mit errötetem Kopf sein Handy aus der Tasche, um seinen Kollegen im Nachbarzimmer zu kontaktieren, damit dieser die Tür von außen öffnet. Es scheint gerade Frühstückspause zu sein. Mit dem Handy am rechten Ohr, sieht der Beamte zu Claudia und zieht langsam die Stirn in Falten.


„Das Ganze ist mir furchtbar peinlich, aber was soll ich machen, wenn die Türklinke schon so alt ist...“ Claudia wird die Situation nun unangenehm. „Sie müssen für den Schaden bezahlen“, meint der Finanzbeamte „haben Sie eine Haftplichtversicherung?“
„Nein, natürlich nicht, ich bin Studentin!“ gibt Claudia an, „außerdem bin ich nur hier, um mir die blöden Formulare für die Einkommensteuererklärung abzuholen.“ Dieses Wort scheint bei dem Finanzbeamten einen Mechanismus auszulösen. Wortlos läuft er zu einem Regal, holte die Formulare und überreicht sie.
Erneut nimmt der Finanzbeamte sein Handy, um seinen Kollegen zu kontaktieren. Wieder nimmt niemand seinen Anruf entgegen. Der Finanzbeamte hechtet zu seinem Schreibtisch, öffnet die drittoberste Schublade der rechten Seite und holte eine Schachtel Zigaretten hervor. Hastig nimmt er eine Zigarette, zündete sie an und stößt den Qualm aus seinen Nasenlöchern. „Wissen Sie, das ist jetzt ihre Schuld, dass ich wieder mit dem Rauchen anfange, eigentlich hatte ich vor fünf Wochen aufgehört!!“
Claudia wird es zu blöd. Erst soll sie für einen Schaden bezahlen, der aufgrund von Altersschwäche entstand, dann wird ihr vorgeworfen, durch ihr Verhalten die Rückfälligkeit eines Drogensüchtigen ausgelöst zu haben. Wortlos schreitet sie zum Fenster, kippt es zu, um es daraufhin ganz öffnen und springt mit ihren Unterlagen in die Parkanlage. Der Finanzbeamte ruft ihr noch Undefinierbares hinterher – es ist ihr egal, schließlich ist Frühling.
Nächstes Jahr wird Claudia den Finanzbeamten bitten, ihr die Formulare unter die Tür durchzuschieben.

 

Hmm, ein ziemlich drastischer Schluß: aus dem Fenster zu springen. Zumal die im Normalfall vorllgestellt sind mit Pflanzen.

Überhaupt waren die Reaktionen doch etwas heftig - ja sogar für Finanzbeamte *grins*

Ein, zwei Sprüche hätte ich auch weggelassen oder anders geschrieben.

1.) „Scheiß-PVC-Belag, scheiß-graue Türen mit Plastikklinken"

Da dein Stil ansonsten sehr "konservativ" ist und auch Claudia nicht als sehr aggressiv oder wütend dargestellt ist, klingt das sehr befremdlich.

2.) Claudia wird es zu blöd.

Dasselbe. Ich hätte es anders ausgedrückt. z.B. "Das ist zuviel für Claudia." oder "Claudia wird die Sache langsam zu bizarr/ dumm/ seltsam/ albern..." Was immer da noch alles rein passt.

Aber den Schlußsatz fand ich klasse. Gutes Timing und sehr trocken. Musste breit grinsen. - *breitgrins* - Siehst du?

Grüße

Anja

 

Hallo hanuman,

leider hat mir die Geschichte nicht so gefallen. Die Prot wirkt ziemlich unsympathisch: ungeduldig (wieso ist es ihr zuviel zu warten und wieso sollte vorgelassen werden?), genervt (Scheiß-PVC-Belag, scheiß-graue Türen mit Plastikklinken) , in ihrem Denken völlig negativ ... Da kann ich dann auch nicht richtig mitfühlen, dass der Finanzbeamte noch schlimmer ist.

Einzig der Schluss hat mir gefallen, weil er meine Erwartungen (durchs Fenster springen nicht gleich Suizid, sondern Abkürzung) durchbrochen hat. Die Situation mit der abgebrochenen Türklinke, dem Eingesperrtsein, dem Kolllegen in der Frühstückspause und der Pointe hätte Potenzial für eine Humorgeschichte, wenn du es etwas leichter und prägnanter schreiben würdest.

So klingt es nach einem (teilweise) autobiografischen Erlebnis, bei dem du dir die Wut vom Leib schreiben wolltest.In unserem Finanzamt liegen die Vordrucke übrigens aus, und aus dem Netz sind sie auch zu ziehen. Soviel für nächstes Jahr. ;)

„Wissen Sie, das ist jetzt Ihre Schuld, dass ich wieder mit dem Rauchen anfange, eigentlich hatte ich vor fünf Wochen aufgehört!!“
Ihre groß geschrieben

Gruß, Elisha

 

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