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Tanzen der Göttinnen

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14.07.2007
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Tanzen der Göttinnen

Gedämmtes Licht; auf dem Parkett verlängern sich die Beine von Tischen und Stühlen zu Schatten. Und dann zappeln dazwischen die Schatten von Körpern, verschmelzen, zerfließen; bunte Personen tanzen, meist ungeschickt. Absätze klackern auf dem Boden. Ein alter Song, mir fällt der Name nicht ein, dudelt aus zwei Lautsprechern, die sich im Dunkel der Winkel abzeichnen. Ich tanze nie; ich bestelle mir Bier und versinke in Melancholie. An einem Tisch in einem gläsernen Anbau, einsam, das Bein hin und her wippend. Und versinke in hoffnungstriefenden Träumereien – irgendwann wird eine Frau, eine Göttin mich entdecken und ihr Herz wird beben und pochen; den einsamen Melancholiker dort, in dem flutet sicher ein Weltmeer; der hat Gefühl, wird sie denken. Sie wird mich anlächeln und mir sanft ins Ohr flüstern:
„Einsamer Mann, warum sind sie so einsam?“
Aber die Göttinnen tanzen. Oder lachen, in kleinen Grüppchen an Tischen, die sich um die pyramidenartig, erhöhte Tanzfläche herum streuen.
Eine von ihnen lehnt erst an den hölzernen Thresen, wippt gemächlich hin und her. Dann tanzt sie - Ein schlangenartiger Fluß der Bewegung – zentriert in der kreisenden Hüfte, von hieraus schwingt der Körper, da gleiten gleichmäßig die Glieder. Vom schwarzen Rock umflatterte Beine wiegen sich im Rhythmus, die tätowierten Arme werden in die Luft geworfen, aber fallen nicht plump, sondern gleiten, geschmeidig. Und dazu nickt der zierliche Kopf, mit den Augen, in deren Weiß ein trübes, trostloses Blau schwimmt. Bei all dem kräuselt sie die Lippen, runzelt die Stirn ein wenig, und ihr blasses, glattes, von Schein des Lichtes überzogenes Gesicht erstarrt; und sie wirkt seelenlos, unbeteiligt; sie ist etwas Dahingeworfenes und Totes; und tanzt auch wie eine Verdammte, unermüdlich, zwar anmutig, aber ohne Leidenschaft. Manchmal tritt ein Mutiger heran, lehnt sich neben sie an den Thresen und lächelt ihr ins Gesicht. Aber da dringt gar nichts in sie – und nichts aus ihr heraus. Ich höre, wie sie den Kerlen in ihre verdutzten Fratzen sagt, dass sie sich bitte nicht lächerlich machen sollen. Und blauäugige, schöne Kerle müssen sich umdrehen, wie sie sich nie umdrehen mussten; etwas vornüber gebeugt, kopfschüttelnd, mit einem verlogenen, verachtenden Lächeln, dass einfach zeigen soll, wie egal ihnen diese Demütigung von einer solch dummen, hässlichen Frau ist – aber die Frau lässt ihren Körper einfach weiter fließen, gleiten, auf und ab, im Rhythmus. Die Schönheit einer Toten, denke ich mir. Plötzlich, von den wirbelnden Trommelschlägen, dem Puls des Basses entfacht, stürmen Menschen von allen Seiten zur Tanzfläche hin, schreiend und Arme schneiden wie Säbel durch die Lüfte; nachdem der Strom von Menschen abebbt, bewegt und tobt dort die Masse; ein schwitzender, rasender Organismus. Kein Körper ist darin zu unterscheiden. Haare umhergeworfen, in allen erdenklichen Dunkeltönen, verdecken die Gesichter; und das Fleisch, das sich überall zeigt, das wabbelnde, nasse Fleisch wird überzogen von bunten Blitzlichtern der Scheinwerfer und Discokugeln. Ein Tosen, das Stapfen der Füße, das Nicken, wie bei nach Brotkrumen pickenden Hühnern. Frauen, Männer, ihre Körper aneinander gedrängt, die Augen zucken unruhig in den Höhlen und ihre Wangen sind von einer Röte überzogen; die Haare kleben allmählich nass an den Schläfen.
Ich erhebe mich. Ich denke an all die Begegnungen von Menschen, die sich verlieben. Ich denke an all die stillen Begegnungen, bei denen zwei Menschen vielleicht nebeneinander sitzen, in einem Cafe, Bistro, auf Schiffsreise, im Abteil eines Zuges, in ihrem Buch versunken; zwischendurch einen schüchternen Blick tauschen, aber weiterhin schweigen. Und diese Begegnungen verenden lautlos, obwohl es im Inneren brodelte und pochte. Es läuft so: Männchen kämpfen um Weibchen, in Discos, Brunftzeit. Nichts weiter. Ich trete zu der Fremden an die Theke und erkenne die Tätowierung. Eine Rose, deren dorniger Stiel schwungvoll den Arm entlang kurvt, hie und da in Zacken ausläuft und darin ein kleines, blutendes Herz einschließt. Ich trete zu ihr und lächele; da löst sich etwas in mir, ein Erdrutsch im Inneren, und dabei reißt und schüttelt es am Gebälk. All die Eigenheiten der Nervösität: Meine Hände zittern, Kauen auf der Unterlippe, Schweiß bricht aus den Poren. Aber ich fühle nichts davon - nur Hoffnung, Sehnsucht, Schmerz vermischt sich. Ich lächele sie an und sie lächelt zurück. Und kräuselt das schmale, feine Kinn, in dem die gerundeten Wangenknochen zusammenlaufen. Dann neigt sie ihren Kopf zu mir und flüstert, sanft, gleichmäßig: "Kleiner, verschwinde lieber. Mein Freund kommt gleich wieder."
Ich nicke verlegen, schüttele den Kopf und verschwinde; ausgehöhlt, traurig beobachte ich weiterhin aus dem gläsernen Anbau. Ruhelos.

 

Morgen nizzel,

alles sehr bildhaft beschrieben, Emotionen kommen rüber, konnte mich in die Gedankenwelt des Protagonisten einfühlen.
Der Text hat mir gefallen.

Gruß

Kurtchen

Kaufen auf der Unterlippe
?

 

hallo nizzel,

hat mir gut gefallen. Eine kurze, gute Geschichte, sehr bildhaft und sehr gut geschrieben.

Kaufen auf der Unterlippe

? was soll das bedeuten

Ich nicke verlegen, schüttele den Kopf und verschwinde; ausgehöhlt, traurig beobachte ich sie weiterhin aus dem gläsernen Anbau. Ruhelos.

mfg mantox

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo nizzel,

die Geschichte hat mir gefallen, sie erzeugt eine gut beschriebene Atmosphäre, baut aus einer alltäglichen Situation Spannung auf und die Pointe ist gut und passend gesetzt. Unterhaltsames Teil.

Rick

P. S.: Nachtrag um 17 Uhr 20: Den Titel finde ich in dieser Form irgendwie merkwürdig. Ich glaub, das gäbe da bestimmt was Besseres, bin hier aber alles andere als ein Titelspezialist :-)

 

vielen dank
fürs lesen, freut mich, dass es gefallen hat.
gruß nizzel

 

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