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Tanzen
Sachte zieht der Wind seine Bahnen durch die braunen Haare. Durch meine braunen Haare. Immer wieder gleiten meine Augen umher, ebenso wie sich das stete, strahlende Sternenlicht in den Gläsern meiner Brille fängt. Nur leise knirscht der Boden unter dem Profil der schwarzen Stiefel.
Ich habe sie für heute extra noch poliert. Denn heute ist ein ganz besonderer Tag. Ich gehe tanzen. Mit Stiefeln? Mögen sich einige Fragen. Wie unpraktisch und unfein. Nun vielleicht mögen diese Leute recht haben, aber ganz ehrlich gesagt in diesem Moment war es mir gleich.
Unter mir, die Autos welche ihre Bahnen ziehen, so eilig haben sie es, sausen wie kleine Blutkörperchen auf einer unserer Lebensbahnen; der A1.
Meine Finger legen sich auf das eisige Metall der Brüstung. Kalt war mir eigentlich noch nie wirklich gewesen und doch, jetzt fühlte ich es, dieses fröstelnde Prickeln welches langsam von meinen Handballen empor zog in meine Arme und von dort weiter hoch in mein Herz. Doch dieser stetig pumpende Muskel, er wurde von dieser Kälte fast schon erwärmt.
Ja jetzt stehe ich hier auf dieser Brücke. Mein Blick geht nach unten. Wie schön doch das Leben ist, nicht wahr? Mein Rücken ist schon lange an diese Brüstung gebettet, doch noch schaffte es diese Kälte nicht meinen schwarzen Mantel zu durchdringen, oder war ich es vielleicht, der das Metall so auskühlte?
Nein ich weiß es nicht, doch sind dies genau die Gedanken die durch meinen Kopf zischen, ebenso wie die Autos unter meinen Füssen hinwegzischen. Moment, die Autos waren gar nicht mehr da. Dafür aber dieses stete blaue Pulsieren. Ich habe es gar nicht bemerkt. Seltsam, wie abgelenkt ich doch manchmal sein kann. Und wie oft ich doch schon abgelenkt war.
Wahrscheinlich viel zu oft und wahrscheinlich war das auch einer der Gründe warum ich jetzt in diesem Moment hier stehe. Einer von Tausenden. Einen kurzen Augenblick schließe ich meine Augen, der Wind zerrt schon an meinem Mantel, ruft mich, bittet mich zum tanze.
Dann war da noch IHR Gesicht. Aber wer ist sie, nur ein Schemen in meiner eigenen Vorstellung? Oder vielleicht doch ein flüchtiger Moment meiner Erinnerung? Der Funken Glück den ich hatte oder nachdem ich mich sehne? Ist das jetzt noch wichtig? Wohl kaum, ich will doch nur tanzen gehen.
Weiter zischen die Erinnerungen, dann war da wieder der Schmerz welcher mit Tausenden von nadelfeinen Dolchen auf mich einsticht. Ich bin doch wie ich bin oder? Ich sollte doch geliebt werden, weil ich ich bin!
Wenn du dich weiter so verschandelst brauchst du nicht mehr zu mir zu kommen! Deutlich höre ich diese Worte, sehe diese, mit Abscheu, gefüllten Augen. Weil ich schwarz mag! Weil ich denke! Weil ich ich bin!
>>Hey!<< ,höre ich eine sanfte, ein klein wenig verunsicherte, weibliche Stimme hinter mir auf der Brücke. Ich drehe meinen Kopf, ja warum denn auch nicht. Das Gesicht der jungen Frau ist angespannt doch mit dem Versuch Vertrauen zu erwecken angereichert. Die schwarze Lederjacke hat sie eng um ihren fröstelnden Körper gezogen, und die weiße Schirmmütze hängt ihr tief in der Stirne. Ihre schönen blauen Augen werden ein wenig durch eine einzige tiefbraune Haarsträhne verdeckt. Verdammt jetzt habe ich der Dame auch noch den Abend verdorben. Wird sie doch nur wegen mir alleine in die bitterkalte Nacht gescheucht. Sie und ihre Kollegen, das wollte ich doch gar nicht.
>>Schönen guten Abend<< ,lächle ich ihr sanft entgegen, wobei ich den feinen Hauch Sorge in ihren Zügen einfach bemerken musste.
Sacht legt sie den Kopf schief, ihre Stimme zitterte ein klein wenig: >>Was machst du hier?<<
>>Ich gehe Tanzen.<< ,erkläre ich schlicht.
Ihr Blick fällt auf das große, silberne Kreuz welches immer wieder durch den Mantel hindurchschimmert.
>>Selbstmord ist eine Sünde, das solltest du als Christ wissen.>>
Ich lächle wieder, strahle sie förmlich an, ehe der Hauch eines Nickens von mir ausgeht.
Sie versuchte wohl mein Vertrauen zu gewinnen als sie einen kleinen Schritt auf mich zu machte. Die Hand in schwarzem Leder eingefasst streckt sie mir entgegen.
>>Ich bin Sascha.>> Sie hatte ein wirklich bezauberndes Lächeln, währe ich ein paar Jahre älter, und nicht an jenem Punkt wo ich nun stand, dann hätte sich ja vielleicht etwas ergeben, doch so?
>>Versuche bitte nicht freundlich zu mir zu sein Sascha. Du wirst mich noch zu hassen lernen.<< ,hauche ich ihr zu. Ihr Blick wird fragend, etwas verunsichert, während mein Blick von der einen Sekunde zur anderen eiskalt wird. Meine Hand gleitet unter den Mantel, schmiegt sich zärtlich um den Griff der Pistole. Mit einem Ruck reiße ich sie aus dem Gürtel, Sascha direkt unter die Nase.
Schnell springt sie zurück, die Augen vor Angst geweitet. Ihr Training, ihre Reflexe waren hervorragend. Denn schon hatte sie ihre Dienstwaffe gezogen, welche sie leicht zitternd auf mich richtete.
>>Verdammt! Was machst du da? Leg die Waffe auf den Boden.>> ,ihre wunderbare Stimme brüllt auf, während sie versuchte die Panik in jener zu unterdrücken.
Ich lächle sie nur an, eiskalt. Meine Augen funkeln auf.
>>Ich wollte schon immer wissen wie es sich anfühlt jemanden zu erschießen>> ,erkläre ich ihr, mit einem ekelhaften Tonfall in der Stimme.
>>Bitte zwing mich nicht dazu, bitte nicht.>> ,wimmerte sie leise.
Ich zuckte nur abfällig mit den Schultern, machte eine schnelle Bewegung mit der Hand. Sie schoss.
Ich spürte die Kugel nicht mal. Was ich fühlte war, wie die Springerstiefel langsam den Halt verloren. Ich kippte nach hinten.
Dann tanze ich. Ich tanze mit den Blättern die den Frühling begrüßten, tanze in die Unendlichkeit. Leise hauche ich einen Namen, welcher von meinen Lippen fortgerissen wird. Einen Namen, den ich jetzt erst kenne. Und doch weiß ich das der Name vom Wind getragen wird. Auch die Erinnerung an mich lebt weiter, jetzt in diesem Augenblick, vom Wind erfasst, zu den Sternen getragen.
Meine Pistole trifft auf dem Boden auf. Zersplittert in tausend kleine Teile. Plastik! Ich wollte doch niemanden verletzen, Selbstmord ist nun mal eine Sünde.
Meine Brille ist zerbrochen. In meinen Augen fangen sich die Sterne. Mutter wird böse sein. Ich habe keine Schmerzen, ich tanze doch noch immer. Werde bis tief in die Morgenstunden tanzen.
Ich bemerke nicht, wie man mir das Gummi der Beatmungsmaske auf Mund und Nase drückt. Auch nicht wie ein Sani den Defibrilator bringt. Es ist eh zu spät, es tut gar nicht weh. Kein Schmerz kann stärker sein als der in mir.
Ich bin so müde, kein wunder, ich tanze doch schon so lange. Ich fühle die Beine nicht mehr, aber sie schweben, ich schwebe.
Glücklich schließe ich die Augen ein letztes Mal.
Dann,
TANZE ICH IN DIE UNENDLICHKEIT!!!!