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Tanzen
Thommas Shrink war siebzehn Jahre alt als er sich das erste mal verliebte. Er hatte natürlich schon einige Freundinnen gehabt, aber nichts was über normales Händchenhalten und gelegentliche Küsse auf die Wange hinausgegangen war.
Thommas, von seinen Freunden aus unerfindlichen Gründen Timmy genannt, hatte mittellanges rotes Haar und war groß für sein Alter.
Und jetzt war er verliebt. Nicht dass das Mädchen etwas davon gewusst hätte. Himmel, nein! Er war von Natur aus nicht schüchtern, aber das war schließlich seine erste Liebe.
Der Name des Mädchens war Katherina Nooze und sie besuchte die gleiche Schule wie Timmy. Obwohl sie acht Monate jünger war als er, waren sie in der gleichen Klassenstufe und hatte sogar ein paar Kurse zusammen.
Kat würde wohl nie eine Miss-Wahl gewinnen, obwohl sie nicht schlecht aussah. Timmy hatte sich einfach in ihre Art verliebt.
„Und“, gestand er sich selbst ein, als er an diesem Wintermorgen, blicklos auf die Logarithmen an der Tafel starrte, „und ihr Lächeln. Ein Lächeln das immer darauf zu warten scheint, gelächelt zu werden. Klingt wie eine Schnulze aber es ist wahr...“.
Seine nächste Stunde war Englisch und diesen Kurs besuchte er mit Kat gemeinsam. Er würde es ihr sagen müssen, denn schließlich waren sie Freunde oder etwa nicht? Doch. Und Freunde belügen sich nicht.
Nachdem er diesen Entschluss gefasst hatte, war Timmy endlich in der Lage sich auf den Unterricht zu konzentrieren.
Als es dann so weit war brachte er es nicht fertig. Was war, wenn sie ihm die Freundschaft kündigte? Sie würde es nicht aussprechen, das war nicht ihre Art, aber es könnte trotzdem passieren. Sie würden sich seltener treffen, weniger rumalbern und am Ende wäre er für sie nur ein Gesicht unter vielen zu denen man auf dem Gang „Hallo“ sagt.
Timmy glaubte nicht ernsthaft, dass sie irgendetwas für ihn empfand, das über Freundschaft hinausging, aber wenn sie ihn so anlächelte wie sie es jetzt tat, konnte er alles glauben. Trotz alledem konnte er nichts sagen. Weil er nur glaubte, hoffte oder sich etwas einbildete. Er wusste es einfach nicht.
„Sag es ihr!!!“, schrie ihn eine innere Stimme an. „Du hast auf dem Gang nach ihr gerufen, um ihr zu sagen das du sie liebst und sie hat sich umgedreht, also sag es ihr verdammt noch mal!“ Timmy öffnete seinen Mund um genau das zu tun, aber weil er plötzlich nicht einmal irgendwas hoffen konnte sagte er nur: „Hast du die Hausaufgaben?“
Als er an diesem Abend in seinem Bett lag, kam er zu dem Schluss, dass er etwas unternehmen musste. Ansonsten würde er verrückt werden.
„Es muss einen Weg geben, es muss!“, dachte er. Timm hatte Angst es ihr direkt zu sagen und ein Brief erschien ihm noch schlimmer. Er musste sich etwas einfallen lassen.
Als die große Standuhr im Wohnzimmer seiner Eltern zwei schlug lag er noch immer wach und grübelte. Als er schon fast aufgeben wollte, erhellte ein Lächeln sein Gesicht. Das konnte funktionieren! Ja, wirklich.
Als er gegen vier Uhr einschlief hatte er einen fertig ausgearbeiteten Plan und wenigstens einen Teil seiner Zuversicht zurück.
Am Freitag derselben Woche begann Timmy diesen Plan in die Tat umzusetzen:
Nach der achten Stunde saß er zusammen mit Kat und ein paar anderen auf einer Bank vor ihrer Schule, unterhielt sich und alberte herum. Sie alle warteten auf den Beginn des Sportunterrichts.
Langsam lenkte er das Gespräch in die Richtung in die er seine Chance sah: Tanzen. Es geschah genau das worauf er gehofft und spekuliert hatte: Jemand fragte, wer tanzen könne und wer nicht.
Einige meinen einfach, dass sie es könnten, andere fügten aber hinzu, dass sie sich aber niemals erwischen lassen würden wie sie Walzer oder Foxtrott tanzten. Das erntete zustimmendes Gelächter. Andere schüttelten einfach verneinend die Köpfe. Zu dieser letzten Gruppe gehörte (wie Timmy sehr genau gewusst hatte) auch Kat.
„Wart ihr denn nicht zur Tanzschule?“. Der Tanzunterricht wurde jedes Jahr in der siebten Klasse angeboten.
Wieder schüttelte Kat den Kopf und grinste: „Ich wollte, aber als ich die Preise gesehen hatte, habe ich es mir anders überlegt.“. Auch das hatte Timmy sehr genau gewusst. Betont beiläufig sagte er: „Ich könnte es dir beibringen. Oder wenigstens die wichtigsten Tänze. Ich meine natürlich nur wenn du willst“.
Die anderen unterhielten sich bereits über ein anderes Thema und Timmv befürchtete schon Kat hätte ihn nicht gehört, als sie ihn wieder mit diesem Lächeln ansah, bei dem er alles glauben konnte.
„Echt? Gerne. Wann?“. Noch immer lächelte sie ihn an.
Bemüht es halb wie ein Scherz, halb ernst klingen zu lassen, meinte er:
„Jetzt?“.
„O.k.!“ (nicht im Mindesten überrascht, denn sie waren schon lange Zeit gute Freunde und dafür liebte er sie noch mehr). „Aber nicht hier.“. Suchend sah sie sich um. Auch damit hatte er gerechnet. Sie wollte sich nicht vor allen lächerlich machen, wenn sie ihm auf die Füße trat. „Was ist mit dem Parkplatz?“, fragte er, als ob ihm auch dieser Einfall eben erst gekommen wäre.
„Spitze! Los, las uns gehen.“
Timmy konnte es kaum glauben wie einfach es war, aber er stand auf und kletterte gemeinsam mit Kat über die Mauer. Sie grenzte den Schulhof vom Parkplatz ab. Keiner der anderen achtete auf sie.
„Von wegen du kannst nicht tanzen. Das ist toll!“. Sie waren jetzt 15 Minuten auf dem Parkplatz und Kat beherrschte bereits die Grundlagen des Walzers.
Timmy machte weiter mit seinem Plan: „Weißt du was an diesem Tanz das Besondere ist?“, fragte er sie.
„Nein, was denn?“
„Wenn früher ein Junge über beide Ohren in ein Mädchen verliebt war und sich nicht traute es ihr zu sagen, konnte er es mit diesem Tanz tun“, sagte er und schaute ihr ernst ins Gesicht.
„An irgendeiner Stelle des Tanzes nahm er dann die Hand, welche die Hand des Mädchens hielt und legte sie ihr auf den Rücken. So.“. Timmy legte seine linke Hand auf Kats Rückenansatz.
„Das hieß das er in sie verliebt war?“
„Ja. Das Mädchen hatte ihre freie Hand dann auf den Arm des Jungen. Ließ sie ihn dort, hieß das sie wollte die Beziehung zu dem Jungen so lassen wie sie war. Legte sie ihm aber die Hände auf die Schultern hieß das...“. „Das sie ihn auch liebte, richtig?“, unterbrach ihn Kat. „Nun..., ja“, meinte Timmy ein wenig verunsichert, obwohl er genau das hatte sagen wollen.
„Du veralberst mich doch nicht?“. Sie sah ihn fragend und mit diesem speziellen Lächeln an.
„Doch. Und zwar gewaltig!“, grinste er.
„Oh, du Blödmann!!!“, rief sie unter Lachen und warf sich gegen ihn. Timmy, ebenfalls lachend, fing sie auf. Das Gefühl ihres Körpers in seinen Armen war wundervoll. „Ich könnte sie ewig so halten“, dachte er.
Kat drehte sich um und immer noch lächelnd, sahen sie sich in die Augen. Langsam bewegte Timmy seine Lippen auf Kats zu. Kat wich nicht zurück.
„Hey, wir müssen zu Sport! Kommt schon ihr Schlafmützen!“. Das war einer der Jungs die mit auf der Bank gesessen hatten und dessen Kopf jetzt über den Rand der Mauer lugte.
Timmy hätte schreien mögen. Seit Wochen waren er und Kat sich nicht so nah gewesen und jetzt musste dieser Idiot alles zerstören! Fast wäre es passiert. Der Moment in dem Kat und er sich fast geküsst hätten war vorüber. .‚Wenn es ihn je gab!“, dachte er verzweifelt. Laut rief er: „Wir kommen ja schon!“. Und zu Kat gewand: „Wer zuerst an der Mauer ist. Achtung..., los!“
Er gewann das Rennen und als er ihr über die Mauer half, folgte er einer Eingebung: „Kommst du heute zu mir? Meine Eltern sind nicht da und ich habe keine Lust alleine rum zu sitzen. Wir könnten ja noch ein bisschen Tanzen, wenn du willst?“.
Einen Augenblick, der sich zu einer Ewigkeit auszudehnen schien, sah sie nur an. Dann lächelte sie: „Klar. Wie wäre es mit sieben Uhr? Meine Eltern sind nämlich auch nicht da und ich hab‘ alle Zeit der Welt“
„Das ist Klasse!“. Und das war es.
„Komm ruhig rein! Wunder dich nicht — das Licht geht nicht“.
Car sah sich mit großen Augen um. Überall in Timmys Zimmer waren brennende Kerzen verteilt! Es mussten Dutzende sein.
„Ich hoffe es stört dich nicht, aber hier funktioniert keine einzige Lampe“. Um das zu demonstrieren betätigte er mehrmals den Lichtschalter.
„Nein, das ist wirklich wunderschön“.
Sie setzten sich und hatten sich schon eine Weile unterhalten, als Timmy nervöser denn je fragte: Wollen wir noch ein bisschen tanzen?“.
„Sicher“.
Timmy konnte es kaum glauben. Er tanzte mit dem Mädchen das er über alles liebte und das er mehr wollte als er je irgendetwas anderes in seinem Leben gewollt hatte. Er konnte ihr Parfüm und ihre Haare riechen. Das Gefühl ihres Körpers der sich so vertrauensvoll von ihm führen ließ war das Beste was er sich vorstellen konnte. Und doch wollte er etwas noch mehr, als sie so in seinen Armen zu halten — er wollte sie küssen und spüren das sie ihre Berührungen genauso genoss wie er.
Und so tanzten sie in seinem Zimmer und lachten, wenn sie gegen das Bett oder den Schreibtisch stießen. Nach einer dieser unfreiwilligen Kollisionen nahm er allen seinen Mut zusammen und löste seine linke Hand aus ihrer Rechten.
Sie schaute ihm überrascht in die Augen, aber als er seine Hand ganz langsam und vorsichtig auf ihren Rückenansatz legte, lächelte sie.