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- 16.08.2003
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Tatsachenbericht
Es war ein ganz besonderer Morgen. Zum ersten Mal hatte die Welt nicht den unerträglichen Gestank des Niedergangs in der Nase, zum ersten Mal in der langen Menschheitsgeschichte schien das Gute sich durchzusetzen.
Es klappte. Er lächelte, sie lächelte, und da war plötzlich eine Gemeinsamkeit zwischen Menschen, die sich gar nicht kannten. Überhaupt, es scheint ein ganz besonderer Tag gewesen zu sein. Im Radio sprachen sie vom Weltfrieden, und es klang nicht nach Utopie sondern ganz real. Alle Staaten hatten beschlossen, sich aufzulösen. Es würde keine Kriege mehr geben, keine Unterordnung des Menschen unter den Menschen, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, ohne Bevormundnung, Zurechtweisung, Regulierung. Staaten brauchte man jetzt nicht mehr, es gab nur noch Menschen unter Menschen - alle gleich, ohne Macht über andere. Polizisten, Staatsanwälte und Richter brauchte man jetzt nicht mehr. In der neuen Welt würde man niemanden mehr verfolgen müssen.
Die Menschen hatten sich entschieden, miteinander und mit ihrer Umwelt in Frieden zu leben, das Kämpfen sein zu lassen, sich nicht länger zu bekriegen. Alle auf einmal, wie durch ein Wunder, obwohl alles menschengemacht war und kein Gott den Sieg für sich beanspruchen konnte. Die Soldaten verliesen die Kasernen und hörten auf, Soldaten zu sein. Nie wieder würde man Waffen brauchen. Man hatte sich jahrtausende lang auf einem Irrweg befunden, und jetzt hatte man das endlich erkannt, und alle trugen ein Lächeln auf den Lippen, angesichts der Zukunft, die ihnen nun bevorstehen würde. Alle Gefängnistore wurden geöffnet: man würde nie wieder Menschen ihrer Freiheit berauben müssen.
Und die Gefängnisinsassen wurden freudig empfangen. Man lud sie ein, die Mörder, Vergewaltiger und Räuber, und sagte, ganz im Ernst: Jetzt wird alles besser sein, für uns alle! Überall reichten sich die Menschen die Hände, lächelten, schenkten sich Vergebung für das was geschehen war, aßen zusammen und küssten sich. Überall auf der Straße fielen sich wildfremde Menschen in die Arme. Sie wären nicht länger bereit, sich für Staat, Religion oder irgendeine Ideologie aufzuopfern oder anderen aus Eigennutz Schaden zuzufügen. Sie hatten erkannt: Gemeinsam waren sie stärker. Sie teilten miteinander, luden die Obdachlosen in ihr Heim ein, gaben ihnen Speiß und Trank. Auch hier, in meiner Heimatstadt trugen alle ein Lächeln auf den Lippen, Verzweiflung und Verbitterung hatten den Abend zuvor ihre Sachen gepackt und waren verschwunden.
Und niemand wunderte sich, alle freuten sich nur. Warum war es nicht schon immer so gewesen? Warum hatten sie nicht früher damit begonnen, sich gegenseitig zu achten, zu lieben und jedem, ohne Grund, ohne Bedingung, ohne Zweck, ein Lächeln zu schenken? Auch wenn immer das Gegenteil behauptet worden war: Es war ja überhaupt nicht schwer! Es war ja ganz natürlich und lag auf der Hand: Jeder akzeptierte den anderen, wie er war, und wurde seinerseits geachtet. Niemand wollte dabei außen vor bleiben. Und selbst die Mörder lechzten nach Liebe, in dieser neuen Welt, die mit einem Lächeln ohne Grund begonnen hatte!