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Texo und Ratte - Zwischen links und rechts ist in der Mitte Liebe
Texo & Ratte - Zwischen links und rechts ist in der Mitte Liebe
" Texo & Ratte - Zwischen links und rechts ist in der Mitte Liebe "
Kurzgeschichte von Timo Januschewski - Januar 2005
Die Tür fiel ins Schloss. Der Rucksack flog, wie auch seine Stiefel, in die Ecke des kleinen dunklen Flures einer 3-Zimmerwohnung in Kreuzberg. "Scheiße, alles verdammte Scheiße", sprach er noch halb am Hecheln vom Treppensteigen zu sich selbst mit einem Briefumschlag in der Hand. Niemand war daheim, wie es eigentlich täglich war, wenn "Texo" - wie ihn alle nannten - von der Schule nach Hause kam. Seine Mutter war dann meist wieder bei Frau Martens von nebenan. Beide trafen sich oft schon am Mittag, um sich mit billigem Wodka oder Korn zu betrinken. Sein Vater hatte sich schon von seiner Mutter getrennt, da konnte "Texo" nicht einmal sprechen. Er wäre mit einer anderen durchgebrannt, so erzählte man es sich damals im Haus in etlichen Klatschgeschichten. Somit war "Texo" bei seiner Mutter aufgewachsen und seinen Vater kannte er nur von alten Bildern oder von Geschichten, die ihm seine Mutter, wenn sie angetrunken war, erzählte. Oft erzählte sie aber auch von der schönen Zeit, bevor "Texo" geboren wurde. Sein Vater und sie waren unzertrennlich, waren Pech und Schwefel, waren unsterblich verliebt. Allerdings änderte sich dies mit seiner Geburt. "Texos" Vater war Seemann und somit auch nicht oft bei seiner Frau, aber wenn er es war, waren beide glücklich. Als seine Mutter mit "Texo" schwanger wurde und ihr Mann dann mal wieder für ein paar Tage zu Hause blieb, wurde er immer aggressiver und launischer. Er schlug sie dann oft mit der Faust ins Gesicht, verbrannte sie mit Zigarettenkippen oder schrie sie einfach an, bis sie in Tränen ausbrach und danach nur eine Backpfeife fing. Er wollte noch kein Kind und deshalb zwang er sie zur Abtreibung. Nur konnte sie es nicht übers Herz bringen und so änderte sich das ganze Leben. Sie war schwanger. Schwanger von einem Mann, der sie offensichtlich nicht mehr liebte. Schwanger von einem Mann, der es mit anderen tat. Die Liebe macht blind und die Liebe ist auch nicht nachzuvollziehen, weshalb wohl auch noch nie jemand verstehen konnte, warum sie trotzdem bei ihm blieb. Es war halt ihre wirklich große Liebe. Für ihn aber nur eine von vielen. Wie schmerzhaft das Leben sein kann, hatte sie spätestens erfahren, als ihr Mann irgendwann das letzte Mal zurückkam, um nur noch seine Sachen abzuholen. Sein Kind war ihm egal. Vielleicht war das der Grund, dass seine Mutter ihren Sohn "Texo" immer wieder geschlagen hatte und er oft dazu von ihr hören musste: "Wenn du nicht wärst, ja, dann.. ach.. hätte ich dich nur abgetrieben." Es war wieder solch ein Tag, da ging ihm all dies durch den Kopf. Er würde bald sechszehn werden und niemand war jemals für ihn da. Kein Vater, der mit ihm zum Fußball ging oder der ihm etwas zu Weihnachten oder zum Geburtstag schenkte. Nur seine Mutter war da, die ständig betrunken war und sich mit Gelegenheitsjobs am Rande der Sozialhilfe bewegte. "Scheisse, ey .. leckt mich doch", sagte er vor sich hin, während er in die Richtung seines Zimmers ging. Bevor er reinging stoppte er, sah den Brief kurz an, strich sich mit seiner Hand über seinen kahlen Kopf, drehte sich, schaute in Richtung Küche und ging in die Küche, damit er den ungeöffneten Brief in den Mülleimer schmeißen konnte. Er kannte den Inhalt sowieso. Die Polizei hatte ihn vergangene Woche mal wieder mit seinen ebenfalls glatzköpfigen Freunden erwischt, wie sie ´nen älteren Türken bedroht haben. Fluchend ging er in sein Zimmer: "Die verdammten Bullenschweine. Ah, solche Penner, diese verfickten Wichser. Nur wegen diesem verdammten Muchel gibt es wieder Stress." Er wusste ganz genau, was passiert wäre, wenn seine Mutter etwas davon mitbekommen hätte. Sie hätte noch mehr getrunken, noch mehr über ihn geflucht und "Texo" mal wieder vorgehalten, dass er abgetrieben werden sollte. Aus den Augen, aus dem Sinn. Er machte laute Musik an und schmiss sich in sein ungemachtes Bett, über dem eine große Hakenkreuzflagge hing. Er fühlte sich wohl in seinem Chaos. Sein kaputter Schrank, sein alter Bürostuhl und sein vollgekritzelter Schreibtisch störten ihn noch nie. Das ganze Zimmer war eine Müllhalde, wo man auch hintrat, man trat immer in irgendwas. Sein Fußboden bestand aus Pizzaschachteln, Bierdosen, CD-Hüllen, Kornflaschen und seinen Schulheften und Schulbüchern. Er war kein guter Schüler. Warum auch? Es war ohnehin niemand da, der sich über eine gute Note freuen würde. Geschweige denn über ein gutes Zeugnis oder sogar einen Ausbildungsplatz. Der einzige Grund, die Schule zu besuchen, war ein Mädchen. Sie hieß Sandra (wurde aber von allen Schülern nur "Ratte" genannt), war auch in seinem Alter, aber war ganz anders als er. Nicht nur anders für andere, sondern ganz anders für ihn. Sie war ein Punk.
So lag er nun in seinem Bett und versuchte, sich auf seine Art zu beruhigen. Musik, ja, das war sein Ding. Laut und krachend; aber nur solange es alle störte, empfand er dabei Befriedigung. Dabei dachte er an Sandra, denn sie hatte ihre ganz eigene wundervolle Art. Sandra war 1,70m groß, schlank und hatte rot-schwarz gefärbte Haare. Sie war oben gut gebaut, hatte zwei Piercings im Gesicht und meistens trug sie halbzerrissene Klamotten zu ihren schwarzen Springerstiefeln mit roten und grünen Schnürbändern. Sie verhielt sich allen abwertend gegenüber, doch bei "Texo" war es besonders schlimm, denn er war ein Nazi. Er dachte schon seit Beginn des Schuljahres an sie. Eigentlich müsste er sie hassen, wie er sonst alle Punks hasste. Alle seine Freunde hassten ja auch diese Punks, mit denen sie sich oft geschlagen haben, aber bei ihr war alles anders. "Texo" wusste auch nicht mehr was mit ihm los war, sie hatten nun so rein gar nichts miteinander gemeinsam, doch eines schon - sie waren beide Außenseiter und das nicht nur in der Klasse, sondern auf der ganzen Schule.
So vergingen wieder mal Stunden mit Musikhören und Nachdenken an einem trüben Montag im Herbst. Gegen 7 Uhr Abends kam seine Mutter schwankend in die Wohnung im 9. Stock. Sie ging ganz benebelt an seinem Zimmer vorbei, ohne auch nur ein Wort zu sagen und ließ sich in der Stube auf das Sofa fallen. Es dauerte auch nicht lange bis "Texo" das Schnarchen seiner Mutter hören konnte. Gut, dass er immerhin schnell selbstständig* geworden war. Er musste lernen sich selbst um sein Leben zu kümmern, was ihm aber oft nicht gelang mit seinen fünfzehn Jahren. Obwohl seine Mutter hin und wieder etwas kochte und auch mal die Wäsche gewaschen hat, war er die meiste Zeit auf sich selbst gestellt. Ein trauriger Tag verging mal wieder, ohne gelebt und geliebt zu haben.
Nun war es Mittwochmorgen als "Texo" sich auf den Weg zur Schule machte. Die Schule war nicht wirklich weit entfernt und mit dem Bus waren es nur vier Stationen. Der Weg zur Schule war für ihn immer ein bedrückendes Gefühl, da er wusste, dass er wieder versagen würde. Woher die Kraft nehmen, doch etwas für die Zukunft zu tun? Etwa von seinen Freunden, mit denen er hin und wieder abhing und mit denen er oft ein paar Bier zuviel trank, Ausländer bedrohte oder auch zusammenschlug? Von seiner Mutter, die wünschte ihn nicht bekommen zu haben? Von seinem Vater, der nie für ihn da war? Von seinen Lehrern, die sich noch nie um das Leben der Schüler interessierten? Für solche Gedanken hatte er immer ein paar Minuten Zeit, dann kam seine Endstation und er stieg aus. Mit lauter Musik im Ohr und dem Blick nach unten ging er seinen alltäglichen Weg, die 50 Meter von der Station bis zur Schule. Er bog in die Straße seiner Schule ein und während er seine Musik ausstellte, standen drei ihm bekannte Skins aus einem anderen Viertel der Stadt auf dem Gehweg vor ihm, die gerade einen Punk hin und herschubsten. Es war ein Mädchen, was sich kaum gegen die drei Jungs wehren konnte. Sie schrie: "Lasst mich in Ruhe, ihr Nazischweine. Verdammt, verpisst euch." Die drei Jungs hatten sichtlich ihren Spaß, machten ihre Scherze über Punks und lachten dabei. "Texo" ging grinsend seinen Weg weiter bis er auf einmal das Gesicht erkannte, es war Sandra. Sein Grinsen war schlagartig weg. Er begann zu schwitzen, denn er wusste nicht, wie er vorgehen sollte? Sollte er überhaupt? Was würden seine Bekannten sagen, auch wenn er sie nur vom Sehen kannte? "Texo" schubste einfach einen Skin beiseite und sagte: "So, sie gehört mir", packte ihren Arm und zog sie unfreiwillig auf die andere Straßenseite, wo sich die Schule befand. Die Skins erkannten ihn nicht, doch sie fanden es urkomisch, dass einer von ihnen sich nun persönlich um den Punk kümmern würde. So rief einer von ihnen lachend hinterher: "Pass auf, dass du dir keine Krankheiten holst, Alter!" Sie rief: "Lass du mich los, du Hurenbock! Scheiß Nazi! Lass mich verdammt noch mal los!" Sie konnte diese Rettungsaktion auch nicht verstehen, deshalb sagte er zu ihr leise: "Nun sei still! Sei froh, dass ich dich da rausgeholt habe. Die hätten sonst was mit dir gemacht", daraufhin ging sie ohne sich zu wehren mit ihm in die Schule, während die drei Halbstarken draußen immer noch lachend rumstanden. Sie gingen gemeinsam den Schulflur entlang in Richtung Klasse. Nach kurzem Schweigen, sagte sie mit einem kleinen Lächeln: "Mhh, glaube ich sollte Danke sagen, Nazischwein. Vielleicht hätte es, ohne das von dir da eben, ganz anders geendet"
Sie guckten sich nun beide an, während sie in Richtung Klassenzimmer nun die Treppe hochgingen und er sagte ganz unsicher, fast schon schüchtern: "Ja, gern doch."
"Aber warum hast du es getan? Hättest doch einfach mitmachen können und auch Spaß gehabt beim Punkklatschen."
"Nein, so einer bin ich nicht"
"Ja, aber warum läufst du dann so rum? Wenn du den ganzen Scheiß da net anhättest, wärst de echt n süßer Kerl"
Er begann zu lächeln und fügte nur noch ein stolzes "Ja, wenn du das sagst", hinzu.
Beide hatten nun zum ersten Mal richtig miteinander gesprochen, aber so was kam bisher nie vor, dass überhaupt irgendein Mädchen so etwas zu ihm sagte. Der Tag verging sehr schnell mit vielen Blickkontakten zwischen den beiden und am Ende der Stunde, sagte sie sogar, mit einem kleinen Grinsen auf den Lippen: "Machs gut", zu ihm .
Von nun an dachte er noch öfters an sie. Was er auch machte, sie war immer in seinem Kopf. Die Tage darauf liefen für "Texos" Umstände fast schon perfekt, da beide sich nun sehr oft ansahen und sogar in den Pausen miteinander redeten. Es waren keine weltbewegende Themen, aber sie verstanden sich sehr gut.
Es war wieder Mittwoch an dem beide wieder brav dem Unterricht beiwohnten und ihre Blicke austauschten. In der Mathestunde, die beide abgrundtief hassten, wurde Sandra nach ein paar Äußerungen gegen den Lehrer, die diesmal heftiger als gewöhnlich waren, zum Klassenbuchdienst verdonnert, denn sie ließ sich nichts sagen und schon gar nicht von Lehrern. Die Tage vergingen weiter, die Mutter von "Texo" trank wie gewöhnlich, seine Freunde waren auch nur am Wochenende für ihn da und von seinem Vater war weiterhin keine Spur. Er verfiel langsam in Depressionen und so legte er sich die Nacht vor seinem Geburtstag heulend ins Bett, weil ihm klar war, dass jeder ihn vergessen würde.
Am nächsten Morgen wachte er mit einem schlechten Gefühl im Magen auf, denn es war nun wohl der traurigste Tag in diesem Jahr. Seine Mutter schlief noch ihren Rausch aus, als er sich auf den Schulweg machte. Ein ganz normaler Tag, alles wie gewöhnlich. Seine Gedanken kreisten sowie so nur um ein Gesicht, so verging der Schulweg immerhin schnell mit Vorfreude Sandra zumindest wiederzusehen. Als er aus dem Bus stieg, stand sie plötzlich vor ihm mit einem süßen breiten Lächeln und einer kleiner Torte auf der eine kleine Kerze brannte.
"Herzlichen Glückwunsch, Süßer."
"Wie, was...?"
"Na, du hast doch heute Geburtstag, oder nicht?"
"Ja,ja.. ja klar, aber woher weißt du das?", stotterte er und schüttelte fassungslos den Kopf vor Freunde.
"Na, ich hab doch jetzt immer das Klassenbuch an der Backe, du Depp. Da hab ich mal nachgeschaut, wann du Geburtstag hast und ja... mhh ... nun steh ich hier", sie übergab ihm die Torte und er pustete sie aus.
"Wow, das ist echt der geilste Geburtstag in meinem Leben"
"Ach, rede keinen Unsinn.... ist ja.. na... nur ne kleine Aufmerksamkeit", sprach sie immer noch grinsend zu ihm.
"Mir fehlen echt die Worte, R a t t e", sagte er fast schon deprimiert und guckte traurig auf dem Boden.
"Was ist? Doch nicht so gut...?"
"Doch, doch.. nur es ist.. na, weil es alle anderen vergessen werden und es ein einsamer Geburtstag wird"
"Ich feier gern mit dir", sagte sie aufbauend zu ihm.
"Ja, dann .. also... na, von mir aus gern. Nur bei mir zu Hause wird es nicht gehen"
"Ja , macht nichts. Bei mir ja auch nicht, aber das wird schon irgendwie gehen. Komm erst mal mit in die Schule, sonst labbern die uns gleich die Ohren voll, wenn wir zu spät kommen, darauf hab ich heute keinen Bock. Nicht an deinem Geburtstag", und gingen zur Schule. Sie haben vereinbart sich um 15 Uhr auf einem Spielplatz zu treffen. Untypisch pünktlich waren beide dort und nun stand sie da.
"Was nun...?", fragte sie.
"Lass uns einfach irgendwohin", und so gingen sie planlos durch die Stadt. Alberten im KaDeWe rum, aßen bei Burger King, setzten sich auf einer Parkbank und lästerten über die vorbeigehenden Leute und als es dunkel wurde, liefen sie über den Kurfürstendamm und sangen vor sich hin, als wenn jeder andere dafür bezahlt hätte, für ihr Konzert.
Es war mittlerweile schon neun Uhr und "Ratte" war recht müde, da sie den Abend zuvor noch mit Freunden unterwegs war, deshalb wollte sie nach Hause. "Texo", dessen Haare langsam wieder wuchsen, begleitete sie natürlich in die Friedrichstraße, wo sie wohnte. An der Tür angekommen sahen sich beide verschüchtert an und sie sagte:
"War ein echt toller Tag mit dir"
"Oh ja, und was für einer", sagte er grinsend.
"Na ja, dann ...ähmmm.. ich werd jetzt mal hochgehen. Wir sehen uns ja bald wieder."
"Ja, gut dann.. ich .. ja, werd dann auch mal gehen. Schlaf gut, ja?"
"Ja, du auch", flüsterte sie schon fast während sie mit ihrem Gesicht langsam immer näher zu "Texos" kam. Sie küsste ihn und nach dem Kuss flüsterte sie:
"Ich mag dich mehr als alles anderen", sie nahm seine Hand und fuhr fort, "Ich will gern mit dir zusammen sein, aber... naja.. ich...", und er unterbrach sie indem er sie küsste.
Von diesem Momentan an waren sie zusammen. Sie lachten oft zusammen, hörten einander zu. Weinten miteinander, stritten sich, versöhnten sich und feierten sich und das Leben. Sie haben zusammen eine sehr schöne Zeit verbracht. Der erste Kuss, der erste Sex. Alles war sehr intensiv, schön, einmalig. Er hat ihr so sehr vertraut, dass er ihr sogar die Geschichten mit seinem Vater und seiner Mutter erzählte. Er hing auch nicht mehr mit den alten Freunden ab, die ihn sowie so verstoßen hätten, wenn er sich nicht selbst abgewandt hätte und auch die Flagge war aus dem Zimmer verschwunden, da er einsah, dass alles im Leben zwei Seiten hat. Eine gute Seite und eine schlechte Seite, auch wenn oft die schlechten Seiten im Leben stärker sind. Sie lebten, wie es ihnen gefiel und immer in den Tag hinein. Er fand sogar in ihrer Familie endlich Aufmerksamkeit, die er nie bekommen hat, denn ihre Eltern hatten ihn gleich ins Herz geschlossen. Alles schien perfekt, bis er an einem warmen Sommertag aus dem Schlaf gerissen wurde. Seine Mutter, die wieder mal besoffen war, stand vor seinem Bett und schrie: "Hey, Thorben. Steh auf. Telefon für dich!", noch halb verschlafen sprach er ins Telefon: "Ja? Was ist ...?"
Am andern Ende hörte er nur jemanden weinen, doch er wusste nicht wer es war.
"Hallo, wer ist da?"
"Ich bin´s... Sandras Mutter", sie weinte immer mehr und er konnte sie kaum verstehen.
"Ja? Was ist denn los?"
"Sandra ist tot... sie , sie.... sie ist tot verstehst du?", brachte sie irgendwie über ihre Lippen und fing an vor Verzweifelung zu schreien.
Ihm kamen die Tränen und verlor den Boden unter den Füßen. Seine ganze Welt ist zerbrochen worden, in nur ein paar Sekunden.
"Wie, wie kann das sein? Was ist passiert?, schrie er heulend ins Telefon.
Seine Mutter war derweilen wieder bei Frau Martens und bekam von der ganzen Tragik nichts mit.
"Sie wurde von drei jungen Nazis halbtotgeschlagen... und sie.. sie haben sie sogar ver-ver-vergewaltigt und anschließend haben diese Schweine sie erstochen", stotterte sie mit letzter Kraft ins Telefon.
Sein Telefonhörer fiel zu Boden. Stumm lag er nun da. Er hörte nichts mehr, er sah nichts mehr, er fühlte auch nichts mehr.
Eine Weile lag er da, so apathisch und dachte nach. Es kamen ihm all die Bilder in den Kopf. Vom ersten Kuss an ihrer Tür, vom ersten Gespräch und von allen anderen Dingen. Er fing an zu schreien, er stand auf und warf alles um. Immer wieder schrie er dabei: "Nein, Nein.... ich will nicht mehr!" Nach 2-3 Minuten warf er sich zu Boden und lag einfach regungslos da. Seine Gedanken kreisten um die Vergangenheit, aber vor allem was nun kommen würde. Jeden Tag würde er nun so aufwachen, wie es früher immer war. Bei diesem Gedanken fing er wieder bitterlich an zu weinen, dabei stand er auf und ging aus seinem Zimmer mit einem Blatt Papier, einem Stift und seiner kleinen Musikanlage.
Er ging für immer, denn auf dem Dachboden erhängte er sich. Man fand ihn erst zwei Tage später dort, leblos in der Luft pendelnd über seinem Abschiedsbrief. Während dabei eine raue, aber schöne Stimme zu einer melancholischen Melodie aus der Musikanlage erklang: "Sag mir, was hast du getan? Denn dein Licht brennt immer noch in mir... für immer"
Es dauerte seine Zeit bis man überhaupt merkte, dass er fehlte. Sandras Eltern standen selber unter Schock und seine Mutter war selbst da total vollgelaufen, als die Polizei ihr vom Tod ihres Sohnes berichtete, worauf sie kaum noch Reaktionen zeigte und nur noch einen wirren Blick für die zwei Beamten übrig hatte.
Sandra wurde an einem Dienstag beerdigt und einen Tag später auch "Texo" Bei seiner Beerdigung waren nicht viele anwesend. Lediglich nur der Pfarrer, Sandras Eltern und ein Mann mit einer Seefahrermütze, der einfach dazu kam und weinte.
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