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The good father Part 1

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09.03.2008
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The good father Part 1

I Der vordere Teil


Balins Vater wurde ermordet. Der Hauptgrund war: Er ließ sich vom Schein blenden.
30 Jahre war das nun her. Balin war damals gerade mal fünf.
Bis kurz vor seinem Tod war sein Vater von dem ungebrochenen Glauben beseelt, er würde mit seiner Perfekter-Vater-Masche Erfolg haben. So fuhr er tagtäglich durch Konstanc mit seinem kleinen Sohn. Er beschwor die Illusion eines makellosen Vaters herauf, sein Sohn half ihm dabei. Sie hatten nach drei Monaten einen ausnahmslosen Misserfolg zu verzeichnen, und trotzdem machten sie weiter, schließlich hatten sie eine große Mission: Eine neue Mami an Land zu ziehen. Balins Mutter war nämlich tot.
An jenem Tag, als Balins Vater der schreckliche Tod ereilte, machten sie einen Spaziergang, während sie den Wartehallen immer näherkamen, wo bereits die Straßenbahn „Bombardier Transportation“ auf sie wartete. Die Illusion des perfekten Vaters wollten sie, wie bereits in den letzten Monaten, in "Bombardier Transportation" heraufbeschwören.
Trotz der falschen Illusion, die Sylvester, so der Name des Vaters, schuf, hatte er den Tod nicht verdient. Denn er war ein guter Mensch. Dennoch trennte er sehr gewissenhaft den wirklichen Vater von dem inszenierten Vater. Was in manchen Situation auch sehr empfehlenswert war. Denn als sie beinahe an der Bahn angelangten, sagte der Vater:
„ Boah mir ist so heiß - ich bin echt platt!“, solche plumpen Sätze kamen manchmal von ihm, so war er wirklich.
Zurück würden sie per Taxi kommen müssen, folgerte der Vater zu seinem Ärgernis, als er bemerkte, dass die Rückgleise in Teile zersägt worden waren und dort herumlagen. Sie gingen am hinteren Teil der Bahn entlang.
„Warum steigen wir eigentlich immer vorne ein, Papa?“
Der kleine Balin hatte heute einen neugierigen Tag. Gestern war der Vater für den Kleinen nicht empfänglich gewesen. Balin war ihm so auf die Nerven gegangen, und nun hatte sich etwas angesammelt - nun war sein Vater wieder empfänglich für den Charme des Kleinen. Die Neugier seines Sohnes kam ihm wieder „süß“ vor. Schließlich nagte an Sylvester das Gewissen. Das heutige Zusammensein stand in einem günstigen Licht. Es galt, sich als Vater zu beweisen.
Doch er blieb vorerst seinem Sohn die Antwort schuldig, zumal ihm das schwüle Wetter arg zusetzte, ja er konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals so platt gefühlt zu haben. In diesem Augenblick fuhr der Meereswind „Loo“ durch ihn hindurch, bewegte ihn zum Stillstand, änderte aber nichts an seiner Plattheit. Der dürre, klapperige Balin fiel nach hinten, freilich mit ein wenig blödsinniger Theatralik, lag auf dem Rücken. Während sein Sohn ein verblüfftes „Boah“ von sich gab, rappelte sich das personifizierte Knochengerüst wieder auf.
Der Vater sah ihm dabei zu, dachte genervt: "Loo" schmeißt ihn um, aber seine gottverdammte Trendyfrisur bleibt unversehrt! In diesem Moment machte sich der Vater keine Sorgen, dass "Loo" ihn umschmeißen konnte. Balin würde immer wieder aufstehen, er würde "Loo" trotzen, er würde jedem Wind trotzen. Sein Kind war eine Kämpfernatur!
Doch der Vater enthielt dem Sohn die Antwort auf die Frage, warum sie ausgerechnet in den vorderen Teil einstiegen, nicht nur deswegen vor, weil er sich platt fühlte. Dem hinteren Teil brachte er eine innere Hasstirade entgegen. Und seinen Sohn wollte er damit verschonen. Hätte er ihm die Frage wahrheitsgemäß beantwortet, hätte es sinngemäß so geklungen:
Nach vier Haltestellen würde man die Bahn aufteilen. Der vordere Teil fuhr in eine gute Gegend. Der vordere Teil fuhr über eine große Brücke. Von dort aus konnte man die Schafe sehen, diese hatten dort ihr eigenes Idyll mit dem Blick auf die Aare. Der hintere Teil von Bombardier Transportation schien auch zunächst in eine schöne Gegend zu führen. Doch nach einer kurzen Weile verwandelte sich die Stadt in eine düstere Gegend. Wie aus dem Nichts thronten schwarze Häuser über der fahrenden Bahn. Dort wohnten düstere und verstörte Gestalten. Asoziale Frauen stiegen an den Haltestellen ein. Das Haar, das ihnen bereits durch die Windböen unnatürlich zu Berge stand, ließ sie noch verstörter und asozialer wirken. Doch das Schlimmste war ihre Hauptbeschäftigung: Sich von anderen trennen. Sie inszenierten Dramen, schrieen durch die ganze Bahn ihre Ehemänner, Freunde an. Aber auch die jungen Teeniemädchen waren schon kaputt. Sicher lag es daran, dass ihre Eltern sich getrennt hatten. Daraufhin trennten sie sich von ihren Eltern - konsequenterweise setzten diese verdammten Gören die Trennungen in der Bahn fort, ließen alle Fahrgäste wissen, sie trennten sich gerade, vollzogen in eben diesem Augenblick ihre Trennung.
„Nein, es ist aus!“ „ Es ist aus, habe ich gesagt!“, schrieen sie mit einer messerscharfen, selbstgerechten Stimme. Menschen wie Sylvester, wurden plötzlich aus ihren Träumereien gerissen, in die sie gefallen waren, nachdem sie eine Weile aus der fahrenden Tram gesehen hatten. Wie eine plötzliche Katastrophe brachen die Schreie über sie herein, durchschallten die ganze Bahn.
„ Papa…? Warum steigen wir jetzt vorne ein?“
„ Wir steigen vorne ein, Special,“ , so nannte er ihn manchmal, „weil dieser Teil zu den Schafen fährt.“
Sein Sohn liebte Schafe über alles. Sie erinnerten ihn an eine bestimmte Sorte Menschen, die er liebte, weil sie gut waren, wie seine Mutter. Sein Vater war auch ein Schaf.
Doch sein Sohn war heute ganz besonders neugierig.
„ Und was passiert, wenn die Teile voneinander getrennt werden? Wo fährt dann der hintere hin?“
„ Der hintere fährt in eine Gegend, wo Menschen einsteigen, die besonders große Probleme haben, Balin. Sie sind innerlich gespalten. Und wir wollen doch keine Mami, die innerlich gespalten ist, oder?“
Heute, 30 Jahre später, konnte Balin rückblickend nur erahnen, was sein Vater tatsächlich damals gedacht hatte in seinen letzten Stunden. Balin spürte schon damals, dass sein Vater ihm nicht alles gesagt hatte. Doch eines konnte Balin heute mit Bestimmtheit sagen. Sein Vater hatte sich selbst betrogen. Er hatte die Stadtteile nach Laune beurteilt. Denn der erwachsene Balin konnte sich erinnern, dass sie auch mal mit der hinteren Bahn gefahren waren, während die vordere verwünscht worden war.
An dem Tag seines Todes war Sylvester der Illusion anheimgefallen, dass die vordere Teil in eine gute Gegend führte. Nichts lag ferner.
Doch diese Widersprüchlichkeiten kümmerten den kleinen Balin nicht. Ihm bohrte sich eine andere Frage auf:
„ Was bedeutet innerlich gespalten?“
„ Sie sind auf die schiefe Bahn geraten.“
„ Was bedeutet das?“
„ Sie sind auf die falsche Schiene gekommen.“
Der Vater erwartete ungeduldig die Frage: "Was bedeutet auf die falsche Schiene gekommen?"
Er war wütend, denn negative Erinnerungen schlichen sich in ihm ein, je länger sie über die scheinbar düstere Gegend sprachen. Nun biss er grimmig an den Erinnerungen herum: Zugegebenermaßen war es nicht fair zu behaupten, dass die Frauen aus den düsteren Gegenden nur mit Trennungen beschäftigt waren - doch dann waren sie mit ihren primitiven Klingeltönen beschäftigt. Dann gab es noch die, die primitive Klingeltöne hörten, und sich zugleich trennten.
Sie gingen einfach nicht dran, während ihr Freund am anderen Ende immer und immer wieder anrief. Der Scheißklingelton über ein selbstreflektierendes Krokodil schallte unaufhörlich durch die Bahn.
„ Ich bin Schnappi das kleine Krokodil! Komm aus Ägypten, das liegt direkt am Nil..“
Überhaupt wie fasziniert sie von diesem Scheißschnappiklingelton waren. Wie sehr sie verarscht wurden, mit was für einer Illusion sie gefüttert wurden. Sie waren noch fern davon, die Welt zu begreifen. Eines Tages würde sie plötzlich die Realität eingeholt haben. Sie war auf dem Weg. Und sie fühlte sich messerscharf an.
"Schni Schna Schnappi Schnappi Schnappi Schnapp Schni Schna Schnappi, Schnapp, Schnappi, Schnapp!“
„ Papa! Papa!“ Der kleine Balin zeigte auf wie in der Schule und schnipste.
Da wurde Papa wieder auf ihn aufmerksam. Der Anblick seines Sohnes verzauberte ihn auf der Stelle. Worte kamen aus Sylvesters Mund, Balin staunte über jedes Wort,
seine feurig braune Augen hingen neugierig an Sylvester Lippen. Die Erwachsenen ignorierten Sylvesters Worte. Sie waren mit ihren Problemen beschäftigt, ignorierten ihn aus Böswilligkeit, machtpolitischen, initiativen Gründen.
Wie viel du mir bedeutest!, dachte der Vater. Was für eine Sonne du in mein Herz bringst! Wie ich dich liebe, du Gottesgeschöpf! Du zauberhafter Knabe! Wie echt du bist und wie wundervoll! Du bist das Lichtchen Hoffnung, bewahrst mich vor einer unüberwindbaren Trauer. Aber seine Bewunderung für Balin reichte noch viel weiter. Immer wenn er mit seinem Sohn Zelda auf dem Supernintendo gespielt hatte, träumte er nachts davon, Balin wäre ein Superheld. Dämonen wollten sich ihn holen. Balin wehrte sie mit seinem Schwert ab. Balin erinnerte an Link. Sicher war das nur ein Traum. Doch der Vater ertappte sich wieder mal dabei: Er sah in Balin seinen Helden.
Vor dem Eingang der vorderen Bahn sah der Vater auf. Sylvester erblickte eine sexy Frau.
„ All diese Kurven und ich ohne Bremsen!“, schwärmte der Vater. Balin verstand das nicht. Aber er verstand zweierlei, dem Vater rutschte es aus, dem Muskelpaket, der neben der sexy Frau stand, gefiel das nicht. Plötzlich thronte Mr. McFit gefährlich über seinem Vater. Sylvester blickte bereits hier dem Tod ins Auge.
„ Schon mal einen Liter Blut durch die Nase gespendet?“
Balin stellte sich vor seinen Vater. Balin war ebenfalls vom kindlichen Glauben beseelt, er müsste seinen Vater beschützen.
„Wenn Du das noch mal sagst, kriegst Du es mit mir zu tun!"
Amüsiert sah das Muskelpaket den Kleinen an. McFit wusste, er konnte gegen den bescheuerten Vater nichts ausrichten, nicht unter diesen Umständen. Er wandte sich ab, trat aber noch mal nach, seine Augen traten hervor, der riesige Schatten, der von einem herannahenden Laster zu kommen schien, hüllte Sylvester ein.
„Ich reiß Dir den Kopf ab und scheiß Dir in den Hals“, fluchte er dem Vater zu. Sylvester war eine einzige Starre.
Balin rief darauf:
„ Du Muskelprotz hast nichts im Kopf!“
Der Protz hielt kurz inne, wandte sich dann aber ab. Unter den gegebenen Umständen konnte er wirklich nichts ausrichten.
Balin merkte, dass der Vater ihn nun mit einer dümmlichen, schwärmerischen Verliebtheit ansah. Balin zerrte lachend an seiner Jacke:
„Papa! Du Träumer!“
Der Vater kam aus seinen Träumen heraus.
„ Äh ja….“
Balin stellte sich hin und zeigte auf.
„ Balin, du bist dran!“ sagte Sylvester, der von Beruf Lehrer war, und Sylvester schüttelte Balin das Haar, er tat es aus einem natürlichen Impuls heraus. Er hatte total vergessen, dass sein Sohnemann Stunden für die sogenannte Frisur, genannt „Crashing“, gebraucht hatte, was bedeutete, die Haare mit Finishprodukten nach vorne zu zupfen, angriffslustige Speere schienen dann aus Balins Kopf nach vorne zu ragen. Der Sohn guckte ihn verärgert an, doch es war ein Ärger, den er mit einem charmanten Schmunzeln begleitete. Denn die Gestik seines Vaters bedeutete ihm viel
„ Mann….“, klagte er.
„ Oh, Entschuldigung!“, rief der Vater, hielt sich die Hand vor dem Mund. Er lachte, ruinierte ihm die Frisur nun völlig.
„ So siehst du viel besser aus!“, meinte er nicht ohne ein Schmunzeln.
Hand in Hand stiegen sie in die Bahn ein. Balins Gefühle waren gemischt. Er empfand eine berstende Freude, aber auch ein Schuss Verlegenheit war beigemengt.
Doch Beides verschwand plötzlich, "Loo" jagte die Bahn entlang, Balin, ein Knochengerüst ohnegleichen, schwebte, klapperte, schrie. Der Vater hielt ihn fest.
Der Wind ließ nach. Er landete auf seinen Knien, rieb sie sich.
Sein Vater beschützte ihn ebenfalls. Sie waren ein Team, schwärmte nun Balin. Aber wenn er ehrlich war, fand er das Gefühl besser, beschützt zu werden, als die große Aufgabe zu erfüllen, seinen Vater zu beschützen. Denn ganz tief im Innern wusste er: Wenn es hart auf hart käme, würde der Tod seinen Vater holen. Balin würde nichts ausrichten können. Das hatte ihn seine verstorbene Mutter gelehrt.
Er dachte schnell an etwas anders. Er wollte doch etwas anderes wissen.
„ Aber vielleicht ist gerade in dem hinteren Bereich meine richtige Mami!“, sagte der kleine Balin.
Sie stiegen ein, der Blick des Vaters haftete am Kundenfernseher. Obama, der Präsident der Vereinigten Staaten, hielt gerade seine Amtseintrittrede
„Aber….“, fing Balin an
„ Psssscht“
Der Vater fuchtelte mit seinem Finger herum. Er lauschte den Worten des Präsidenten.
„Wir sind geprägt durch Sprachen und Kulturen und, weil wir die bittere Pille des Bürgerkriegs und der Spaltung schlucken mussten...“
Der Vater verlor sich in diesen Worten ganz und gar. Der Vater gab etwas Folgsames ab, wie die Menschen, die der kleine Balin im Fernseher auf den Washingtoner Portaltreppen sah.
„Mit Hoffnung und Tugend wollen wir uns erneut den eisigen Strömen entgegenstellen und jeden Sturm aushalten der kommen mag.“, hörte der kleine Balin. Da er aber davon noch nichts verstand, da ihm das zu langweilig war, schoss sein Arm hoch, er schnipste.
„ Ja?.“, sprach der Vater automatisch, unfähig, den Blick von Obama und seinen Worten zu lösen. Dieser sprach von bitteren Pillen. Eine Spaltung musste man schlucken.
„ Aber vielleicht ist gerade dort meine richtige Mami.“
„ Es ist nicht wahrscheinlich, dass unter den verlorenen Seelen plötzlich eine
wunderbare Mami auftaucht, Special. Wenn es nämlich so wäre, dann wäre sie auch auf die schiefe Bahn geraten. Was noch trauriger wäre.“, sagte er, immer noch den Blick auf den Fernseher gerichtet. Sein Blick haftete an dem Fernsehbildschirm bis zum Abschluss der Vision, verkörpert von Obama.
„So und nun warte hier. Such dir schon mal einen Platz dort vorne, ich gehe zum Automaten, okay?“, meinte er zu seinem Sohn. Der Sohn zupfte die Haare wieder nach vorne. Es war Mode, eine Welle überschwemmte das ganze Land, nichts konnte der Vater dagegen ausrichten. Ja, er selbst war dieser Vision von einem glücklicheren Menschen verfallen. Der „Rockstyle“ für längeres Haar hatte bei ihm Anklang gefunden, hatte ihn in die Knie gezwungen. Der lange Pony wurde zu einem Dreieck geschnitten, das bis zur Nase fiel. Die Seitenpartien reichen bis knapp über die Ohren. Eine Gesichtshälfte schien hinter einem Theatervorhang zu lugen, es schien als würde sich Sylvester noch mal den Zuschauern verabschieden. Dann würde der Vorhang endgültig zugehen.


II Auch die Guten irren sich


Balin glaubte irrtümlicherweise, der Ticketautomat wäre etwas Böses.
Einmal war der Bruder Sylvesters in der „Bombardier Transportation Bahn“ mitgefahren. Als sie zu Dritt am Ticketautomaten gestanden hatten, hatte der sadistische Onkel zu Balin bemerkt:
„Da steht Sense!“ ( BILL& SENSE stand auf dem Ticketautomaten)
Der Onkel hatte ihn vielsagend angeguckt, und der kleine Balin hatte sich hinter den Beinen seines Vaters versteckt. Die Brüder hatten gelacht.
Deshalb würde Balin mit seinem Vater heute nicht zum Ticketautomaten gehen, sondern lieber einen Platz für sie suchen.
„Du weißt, was du zu tun hast!“, bemerkte der Vater. Er zwinkerte seinem Sohn zu. Der Sohn zwinkerte zurück, und Sylvester fiel zunächst dem Zauber, dieser Echtheit anheim. Es war ein Zauber in dieser trostlosen Welt. Während er zum Ticketautomaten ging, tat es ihm daher um so mehr Leid, dass er den Sohn von dessen Höhenflug abgeschnitten hatte.
Der Vater hatte ein typisch-erwachsenes Ablenkungsmanöver angewandt. Mit fortschreitendem Alter vollführte er es immer skrupelloser. Sensenartiger. Dennoch tat es ihm Leid, dass er es bei seinem Sohn gemacht hatte. Denn er hatte seinem Sohn bedingungslos geglaubt, vielleicht würden sie ja wirklich im hinteren Teil von Bombardier Transportation auf die richtige Mami stoßen, vielleicht gab es Happyends, es war ein Glaube. Und die Realität schien diesen bereits begraben zu haben. Das Kind hatte ihn mit einem Zauberstab berührt, und nun erschien ihm die Welt in einem so einfachen Licht. Die Zweifel an seiner Stirn und die Verbitterung legten sich ein wenig und zauberten ein naives Lächeln hervor….bis die Realität es wieder niederreißen würde.
Er ging weiter hoch zum Ticketautomaten der Bahn, während sein Sohn einen Platz aussuchte. In der Nähe sollte eine Frau sitzen, Balin sollte sie sich als Mami vorstellen können, so war es gedacht. Kurz bevor sich der Vater durch vier Menschen hindurchschob, die ihm den Weg versperrten, drehte er sich noch einmal nach seinem Sohn um. Der Sohn manövrierte auf eine Frau zu…. Sylvester war entsetzt. Das Bild eines unfehlbar göttergleichen Sohnes brach plötzlich zusammen. Das jetzige Bild schmetterte ihn um. Solch verkorkste Gedanken herrschten also in Balin! Balin saß neben der dicksten Frau, die Sylvester jemals gesehen hatte. Sylvester stand auch auf die Dicke, versteckte sich aber hinter einem gemeinen Monolog: So eine fette Sau müsste man von der normalen Gesellschaft selektieren. Bombardier Transportation fuhr jetzt los, - sie war so fett, die Schienen unter ihr würden Funken versprühen, man könnte sie in die Mitte einer Wohnung hinstellen, von wo aus man in jedes Zimmer gelangen konnte. Doch plötzlich würde die Fettlawine in jedes Zimmer hereinbrechen. Sie mochte darüber klagen: Es war nicht ihre Art überall hereinzubrechen, alles war bloß ein ärgerlicher Missverständnis!
Hier hörte er mit seinem bösen Monolog auf, ging über in einen selbstreflektierenden Monolog:
Die Frau so fertigzumachen, stellte ein krüppelartiges Überbleibsel seiner damaligen, gemeinen Art dar, die er mit seinen Kumpels kultiviert hatte. Alles wurde damals schonungslos niedergemäht. Was für ein jugendlicher Leichtsinn das war?, zu was für einer Boshaftigkeit er damals fähig gewesen war, hatte die Kontrolle darüber verloren, wollte sie gar nicht haben! Danach kamen der Beruf, das Leben - die krasse Bremsung. Das gemeine schonungslose Niedermähen war dann nur noch mit Bedachtsamkeit zu wählen, in seiner Wahrhaftigkeit hatte er eine himmelschreiende Krüppelei empfunden!
Nun richtete er seine Aufmerksamkeit nach außen. Als Sylvester dem Ticketautomaten näherkam, standen vier Leute vor ihm zusammengedrängt. Alle guckten ihn verurteilend an. Er wusste, es hatte mit seiner Narbe zu tun. Sie reichte von seinem rechten Mundwinkel, bis zu seinem Ohr herauf. Wie der eine Typ in ansah!, als wäre Sylvester behindert, und wie der andere ihn erst angaffte!, als wäre er eine düstere Gestalt. In diesem Augenblick machte Sylvester eine scharfsinnige Feststellung: Die Narbe würde in den vier verurteilenden Männern, die er vor sich hatte, einen Selektionswahn aktivieren. Sie würden ihn aus ihrer Gesellschaft ausgeschlossen haben, noch ehe sie ihn aufnähmen. Doch er, Sylvester, war mehr als diese Narbe, weitaus mehr!
Sylvester verleugnete konsequent seine Gefühle zu der Dicken, seine Vatergefühle verleugnete er jedoch nicht.
Der Sohn saß nun auf dem Sitz neben seiner Wunschmami, er rief, was Teil der Masche war:
„Ich liebe dich Papi!“
Es war ein Sonnenstrahl. Die hoffnungslos verlogene Welt leuchtete auf.
„Ich liebe dich auch!“ ächzte Sylvester zurück, während er sich durch die vier verurteilenden Menschen quetschte. In ihren Köpfen selektierten sie unaufhörlich. Er hörte es schon fast. Für einen Augenblick war die illusionische Szene durchbrochen.
Wenn Sylvester eins wusste, in einer Welt, die Falschheit und Illusion abverlangte, wenn er eins wusste - dann das: er liebte seinen Sohn, und das war keine Illusion. Sein Sohn war der Anker, das Schiff lag solange im Hafen, verschwand nicht in das schwarze Loch. Von dem Loch ging ein beklemmendes Rauschen aus.
Der Vater war hinter den vier verurteilenden Menschen verschwunden… verschluckt, nur der Arm zappelte, wand sich, glich einem toten Fisch. Dieser schien die Nerven verloren zu haben. Andere Bombardier Transportation-Kunden auf der anderen Seite betrachteten ihn voller Aufmerksamkeit, Beklemmung. Diesmal schenkte man seiner Schulter Beachtung. Hatte er einen Arm? Würde er nur einen Stumpf herausziehen? Zur allgemeinen Erleichterung kam der Arm zum Vorschein. Auf der anderen Seite - so sah es Balin - schien der Arm verschluckt zu werden.
Der Vater erblickte Balin durch einen Spalt. Nun setzte er seine Verleugnung fort, projezierte einfach seine wahren Gefühle auf seinen Sohn:
Wie er zu diesem überdimensionalen, monströsen Schlachtschiff heraufsah! Es zeugte bereits von Bewunderung, eine gewisse Verliebtheit war da mit im Spiel, dachte der Vater. Diese naive, primitive Vorstellung von einer guten Mutter. Wahrscheinlich hatte die Grundschullehrerin, die ebenfalls ein Schlachtschiff war, ihm immer Kekse gegeben, dachte er.
In der Tat entsprach dies seiner eigenen Erfahrung.
Wahrscheinlich hatte sie eine Mission, der Welt zeigen, wer die wahren, guten Mütter waren.
„Oh Sylvester, du kleine Narr!“, der Vater seufzte. Er war fast am Ticketautomat angelangt.
Sylvester sah nun auf dem Titelbild einer Zeitung, den Geisterfahrer von Konstanc. Nachdem dieser zwanzig Jahre lang der Fahrer der Bombardiertransportation-Bahn gewesen war, wurde er plötzlich zum Geisterfahrer, raste in die entgegengesetzte Richtung. Es musste ihm irgendwie normal erscheinen. Umgekehrte Haltestelleschilder jagten an ihm vorbei. Er beschleunigte noch mehr, raste in die
„ Endstation“
Vorne auf der Zeitung war ganz fett das Zitat abgedruckt:

Ich habe das Richtige getan!

Wie konnte so was passieren? Sylvester konnte es sich nur so erklären: Eines Morgens war er aufgewacht. Und er hatte den Verstand verloren! In ihm hatte irgendetwas geknackst. Alles war bisher normal verlaufen. Plötzlich knackste es, wie aus heiterem Himmel. Die Sicherungen brannten durch, es funkte um ihn herum. Ab da war er nicht mehr derselbe. Diese Vorstellung beklemmte Sylvester.
Und Sylvester erkannte plötzlich. Er war genauso wie der Bahnfahrer. Er hatte ebenfalls den Verstand verloren. Denn er liebte die dicke Lawine über alles. Eine Macht ging von ihr aus. Er konnte leicht die Kontrolle verlieren. Er wollte sie verlieren. Vielleicht war es auch etwas Gutes nach dem Tod seiner Frau. Er spürte, er würde sich nach dem ersten Gespräch mit ihr in eine hilfloses Kind verwandeln, die ganze gottverdammte Natur würde in ihren Armen verrückt spielen. Es würden schmerzhafte Tränen fließen, es wäre so befreiend.
Er steckte gerade den Fünf-Euro-Schein in den Automaten. Er winkte seinem Sohn zu - der Fünf-Euro-Schein wurde verschluckt, der Automat spuckte ihn wieder aus. Der Vater glättete ihn, machte ihn ganz platt auf der Automatenfläche.
Dann übte er Druck auf den Touchscreen aus, und starkes Sonnenlicht flutete herein, die Bahn ging in die Kurve, er konnte nichts sehen. Und jetzt sah er einen roten Punkt, dieser markierte ihm, was er antippte.
Der Automat machte seine irren Geräusche, spuckte das Ticket und das Restgeld aus.
Er hatte Lust es der Frau zu zeigen, sie gegen die Fensterscheibe der Straßenbahn plattzudrücken, den Raum zu verdunkeln, sich frei zu fühlen, alles zu vergessen. Danach hätte er vielleicht eine Mordswut auf sie. Denn er würde sich selbst hassen. Sie kam nicht annähernd an das Ideal seiner verstorbenen Frau heran. Doch im Ernstfall würde sie als Siegerin hervorgehen. Sie würde ihn in Stücke reißen, in einem Anfall von überlebensnotwendiger Hysterie. Doch zumindest könnte er am Ende sagen, er hatte es noch mal krachen lassen, es hatte ein Feuerwerk gegeben.
Doch strenggenommen konnte er es nicht entscheiden. Das stellte er zu seinem Unbehagen fest. Er hatte keine Kontrolle. Er war so schwach. So ausgeliefert. Sie konnte mit ihm im Grunde alles machen. Er schnupperte am Rande des Wahnsinns. Er war der Geisterfahrer, und raste auf die Endstation zu. Alle Schilder standen verkehrt herum. Er tat das Richtige. Sie könnte ihn als Knuddelbär benutzten, ihm essen vorsetzen, äße er nicht auf, würde sie ihn mit ihrem balkenartigen Arm vom Stuhl schmeißen.
„ Pfui böse, ganz ganz, böse!“
Sie konnte mit ihm umgehen, wie mit einem gottverdammten Automaten. Sie konnte an ihm herumdrücken.
Solche gefährlichen Momente der totalen Selbstaufgabe überkamen ihn. Sie rüttelten an ihm. Mary war von ihm gegangen, seitdem war das so.
„Okay ich okay ich ähm“, er wurde knallrot, war verwirrt, sein Phallus bäumte sich ein wenig.
Aber es durfte nicht sein. Er knüllte das Ticket, und mit seiner verschwitzten Hand, und knallte seine Hand auf den Automaten, und glättete das Ticket, und plättete es, damit er es abstempeln konnte. Schließlich quetschte sich der Vater durch die vier verurteilenden Menschen durch.
Balin war auf eine perverse Art gefesselt von dem Bild vor ihm. Sein Vater wurde plattgedrückt, eine unbekannte Panik huschte über dessen Gesicht, es schien als hätte er Angst, zu ersticken. So unvollkommen, so schwach hatte er seinen Vater noch nie gesehen. In dem Moment war er sich bewusst: Sein Vater konnte sterben. Der Eindruck wurde noch verstärkt durch das Unikat. Es war ein selbstgegossenes Metallherz. Sein Vater trug es nicht mehr vorne. Vorne war nur die schwarze Kette zu sehen. Sie schien ihm seinen Hals einzudrücken. Diese schwarze Kette sah aus wie Schnitt. Dem Jungen kam es eigenartig vor. Wie war das Unikat nach hinten gelangt? Warum war das Herz plötzlich auf der anderen Seite? Warum lag das Herz auf dem Rücken? Freiwillig hatte er es nicht getan.
Dreißig Jahre später mutmaßte Balin:
Vielleicht war das sein Mörder. Vielleicht hatte der Mörder da bereits mit ihm gespielt. Vielleicht war er bereits in der Bahn gewesen, dachte er schaudernd.
Unendliche Erleichterung und ein Gefühl der Freiheit überkam Sylvester, als er sich aus den menschlichen Fesseln befreit hatte.
Dann kam er mitsamt den Ticket zu seinem Sohn, lächelnd, er war ganz wieder der Alte. Er nahm neben seinem Sohn Platz. Seine illusionischen Sexphantasien hatten ihm einen Streich gespielt. Er kam sich wie ein Schlittschuhläufer vor, dessen Ungeschick ihn plötzlich aufs Eis gerissen hatte, ihn langgelegt hatte.
Der Vater erkannte seinen Irrtum bezüglich des Schlachtschiffs. Sie war nicht sein Typ. Doch der Irrtum, der zu seinem Tod führen würde, sollte er nicht erkennen.

 

Hey Shineorrain!

Oh Mann! Du willst einfach zu viel in so eine kleine Geschichte packen, für deine Geschichten muss man sich immer so arg konzentrieren und ehrlich gesagt, darauf habe ich keine Lust, wenn ich hier eine Kg lesen will, dann will ich meistens unterhalten werden und ich will nicht Sätze zweimal lesen, verkrampft der Handlung folgen oder sonstiges, ich will lesen, verstehen und im besten Falle gefällt mir die Geschichte. Deine ist ein großes Chaos.
Beim ersten Mal war das Lesen die Hölle, beim zweiten Mal gefiel es mir sogar, gegen Ende habe ich aber den Faden wieder verloren, ich weiß jetzt nicht, ob der Vater wirklich wegen der Kette stirbt oder nicht.
Und was du ganz schlecht kannst, und davon solltest du in Zukunft die Finger lassen, Beschreibungen von Orten, ich hatte keine Ahnung, wo die sind, sind die jetzt in der Bahn, steigen die jetzt ein, oder haben die doch die ganze Zeit gewartet?
Geht gar nicht, hat mich aufgeregt, und tatsächlich hast du da die Fehler gemacht, was mich natürlich noch wütender gemacht hat. :P

So, für die Zukunft mein Tipp: Arbeite ordentlicher, Alter! Sonst kannst du deine Leserschaft vergessen.

Meereswind „Loo“ durch ihn hindurch, bewegte ihn zum Stillstand,
Ist das physikalisch möglich?
Der Vater sah ihm dabei zu, dachte genervt: "Loo" schmeißt ihn um, aber seine gottverdammte Trendyfrisur bleibt unversehrt! In diesem Moment machte sich der Vater keine Sorgen, dass "Loo" ihn umschmeißen konnte. Balin würde immer wieder aufstehen, er würde "Loo" trotzen, er würde jedem Wind trotzen. Sein Kind war eine Kämpfernatur!
Die sind doch in der Bahn!
Einmal war der Bruder Sylvesters
Einmal war Sylvesters Bruder … (btw. Bescheuerter Name.)
Sylvester stand auch auf die Dicke, versteckte sich aber hinter einem gemeinen Monolog:
Das musst du subtiler machen, sonst ist es lächerlich.

JoBlack

 

Hey Jo,

Die Kritik war hart an manchen stellen, aber sie war womöglich nicht ungerechtfertigt und konstruktiv.
Muss man sich so sehr konzentrieren, um was davon zu haben? Ich werde an Taktiken feilen müssen, so dass man an den Inhalt einfach herankommen kann, denn das wünsch ich mir ja.
Dabei war ich nicht tatenlos, was das Anstreben der Verständlichkeit anbelangt. Die roten Faden der jeweiligen Szenen habe ich versucht mit Zusatztitel zu markieren. " Der vordere Teil" stellt den roten Faden für die erste Szene dar. und eben " Auch die Guten irren sich" stellt den roten Faden für die zweite Szene dar. Das Chaos also zu umgehen, und Verständlichkeit zu erzielen, dem habe ich schon entgegenzuwirken versucht - aber dein Feedback hilft mir, zu wissen, dass ich noch nicht so weit bin.
Was die Beschreibung der Orte anbelangt, so widerspreche ich dir in einem Punkt. Ich werde nicht vermeiden über Orte zu schreiben. Ich werde mich versuchen darin zu verbessern; ich denke das ist sinnvoller. Schön, dass du dem Text trotzdem Schönes abgewinnen konntest.


Beste Grüsse nach Duisburg ;>
Arkadius

 

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