Was ist neu

Theater

Mitglied
Beitritt
20.04.2008
Beiträge
2

Theater

Theater

Ich gehe für mein Leben gern ins Theater. Warum, fragen Sie? Nun ja, mein alltägliches Leben ist alles andere als interessant oder aufregend und besteht zum größten Teil aus Routine und Wiederholung. Ich weiß, Sie kennen das. Und genau aus diesem Grund liebe ich das Theater. Es gibt einem die Chance, wenigstens für ein paar Stunden in eine andere Welt zu reisen, seine Sorgen hinter sich zu lassen. Natürlich erzielt man den gleichen Effekt auch mit dem Lesen von Büchern oder dem Hören der Musik, doch nirgends ist dieses Gefühl der Abspaltung vom Rest der Welt so intensiv wie in einem Theatersaal. Und wenn das Stück dann auch noch überragend geschrieben, vertont, gespielt und inszeniert ist, wüsste ich nichts, was mich glücklicher machen könnte.
Jede Woche versuche ich ins Theater zu gehen, sofern mir meine finanzielle und terminliche Situation dies erlaubt. Da ist es auch wenig verwunderlich, dass mir eines der schrecklichsten Erlebnisse in meinem schon etwas weiter fortgeschrittenem Leben widerfahren ist.

Letzte Woche befand ich mich also wie so oft nach Feierabend auf dem Weg zum Theater, von dem ich glücklicherweise nicht allzu weit entfernt wohne. Ich hatte daher genug Zeit gehabt, in etwas elegantere Klamotten zu schlüpfen. Da meine Frau schon vor etwas mehr als zwei Jahren verstorben ist, bestreite ich die meisten meiner Theatergänge allein, wenn mich nicht ab und zu ein Kollege begleitet.
So schlenderte ich auch an jenem Abend die einsame Straße zum Theater in gewohnter, aber ganz und gar nicht bedrückender Einsamkeit entlang. Dabei fiel mir auf, dass es ungewöhnlich dunkel war für die Jahreszeit und für die Uhrzeit erst recht. Ich erinnere mich, den Himmel nach Sternen abgesucht zu haben, konnte aber keine sehen. Selbst den Mond konnte ich nicht ausmachen. Ich achtete aber nicht weiter darauf, denn die Vorfreude auf das Stück hatte mich schon sehr erheitert und ich grüßte die paar Leute, die mir entgegenkamen, höflich und gab einem Bettler, der am Rande der Straße auf einer kleinen Steinbank saß, sogar etwas Geld. Meine Laune war also ausgezeichnet.
Das änderte sich auch nicht, als ich am von innen und außen hell erleuchteten Theater ankam, wo sich die Schlange schon bis auf die Straße erstreckte. Ich stellte mich also an und betrachtete die Reklametafel mit einem Poster der Aufführung, für die ich demnächst bezahlen würde. Ich hatte nur in der Zeitung davon gelesen, und es war keine Zusammenfassung der Handlung oder Bilder abgebildet gewesen. Das Poster war zu meiner Enttäuschung sehr unspektakulär. Nur der Titel des Stücks war in weißer Schrift auf rabenschwarzem Hintergrund zu lesen. Weder die Namen der Schauspieler, noch der des Regisseurs waren abgebildet, geschweige denn Illustrationen. Doch auch darüber machte ich mir wenig Gedanken. Ich wollte nur unbedingt bald in einem der gemütlichen Sessel in einem riesigen Theatersaal sitzen.

Dann war es endlich soweit. Obwohl der Saal schon sehr voll war, als ich ihn betreten hatte, bekam ich doch noch einen guten Platz im vorderen Drittel. Während ich mich setzte nickte ich meinen Sitznachbarn zu. Beide kannte ich nicht nur von den Theaterbesuchen. Der Mann zu meiner Rechten war Professor an der hiesigen Universität. Er lehrte Geschichte und auch einige Kurse in Politikwissenschaft. Meine Frau war eng mit der seinen befreundet gewesen. Der Herr zu meiner Linken war ein in der ganzen Stadt angesehener Advokat, an den ich mich in einigen Streitsachen auch schon gewendet hatte. Nachdem wir uns gegenseitig unsere Erwartungen an die Aufführung mitgeteilt hatten – wir hatten so gut wie keine – wurden die Türen zum Saal auch schon geschlossen. Ich blickte um mich und sah, dass der Saal bis auf den letzten Platz ausverkauft sein musste.
Geduldig warteten wir auf den Beginn der Vorstellung. Plötzlich öffneten sich die Türen zum Saal wieder. Eine Horde Menschen, bestehen aus etwa fünfzig Männern und Frauen, stürmte förmlich den Saal. Sie waren verkleidet. Als farbenfroh geschminkte Clowns und Narren, hübsche Dirnen und Gaukler stellten sie sich auf die Gänge und fingen an zu tanzen, zu singen, zu schreien. Einige von ihnen hatten Instrumente dabei und begannen sie zu spielen.
Natürlich waren wir alle der Annahme, das gehörte zur Vorstellung und applaudierten den merkwürdigen Eindringlingen.
Nach einigen Minuten verschwand das Lächeln auf meinem Gesicht allmählich und ich wurde von einem Gefühl des Unbehagens befallen. Ich blickte mich erneut um. Das Publikum amüsierte sich prächtig, manche tanzten und sangen sogar mit. Langsam fragte ich mich, ob das wirklich alles zum Stück gehörte, da der große rote Vorhang geschlossen blieb. Ich begann die ungewöhnlichen Gestalten näher zu betrachten. Die meisten von ihnen lächelten. Doch es war kein freudiges Lächeln. Es war eher ein Ausdruck von...Schadenfreude. Ja! So kam es mir vor. Ein gehässiges Grinsen!
Ich fing ebenfalls damit an, näher auf die Musik und die Worte zu hören. Doch so sehr ich mich auch anstrengte, ich konnte kein einziges Wort verstehen. Verstehen Sie mich nicht falsch, sie waren klar zu hören, die Laute, die aus ihren grinsenden Mündern kamen. Ich konnte sie deutlich hören, keines davon aber verstehen. Ich dachte, es müsse eine andere Sprache sein, aber nie zuvor hatte ich eine solche Aneinanderreihung von Lauten, die man kaum Sprache nennen konnte, gehört.
Ein als Gaukler Verkleideter kam zu unserer Sitzreihe, währen sich seine Freunde die anderen vornahmen. Wieder kamen diese Laute aus seinem Mund. Er schien einen Witz zu erzählen, denn meine Nachbarn, die, wie ich sah, erheitert und alles andere als besorgt waren, lachten bei einer scheinbaren humoristischen Pointe. Konnten sie ihn etwa verstehen? Ich fragte sie. Aber sie schienen ihre Blicke nicht vom Gaukler abwenden zu können, schienen mich nicht zu hören oder zu verstehen.
Mittlerweile war mir schwindlig und auch übel geworden. Mein Magen verkrampfte sich. Dann öffnete sich der Vorhang.

Zusammengekauert auf meinem Sitz betrachtete ich mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen das Schauspiel auf der Bühne. Es ist schwer, den unglaublich ungeheuerlichen, unmenschlichen und alles Leben verachtenden Vorgang auf der Bühne in Worten wieder zu geben. Würde ich ihn mündlich wiedergeben, müssten Sie mich möglicherweise sofort in eine Anstalt einweisen, und sich selbst wahrscheinlich ebenfalls.
Mehrmals hatte ich das Gefühl, mich übergeben zu müssen. Wieder schaute ich mich um. Keiner der Anwesenden schien darauf zu achten, was auf der Bühne geschah! Ihre Blicke waren noch immer fest auf die Narren und Dirnen gerichtet, während das blutrünstige Schauspiel seinen Lauf nahm. Ich musste all meine Kräfte zusammentun, um aufstehen zu können. Endlich auf den Beinen, versuchte ich zu schreien, denn das war die einzig angemessene Reaktion auf ein solches Ereignis. Doch kein Laut entfuhr meiner Kehle. Ich versuchte es erneut, diesmal mit etwas mehr Erfolg. Beim dritten mal drehten sich die ersten Gesichter zu mir. Ich schrie erneut, und mehr Blicke wandten sich mir zu. Ich hob den Zeigefinger in Richtung Bühne, gerade in dem Augenblick, als sich der Vorhang zu schließen begann. Doch schon dieser kurze Anblick des Schrecklichen schien die Menschen aus ihrer Trance zu lösen und viele fingen an zu schreien und zu weinen, bis schließlich alle Zuschauenden ihre Blicke Richtung Bühne wandten. Währen all dieser Zeit strengten sich die Eindringlinge auf den Gängen immer heftiger an, die Blicke und Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu richten. Doch dieses begann schon damit, sich aus ihren Sitzen zu erheben und entweder in Richtung Ausgang oder auf die Bühne zuzulaufen um zu retten, was zu retten war. Ich war einer der ersten, die die Bühne erreichten. Zusammen mit ein paar anderen, dem Professor und dem Anwalt unter ihnen, rissen wir den großen roten Vorhang herunter. Die Bühne war leer. Lediglich einige Kulissen und Apparaturen, die, wie ich leider bezeugen kann, für das Schauspiel genutzt wurden und es unterstützten, waren zu sehen.
Gelächter war zu hören. Erst leise, dann immer lauter. Ich merkte, dass außer diesem Gelächter nichts zu hören war, die Gaukler mussten also aufgehört haben, die Menschen zu verwirren.
Wir drehten uns wieder Richtung Zuschauer. Wir sahen sie, die Gaukler, Narren, Clowns und Dirnen. Doch sie hatten sich verändert. Die Dirnen waren nicht mehr hübsch, die Clowns, Gaukler und Narren nicht mehr geschminkt. Ihre Haut war braun, verfault und hing in Fetzen von ihren Knochen, die teilweise zum Vorschein kamen. Sie sahen aus wie...ja, sie sahen aus wie Leichen.
Sie waren es, die lachten. Sie sahen uns an und lachten sich die Seele aus dem Leib. Manche zeigten sogar voller Spott mit den Fingern auf uns. Natürlich waren wir entsetzt. Einige waren sogar in Ohnmacht gefallen. Doch ein Gefühl überstieg die Angst, die wir alle verspürten. Wut.
Ich merkte, wie ich die Fäuste ballte und langsam auf die Verwesenden zuging. Andere taten es mir gleich. Und nach einigen Schritten fingen wir an zu rennen, auf sie zuzustürmen. Und währen wir sie, die sich nicht wehrten, mit unseren bloßen Händen auseinanderrissen, lachten sie um so herzlicher.

An das, was noch an diesem Abend geschah, erinnere ich mich nicht. Fragen Sie doch den Herrn Professor oder den Herrn Advokat, wenn sie mehr wissen wollen. Ich habe sie seitdem noch einige Male zufällig getroffen. Wir redeten nicht miteinander. Nickten uns nur stumm zu. Mich würde interessieren, ob sie sich an alles erinnern können. Ich bezweifle es. Wissen Sie, das Bewusstsein des Menschen streicht oft Erlebnisse wie dieses aus dem Gedächtnis, um uns zu schützen, um uns nicht wahnsinnig werden zu lassen.
Selbst dieses Ereignis hat meine Liebe für das Theater jedoch nicht auslöschen können. Ich gehe weiterhin jede Woche.

 

Hallo nitro13!

Und herzlich willkommen erstmal auf kg.de!

Da ist es auch wenig verwunderlich, dass mir eines der schrecklichsten Erlebnisse in meinem schon etwas weiter fortgeschrittenem Leben widerfahren ist.
Als Konsequenz aus dem vorangegangenen Satz verstehe ich das nicht. Wo ist da der Zusammenhang? Du meinst sicherlich, dass ihm dort (also im Theater) eines seiner schrecklichsten Erlebnisse widerfahren ist.
in etwas elegantere Klamotten zu schlüpfen.
"Elegant" und "Klamotten" ist schon vom sprachlichen her ein Widerspruch, finde ich.
ich grüßte die paar Leute, die mir entgegenkamen, höflich und gab einem Bettler,
Das "höflich" liest sich nach diesem Einschub etwas seltsam, das könntest du genauso gut streichen, grüßen ist ja schon höflich. ;)
Während ich mich setzte nickte ich
Komma nach "setzte"
Nach einigen Minuten verschwand das Lächeln auf meinem Gesicht allmählich
"Nach einigen Minuten" oder "allmählich", beides zusammen ist zu viel.
ein Ausdruck von...Schadenfreude.
Vor und hinter die Auslassungszeichen je ein Space. Kommt weiter unten auch nochmal vor.
Es ist schwer, den unglaublich ungeheuerlichen, unmenschlichen und alles Leben verachtenden Vorgang auf der Bühne in Worten wieder zu geben. Würde ich ihn mündlich wiedergeben, müssten Sie mich möglicherweise sofort in eine Anstalt einweisen, und sich selbst wahrscheinlich ebenfalls.
Das ist für mich eine faule Ausrede des Autors, den Vorgang nicht beschreiben zu müssen. ;) Reine Effekthascherei. Gerade die Beschreibung wäre an der Stelle interessant gewesen. Alles was man erfährt, ist, dass die Vorgänge auf der Bühne blutrünstig sind.
Beim dritten mal
Mal
Ausgang oder auf die Bühne zuzulaufen um zu retten, was zu retten war. Ich war einer der ersten, die die Bühne erreichten.
Kann ich nicht nachvollziehen. Wenn das so schrecklich ist, was da auf der Bühne geschieht und der Protagonist Angst hat, wieso rennt er dann noch hin? Oder hab ich was nicht verstanden?
Lediglich einige Kulissen und Apparaturen, die, wie ich leider bezeugen kann, für das Schauspiel genutzt wurden und es unterstützten, waren zu sehen.
Wieder Effekthascherei.
Und währen wir sie
während
Fragen Sie doch den Herrn Professor oder den Herrn Advokat, wenn sie mehr wissen wollen.
Ach nee. Jetzt sollen die für dich die Geschichte erzählen? Find ich nicht nett.

Die Geschichte ist angenehm fehlerfrei und auf jeden Fall stilsicher. Allerdings finde ich sie etwas unbefriedigend. Das lag zum einen an der Erzählperspektive. Du erzählst rückblickend ein Ereignis, an das sich der Protagonist selber nicht mehr vollständig erinnern kann. Die Zeitform schafft außerdem eine Distanz, die den Leser gar nicht erst an das Geschehen heranlässt. Präsens hätte ich hier besser gefunden, da kannst du dich auch nicht darum drücken, die eigentlich wesentlichen Details auszusparen, um die es ja geht, die dem Leser aber vorenthalten werden. Es sei denn, der Erzähler fällt in Ohnmacht oder so. :p
Ich würde die Geschichte direkt dort ansetzen, als er ins Theater geht. Im Text kommt absolut keine Spannung auf, weil dem Leser schon alles vorgekaut wird. Du erklärst zu viel und zeigst zu wenig, gerade durch die Zeitform wird das noch unterstützt, obwohl man es wohl auch im Präteritum besser hätte machen können.
Der erste Absatz zum Beispiel, das ist Erklärung pur. Das muss aus dem Text ersichtlich werden. Oder verklicker es dem Leser, indem du es einfach in ein paar Nebensätze streust, wo es gerade passt. Aber hier walzt du ewig aus, warum der Erzähler so gern ins Theater geht, das ist abschreckend. Man muss sofort im Geschehen sein, das ist hier nicht der Fall.
Als Leser persönlich angesprochen zu werden ist nicht so meins, aber das ist auch Geschmackssache.

Du hast hier Stoff für eine gute Horrorstory, aber leider nicht richtig umgesetzt. Du beweist aber auf jeden Fall sprachliches Geschick, also setz dich vielleicht nochmal ran. :)

Liebe Grüße,
apfelstrudel

 

zweieinhalb von fünf Punkten

"Die Gaukler mussten also aufgehört haben, die Menschen zu verwirren", die Geschichte hat aber nicht aufgehört, mich zu verwirren und lässt mich unbefriedigt zurück. Ein scheinbar im Affekt zusammengestelltes Sammelsurium an Phantasmen und Fratzen, das mich zwar erschreckt, nicht aber inspiriert.

Was mir gefiel:

"Fragen Sie doch den Herrn Professor oder den Herrn Advokat, wenn sie mehr wissen wollen". Finde ich ein sehr gelungenes Ende, das auf eine unheimliche Art elegant ist.

 

Vielen Dank für die Kritik.
Werde den Text ganz sicher nochmal überarbeiten.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom