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Tischgespräch
Was es gibt fragst du. Als ob ein Treffen mit dir immer einen Vorwand bräuchte. „Die Reste von gestern, und wenn du willst hab ich noch ein paar Gefühle für dich kaltgestellt, die ihre besten Tage wohl schon hinter sich haben", lachte ich zart-bitter in mich hinein.
„Wollte nur wissen, wie es dir geht. Schließlich ist das letzte Treffen eine kleine Ewigkeit her und war ja auch nur flüchtig."
In Wirklichkeit war es eher ein verlegenes, ausgedehntes Grüßen im Vorbeigehen gewesen, und hätte ein Schiedsrichter daneben gestanden, er hätte dir nach den Regeln der unreif praktizierten Vergangenheitsbewältigung wohl zwei Punkte gutgeschrieben und mir eine Sperre für die nächste Saison aufgebrummt. Ersteres wegen des gutaussehenden Mannes an deiner, letzteres wegen des -ehrlich gesagt- hässlichen Rausches an meiner Seite, der euch aus schielenden Augen schon mehr verloren hatte als begutachtete.
Irgendjemand muss dich ja in der Richtigkeit deiner Entscheidungen bestärken, hatte ich mir am nächsten Morgen gedacht; verlegen, aber gewohnt.
„Danke gut. Und dir?"
„Kann mich nicht beklagen."
Und das konnte ich wirklich nicht, ich hatte nämlich vor einigen Wochen damit aufgehört. Ungute Angewohnheit so etwas, das lenkt einen doch nur vom Wesentlichen ab. Was heißen soll: Frag nicht was die Welt für dich tun kann und auch nicht was du für die Welt tun kannst, sondern was sie dich kann. Endlich ein Denkansatz, der mehr beantwortet als er in Frage stellt, und das im zarten Alter von 23 nach drei gescheiterten Beziehungen und einem Trinkverhalten, mit dem ich, und zwar nur ich, leben konnte.
„Ich habe gehört, du hast wieder angefangen zu studieren?"
„Ja, und ich hab' mir auch fest vorgenommen, das jetzt durch zu ziehen. Schluss mit dem Schlendrian, hab ich mir gedacht. Vor allem, weil ich jetzt weiß, was ich will."
„Aha, und was?"
„Mit dem Leben wieder Schritt halten, das wäre für den Anfang schon mal alles."
Das kann man auch so im Raum stehen lassen, dachte ich mir. Sollte ich ihr wirklich sagen, dass ich immer noch auf den großen Durchbruch als Künstler wartete? Das wusste sie doch insgeheim schon. Schließlich hatten wir uns vor einer Zeit einmal sehr nahe gestanden und keine Seite an mir hatte ihr dermaßen den letzten Nerv geraubt wie diese. Ob sie wohl auch gewusst hatte, dass es diese naive Seite an mir war, für die ich am wenigsten konnte?
„Freut mich für dich, dass du wieder neue Ziele im Leben hast."
„Ja, reich und berühmt werden und den Elfenbeinturm nur zum Pinkeln verlassen", hätte ich antworten mögen, aber was wenn sie mich dann gefragt hätte, ob das hieße, dass ich mein großes Geschäft folglich im Elfenbeinturm verrichten würde? Ich bin zwar ein Freund des Stehsatzes, der sich gut anhört, und meine verteidige ich auch gern bis zur endgültigen Sinnlosigkeit, aber das hätte in diesem Falle geheißen, das exakte Gegenteil eines Pissoirs zu erfinden und den Nutzen eines solchen gleich mit. Für dieses Vorhaben hätte ich eine andere Tageszeit, am besten aber eine Abendzeit gebraucht und einen Rausch der erst kommen sollte. Also sagte ich:
„Mhm." und gleich darauf: „Nichts." als sie fragte:
„Woran denkst du jetzt?"