Was ist neu

Thema des Monats Tonáli

Mitglied
Beitritt
21.06.2005
Beiträge
296
Zuletzt bearbeitet:

Tonáli

Tonàli

Feuerschein flackerte über die geflochtenen Seitenwände der beiden Langhäuser, die auf ihren Stelzen thronten wie ein gedrungenes Königspaar. Vom Feuer der Erwachsenen wehten die Düfte des Festtagsbratens und das Lachen und Trommeln des uralten Tete über die Lichtung. Ein Tukan übersah des Fest von seinem Sitz in einem Baum inmitten des ansonsten dunklen, undurchdringlichen Dschungels.

Am Kinderfeuer tollten begeistert die Kinder, die heute auch lange nach Einbruch der Dunkelheit noch nicht ins Schlafhaus geschickt worden waren. Kichernd spielten sie die Jagden und rituellen Tänze der letzten Tage nach.

Die Trommeln wurden lauter und schneller, und die Jugendlichen, die das erste Mal am Erwachsenenfeuer sitzen durften, erhoben sich zu ausgelassenem Tanz.

Das war das Zeichen für die Älteste, sich zurückzuziehen. Aber zuerst... Schmunzelnd schlurfte sie auf das Kinderfeuer zu, wo prompt alles Toben und Kichern erstarb. „Die Tene kommt!“ flüsterten die Kleinsten scheu. Doch die Älteren rannten aufgeregt auf die gebeugte Gestalt zu und zogen sie am Arm mit sich: „Tene, Tene, erzähl uns eine Geschichte!“
Die Alte setzte sich am Kinderfeuer nieder und fragte verschmitzt: „Und welche Geschichte wollt ihr denn hören?“ ,obwohl sie natürlich genau wusste, welche Geschichten gefordert werden würden. „Erzähl die Geschichte vom Prinzen Mitihuìctl und den eisernen Dämonen!" "Bitte bitte, die Geschichte von der Blumendame!“ "Nein, nein, die von dem Puma und dem Quetzal, die ist gut!" Die Kinder schrien und bettelten wild durcheinander und verlangten ihre Lieblingsgeschichten. Aber die Tene hatte andere Pläne: Eine Geschichte gab es, die schon lange, vielleicht zu lange nicht mehr erzählt worden war, und nicht in Vergessenheit geraten durfte.
Endlich bedeutete die Tene ihnen zu schweigen, und als die Kinder mit erwartungsvoll aufgerissenen Augen und Mündern an ihren Lippen hingen, begann sie: „Ja, die Geschichte von dem Puma und dem Quetzal ist eine gute Geschichte, und auch die vom Prinzen und dem Eisendämonen.
Heute aber, meine kleinen Vögelchen, heute berichte ich euch von Tonáli, denn es ist eine wichtige Geschichte. Eine lehrreiche Geschichte. Oh, schaut nur nicht so, sie wird euch gefallen. Hört gut zu...." Die Alte hob ihre Arme, und alles Gemurmel verstummte.

"Lauscht, Kinder! Hört auf die Geräusche des Waldes, der euch umgibt! Das Zirpen, das Kreischen, das heisere Gezeter der Brüllaffen, das Krächzen des Tukans.. Es umgibt euch wie ein Schleier in einer Nacht wie der heutigen, wie die Geister der Verstorbenen wehen sie um unser Dorf. So eine Nacht war es auch, als ich fortging, um den Tonáli in unsere Welt zurück zu bringen.

Man nannte mich damals Zànya, und ich war jung und stark, nicht so buckelig und zittrig wie ihr mich heute seht.
Mit dem Tete, den man damals Zàa nannte, und der unser Zauberer war, war ich zu den Wasserfällen im Norden gereist, um den Göttern das jährliche Opfer darzubringen und meine Taschen mit der heiligen geölten Asche zu füllen. Wie stolz war ich!

Doch was für ein Schrecken erwartete uns, als wir zurückkehrten! In unserer Abwesenheit war unser Dorf von schrecklichen eisenbewehrten Dämonen überfallen worden. Ihr habt von ihnen gehört: Sie kamen von weit her, von hinter den Bergen, von hinter dem östlichen Meer sogar. Eingesperrt in ihre glänzenden Rüstungen wüteten sie in unserem Wald und unserem Dorf. Ihr Begehren waren Gold und junge Frauen. Beides nahmen sie sich, und die jungen Männer töteten sie oder nahmen sie mit als ihre Sklaven. Nur die Alten und die Kinder hatten überlebt.

Als der Tete das Ausmaß des Schreckens begriffen hatte, wurde er von tiefer, schwarzer Verzweiflung gepackt. Er hätte hier sein müssen, das zu verhindern! Und er versteckte sich in seiner Hütte und sprach mit niemandem mehr.
Seine Angst und Verzweiflung jedoch steckte die anderen Bewohner an: Denn was, wenn die Dämonen zurück kämen, und der Tete würde sie in seiner Verzweiflung wieder nicht schützen können? Eine rätselhafte, undurchdringliche Nacht senkte sich über das Dorf, die kein Sonnenlicht durchbrechen konnte.

Da erinnerte ich mich der Sage von Tonáli: Es gäbe im Herzen des Waldes die smaragdene Pyramide Guayabo, bewacht vom Herrn Pfefferfresservogel, vom Herrn Jaguar und der Dame Tapir. Und in diesem Hügel befände sich Tonáli: Der Große Wunsch. Und wenn man den Wächtern entgehen könnte, dann würde der Wunsch in Erfüllung gehen.
Ich wusste nicht recht, was der Große Wunsch eigentlich war, aber eins wusste ich: Wir alle hier im Dorf brauchten etwas, was uns wieder Kraft geben würde, und Zàa brauchte neuen Mut, um uns schützen zu können. Und so machte ich mich in einer Geisternacht auf den Weg, denn der Weg ins Herz ist nur in den Geisternächten begehbar.

Der Mond schien fahl auf mich herab. Um mich herum spürte ich die Geister der Ahnen, kalt und schaurig, und die Brüllaffen riefen mich in ihr luftiges Reich. Nebelfetzen hingen zwischen den Ranken und Bäumen, und die Luft roch modrig.
Ich war keine Kriegerin, und auch nicht besonders wagemutig. Ängstlich stolperte ich über die verwucherten Pfade, die zur Pyramide führten, und mein Herz schlug einen rasenden Takt.

Als der Mond am höchsten stand und den Nebel weiß erstrahlen ließ, hörte ich etwas, das mir das Blut in der Adern gefrieren ließ: Das Brüllen eines Jaguars in den Bäumen!
Wie gelähmt vor Angst hob ich mein Gesicht den Baumwipfeln entgegen. Dort, direkt über mir, saß auf einem Ast der ungeheuerlichste Jaguar, den ich je gesehen hatte: Seine gold-gefleckte Schwanzspitze zuckte auf und ab, und sein rubinrotes Maul war drohend aufgerissen. Am schrecklichsten jedoch waren seine Augen: Kalte Menschenaugen starrten aus dem Gesicht des Untieres!
Geschmeidig sprang es auf den Pfad vor mir. So groß war der Jaguar, dass sein Gesicht auf einer Höhe mit dem meinem war. Widerlicher Atem blies mir in die Nase.

„Ich bin Tequìua, der Kriegsherr, der Herr Jaguar. Sprich, was tust du hier, und wie nennt man dich, Menschentochter?“ fauchte er, und seine Zähne blitzen im bleichen Mondlicht.
„Zànya, Herr. Ich... ich suche nach Guayabo. Mein Dorf braucht den Großen Wunsch, und ich bin die Einzige, die ihn noch suchen gehen kann“ ,antwortete ich mit vor Angst stockender Stimme.
„Nun, dann weißt du, dass ich die Pyramide bewache. Kehre zurück in dein Dorf oder stelle dich mir zum Kampf.“ Das Untier spannte seine Muskeln wie zum Sprung, und sein stinkender Odem umgab mich wie eine Wolke.
Was sollte ich tun? Ich konnte den Herrn Jaguar niemals besiegen. Seine Pranken waren ebenso groß wie mein Kopf, und seine Zähne scharf wie Speerspitzen. Er würde meinen schmalen Körper mit einem Hieb zerfleischen!

Verzweifelt suchte ich nach einem Ausweg, einem Versteck, doch die Augen des Jaguars sind scharf, und er beobachtete jede meiner Bewegungen. Wenn er mich nur nicht sehen könnte! Ach, wenn Zàa und ich doch nie zu den Opferritualen im Norden gereist wären! Záa hätte das Dorf schützen können!
Schon wollte ich verzagen und unverrichteter Dinge in mein Dorf zurückkehren, da kam mir eine Idee. Hastig blickte ich zu Boden, damit Herr Jaguar das freudige Aufblitzen meiner Augen nicht sehen konnte.
Ich nickte dem Herrn Jaguar zu und antwortete so ruhig ich konnte: „Ihr habt Recht, Herr Tequìua. Ich kann Euch nicht besiegen, und deshalb kehre ich zurück in mein Dorf.“ Langsam drehte ich mich um. Noch in der Bewegung jedoch ließ ich meine Hand in meine Tasche gleiten, und ertastete die heilige Asche, die ich von den Wasserfällen mitgebracht hatte. Mit aller Kraft wirbelte ich herum und warf die ölig-ätzende Asche in die Augen des Untiers.
Ich vergeudete keine Zeit damit nachzusehen, ob mein Angriff erfolgreich war, sondern rannte so schnell ich konnte den Pfad in Richtung des Herzens entlang. Immer weiter raste ich, über Wurzeln und Steine, und die Äste und Ranken haschten nach meinen Knöcheln.
Das Blut rauschte in meinen Ohren und vermischte sich mit dem schon fernen Schmerzgebrüll des Jaguars, als ich einen Fluss erreichte.

Der fahle Mond schimmerte in den reißenden Fluten des Wassers. Ich konnte sehen, dass der Pfad, dem ich folgen musste, sich durch eine enge Bresche am anderen Ufer schlug und dann im dichten Dschungel verschwand. Neben der Bresche stand mit funkelnden Augen die Dame Tapir, die Spötterin. Boshaft rief sie zu mir herüber: „Zànya, Menschentochter, du willst diesen Fluss überqueren? Sieh dir die Strömungen an, sieh die saugenden Strudel und die strudelnden Söge. Du wirst ertrinken, dummes Menschenkind!“ Spöttisch reckte sie ihren schwarzen Rüssel in die Luft.
Ich versuchte, nachzudenken: Wie, wie nur sollte ich den Fluss überqueren? Unwillkürlich sah ich mich nach losen Baumstämmen um.
“Oh, das Menschlein denkt nach, es versucht, sich etwas zusammen zu reimen! Lächerlich! Ein Baumstamm, nicht wahr? Das denkst du. Oh, schon viele vor Dir haben das versucht, und Klügere als du!“ , höhnte die Dame Tapir, und fügte mit glitzernden Äuglein hinzu: „Ihre Gebeine liegen auf dem Grund des Flusses, viele Meilen von hier. Der Fluss reißt sie mit sich, die Toren, und spuckt sie aus, zerschunden und zerschlagen, wenn er genug mit ihnen gespielt hat.“ Dann wurde ihr Ton vertraulich: „Auch du, Zànyachen, wirst so enden, bleiche Gebeine in braunem Schlamm.“
Elend starrte ich in die Wogen. Immer tobendender und tödlicher schienen sie mir, je länger ich der Dame lauschte. Hatte sie nicht Recht, die Dame Tapir? Wollte sie mich nicht nur vor einer großen Torheit bewahren?
Doch ich schüttelte den Gedanken ab: Das Dorf brauchte mich, und wenn nicht mich, so doch den Großen Wunsch. Ich musste einen Weg finden.

„Ah, ein ganz entschlossener Fratz bist du also! Glaubst, ausgerechnet du wirst schaffen, was vor dir noch keinem gelungen ist! Wie töricht! Wie dumm und lächerlich! Hör auf mich, hör auf die Dame Yoáli!“ schmähte die Spötterin vom anderen Ufer. Aber ich hörte nicht hin. Ich holte tief Luft und betrachtete die Bäume an meinem Ufer. Und tatsächlich: Eine Ranke, ein biegsamer junger Baum. Ich machte mich ans Werk, taub für den Spott, der sich vom anderen Ufer her über mich ergoss.

Ich schnitt die Ranke mit einem scharfen Stein, und band sie an einen geraden und starken Ast, den ich vorne zuspitzte. Dann schleuderte ich den Ast wie einen Speer mit aller Kraft, so dass er sich einen Fuß weit in die Erde am anderen Ufer bohrte. Das lose Ende der Ranke band ich fest um den jungen Baum und sprach ein Stossgebet zu Quetzalcoátl, der Gefiederten Schlange.
Noch immer konnte ich die Dame Tapir keckern hören, doch ich sammelte meinen ganzen Mut und packte die Ranke mit beiden Händen. Dann ging ich, Schritt für Schritt, ins tobende Wasser. Ein stechender Schmerz jagte in meine Lunge, als meine Brust ins Wasser glitt. Fast wären mir die Sinne geschwunden, so kalt war es. Schon bald fühlte ich keinen Grund mehr unter meinen vor Kälte tauben Füssen und klammerte mich mit aller Macht and die Ranke, an der ich mich Elle für Elle, Fuß für Fuß entlang hangelte. Die ganze Zeit rissen und zogen Strudel an mir und beutelten gewaltige Strömungen meinen Körper. Ich fühlte, wie mich meine Kräfte verließen, und gerade als ich glaubte, nicht mehr atmen zu können, ertasteten meine Zehen erdigen Boden.
Als ich schließlich das Ufer erreichte, sackte ich, keuchend und zitternd, am Ufer zusammen. Erst als ich wieder ohne Schmerzen atmen konnte, sah ich mich um und erkannte, das die boshafte Spötterin Tapir verschwunden war.

Schließlich erhob ich mich und setzte zitternd meinen Weg fort. So schrecklich waren die ersten beiden Wächter gewesen, und doch wusste ich, das der Dritte noch auf mich wartete: Der Herr Pfefferfresservogel. Bei jedem Schritt lauschte ich gehetzt auf Geräusche. Doch nichts tat sich. Der Mond stand schon tief am Himmel. Tiefe Stille lag über dem Wald, kein Tier, kein Vogel, kein Lüftchen regte sich. Verbissen setzte ich meinen Weg fort.

Der Nebel war gesunken und wogte weich um meine nackten Füße. Wo war der Herr Pfefferfresservogel, der Zermürber? Mit jedem Moment wurde ich nervöser. Jedes Knacken unter meinen Füssen ließ mich zusammenfahren, und einige Male schien mir, als sähe ich aus den Augenwinkeln etwas Riesiges, Buntes durch die Baumwipfel streichen.
Stunden vergingen, in denen ich fahrig den Pfad entlang stolperte, immer mich um mich selbst drehend, um meine Umgebung im Auge halten zu können. Schweiß brach mir aus, trotz der Kälte, die mein Herz gepackt hielt.
Da! Blitzschnell drehte ich mich um, als ich ein Keckern in den Wipfeln vor mir hörte.

Doch nichts geschah. Das Blut pochte in meinen Schläfen. Hatte ich mich geirrt? Langsam schlich ich ein paar Schritte weiter, ehe mich ein neuerliches Krächzen herumfahren ließ, diesmal aus der entgegengesetzten Richtung. Ich glaubte, den Verstand zu verlieren. Wo? Wo war der Zermürber? Waren nicht die ersten Aufgaben schrecklich genug gewesen? Was erwartete mich jetzt, das diese Entsetzlichkeiten noch übertreffen sollte?
Zermürbt vor Angst und Erschöpfung begann ich zu weinen. Mir war kalt, und ich war so müde! Ich konnte es nicht schaffen, niemals würde ich Tonáli in mein Dorf bringen können! Ich war zu schwach, zu feige um meinen Leuten helfen zu können. Entmutigt drehte ich mich um und wollte mich auf den Rückweg begeben. Zàa wäre nicht zurückgegangen!, schoss es mir da durch den Kopf.
Unschlüssig verharrte ich auf dem mondbeschienen Pfad. Wieder glaubte ich, den Herrn Pfefferfresservogel zu hören. Da atmete ich tief ein und ballte meine Hände zu Fäusten, um meinen letzten Mut zusammenzukratzen. „ Wo seid Ihr? Zeigt Euch, Zermürber! Kommt heraus!“ schrie ich in die stille Nacht hinein.
Nichts regte sich, und der Nebel schluckte gemächlich meine Worte.
„Zeigt Euch endlich! Kommt und stellt mir die letzte Aufgabe!“
Noch immer nichts.
Ich schloss die Augen und flüsterte: „ Kommt heraus! Ich stelle mich Euch!“

Da begann ein Wind zu wehen, der heulend den Nebel vertrieb und rauschend durch die Blätter des Waldes fuhr. Und direkt vor mir saß auf einem tiefen Ast, bunt und herrschaftlich, der riesige Herr Pfefferfresservogel.
Milde betrachtete er mich mit seinem goldenen Blick und sagte schließlich sanft: „ Zànya, Menschentochter, du bist tapfer, und du bis klug. Das ehrt dich, mein Kind.
Nur eine Aufgabe liegt noch vor Dir, dann sollst du Tonáli haben. Es ist ein Rätsel: Was, denkst du, ist Der Grosse Wunsch?“ fragte er freundlich. Erschöpft starrte ich den Herrn Pfefferfresservogel an, sein rotes und schwarzes Gefieder und seinen furchterregenden Schnabel. Was hatte ich nicht alles durchgestanden in dieser Nacht... Angst vor dem Herrn Jaguar, dem ich nichts entgegen zu setzen gehabt hatte, die spottende Dame Tapir, die mich fast von meiner eigenen Schwäche überzeugt hätte, die Ungewissheit der letzten Stunden... Und dann wusste ich es. Ich verbeugte mich vor dem weisen Herrn Cuachic, und antwortete mit Bedacht, denn der Weg hierher und die Art der Aufgaben hatten mich gelehrt, was der Große Wunsch war, was er sein musste.

Da lachte der Herr Cuachic fröhlich, nickte und geleitete mich in den ersten goldenen Sonnenstrahlen des neuen Tages in die smaragdene Pyramide Guayabo. Dort befand sich in einem smaragdenen Nest ein goldenes Ei. Der Herr Pfefferfresservogel übergab es mir und brachte dann mich und das Ei auf seinen gewaltigen Schwingen ins Dorf zurück.

Noch während das Dorf sich versammelte, um das Ei zu bewundern, brach es, und ein winziger, kahler Tukan, wie ihr den Pfefferfresservogel nennt, schlüpfte. Er schmiegte sich in meine Hand, und sang: Es war dieser Gesang, der die Dunkelheit von unseren Gemütern nahm, auch von Zàa’s. Wie flüssiges Gold ergoss sich der Tag in unser Dorf, und brachte Mut und Hoffnung.
Zàa kam aus seiner Hütte, und verbrachte die nächsten Tage und Nächte im Gespräch mit den Dorfbewohnern, und schon bald hatte er eine Idee: Er errichtete um das Dorf und viele fruchtbare Gebiete ein magisches Feld, das uns heute von der Außenwelt abschirmt. Die Dämonen werden uns nie wieder finden, noch sonst ein Feind, denn für den Krieger und Zerstörer ist das Schild, ist der Dschungel undurchdringlich.
Und das, ihr kleinen Waldgeister, ist das Ende der Geschichte.“

Sofort brach der übliche Tumult los. Die Kleinen, die sich aufgeregt an den Händen gehalten hatten, sprangen auf und riefen wild durcheinander: „Tene, Tene, was war der Wunsch?“ „ Ja, was, was?“ „Und der Tukan?“ „Woher hast du es gewusst?“

Die Älteste kicherte vergnügt. „Patòli, Töchterchen, sag du es!“ forderte sie die Älteste unter den Kindern auf. Sie würde nächstes Jahr in den Kreis der jungen Frauen aufgenommen werden, und war die Einzige, die die Geschichte schon einmal gehört hatte. „Hoffnung!“ strahlte das Mädchen begeistert. „Weil es das war, was das Dorf am dringensten brauchte. Und weil es Hoffnung war, die die Tene brauchte, waren die Wächter Hoffnungsschlucker!“ belehrte sie die Jüngeren. „ Übermacht, Spott und dauernde Ungewissheit!“ „Sehr schön, Mädchen.“ Die Tene gluckste zufrieden. „Und jetzt ab ins Schlafhaus mit euch! Husch, husch!“ Kichernd und fröhlich verschwanden die Kinder nach und nach im linken der beiden Stelzhäuser.

Die Älteste sah noch einmal zurück auf die Menschen, die um die Feuer versammelt saßen. Wehmut lag in ihren dunklen Augen.
Jetzt würde sie sich zurückziehen, in dem guten Wissen, dass die Hoffnung auch in der Generation der Jüngsten nicht sterben würde.

In der Ferne sang ein Tukan sein Lied.

 

Hallo miteinander!
So, jetzt hab ich auch mal wieder was geschrieben... Ich denke, es passt zum Thema, aber wie das im Thema-Thread schon steht, da kann man drüber streiten. Also los! ;-)
Ansonsten ist die Geschichte sehr lang. Ich hoffe, manch einer liest sie trotzdem und zaudert nicht mit Verbesserungsvorschlägen.

Liebe Grüße
ardandwen

 

Hallo ardandwen,
ich hab die Geschichte gern gelesen - ich fand das alternative Setting gut umgesetzt, die Geschichte hätte ohne den Schutzschild am Ende auch gut in Historik gepasst, ich fühlte mich an irgendwelche amazonasindianischen Märchen erinnert (jedenfalls so, wie ich mir amazonasindianische Märchen vorstelle :D).
Das einzige, was ich zu bemängeln habe, ist der fehlende Konflikt. Die Alte scheint den Kindern diese Geschichte zu erzählen, damit sie nicht in Vergessenheit gerät. Da könntest du ein bisschen nachlegen - dass die Kinder vielleicht zuerst eine andere Geschichte hören wollen oder so. Dass die alte Frau befürchtet, dass sie trotzdem vergessen wird. Irgendwie sowas... :)

gruß
vita
:bounce:

 

Hallo vita!

Danke fürs prompte Lesen. Freut mich, das sie dir gefällt. ;-D
Mit dem Konflikt werd ich dann mal noch rumbasteln, klingt nach einem guten Vorschag.
Liebe Grüße
ardandwen

 

Hallo ardandwen!
Gehe ich recht in der Annahme, dass du Gary Jennings’ „Azteken“ gelesen hast? Zumindest die Wahl der Namen würde mich das vermuten lassen :)
Mir hat deine Geschichte gut gefallen (auch wenn ich sie, anders als vita, nicht am Amazonas, sondern eher in Mittelamerika ansiedeln würde), im Prinzip eine klassische Märchenstruktur (drei Aufgaben), aber schön erzählt. Das Setting ist für meine Begriffe alternativ genug, vor allem Herr Jaguar, Dame Tapir und Herr Pfefferfresservogel tragen dazu bei, dass die Erzählung sowohl exotisch als auch irgendwie authentisch wirkt. Schön auch das Ende mit dem kleinen Tukan und – vor allem – die Erklärung des Großen Wunsches.
Können Tukane singen? ;)
Der Hügelname Guayabo passt für mein Empfinden nicht ganz in die ansonsten aztektische Sprachwelt, aber das ist eigentlich nicht sonderlich wichtig.
Gerne gelesen.
Liebe Grüße
Ciao
Malinche

 

Hallo Malinche,

Schön, dass es dir auch gefallen hat. Hurra! Hatte die Geschichte schon länger im Kopf.
"Der Atzteke " meinst du, oder? Ja ;-) Da hab ich mir die Namen entliehen.
"Guayabo" ist übrigens eine authentische Ausgrabungsstätte in Costa Rica, ist also tatsächlich nicht Atztekisch, dafür aber gebührend geheimnisvoll. Dafür trifft Mittelamerika ins Schwarze.
Ich glaube Tukane können eigentlich nicht singen, nur krächzen oder tukken oder so *g*, künstlerische Freiheit....

Liebe Grüße
ardandwen

 

Hallo Ardandwen!

Mir hat die Umsetzung des Themas sehr gut gefallen! Wie fies von dir, dass ich mich wieder nach Mittelamerika sehnen muss nach dieser Geschichte! :D

Tja, es war eben ein typischer Märchenplot, aber daran ist nichts auszusetzen, solange die Umsetzung gelungen ist.

Einzig die Szene mit dem Schutzschild wird nach meinem Geschmack zu schnell abgehandelt. Ein paar Sätze mehr dazu hätten mich interessiert. Aber vielleicht wird das ganze dann zu "technisch"...

Liebe Grüsse
sirwen

 

Hi sirwen!

Danke für deine Antwort, freut mich ja ungemein, dass ich Mittelamerikasehnsucht wecken konnte *fiesgrins* Wann warst da denn und wo?

Okay, mit der Szene mach ich was, die wirkt tatsächlich etwas...abgehandelt um zum Ende zu kommen.
Kommt dann gemeinsam mit Vitas Vorschlag, setz mich so bald wie möglich dran.

Freut mich, dass es gefällt.

Liebe Grüsse
ardandwen

 

Hallo ardandwen,

mir hat Deine Geschichte sehr gut gefallen. Wie immer hast Du sehr schön und mitreißend geschrieben, die Personen hätten ruhig noch etwas detaillierter sein können, aber so war es auch schon gut.
Am besten hat mir die Stelle mit Dame Tapir gefallen (ich finde Tapire klasse, im Zoo stehe ich immer minutenlang an ihrem Gehege) und das Tukanküken (niedlich!).

Zu Anfang könntest Du nachmal schauen, ob Du die Anzahl der Adjektive nicht ein wenig reduzieren kannst, später wird das dann besser.

Insgesamt eine schöne Geschichte mit einer zu herzen gehenden Moral.

Details:

Aber zuerst ...
Eine Ellipse hat immer ein Leerzeichen davor (zumindest, wenn sie für mehrere Wörter steht) und genau drei Punkte. Kommt noch ein paar mal.
und der Tete in seiner Verzweiflung konnte sie wieder nicht schützen?
Besser: "und der Tete in seiner Verzweiflung sie nicht schützen könnte?"
Als der Mond am höchsten stand
die ihn noch suchen gehen kann[kein Punkt],[Komma] antwortete ich

Grüße,
Naut

 

Hallo Naut!

Danke auch für deine Antwort und -aber holla!- as nette Kompliment.
Hab noch mal drübergeschaut, versucht noch ein paar Persönlichkeitsdetails rein zu bekommen, wobei ich da vorsichtig sein wollte, um den Märchencharakter nicht zu gefährden.
Deine anderen Anmerkungen hab ich übernommen.

@ vita: Sorry, hab ne Weile drüber nachgedacht, aber ich denke, der Konflikt wie du ihn vorschlägst, passt nicht so gut rein. Und Konflikte hatte die junge Zànya ja schon genug, da muss sich die arme Alte nicht auch noch mit den frechen Enkeln quälen, finde ich ...:-)

@ sirwen:
Ich habe noch ein paar Sätze zum Schutzschild reingebracht. Hoffe, es gefällt dir besser!

 

Hallo ardandwen,

nachdem du etwas zu meiner Geschichte geschrieben hast, wollte ich es mir nicht nehmen lassen, meinerseits etwas zu deiner zu schreiben.

Zunächst mal finde ich sie gut geschrieben. Wie die alte Frau am Feuer erzählt, da hab' ich die Flammen beinahe knistern hören, um es mal so zu sagen ;). Auch die Berichte über die Aufgaben, die die Prot bewältigen muss, sind gut gelungen und die Auflösung fand ich leicht überraschend und gut gelungen, wobei auch mir ein Grund fehlt, warum die Älteste die Geschichte erzählt. Anscheinend haben die Kinder sie ja schon des Öfteren gehört. Möglicherweise könntest du einflechten, dass es so etwas wie ein allabendliches oder allfesttägliches Ritual ist.

Aber auch so finde ich die Geschichte sehr gut :).

be_water

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Be_water!

Danke erstmal für Deine Antwort, freut mich sehr, dass du sie gelungen findest. :)
Hmm, ich seh schon... Ich werd da doch noch was mauscheln müssen mit dem Anlass. Vita hatte ja schon was in der Richtung vorgeschlagen. Jut, dann werd ich mich die Tage mal ans Werk machen.

Viele liebe Grüsse
ardandwen

 

So, liebe Leute,

Jetz hab ich nochmal ein bisschen rumgedoktert. Hoffe, es gefällt ;-)

Liebe Grüsse
ardandwen

 

Ja, in meinen Augen ist die Geschichte jetzt besser. Nur wie du bei mir eine fitzelige Winzigkeit hast, hab ich auch eine ;).

Ihr sollt sie hören...

Irgendwie finde ich das als Einleitungssatz für die Geschichte, die sie erzählt, nicht so schön. "Hört gut zu..." würde mir vielleicht besser gefallen, aber das ist, wie gesagt, nur eine fitzelige Winzigkeit. Ansonsten finde ich die Geschichte nun so: :thumbsup:.

be_water

 

Hallo ardandwen!

Ich war mir ja erst nicht sicher, ob das die Geschichte mit Thema Hoffnung war, die du bei der Bewertung meiner Geschichte erwähnt hast, aber ich habe sie einfach mal gelesen und erfreut festgestellt, dass sie es tatsächlich ist. Mich würde interessieren wie du auf den Titel gekommen bist. Heißt "Tonáli" in irgendeiner Indianersprache so etwas wie "Hoffnung"?
Mir hat die Geschichte gut gefallen, besonders das Ende. :thumbsup:
Etwas überrascht war ich, als Zànya erklärt, dass sie keine Kriegerin und nicht besonders tapfer war, da sie vorher gesagt hat, sie sei "jung und stark" gewesen. Okay, das ist nicht wirklich problematisch, aber ich hatte da halt irgendwie den Eindruck sie sei eine Art Kriegerin. Was ich auch nicht so ganz glaubwürdig finde, ist die Tatsache, wie sie die zweite Prüfung besteht, nachdem sie behauptet hat nicht sehr tapfer zu sein. Immerhin scheint das doch eine Prüfung der Tapferkeit zu sein und die besteht sie, wo viele andere scheiterten.
Etwas schade finde ich, dass du die "Geisternacht" nicht weiter ausgebaut hast. Ihre Erwähnung macht das Ganze ein wenig gruseliger, aber letztendlich kommt ihr keine Bedeutung zu. Ich meine nicht, dass du sie deshalb rausnehmen solltest, aber ich hätte es schön gefunden, wenn die Geister der Ahnen mehr getan hätten als Zànya zusätzliche Angst einzuflößen. Vielleicht hätte man das auch irgendwie damit verbinden können, dass mit dem Großteil des Dorfes wahrscheinlich auch Personen verschwunden sind oder getötet wurden, die Zànya sehr nahe standen. Ihre Eltern vielleicht? Während ich die Geschichte gelesen habe ist mir nicht negativ aufgefallen, dass von ihnen nicht die Rede war, aber im Nachhinein erscheint es mir doch seltsam, dass sie nicht erwähnt werden (gilt genauso für Geschwister und Freunde, nur dass die vielleicht noch nicht mit den Ahnen durch die Geisternacht wandern können). Allerdings würde es vielleicht auch zu sehr vom Schwerpunkt der Geschichte ablenken, darauf einzugehen. Schließlich will die Tene den Kindern ja Hoffnung machen und keine Angst. :)
Zwei kleine Anmerkungen noch zu Rechtschreibung und Grammatik:
"hinter dem östlichem Meer" -> Ich hätte gesagt es muss "dem östlichen" heißen, aber je öfter ich drüber nachdenke, desto unsicherer werde ich mir :hmm: .
"der Grosse Wunsch" -> zumindest nach Neuer Rechtschreibung mit "ß".
So und jetzt genug der Kritik, schließlich hat mir die Geschichte wie schon gesagt gut gefallen :) .
Übrigens, ob Tukane singen können oder nicht, ist mir so was von egal - ich liebe diesen singenden Tukan! :D

Gruß, Tolkiens Padawan

 

Hi Tolkiens Padawan,

Danke für's Lesen und für gut befinden!

Ja, Tonàli heisst etwas in Atztekisch, aber nicht genau Hoffnung, eher Schicksal oder so. Ich hab mir die Freiheit genommen... ;-)

Etwas überrascht war ich, als Zànya erklärt, dass sie keine Kriegerin und nicht besonders tapfer war, da sie vorher gesagt hat, sie sei "jung und stark" gewesen.

Naja, also ich denke schon, dass jemand jung und stark und trotzdem kein Krieger sein kann. Schau mich an: Jung, stark (büsschen jedenfalls), aber keine Kriegerin, solnags nicht um meinen Schlaf geht. :-) Zudem äussert sich ja hier ein alter Mensch über die relative Stärke der Jugend, die sich in Gebrechlichkeit gewandelt hat.

Du findest, dass Tapferkeit eine Menge mit den Augaben zu tun hat. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr gebe ich dir Rcht, ich werde mal "tapfer" in "wagemutig" ändern. Tapfer ist man ja auch oft unfreiwillig, wenn es eben nicht anders geht.

Du hast Recht, der Geisternacht kommt keine Bedeutung zu. Vielleicht sind Geietsrnächte nur Vollmondnächte, oder kehren einmal im viertel Jahr wieder. Vielleicht sagt die Alte es nur, um den Kindern Angst zu machen. Das will ich mal getrost dem Leser überlassen...;-)

Die Grammatik-Rechtschreibfehler werden sofort ausgebessert.

Danke nochmal, und liebe Grüße,

ardandwen

 

Hi ardandwen,

tja, schon lange gelesen und trotzdem nie was gesagt. Asche auf mein Haupt. Nu bin ich selber schuld, wenn ich nix mehr Innovatives hinzuzufügen hab.

Dein Szenario hat mich wirklich sehr angesprochen. Damit hast du wirklich bewiesen, dass gute Fantasy nicht im europäischen Mittelalter spielen muss. Sehr bunt und fesselnd geschrieben.
Der Aufbau ist märchenhaft, was mir an sich sehr gut gefällt. Dagegen hast du eine Prot, die stärker charakterisiert ist als die üblichen Märchencharaktere, das hebt die Geschichte vom Märchenniveau ab. Ist jetzt keine Kritik, nur eine Analyse ;)

Ich hab die Story wirklich gerne gelesen, sie ist stilistisch schön, anschaulich und hat genau den richtigen Grad Spannung.

Liebe Grüße,

Ronja

 

Hi Felsenkatze,

Das freut sehr, dass du die Geschichte gut findest. Und du hast sie sogar empfohlen!
*rot-werd-und-in-die-Luft-spring* Wow! Das haut mich scho a weng um!

Glückliche Grüße
ardandwen

 

Hi ardandwen,

nachdem ich den ersten absatz etwas holperig fand, hast du mich nachher sehr tief in deine geschichte hineingezogen. Super Sprachgefühl, sehr realistische Darstellung, echt spannend. Endlich mal wieder etwas, dass ich unbedingt bis zum Ende lesen wollte mit der Frage: was kommt denn jetzt??

Und die Auflösung rundet die Geschichte sehr schön ab - sehr passend, nachvollziehbar und (das wichtigste) Schön!

Zum ersten Absatz: im zweiten Satz stecken mir zuviele Infos drin, die Mehrzwahl "wehten" verwirrt mich beim lesen, auch wenn sie korrekt ist und sich am Ende des Satzes auflöst.

Ein Tukan übersah des Fest von seinem Sitz in einem Baum mitten im ansonsten dunklen, undurchdringlichen Dschungel.

hier würde ich zumindest ändern: "INmitten DES ansonsten dunklen, undurchdringlichen DschungelS"..

ansonsten wie gesagt: eine sehr schöne Guten-Morgen-Geschichte.

lg, streicher

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom