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Tote Seele
Tote Seele
Inspektor David Green kniete über der Leiche des staatlich bekannten Finanzexperten Robert Chield und betrachtete mit gewohnt gelangweiltem Blick den sauber ausgeführten Schnitt entlang der Kehle des Opfers. „Bereits das dritte Opfer mit durchschnittener Kehle in dieser Woche.“ Die Stimme im Rücken des Inspektors gehörte zu einem der besten Spurenermittler seines Teams, Mark Livingston. „Wenn es sich um den gleichen Täter handelt wovon ich auf den ersten Blick ausgehe, dann sind unsere Chancen Spuren am Tatort zu finden sehr gering, dieser Kerl ist einfach zu clever.“ Green hatte sich seinem Ermittler zugewandt und erahnte an der Art in der Livingston zu ihm sprach, wie verzweifelt er sein musste. „Keine Sorge, Mark, jeder Täter hinterlässt irgendwann Spuren an einem Tatort, wir werden den Kerl schon kriegen.“ Alle die Green näher kannten, und das waren automatisch alle die für ihn arbeiten, denn ein Privatleben führte der Inspektor nicht, bewunderten ihn für seinen kühlen fast herzlosen Charakter durch den es ihm möglich war fast jeden Fall aufzuklären. „Ich hoffe Chef, dass sie dieses mal unseren Täter nicht unterschätzen.“ Doch Green war sich ganz sicher, dass an diesem Tatort spuren zum Täter führen würden, schließlich hatte er selbst am Abend zuvor den Tatort fingiert, nachdem er Chield die Kehle mit einem sehr präzisen Schnitt durchtrennt hatte.
„Da sind sie ja endlich McAllister!“ Ein junger und durchtrainierter Mann, ende zwanzig, mit blonden kurzen haaren und einem markanten Gesicht betrat den Raum. Green reichte ihm die Hand und tat auf höflich, er war ein guter Schauspieler, dass glaubte er zumindest zu sein. In Wirklichkeit war ihm dieser junge und aufstrebende Ermittler zu tiefst suspekt, er stellte einfach zu viele Fragen, dass war Green schon seit Jahren nicht mehr gewohnt. „Was haben wir hier bisher?“ Die Stimme passte ganz und gar nicht zum Aussehen McAllisters, sie war tief und wirkte extrem alt, vielleicht war er einfach nur erkältet seitdem er den Dienst vor einigen Tagen in seinem Team begonnen hatte dachte Green. „Nun ja nicht viel bisher junger Mann, Livingston ist noch mit der Leiche beschäftigt, ich würde vorschlagen wir sehen uns die Räumlichkeiten mal etwas genauer an.“
Als Green seinen Schatten endlich im Bad des Opfers losgeworden war, steuerte er zielstrebig auf die von ihm platzierten Spuren im Mülleimer zu. Für einen Moment musst er wieder an den gestrigen Abend denken. Er hatte sich wieder einmal wie schon bei den zwei Morden zuvor den einfachsten aller Zugänge zu seinem Opfer gesucht, er hatte an der Haustür geklingelt. Nachdem er sich als Inspektor vorgestellt hatte und unter dem Vorwand einige Fragen zu kürzlich in diesem Viertel geschehenen Vergewaltigungen an Minderjährigen stellen zu müssen in das Haus gelangt war, stellte er zunächst fest, dass Chield alleine war. Nach einigen Routinefragen unternahm er einen kleinen Ausflug auf die Toilette um nach einem geeigneten und möglichst logischen Platz für die fingierten Spuren zu suchen. Als er zurückkehre schlitze er Chield in einem günstigen Moment von hinten die Kehle auf. Es war so einfach gewesen und nach wenigen Sekunden hatte sein Opfer auch den letzten Odem des Lebens ausgehaucht. Die Leute waren einfach zu gutgläubig dachte sich Green aber wie sollten sie auch Misstrauen hegen gegen einen leitenden Inspektor der hiesigen Behörde.
Nachdem Green bei den ersten beiden Morden keinerlei Spuren zurückgelassen hatte musst er diesmal einfach eine fingierte Spur legen. Gut dass er öfters auch mit Einsätzen im Drogenmilieu zutun hatte. Die kleinen Hautschuppen die er am Blutverschmierten Tuch nun aus dem Mülleimer des Bades zog, würden die Ermittler kurz aufhorchen lassen, Hoffnung würde aufkeimen, der Täter hatte einen Fehler gemacht. Allerdings nur solange bis sich rausstellen würde, dass die Hautschuppen einem kleinen kiffenden Dealer von der Straße gehörten, der vermutlich schon längst an einer Überdosis drauf gegangen war. „Inspektor, haben sie da was gefunden?“ Da war er schon wieder, dieser McAllister, dachte Green. Der junge, sportliche Ermittler tippte Green auf die Schulter, „Inspektor, alles in Ordnung bei ihnen?“ „Ja sicher doch, rufen sie Livingston zu mir, ich denke ich habe hier etwas gefunden, dass uns weiterhelfen wird!“
Als Inspektor Green durch das verspiegelte Glas schaute, sah er einen kleinen hilflosen und völlig irritierten jungen Mann mit verschmutzen Klamotten und völlig aufgedunsenem Gesicht an einem blanken Metalltisch sitzen. Neben ihm einer der besten Verhörspezialisten, der extra für diesen Fall von ganz oben geschickt wurde und den Dealer knacken sollte. Und genau das würde ihm jeden Moment gelingen, der junge Mann würde alle drei Morde gestehen, er hatte sicher schon von den Einzelheiten der Tat gehört. Die Polizei war einfach nicht mehr die sichere Quelle die sie eigentlich sein sollte. Green stand neben McAllister und starrte auf das Geschehen. Es war zwar nicht sein ursprünglicher Plan, dass der Dealer gefasst werden würde, aber vermutlich war er im Knast besser aufgehoben als da draußen auf der Straße wo er höchstens noch ein oder zwei Jahre zu leben hatte. Es war Green einfach egal was nun aus ihm werden würde, genau so egal wie es ihm war als er die drei Männer in ihren eigenen Wohnungen getötet hatte. Er empfand nichts, rein gar nichts, und das schon seit Jahren. Menschen töteten andere Menschen, geliebte, gehasste oder sich selbst. Er hatte einfach schon zu viel gesehen und war mit den Jahren völlig taub geworden. Er hatte es selbst bemerkt konnte aber nichts dagegen unternehmen. Früher war er so wie McAllister jetzt: Jung, aufstrebend, engagiert und voller Elan. Aber er bemerkte schnell diese Taubheit in seinem Inneren, die mit den Jahren immer größer wurde. Seine Kollegen bewunderten ihn für diese Fähigkeit, er selbst hasste sich dafür. Er war nicht in der Lage auch nur irgendwas zu empfinden, er hatte es mit Liebe versucht, war aber natürlich daran gescheitert, sein letzter Ausweg war die Ermordung an den drei Männern in den letzten Tagen gewesen. Doch er hatte nichts gefühlt, gar nichts. Plötzlich sprang die Tür auf, Livingston kam auf Green zu und gab ihm die Hand. „Gute Arbeit Chef, diesen Mistkerl hätten wir also, puh dieses Schlitzohr von Konroy hat ihn aber auch ganz schön in die Mangel genommen.“ Tatsächlich, Green hatte gar nicht bemerkt wie das Verhör vor seinen Augen zu ende gegangen war und der junge schließlich unter Tränen die drei Morde gestanden hatte.
Als Green und McAllister nach einer wahren Sinnflut von Gratulationen alleine im dunklen Raum übrig geblieben waren wandte sich McAllister um und flüsterte Green ins Ohr. „Sagen sie mir warum? Warum reicht es ihnen nicht drei Menschen umgebracht zu haben, warum muss nun auch noch ein Unschuldiger dafür büßen?“ Green zeigte keine Reaktion, er verspürte nichts, stattdessen lauschte er weiter gespannt den Worten des jungen Mannes zu seiner linken. „Ich weiß das sie es waren, ich kann es nur nicht beweisen und darüber hinaus komme ich nicht darauf warum sie das getan haben, ich sehe einfach kein Motiv, sagen sie es mir!“ Die Worte hallten durch Greens Körper. Er wünschte sich nichts sehnlicher als es ihm sagen zu können, warum hatte er all das getan, doch er wusste es selbst nicht sicher, er kannte die Antwort darauf nicht.
Als McAllister an diesem Abend zu seiner hochschwangeren Frau Jennifer zurückkehrte kreisten seine Gedanken immer noch um Green. Warum? Sagen sie es mir! Doch Green hatte es ihm nicht gesagt, er war einfach gegangen. Erst als er die warmen und zärtlichen Lippen seiner Jennifer an seiner Wange spürte begann er sich leicht zu entspannen und sein Körper wurde von Wärme durchdrängt.
Auch Inspektor David Green empfand an diesem Abend endlich wieder nach all den Jahren ein Art Regung, ein Gefühl tief in seinem inneren. Auch wenn es nur für den Bruchteil einer Sekunde war, so durchdrang das Gefühl der Befreiung und Erleichterung nachdem er abgedrückt hatte doch seinen ganzen Körper.