Trübes Wasser
Es war ein heißer, schwüler Tag irgendwann im Juni. Walther saß auf einer aufgeheizten Steinbank und düstere Gedanken umschwirrten seinen Kopf wie Wespen ein geschmolzenes Schokoladeneis.
Er starrte auf den Platz vor sich. Ein kleiner, ruhiger Park mitten in der Stadt, mit drei im Boden eingelassenen Brunnen und vier ummauerten Beeten mit unkrautähnlichen Gewächsen, deren Namen Walther nicht kannte. Der kleine Park wurde Rosengarten genannt, auch wenn hier keine einzige Rose wuchs. Die Ratten entwickelten sich im Rosengarten allerdings prächtig.
Sie kamen bevorzugt nachts aus den Löchern zwischen den Mauern, die den Platz umgaben, gekrochen und Walther hatte eines Abends mit Erschrecken feststellen müssen, dass einige der Tierchen die Größe von kleinen Hunden hatten.
Er ekelte sich nicht vor Ratten, zog es aber seitdem vor, bei Anbruch der Dunkelheit zu sich nach Hause zu gehen, was ja nur ein paar Minuten entfernt war.
Auf seinem Schoß lag eine Tageszeitung, allerdings nur zur Tarnung. Eigentlich war er nur hier um die Menschen zu beobachten, die vorbeigingen. Manche blieben ein paar Minuten und setzten sich oder kühlten sich an einem der Brunnen ab. Walther beobachtete sie genau.
Ein älteres Paar flanierte mit einem übergewichtigen Hund an der Leine vorbei. Walther stellte sich vor, wie der Hund wohl reagieren würde, wenn die Ratten aus ihren Löchern kämen.
Der Hund - eine verschrobene Mischung aus Dackel, Beagle und etwas Schweineartigem – hatte seine Zunge heraushängen und hechelte.
"Komm, trink was", schlug ihm sein Frauchen vor.
Der Hund schleppte sich zum nächsten Brunnen, senkte den Kopf und schnüffelte. Es schien fast als würde er das Gesicht verziehen. Er sah hoch zu seinem Frauchen.
"Na, komm schon. Du hast doch Durst."
Offensichtlich hatte der Hund das nicht, denn er wandte sich ab und wollte weiterdackeln.
"Vielleicht ist ihm die Brühe zu dreckig", warf das Herrchen ein.
"Red keinen Quatsch, Klaus. Das Wasser ist doch völlig klar und ihm hängt schon die ganze Zeit die Zunge raus."
"Vielleicht liegt es daran, dass er kaum laufen kann. Du überfütterst den armen Kerl. Lass uns weitergehen."
Das Herrchen, das selber ziemlich überfüttert aussah, ging weiter. Seine Frau folgte ihm, mit dem wurstartigen Hund im Schlepptau. Walther lächelte. Er war froh, dass der Hund nicht von dem Wasser getrunken hatte, denn im Gegensatz zu den Menschen mochte er Hunde.
Das Wasser in den Brunnen glich seinem geistigen Zustand: Nach außen hin sah es klar und normal aus, was es allerdings nicht war. Genau wie seine Seele war es vergiftet und Walther selbst hatte dafür gesorgt.