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Trauerräume

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18.02.2009
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Trauerräume

Manchmal dachte sie, dass es besser wäre, wenn sie tot wäre statt Matteo.
Selbstverständlich würde sie diesen Satz niemals laut aussprechen, nicht dann jedenfalls, wenn jemand sie hören konnte. Vermutlich war es bereits falsch ihn nur zu denken, dennoch krallte er sich hartnäckig und unsensibel in ihrem Kopf fest.
Du solltest es sein, die dort liegt, Reihe 33, Platz 19, unter einem Haufen verrottenden Grünzeug, ein leicht schief stehendes Holzkreuz in der Mitte, mit nichts als deinem Namen darauf und deinen Daten, weil von der Grablegung bis zur Steinsetzung mindestens zwölf Monate vergehen müssen.
Es waren nicht die großen, erschütternden Momente, die diese Stimme in ihr wach riefen, viel mehr gewöhnliche Jeden-Tag-Tage. Tage wie heute. Wenn sie darauf wartete, dass das Mikrowellensignal ihr Mittagessen frei gab. Eigentlich sollte die Pizza „15 – 20 Minuten bei mittlerer Hitze im vorgeheizten Ofen knusprig gebacken“ werden, um wenigstens halbwegs so auszusehen wie das Bild auf der Pappschachtel. Nur dass es niemanden gab, der den Ofen hätte vorheizen könnte. Pizzahersteller kalkulierten zu viele Wahrscheinlichkeiten in ihren angeblich so simplen Plan ein. Wahrscheinlich hatte die müde Frau einen fürsorglichen Partner und umgekehrt, wahrscheinlich hatte das hungrige Kind aufmerksame Eltern, wahrscheinlich hatte der Fast-Food-liebende Single viel Zeit. Niemand rechnete mit einem Vater, der sich von Kalkulationen und Statistiken ernährte, mit einer Mutter, die niemals mehr Hunger zu haben schien und mehr Zeit auf dem städtischen Friedhof als zu Hause, geschweige denn in der Küche verbrachte. Und einer 15jährigen, der in der Mittagspause nach Abzug des Hin- und Rückwegs mit dem Fahrrad gerade mal gute 20 Minuten für Zubereitung und Essen übrig blieben. Da war es einfacher, die Tiefkühlpizza zehn Minuten bei voller Wattzahl in die Mikrowelle zu packen. Irgendwie gewöhnte man sich auch an die gummiartige Konsistenz, die der Teig-Käselappen bekam, wenn er nur erhitzt, nicht aber gebacken wurde. Spielte das eine Rolle? Nichts spielte eine Rolle. Alles spielte eine Rolle.
Genaugenommen waren es exakt Augenblicke wie diese, die am meisten Kraft kosteten. Wenn sie ihren Schlüssel ins Schloss der Wohnungstür steckte und auf Widerstand hoffte, weil bereits von innen ein Schlüssel steckte, weil bereits jemand zu Hause war. Wenn sie danach trotzdem im Flur nach Schuhen und an der Garderobe nach Jacken suchte, ihre eigene aus Trotz anbehielt und erst im Wohnzimmer auf einen Stuhl warf. Wenn sie dort zuerst den Fernseher, dann in der Küche das Radio anschaltete, gegen die Stille in der Wohnung, gegen die Leere in ihrem Kopf, gegen den Schmerz im Bauch. Wenn sie zwischen Tütensuppe und Fischstäbchen entscheiden musste, sich aber nicht festlegen konnte, weil sie Hunger hatte auf ein richtig gekochtes Essen, auf richtige Stimmen richtiger Menschen, weil sie die ewigen Konserven leid war und sich schließlich nur einen Apfel nahm – vorausgesetzt, jemand hatte daran gedacht einzukaufen.
Sie aß im Stehen, den Rücken an den Küchentresen gelehnt, mit dem Pizzaschneider teilte sie das Rad in ungenaue Viertel. Wie nannte man diese geometrische Form eigentlich? Kegel? Nein, das war eine räumliche, dreidimensionale Figur. Vielleicht deren Querschnitt? Aber das konnte nicht sein, denn der Kegel stand fest auf seiner Unterseite und die Ränder der Pizzastücke waren gebogen. Hatten sie überhaupt einen Namen?
„Matts wüsste das.“
Sie hasste diesen Satz und erschrak über die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihn vor sich hin plapperte. Diese Phrase gehörte der Mutter, war ihre Antwort auf alle Probleme und Fragen, die der Alltag aufgab, sie verwendete ihn mit derselben beinahe zwanghaften Häufigkeit, mit der sie sich immer wieder Zeigefinger und Daumen an den inneren Augenschließmuskel presste, jene Stelle knapp unterhalb der Nasenwurzel. Matts wüsste das war ihr Mantra, die Anbetung ihres persönlichen Schutzheiligen, eine sinn- und trostversprechende Floskel.
Einmal, ein einziges Mal nur hatte sie gewagt, etwas darauf zu erwidern: „Ja genau, Mama, und wenn nicht weit vorausblickende Menschen das Internet und den Duden und Brockhaus erfunden hätten, stünde der evolutionsgeschichtliche Untergang des Abendlandes unmittelbar bevor, wahrscheinlich würden wir spätestens in drei Tagen wieder in Höhlen um ein Feuer sitzen und Grunzlaute ausstoßen, so ganz ohne Matts.“
Die Mutter war in sich eingeknickt, eine winzige Bewegung nur, von innen heraus, als habe ihr jemand von hinten gegen die mittleren Wirbel getreten. In dieser Pose war sie erstarrt, sekundenlang, ehe sie aufstand, wortlos, und das Haus verließ. Zwei volle Tage blieb sie verschwunden, dann rief sie den Vater an, im Büro, nicht zu Hause, sie war in einer Pension, mehr sagte sie nicht, mit der Tochter weigerte sie sich zu sprechen. Es hatte weitere vier Tage gedauert, ehe sie zurückgekommen war. Nachmittags hatte sie dann einfach im Wohnzimmer gesessen und die Landesschau angesehen, eine gerade aufgerichtete, in sich sortierte Person mit glatten Gesichtszügen und wenig Worten. Viele Tage lang hatte sie nicht mehr geantwortet als Ja, Nein, Gib her und Lass das.
Das lag nun über 6 Monate zurück und immer noch nahm sie, wenn sie abends zum Schlafen ging, die Schuhe ihrer Mutter mit sich hinauf, um zu verhindern, dass sie fortging, ohne Worte, des Nachts. Falls jemand es bemerkte, wurde es nicht erwähnt. Frühmorgens stellte sie die Schuhe zurück an den richtigen Platz im dunklen Flur, ehe sie weiterging, am Wohnzimmer vorbei, das Licht anschaltete, Hallo Küche, Guten Morgen Herd, Guten Morgen Kühlschrank, guten Morgen, guten Morgen. Die Dose mit dem Früchtemüsli war leer, niemand außer ihr aß davon, niemand kaufte es nach. Also nahm sie sich ein Toasti aus der Zellophantüte und legte es auf den Toaster, auch wenn sie den intensiven Hefegeschmack nicht mochte. Das war Matts Lieblingsfrühstück gewesen seit er aus den USA zurück gekommen war, wo man sie English Muffins nannte, er aß sie mit dicker Butter und Ahornsirup darauf. Nie gingen sie in diesem Haus aus, diese kleinen milchig-weißen Brötchen, die keinem schmeckten und die die Mutter bei jedem Einkauf in den Wagen legte, sorgfältig das Haltbarkeitsdatum kontrollierend, als wäre das noch wichtig. Nichts war mehr wichtig. Alles war wichtig.
Wichtig war, hatte man ihnen gesagt, einen Raum zum Trauern zu lassen und darum blieb sein Zimmer unberührt, jedenfalls glaubte sie, dass es deshalb war, auch wenn niemand außer der Mutter dieses Zimmer betrat. Vielleicht war das ihr persönlicher Trauerraum, aber sie nahm an, dass die Menschen von der Hinterbliebenenseelsorge etwas anderes gemeint hatten, jedenfalls war nicht die Rede davon gewesen, dass jemand unter der FC-Bayernbettwäsche schlafen sollte, Nacht für Nacht eingewickelt in Matts schwächer werdenden Schweiß- und Körpergeruch.
Falls der Vater einen Trauerraum hatte, war er nicht zu Hause, vielleicht war es sein Büro in der Stadt, wo ihn nichts an Matts erinnerte, aber auch nichts an seine Tochter und seine Frau. Nie hatte es bei ihm gerahmte Fotografien auf dem Schreibtisch oder an der Wand gegeben, so selten sie diese Zimmer je betreten hatte, so fremd waren sie ihr erschienen. Der Vater, sonst ein heiterer, beinahe verträumter Mensch herrschte hier über kontrollierten Minimalismus, pflegte eine Steifheit bis an die Grenze des Zwanghaften.
Ihr eigener Raum zur Trauer hätte das ganze Haus, hätte die ganze Welt sein können, war jedoch weniger als ein Gespräch, war meistens nicht einmal ein Wort.

Matts hätte nicht gewusst, wie man Pizzadreiecke mit konvexem Boden nannte. Matts war nur Matts gewesen, kein Mitglied bei MENSA oder so. Nur Matts, aber Matts war tot und das wiederum veränderte alles.
Totsein bedeutete, die Zeit anzuhalten, bedeutete, das Potential von siebzig oder achtzig möglichen Lebensjahren auf knappe 17 zu reduzieren und darum mussten diese 17 intensiver, besser, gehaltvoller gewesen sein als der Durchschnitt, denn sonst verlor sich der Sinn und dann kam der Wahn. Daran dachte sie, als sie mit der Jacke in der Hand durch den Flur lief, der zu einer Galerie des Gedenkens geworden war in den letzten 9 Monaten, 3 Wochen und 5 Tagen. Die Kinderbilder, Urlaubsfotografien, Portaitaufnahmen aus Kindergarten und Schule, sogar das Hochzeitsbild der Eltern waren abgenommen worden. Wer lebt, an den muss man sich nicht erinnern, sagten die Aufnahmen von Matts, die sie jetzt von der Seite musterten, lächelnd, ernst, mit versonnenem Blick, nachdenklich ausgelassen lachend.

Am Abend war die Stille eine andere als am Morgen. Am Morgen war sie das Ausatmen der Nacht, der leichte Schlaf einer Welt, die gerade erst zu blinzeln beginnt. Am Abend war sie völliger Mangel. Mangel an Worten, an Geräuschen und Klang, Mangel an Inhalt, an Fülle, an Leben.
Vor vielen Jahren, noch in der Grundschule hatte sie mit ihrer Klasse eine Schreinerei besucht. Obwohl es dort eine große Absauganlage mit lautem Gebläse gab, war die Luft, war jede Fläche voll von feinem hellem Holzstaub, der in Nase und Mund drang wenn man zu heftig einatmete und einen niesen oder husten ließ.
Manchmal dachte sie, dass es sich mit der Stille genauso verhielt. Dass sie ein Abfallprodukt des Schweigens war, des Schweigens der drei Menschen in diesem Haus und wenn man sich nicht vorsah, konnte man wohl daran ersticken.

Es gab neuerdings so viele Tage mit neuer Bedeutung, dass es unmöglich war sich alle zu merken, selbst wenn sie das gewollt hätte.
„Heute war sein erster Schultag,“ sagte die Mutter beim Abendessen und starrte auf das Brot, das unberührt auf ihrem Teller lag, halb Salami, halb Käse. „Vor zehn Jahren saßen wir abends in der Pizzeria und haben seinen großen Tag gefeiert und am nächsten Morgen habe ich ihm sein erstes Schulbrot geschmiert.“ Sie drückte ihr Messer langsam in die Wurstscheibe, drehte es in winzigen Bewegungen hin und her. „Leberwurst mit kleinen Gürkchen drauf, immer nur das wollte er essen, von Anfang an. Schon als Kleinkind hat er am liebsten Leberwurstbrote gelutscht, zahnlos wie er ja war. Ich habe mir Sorgen gemacht, das kann doch nicht gut sein für ein Kind, so viel Wurst und als dann die Sache mit dem Rinderwahnsinn in England rauskam, da bin ich ins Reformhaus gegangen und habe Tofuwurst und pflanzlichen Brotaufstrich gekauft. Beides angeblich mit Geschmack nach echter Leberwurst. Aber als ich ihm das das erste Mal in die Schule mitgegeben habe, kam er nach Hause und meinte: „Mama, ich glaube, die Wurst war nicht mehr gut, die hat schon so komisch gerochen und Janosch wollte sie auch nicht fressen.“ Als ob ein Meerschweinchen Experte für Leberwurst sei! Aber ihm konnte man nichts vormachen, nie.“ Das Brot vor ihr hatte inzwischen ein Loch, die Butter quoll unter der Wurst hervor, ein kleiner weißer Berg.
Dann stand die Mutter auf, ohne ein Wort ging sie hinauf in den zweiten Stock, sie hörten, wie sie die Tür zu Matts Zimmer öffnete und schloss. Der Vater blieb sitzen, er kaut so leise, dass man das Ticken der Wanduhr in der Küche und das Summen des Kühlschranks hören konnte.
Manchmal dachte sie, dass es besser wäre, wenn sie tot wäre statt Matteo. Denn wer lebt, an den muss man sich nicht erinnern. Der kann in die Küche gehen, später, wenn der Vater längst in deinem Arbeitszimmer untergekrochen ist, das er früher höchstens bei wichtigen Aufträgen noch abends benutzte, der kann den Herd anschalten bis die Platte rot glüht, der kann seinen Arm darauf legen, dass es leise zischt und kribbelt und stinkt und weh tut, das auch, vielleicht tut es sogar so weh, dass man schreien möchte, aber man kann nicht mehr schreien, weil die Stille sich im Hals festgesetzt hat wie feiner heller Holzstaub.
Und hinterher, wenn man das Mal auf der Haut betrachtet und darüber fährt und vor Schmerz zusammenzuckt, da weiß man, dass man noch da ist. Irgendwo.

 

Hallo NikitaF,
deine Trauerräume sind innen und außen, sie sind schlicht dargestellt, alles Szenen aus dem Alltag einer zerbrechenden Familie, die keinen Weg mehr zueinander findet. Der Fotokult, das Ausfallen des Essens, die Abwesenheit des Vaters, die Mutter, die in der Bettwäsche des Sohnes schläft, alles hast du einfach, aber eindringlich geschildert. 'An die Lebenden muss man sich nicht erinnern', ist für mich eine der aussagekräftigsten Stellen. Selbst das Ende mit der Selbstverletzung ist in dieser Geschichte passend und wirkt nicht wie ein Schockelement. Der ruhige Erzählfluss ist eine Stärke von dir; sehr gerne gelesen.
LG,
Jutta

 

Hey Nikita!

Die Geschichte ist auf jeden Fall sehr intensiv und die Gefühle hast du wirklich sehr eindringlich beschrieben, da sind einige Sätze drin, bei denen ich einfach nur "Wow" denke.
Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen und ich werde sie auch empfehlen. Weiter so. Und vorhin meinte noch jemand, dass in Neulingen kein Potential gesehen wird - so ein Quark. :) Herzlich willkommen auf kg.de.

Ach nur eine Formsache: Ein paar Absätze erleichtern den Lesefluss erheblich.

JoBlack

 

Hallo Nikita,

wortgewaltig und intensiv, du hast Potential, ohne Zweifel.
Trotzdem war es mir des Guten zuviel.
Die Tatsache, dass Mutter und Vater in entsetzlicher Trauer verharren, hast du ohne Zweifel treffend beschrieben. Für meinen Geschmack wäre es jedoch intensiver geblieben, wenn du es nicht so ausgewalzt hättest.
Der Absatz mit den "vielen Tagen mit neuer Bedeutung" würde ich ganz streichen, der verlängert mMn nur überflüssig.
Ist natürlich Geschmacksache, aber ich würde auf jeden Fall kürzen.
Manchmal ist weniger mehr und gerade bei deinen hervorragenden Formulierungen, da ist es schade, wenn der Leser die Lust verliert.

Das Ende mit der Selbstverletzung ist mir auch too much.

Aber wie gesagt, ist Geschmacksache. Freue mich auf deine nächste Geschichte!

Lieben Gruß
Katinka

 

Hej Nikita,

hat mir sehr gut gefallen.

Die Unerträglichkeit der Situation hast Du gut dargestellt. Insofern ist die Verletzung die sich die Erzählerin am Ende selbst zufügt nachvollziehbar. Gleichzeitig verlässt sie mit dieser Handlung die Trauerräume.
Für mich tut sich da ein neues Thema auf, verschiebt sich die Handlung zum Ende in eine andere Richtung.
Das finde ich gar nicht schlecht, obwohl ich glaube, die Geschichte hätte auch ohne das funktioniert.

zischt und kribbelt
Kribbeln klingt mir für diesen Vorgang irgendwie zu niedlich.

Und hinterher, wenn man das Mal auf der Haut betrachtet und darüber fährt und vor Schmerz zusammenzuckt
Auch das ist mir zu lyrisch formuliert. So wie es vorher gezischt und gebruzzelt hat, ist das eine fette Verbrennung, kein Mal. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da irgendwer darüber fährt, das fasst man überhaupt nicht an, weil es eine wirklich üble Wunde sein muss, die vermutlich pausenlos schmerzt wie die Hölle und einem Nachts den Schlaf raubt.

Viele Grüße
Ane

 

Hallo Nikita,

mir hat die Geschichte auch gut gefallen.

Allerdings musste ich zwischendurch immer mal wieder aufhören, weil es mir dann doch teilweise zu anstrengend war. Nicht die Geschichte zu lesen (dein Stil gefällt mir sehr gut) sondern diese ganzen beschriebenen Gefühle auf mich einwirken zu lassen.

Allerdings gebe ich Ane recht, was die Verbrennung betrifft. Ich hatte mal eine Kollegin, die sich am Backblech verbrannt hat und die Wunde sah nicht nur richtig fies aus, wenn man nur in die Nähe kam hat meine Kollegin schon vor Schmerzen gezischt :( deswegen wage ich auch zu bezweifeln, dass man sich da mal eben so drüberstreicht.

LG

 

Hallo und Danke für die vielen anregungen!

Was die SVV betrifft: es geht hierbei ja nicht um zufällige Verletzungen, bei der der schmerz die Rolle eines unerträglichen oder zumindest unangenehmen Gefühls übernimmt.

Die Prot. verletzt sich selbst, um sich zu spüren in ihrer Ertaubtheit.
Bei SVV ist der eigentliche schmerzreiz - bei der Verletzung - häufig nicht so intensiv wie er sein müsste, deshalb das verharmlosende "kribbeln".
Und das Berühren hinterher dient dazu, den echten Schmerz zu aktivieren, der dann tatsächlich spürbar wird (kA warum).
Die Prot. braucht diesen Reiz um sich selbst überhaubt noch wahrzunehmen.

Den Teil mit dem Abendessen habe ich eingebaut um zu verdeutlichen, dass die einsamkleit des Mädchens nicht nur in der abwesenheit der eltern besteht sondern unerträglicher weise auch während deren ANwesenheit.

LG

 

Hallo Nikita,

Den Teil mit dem Abendessen habe ich eingebaut um zu verdeutlichen, dass die einsamkleit des Mädchens nicht nur in der abwesenheit der eltern besteht sondern unerträglicher weise auch während deren ANwesenheit.

das ist ein Argument!
Ich bin überzeugt, dass mein Gefühl auch mit dem Genre Kurzgeschichte zu tun hat. Da muss man verdichten, was eben bei deiner Geschichte richtig schade ist. Ich habe vor einiger Zeit einen Roman gelesen (und es war eine Schwarte),bei dem in der zweiten Hälfte des Buches beschrieben wird wie eine Ehe, die zwei Menschen dieser Ehe und deren soziales Umfeld zerfallen, weil sie ihr Kind verloren haben. Es hat mich zu keiner Zeit gelangweilt, weil ich eben Zeit hatte zu verdauen. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine, ist also keine negative Kritik an deiner Geschichte.

Liebe Grüße
Katinka

 

Hej Nikita,

Noch dazu:

Die Prot. braucht diesen Reiz um sich selbst überhaubt noch wahrzunehmen.
So ist das auch angekommen, aber im Gegenteil zu der "gängigeren" Methode, sich die Arme aufzuschneiden, kommt mir kommt diese Art von Verletzung extrem krass vor. Pathologisch, irgendwie.
Bin da allerdings keine Expertin.

Viele Grüße
Ane

 

Ich denke, jeder verarbeitet seine trauer anders. Das zeigt die Geschichte ja auch. Und die Möglichkeiten sich selbst zu spüren sind zahllos. Das "Ritzen" scheint nur weniger "heftig" weil es mehr medienpräsent ist. Doch auch da gibt es so viele abstufungen. Manche ritzen tatsächlich nur die oberste Hautschichten an bis etwas Blut tröpfelt.
Andetre schneiden so tief, dass sie Sehnen erwischen und mit starken Blutungen in die Notaufnahme müssen.
Dabei will ich die Prot. übrigens NICHT in die Reihe der regelmäßigen SVVler einreihen. Für sie ist das Brennen nur EIN Stilmittel, wie dem schreiber sein Wort :-)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Nikita,

ich habe Deine Geschichte nun schon mehrfach durchgelesen, und sie trifft jedesmal aufs Neue. Du hast mit wunderschönen und stimmungsvollen Sätzen das Leid der gesamten Familie erzählt. Vom Verlust, von der Trauer die jeder anders verarbeitet, von Schuldgefühlen und der Angst davor nie wieder in die "Normalität" der Vergangenheit zurückkehren zu können.

Ein Schlüsselsatz in dieser Geschichte für mich ist:

>Denn an die Lebenden muss man sich nicht erinnern<

Ich habe sie gern gelesen. Kann keine konstruktive Kritik beitragen, weil ich alles stimmig finde. Sie ist zu Recht empfohlen worden.

LG
Gesamtrechnung

 

Hallo Nikita,

eine sehr berührende Geschichte und wenn ich an eigene Verluste im Leben denke, kommen mir dabei fast die Tränen. Du transportierst eine Stimmung, das ist grandios. Man fühlt richtiggehend die Leere, die der Sohn hinterlassen hat und die Trauer ist fast schon greifbar.

Sehr intensiv, sehr authentisch und einfach sehr schön :).

LG
Giraffe.

 

Hallo Nikita,

GÄNSEHAUT!!!

Ich bekomme es gar nicht in Worte gefasst, wie sehr ich von Deiner Geschichte ergriffen bin.
Ich konnte sie hören, die stummen Schreie, nicht nur die der Prot., sondern auch die des Vaters und der Mutter. Will damit sagen, dass Dir hier drei ausgezeichnete Porträts gelungen sind. Deine Geschichte erzeugt eine Atmosphäre, der ich mich nur schwer entziehen kann. Und immer, wenn so ein Satz durch Mark und Bein ging, dann dachte ich, was kann da jetzt noch kommen, ohne dass man es überlädt, sich wiederholt? Und Du hast mich immer wieder erwischt, mich mehr und mehr in dieses Haus gezogen, zu den Verbliebenen, welche nun bleiben ... allein.

Zu den vielen wirklich schönen sprachlichen Bildern, gesellen sich Handlungen, wie diese hier:

Das lag nun über 6 Monate zurück und immer noch nahm sie, wenn sie abends zum Schlafen ging, die Schuhe ihrer Mutter mit sich hinauf, um zu verhindern, dass sie fortging, ohne Worte, des Nachts.

wo es mir einfach die Schuhe ausgezogen hat :crying:.

Komme mir jetzt irgendwie pingelich vor:

... diese kleinen milchig-weißen Brötchen, die keinem schmeckten und die die Mutter bei jedem Einkauf in den Wagen legte. sorgfältig das Haltbarkeitsdatum kontrollierend ...

Schon an Kleinkind hat er am liebsten Leberwurstbrote gelutscht ...

Vielen Dank für Deine wunderschöne Geschichte
Lieben Gruß Fliege

 

Vielen Dank für die wunderbaren Rückmeldungen, die mich sehr gerührt, berührt haben. Es ist das Schönste (finde ich) wenn man mit seinem Schreiben die Leser erreicht.

 

Hallo NikitaF,

mußte gleich eine weitere Deiner Geschichten lesen. Diese hat eine große Dichte, sie braucht den Raum, die Prot. lebt ja auch nicht gerade spannend und abwechslungsreich.
Fragt sich, was vorher falsch war, wenn diese drei Menschen im Verlust nicht zueinander finden, sondern auseinander gehen, wenn das noch verbliebene Kind nun ganz allein in der Luft hängt und die Ehe sich auflöst. Es fehlt nicht viel und der Vater oder die Mutter sagt wie in dem Film über Johnny Cash (nach dem Tod seines Bruders), das falsche Kind wäre tot.
Zwischen den Zeilen erzählst Du auch diese Geschichte. Nur, daß Du die Tochter den Satz aussprechen läßt.

Gruß Set

 

Danke dir! Allerdings halte ich diese Kg für meine beste hier gepostete.....es istr auch die, welche am meisten überdacht wurde:-)

 

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