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Traurige Geschichte über Sex
Er fragte sich bis heute regelmäßig, was Frauen an ihm sexuell attraktiv fanden. Nun, in erster Linie war er ein Mann in den besten Jahren, sogar in seinen Zwanzigern, was ja schon einmal nicht gerade die schlechteste Voraussetzung für ein funktionierendes Sexualleben ist, und bis dahin und auch ein wenig darüber hinaus konnte er seinen Partnerinnen auch gedanklich immer folgen, aber der Akt an sich war es, den er mit seinem Bild von Ästhetik nicht in Einklang bringen konnte.
Nicht, dass ihn das Bild einer schönen, nackten Frau nicht anzog, nein, er studierte dies sowohl theoretisch als auch praktisch, gerne und ausgiebig. Auch waren es keinesfalls die Art der Bewegungen, oder die Geräusche die sein Gegenüber von sich gab, die ihm den Beischlaf so vergällten. Und wie es bei Probleben mit hohem, psychosomatischen Potenzial eben vorkommen kann, hatte sich, kaum das seine jeweilige Partnerin sich angeschickt hatte, mit ihm intim zu werden, auch schon seine Lust verzogen, bzw. konnte regelmäßig sogar ein schmerzhafter Hautausschlag den Coitus unterbrechen.
Die Ursache musste wohl an ihm liegen, was ihn einerseits bedrückte, aber bei genauerer Überlegung schließlich doch ermutigte, da er ein selbst verschuldetes Defizit logischer Weise auch selbst ausgleichen konnte. Zwar einerseits kein Grund für einen Luftsprung, wohl aber auch keiner für falsche Schüchternheit, als eher ein Grund, um ein Gespräch unter seinen Freunden einmal versuchsweise auf diese unglückliche Tatsache zu bringen.
„Du bist schwul." sagte Herbert, was erstens nicht der Wahrheit entsprach und zweitens der Satz war den Herbert am häufigsten zu benutzen pflegte.
Nein, das wüsste er doch, und außerdem hatte er als immerhin sehr aktiver Pornofilm Konsument noch nie einen schwachen Moment beim Anblick eines in vollen Prachten stehenden Mannes gehabt. Eine Sackgasse also, um im Pornojargon zu bleiben,.
Nun begann langsam aber sicher der Wissenschaftliche Teil des Abends, und man Griff auf das unverzichtbare Instrument der Schwechater-Dosen-Tiefenpsychologie zurück, was einige durchaus verwertbare Denkansätze brachte.
Aber, und da waren sich die Freunde bald einig, das sinnvollste wäre es trotzdem an die ganze Sache anhand eines Beispieles heranzugehen.
Nun ergab sich für ihn also die fragwürdige Ehre, seine letzte Eroberung in möglichst ausführlicher Art und Weise, den, auf seine Ausführungen gespannten Freunden, darzulegen.
Nun gut der Abend war spät und alkoholgeschwängert gewesen, und hatte in beiderseitigem Einverständnis gegipfelt, die nächstgelegene Wohnung aufzusuchen, was in diesem Falle die der Dame war.
Langes Vorspiel, kurzer Sinn: Gerade im Moment der höchsten Lust hatte es ihn wieder beschlichen. „Was?" wollte Herbert lautstark wissen,
„Na dieses Gefühl, der Unsicherheit."
„Habt ihr verhütet?"
„Ja! Ich bin doch nicht blöd. Ich benutze immer ein Kondom!"
„Was war dann unsicher?"
„Ich war mir unsicher, ich mir!"
„Wegen der Größe?"
„Nein."
„Oder, ob du gut bist?"
„Nein, ich glaube dafür hat man doch ein gewisses Sensorium. Es war irgendwie…schmerzvoll"
„Du bist schwul."
Die Nacht und die Gespräche währten noch lange, das Bier aber ging langsam zur Neige, also leerte sich mit den Dosen auch langsam die Wohnung, und Herbert blieb als einziger der Freunde noch am Tisch, wo er lallend aus dem Nähkästchen seiner sexuellen Erfahrungen plauderte, dass sich alsbald als Werkzeugkasten einer ziemlich sadistischen Haltung dem weiblichen Geschlecht gegenüber herausstellte. „Solltest du auch mal probieren!" sagte er, bevor er krachend vom Stuhl sank, um seinen Rausch auszuschlafen.
„Nie und nimmer, ich bin weder sadistisch noch masochistisch veranlagt." Dachte er sich, während er Herbert auf das Gästebett hievte, doch wie das manchmal bei Problemen sexueller Natur sein kann, lässt man schließlich doch nichts unversucht, bis man wenigstens einen verlässlichen Grad von Gewissheit, das eigene Lustempfinden betreffend, erreicht hat, was sich für unseren Protagonisten in der Anschaffung einiger Sexspielzeuge niederschlug.
Schlagen war auch schon ein gutes Stichwort für seinen nächsten Sexualversuch. Denn sobald er in Gesprächen mit seiner neuesten Eroberung den leichten Hang zum Devoten herauszuhören glaubte, sah er sich versucht, ihr bei der ersten Gelegenheit sein, von Herbert inspiriertes Peitschenset vorzuführen. Das Feedback war einigermaßen, naja, wie sollte man es ausdrücken: positiv, und man verlangte, Verzeihung, bat um mehr. Dem kam man, eben ganz und gar Gentleman der man war, nach, und auch eine leichte Strangulation anhand von Seidenstrümpfen sollte noch drinnen sein, da es aus der informierten Szene hieß, dass das der neuste Schrei sei.
Unglücklicherweise nimmt unsere Geschichte hier eine zugegeben, grauenhafte Wendung. Denn es ist zwar üblicherweise Brauch in SM Kreisen, sich ein Codewort auszumachen, nach dessen Nennung durch einen der Partner Schluss mit dem Spielchen ist, doch in der Hitze des Gefechts kann man anscheinend schon mal vergessen, dass mit einem eng zugezogenen Seidenstrumpf um den Hals ein solches unmöglich zu artikulieren ist. Das war jetzt insofern Scheiße für unseren Protagonisten, als dass er jetzt eine Frauenleiche im Bett hatte. Andererseits war aber auch der gefürchtete Hautausschlag, der sich ansonsten immer zeigte ausgeblieben und zwar zum ersten Mal. Er führte dies weniger auf die sadistischen Praktiken, denn es war ja nicht der erste Versuch dieser Art gewesen, als eher auf gewaltsamen Tod seiner Gespielin zurück, und wenn ihm auch schlecht war von der Untat die er begangen hatte, musste er sich trotzdem langsam eingestehen, dass ihm das triebhafte, sexuell motivierte Töten anscheinend als einziges die Befriedigung verschaffen konnte, nach der er sich schon das ganze Leben gesehnt hatte. So geschah es dann auch, dass er schweren Herzens von einen Tag auf den anderen zum traurigsten Sexualstraftäter der Justizgeschichte wurde.
Als er sein zweites Opfer bei sich zu Hause erwürgt hatte, damit es nicht so lange leiden musste wie das erste, ging es ihm noch viel schlechter als beim ersten Mal und erst beim achten oder neunten Mädchen stellte sich langsam eine gewisse Alltäglichkeit bei ihm ein. „Endlich." Dachte er sich. „Man gewöhnt sich doch an alles." Und obwohl es für ihn jetzt in beruflicher, wie in privater Hinsicht besser den je lief, denn ein ausgelastetes Sexualleben sieht man einen eben doch an, streckte sich der lange Arm des Gesetzes doch nach ihm aus und umschloss ihn, gerade als er dabei war den seinigen vom Hals des zwanzigsten Opfers zu lösen. Man war wohl auf sein Löschkalkdepot im Wald gestoßen und hatte einige schlecht verwischte Spuren bis zu seiner Wohnung zurückverfolgt, sei es wie es sei, das Spiel war aus. Die Medien und die Justiz freute das, hatte man mit ihm doch einen der gefährlichsten Massenmörder der 2. Republik gefasst. Seine Geschichte füllte die ersten 5 Seiten aller Tageszeitungen und er wurde sofort in eine geschlossene Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingeliefert, um dort psychologisch betreut zu werden.
Dort endlich fand er seinen Frieden, als ihm sein Psychologe nach einem Jahr voller langwieriger Sitzungen einiger Versuche eine Latexallergie attestierte, worüber er sich einerseits sehr freute, da er nun wusste, dass er nicht der abartige Mädchenwürger war, für den er sich all die Jahre gehalten hatte, was ihm aber insofern Wurscht sein konnte, da er in seinem Leben nie mehr wieder die Gelegenheit, mit einer Frau intim zu werden, haben würde. Mit oder ohne Kondom.
Dafür zog er aber für sich selbst die Konsequenz aus der ganzen Sache, nie mehr wieder in einem durchzechten Abend ausgedachte Vorhaben in die Tat um zusetzten.
Was aber jetzt, so traurig es ist, eben auch schon wurscht war.