Triumphzug der Männlichkeit
Ascen saß am Kamin und sah in die Flammen. Sie spürte, wie das Feuer ihre Glieder wärmte. Aber ihr Herz war kalt. Immer wieder dachte sie an die Bedeutung ihres Namens: Asche. Und so fühlte sie sich auch. Kalt und emotionslos.
Bald würde Eryk kommen. Schon seit sechs Monaten war sie mit dem hübschen jungen Mann zusammen. Sie mochte ihn sehr gern, aber sie wusste, dass sie ihn nicht lieben würde. Sie würde niemals jemanden lieben können. Sie wollte es nicht, und es ging einfach nicht. Die Alpträume aus ihrer Kindheit saßen einfach zu tief.
Sie saß noch immer am Kamin als es an der Tür klopfte. Ascen sprang sofort auf, begleitet von Nervosität, die ihre Finger zittern ließ. Ihre Hände waren kalt, aber es war nicht Angst, die sie hatte frieren lassen.
Es war Eryk, der in der Tür stand und sie anlächelte. „Hallo mein Schatz“, begrüßte er sie und sie bat ihn hinein. „Schön warm hast du es hier! Wie romantisch!“ Ascen lachte nicht. Ihre Hände zitterten. Sie spürte, wie die Angst in ihr aufstieg, aber sie wusste nicht, was es für eine Angst war. Sie zitterte jedes Mal, wenn er bei ihr war. Und davor, und danach. Sie schalt sich einen Dummkopf und ließ sich neben Eryk auf das gemütliche Sofa fallen. Eine Weile war verstrichen, als er ihr an die Brust griff. Ascen sprang sofort auf. Eryk verstand und entfernte sich ein Stück von ihr.
„Wovor hast du Angst?“ Eryk schüttelte den Kopf und nahm ihre Hand. „Seit sechs Monaten sind wir zusammen, und noch kein einziges Mal habe ich dich ohne Kleidung gesehen. Noch kein einziges Mal haben wir miteinander geschlafen.“
„Aber ich habe dir meine Gründe genannt. Es geht nicht!“
„Aber… ich verstehe das nicht! Du kannst doch nicht eine Beziehung mit mir führen und nicht mit mir schlafen!“
„Doch, das kann ich, und wir haben auch darüber gesprochen. Ich habe dir damals, an jenem Tag, als wir zusammen gekommen sind, alles erklärt. Ich habe dir gesagt, dass derjenige, der mich wirklich liebt, mich so akzeptieren wird wie ich bin. Ich habe dir gesagt, dass du warten musst, und ich habe dir auch gesagt, dass es sein kann, dass ich gar nicht mit dir schlafen will.“
„Aber… das hält doch kein Kerl aus! Das ist doch Wahnsinn! Das ist… das ist doch eine Einladung zum Fremdgehen, was du da von dir gibst!“
Ascen sah ihn entsetzt an.
„Bitte geh jetzt.“
„Was??“ Eryk schrak auf. „Du willst ein halbes Jahr Beziehung einfach so wegschmeißen, nur weil du deine Angst nicht überwinden kannst?“
„Das ist es nicht. Deine ewigen Fummeleien und dein heißer Atem, ein stummer Schrei nach mehr, machen mich krank. Du verstehst meine Angst überhaupt nicht! Du sagst nur, das kann doch nicht so schlimm sein. Für dich, ja, für dich ist es nicht schlimm! Du bist ein Kerl, und du verstehst das nicht! Du kannst es nicht verstehen! Ich will nicht mit dir schlafen, und ich will auch den Rest nicht. Ich will einfach nur mit dir reden und dich in den Armen halten. Das habe ich dir auch gesagt.“
„Aber ich will doch mit dir schlafen, weil ich dich liebe!“
„Nein. Du setzt mich unter Druck. Und wenn du mich unter Druck setzt und mir meine Freiheiten nimmst, dann liebst du mich nicht. Wie kann man jemanden verletzen, den man mag?“
Ascen schüttelte schweigend den Kopf. Eryk wollte etwas sagen, aber er blieb stumm. Die Frau stand schließlich auf und ging zur Tür. „Bitte geh.“
Eryk ging ohne ein Wort.
Ascen weinte nicht. Sie sah wieder in das Feuer und fühlte sich wie Asche. Aber Asche hatte die Eigenschaft, etwas Verbranntes zu sein, und sie konnte noch nicht einmal brennen. Sie würde nie brennen können. Sie fühlte nichts außer Kälte. Vielleicht gab es irgendwo dort draußen ein kleines Holzscheit, das ihre Asche wieder zu Holz werden lassen könnte. Und dann würde auch sie brennen können. Aber daran glaubte sie nicht mehr.
Eryk weinte bitter. Wie konnte sie ihn nur so wegschicken? Er wollte sie doch nicht verletzen. Ein halbes Jahr lang hatte er gewartet, bittere Stunden der Einsamkeit hatte er genutzt und an sie gedacht, wie es wohl sein würde… aber immer hatte sie ihn weggeschubst. Vielleicht war er wirklich zu aufdringlich gewesen? Aber er war doch auch nur ein Mann! Männer sind doch so! Er schalt sich und seine männlichen Eigenschaften. Warum hatte er Ascen so verletzt? Er wollte ihr doch nicht wehtun! Und das alles nur wegen des kleinen Mannes, der sich immer bewegen musste, alles nur seinetwegen!
Ob Ascen ihm verzeihen würde?
Nein. Zuviel hatte er sich erlaubt. Er hatte unter ihre Hose gegriffen, er hatte ihr Hemd hochgezogen… und er wusste doch, dass sie es nicht wollte! Aber sie war so hübsch, und er wollte sie ganz für sich… das sagte ihm seine Männlichkeit. Und sein Gehirn? „Nein, tu das nicht! Tu das nicht! Du tust ihr weh!“ Immer wieder. Wie in einer Schlacht: Ascen trug einen schweren Schild, und er hieb mit seinem Schwert immer wieder auf sie ein. Mit seinem glänzenden, langen Schwert, in das er all seine Kraft und all seine Gedanken gepackt hatte. Sein Gehirn hatte ihm geraten, wenigstens ein schwaches, stumpfes Kurzschwert zu nehmen. Aber er hatte nicht gehört. Seine Männlichkeit hatte gesiegt: er nahm das Langschwert.
Und wer gewann die Schlacht? Ascen hatte gewonnen. Denn ihr Schild war stärker, und Eryk packte all seine Kraft in die Bewegungen seines schweren Schwertes. Er konnte sie nicht gewinnen. Nicht die Schlacht und nicht Ascen. Dabei hatte Ascen die ganze Zeit gekämpft, ein halbes Jahr lang musste sie diesen schweren Schild tragen. Eryk konnte unmöglich den Körper sehen, der sich hinter ihm verbarg. Seinen Charakter, seinen eigenen Willen, seine Stärke. Schließlich aber hatte sie den Schild gesenkt und den Krieg beendet. Und Eryk sah in diesem Moment, was er wirklich verloren hatte.