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Trockener Husten und Torte
Gestern Abend saß ich mit Torte in einer Kneipe und trank Bier. So heißt mein Kumpel. Torte. Nicht Bier!
Torte ist ein Fall für sich. Er näselt und isst gerne Pute mit Majoran. Gestern bevorzugte er allerdings Tomatensaft mit Pfeffer und Schuss. Er trank eine Margarita nach der anderen. Nervös wirbelte er mit dem Pfefferstreuer umher. Ich musste an die alten Jackie Chan Filme denken. Jackie wirbelt auch ganz gerne umher. Allerdings verursacht er keine Pfefferwolken.
Torte nervte. Macht er eigentlich immer, aber manchmal besonders intensiv. Leider neige ich dazu, viel zu rauchen, wenn ich genervt bin. So auch gestern. Ich trank Bier und rauchte. Eine Zigarette nach der anderen. Und plötzlich passierte mir etwas Schreckliches. Das war mir in meiner gesamten Raucherlaufbahn noch nie passiert. Ich wollte es nicht glauben: Ich musste husten! Einfach so. Von einer Zigarette! Vor meiner allerersten Zigarette hatte ich mir geschworen: Wenn der Raucherhusten kommt, gehen die Zigaretten.
„Du hast gehustet!“ hielt mir Torte vor, „Einfach so. Das passiert dir doch sonst nie.“ Er schlürfte angestrengt an seiner Margarita.
„Scheiße, ja. Ich musste husten, verdammt.“
„Tja!“
„Scheiße!“
Ich musste wieder husten. Und wieder. Immer widerlicher.
„Dein Husten bröckelt!“, sagte Torte.
„Solang’s nicht die Fassade ist“, sagte ich und grinste gezwungen.
„Ich meine den Sound. Vom Husten. Der bröckelt im Abgang. Ganz übel.“
„Schnauze!“
„Und so trocken ist der, dein Husten.“
„Nass wäre ja auch ekelhaft!“
Torte gefiel meine Art zu husten scheinbar nicht. Wenn es nach ihm ginge, müsste man Hustcoachs auf die Menschheit loslassen, die talentfreien Hustern richtiges Husten beibringen.
„Man sollte Husten salonfähig machen“, sagte Torte. „Die meisten husten doch echt schlecht. Du übrigens auch. Mach mal nen Hustkurs!“
„Verarsch mich bitte nicht. Ich bin krank!“
„Also, ich geh zweimal die Woche für jeweils eine Stunde husten.“
„Das ist nicht dein Ernst.“
„Doch!“
Auch wenn es unglaubwürdig klingt; Torte ist das durchaus zuzutrauen. Er macht allerlei verrückte Dinge. Er war mal in einem zweiwöchigen Volkshochschulkurs für FKK-Flusskrebsweitwurf mit verbundenen Augen. Ich bin also einiges gewohnt von Torte. Aber Hustkurse? In gesellschaftlich höher gestellten Kreisen ist man – so habe ich gehört – durchaus fähig, gestelzt zu husten. Aber Kurse? Wird das Vorsprechen demnächst durch ein Vorhusten ersetzt? Kann man künftig in der Zeitung lesen: Eberhardt Rennigwand, 52 Jahre, erfahrener Hust-Solist, sucht frauliche Mithusterin?
„Torte, du bist absolut durchgeknallt.“
„Wieso? Keuchen und rotzen müssen alle mal. Warum dann nicht ästhetisch?“
Und das sagte einer, der beim Margaritatrinken Schlürfgeräusche von sich gibt, die chronisches Ohrenpfeifen verursachen. Torte war nicht in der Lage meine Raucherängste nachzuempfinden.
„In diesen modernen Zeiten muss man leicht und luftig husten: Hüstel, hüstel.“, sagte er und strahlte komisch.
„Du verarschst mich doch!“
Torte war dicht. Und wenn Torte dicht ist, fängt er an Müll zu labern und versucht, Leute zum Narren zu halten.
„Manche unterdrücken ja ihr Husten“, verkündete mein Gegenüber.
„Und das ist die Ursache für Blähungen, was?“
„Neinein. Nö. Aber das ist nicht gut für die Gesundheit. Da wird man verrückt von!“
„Mmh!“
„Hast du jemals Hitler husten gehört? Nie. Niente. Nix. Der hat sein Husten jahrelang unterdrückt. Wegen der Propaganda. Kann ich mir gut vorstellen, wie kurz vor Schluss alle ganz aufgeregt durch den Führerbunker getrippelt sind und gerufen haben: ‚Der Führer ist explodiert, der Führer ist explodiert’“.
Torte hatte sich nicht mehr unter Kontrolle. Das passiert ihm öfters.
„Ich bin Hitler-Huster, dashastdunichtgewusst, was?“
„Hitler-Huster…“
„Ich kann den letzten, finalen Huster Hitlers imitieren, bevor der in die Luft ging: Äch, äch, äääch. Hrg. Hrrrg. Ööööörgh! –Bumm.“
„Prima!“
„Danke.“
Ich konnte Torte nicht lustig finden, zumal ich wusste, dass er voll und außerdem mit dem Auto unterwegs war. Zudem ärgerte mich noch immer seine Ignoranz mir gegenüber. Ich wähnte mich dem Tod nahe und er imitierte Hitlers letzten Huster. Ein Skandal!
„Torte! Jetzt hör mir mal gut zu: Weißt du, wie ich mich gerade fühle? Wie ein Fisch, der sich verschluckt hat…oder so…klar? Also hör endlich auf mit deinem albernen Gesabbel!“
„Hihi.“
Er verstand mich nicht. Das machte mich traurig und zornig zugleich. Torte fiel nichts Besseres ein, als sich zu besaufen, während ich Höllenqualen durchlitt. Den Rest des Abends saß ich da und hörte mir schweigend Tortes alkoholschwangeres Gelalle von keuchenden Enten und röchelnden Fröschen an. Er brachte kein Mitgefühl auf für Leute wie mich. Sogar musste ich mir sagen lassen, dass mein Husten im Abgang bröckelt. Schweinerei! Nach der sechsten Margarita war Torte weg. Er war nicht von der Idee abzubringen gewesen, nach hause zu fahren. Ich musste husten.
Heute Morgen klingelte es dann an meiner Haustür. Es war Torte. Wenn Torte morgens bei mir an der Tür klingelt, ist das meistens ein Zeichen dafür, dass er sich ausheulen möchte. Er sah mitgenommen aus. Mit seinem besten Dackelblick sah er mich an und sagte kleinlaut: „Kann ich reinkommen? Tut mir Leid, dass ich dir gestern nicht zugehört habe und nicht auf deine Probleme eingegangen bin.“
„Was ist los?“, fragte ich.
„Ich musste pusten!“