Trottel
Zwei Trottel stritten über eine Menge Geld, einer kahlköpfig, der andere fett und mit sehr weiten Poren. Dazu beide Raucher und Kaffeetrinker. Sie stritten sich sehr lange, einer gewann, welcher ist doch egal, ähnelten sich sowieso viel zu sehr.
Das Individuum ist am Aussterben, die Gruppe ist wieder gefragt. Gemeinsam sind wir nicht einsam. Nicht einsam bedeutet stark? Das heißt also wenn ich einsam bin dann bin auch nicht stark? Schwach? Alleine bin ich schwach. Zu schwach zu leben? Egal.
Schon wieder zwei Trottel, schon wieder Streit. Diesmal eine Frau und ein Mann. "Frau" steht vorne weil ich mich als Frauenrechtler üben möchte. Der Streit hat keinen Grund, er dient vielmehr der Auslotung der sexuellen Grenzen in der Beziehung zwischen einer Frau und einem Mann.
Das Szenario lässt sich wie folgt beschreiben: der Mann verdient gut, er ist materiell gut ausgestattet und sexuell Potent. Die Frau ist überdurchschnittlich attraktiv, hat eine hervorragende Schulausbildung genoßen und studiert. Wir haben es mit Personen zu tun, die das dreißigste Lebensjahr noch nicht überschritten haben. Außerdem bin ich ein Opfer meiner eigenen Rollenklischees geworden. Dies wird bewußt nicht korrigiert. Neue Freiheit. Mal so als Schlagwort. Um auf die sexuellen Grenzen zurückzukommen: der Mann hat keine. Die Frau überlegt sich ob es beim Fummeln bleibt oder sie bald Flöte spielt. Oder eventuell doch gleich das alte Rein-Raus. Ich habe mich nicht dafür interessiert wie man sich einigte. Ich weiß es nicht. Tut mir leid, dies im unklaren lassen zu müssen.
Die Streitgespräche denen wir zugegebenermaßen nur sehr oberflächlich beiwohnten beinhalteten vor allem Worte. Es wurde viel geredet. Es wurde schwadroniert. Mit Worten attackiert. Es wurde sich über Worte definiert. Wie immer. Man kennt das ja.
Ja, ich gebe zu, das Ganze droht sich zu einem running Gag zu entwickeln - aber - Bingo:
Wieder zwei Trottel. Diesmal: Macht. Es geht um Macht. Ein strategisch wichtige Entscheidung steht an. Eine machtvolle Position ist zu besetzen, im Rampenlicht, mit jeder Menge Einfluß. Unsere Klienten: fünfeinhalb und sechs Jahre alt, männlich, Kindergartenkinder. Der zu besetzende Posten: Zirkusdirektor im Kindergartenzirkus (die Kinder spielen alle Rollen, auch Tiere und so weiter) der beim Sommerfest des Kindergartens eine Aufführung hat. Eine lange Diskussion. Drohungen. Spielzeuggeiseln. Fünfeinhalb und sechs! Aber das volle Programm. Auch hier wurde es viel zu bunt, man wendete sich ab. Man ging von dannen.
Aufmerksame Leser zählen drei und drei zusammen. Ich schweige. Ich schweige, weil ich nichts zu sagen habe. Ich gehe auf und ab, denke nach über kraftvolle Aussagen, die das Leben der Menschen, denen ich begegne beeinflußen. Ich komme zu dem Schluß: lohnt sich nicht.
Fast ist es mir egal. Lange ist es her, das ich überhaupt reflektierte. Ich stocke beizeiten, denke darüber nach ob nicht meine Markenzeichen fehlen. Ob ich nicht zu zahm geworden bin. Ich rieche immer noch regelmäßig am Fingernagel meines Daumens. Und ich höre Musik. Ist das eine Neurose? Viel wurde erlebt, einiges wurde behalten. Man verändert sich ständig. Und doch - der Kern bleibt immer der selbe. Es schien mir so angebracht über die Trotteligkeit der Personen die ich traf zu berichten. Selten war es mir vergönnt. Wer hört einem heute noch zu? Wer hat Zeit zum Zuhören? Ich habe viel Zeit und mehr und mehr gewöhne ich mich daran. Sie rennt mir davon obwohl ich in sie einzutauchen versuche. Um all den Trotteln zu entfliehen. Kann ich mich in die Zeit zurückziehen? Für die Formalisten zünde ich mir eine Zigarette an und rücke den Aschenbecher einige Male nervös hin und her. Es klingelt. Oder war das Einbildung? Vergesst die Trottel nicht. Bitte nicht. Ich stelle selten Forderungen, liegt mir fern. Aber es scheint mir angebracht. Gerade in diesen Zeiten. Und wenn ihr ihn findet, euren Trottel... haltet ihn fest. Haltet ihn ganz doll fest.