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Bühnenstück TV Serienkonzept "Narziss in der Grube"

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20.02.2019
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TV Serienkonzept "Narziss in der Grube"

Inhalt

ONE PAGE .................................................................................................................. 1 Rollenprofile ................................................................................................................. 2 CLAIRE CHRISTOPHE (29), ...................................................................................2 RICHIE UHLENPOHL (29).......................................................................................2 HANNE SCHUR (29)................................................................................................3 HILDEGARD MOSER-STÖLPEL (74) .....................................................................4 RAJA LARIONOWA (33)..........................................................................................5 SERGEJ MAKAROW (66)........................................................................................6 Handlung...................................................................................................................... 7 Rückblick .................................................................................................................. 7 (Re-)Union ................................................................................................................ 9 Neue Welten - geheimnisvolle Spuren –................................................................11 Besuch der alten Dame..........................................................................................11 Trouble in Paradise ................................................................................................ 12 Wer sind wir?..........................................................................................................13 Crunch Time...........................................................................................................13







ONE PAGE

Zwei Frauen und ein Mann, allesamt kurz vor 30, werden bei einer ebenso unerwar- teten wie wunderlichen Testamentseröffnung zusammengeführt. Der unbekannte Erblasser stellt jedem 100.000 Euro in Aussicht. Doch ist das Erbe an kuriose Bedin- gungen geknüpft: Sie müssen innerhalb der nächsten 100 Tage den Rückbau eines Betonmischwerkes an der Spree managen - und haben währenddessen auf dem Werksgelände zusammen wohnen. Wer die WG vorzeitig verlässt, geht leer aus.

Sie fragen sich, warum gerade sie die Auserwählten für die Aufgabe sind. Abgesehen von ihrem Alter und ihrer Einzelkämpferattitüde scheint es keine Gemeinsamkeiten zu geben. Doch ihre Neugier ist geweckt und sie treten das Erbe an. Anfangs zielen sowohl die Karrierefrau CLAIRE als auch der bekennende Nichtnutz RICHIE darauf ab, am Ende allein zu profitieren. Für beide scheint es nur eine Frage der Zeit, bis die nerdige und naiv wirkende HANNE die Segel streicht.

Die persönlichen Zielsetzungen der Drei geraten in den Hintergrund, als sie auf dem Gelände den Zugang zu einem unterirdischen Bunkerlabyrinth entdecken. Dort stoßen sie auf Spuren eines von Stasi und westdeutschen Pharmaunternehmen be- triebenen Joint-Venture namens Phoenix - ein Programm, das es offiziell nie gegeben hat und auf die Züchtung eines körperlich wie geistig optimierten Übermenschen zielte. Je weiter die drei in den Untergrund dringen, desto mehr erhärtet sich ein un- geheuerlicher Verdacht: Offenbar sind sie selbst das Resultat des Experiments - und hätten eigentlich mit allen weiteren Hinweisen kurz vor der Wende vernichtet werden sollen. Doch die Zerstörung der Räumlichkeiten wurde sabotiert, und irgendjemand muss sie damals in Sicherheit gebracht haben. Die WG-Genossen müssen ihre per- sönliche Geschichtsschreibung korrigieren, längst verdrängte traumatische Erleb- nisse aus ihren bisherigen Leben - oder dem, was sie dafür hielten - drängen an die Oberfläche. Und die seltsamen Erinnerungsfetzen, die jeden der drei zeitlebens be- gleiten, aber nie eingeordnet werden konnten, machen plötzlich Sinn, entpuppen sich als Reminiszenzen aus der gemeinsamen frühkindlichen Zeit.

Verwirrt fragen sie sich, ob und wie viel „Übermenschliches“ wirklich in ihnen schlummert. Sind es durch genetische Auslese und pränatales Doping optimierte Erbanlagen, mittels derer sich die drei aus zunehmend brenzligen Situationen befrei- en können? Handelt es sich dabei lediglich um unverschämtes Glück? Oder trägt am Ende gar die parapsychologische Behandlung der Kinder Früchte, sodass ihr Glaube Berge versetzen kann? Vielleicht gleiten sie auch nur in kollektive Paranoia ab...

Die Bedrohung erweist sich jedoch als real. Denn durch ihre Nachforschungen zu ihrem wahren Ursprung haben sie schlafende Hunde geweckt: die damaligen Ur- heber des Projektes Phoenix. Und die sind mittlerweile in allzu machtvollen Positio- nen, als dass ihre Verstrickung in das Projekt jemals publik werden dürfte. Für die drei Individualisten ist die Zeit gekommen, nicht weiter in ihrer Ich-Bezogenheit und Isolation zu verharren. Sie müssen lernen, zu vertrauen und eine Gemeinschaft ein- zugehen, in der einer für den anderen da sein kann, will und muss – um zu überle- ben.







Rollenprofile
CLAIRE CHRISTOPHE (29),

Claire wuchs in Saarbrücken auf. Der Vater Golflehrer, die Mutter Hausfrau, beide ambitionierte Turniertänzer. Die unverhoffte Adoption Claires sollte die Krönung der nach außen so perfekten Partnerschaft der Eltern sein, doch von nun an ging es beziehungs- technisch bergab. Die Mutter fand nie einen Draht zu dem Kind, das dem Vater nacheiferte und sich zur Sportskanone entwickelte: Ballett, Leichtathletik, Tennis, Handball und natür- lich Golf – all das erlernte Claire schnell, langweilte sie aber auch bald. Mit 13 beschloss sie rational, Golfprofi zu werden, eine hoffnungsvolle Karriere schien ihr bevorzustehen, doch nach einem Unfall verletzte sie sich ihr Handgelenk. Die Verletzung verheilte merkwürdig rasch, Claires Spiel jedoch erlangte nie wieder die einstige Präzision. Keine Katastrophe für Claire, die pragmatisch eine Karriere in der Schnittstelle von Wirtschaft und Politik als neu- es Ziel definierte – durch die Kunden ihres Vaters schafft sie es auf die französische Elite- Hochschule ENA und leistet heute in Brüssel als Freelancerin Lobbyarbeit für Unternehmen aus Europa. Ihr Spezialgebiet: Coaching von Lobbyisten und Politikern. Sie weiß die richti- gen Kontakte zu knüpfen und als Mitwisserin der Mächtigen oft selbst bei ihren privaten Börsengeschäften zu profitieren. Dabei nutzt sie ihren analytischen, taktisch versierten (und auch manipulativen) Kopf ebenso wie ihr umwerfendes Äußeres. Claire scheut sich nicht, ihr Charisma für berufliche Belange zu nutzen einen Umweg durchs Bett - sofern ihr Beu- teschema erfüllt wird. Und das ist breit gestreut, denn von Geschlechtergrenzen lässt sich Claire ebenso wenig einengen wie von Monogamie. Tiefere emotionale Bindungen stören sie nur bei der Selbstentfaltung - und traute Zweisamkeit ist ihrer Meinung nach definitiv überschätzt. Die Geschichte ihrer Eltern ist Claire Warnung genug, sich nicht zu sehr auf die Liebe ein- und auf jemand Anderen zu verlassen.

Arbeit ist Caires Leben, und Stress ihr Hobby. Ohne dass es ihr wirklich bewusst ist, be- schleicht sie langsam das unterschwellige Gefühl, genug zu haben vom Karrieredasein. Ein Sabbatical in Berlin? – Warum eigentlich nicht. Doch Claires Assistentin (und einzige Ver- traute im weiteren Sinn) SCHRÖDER ahnt, dass ihre Chefin auch in Berlin nicht von der Arbeit lassen wird, sondern ihre Kontakte in der Hauptstadt pflegen wird.

RICHIE UHLENPOHL (29)

Richie ist auf der Grenze zwischen Ruhrpott und Sauerland aufgewachsen, keine besonderen Vorkommnisse. Richies Vater malochte in der Metallindustrie, seine Freizeit verbrachte er vorzugsweise auf dem Rennrad. Seine Frau und der kleine Heinrich (so Richies korrekter Name) begleiteten ihn bei den Rennen am Wochenende, waren seine „Glücksbringer“. Doch irgendwann fand das EPO-Doping auch Einzug in den Amateurrad- sport, was Richies Vater die Freude am Radrennen vergällte. Richie solidarisierte sich: er beendete seine gerade erst begonnene Wettkampfkarriere, Profi wollte er zur ERleichte- rung des Vaters nicht mehr werden. Der Vater, nun seiner Leidenschaft beraubt, tröstete sich indem er es sich gutgehen ließ. Das Familienleben versank in langweiliger Spießigkeit, Richie machte eine Lehre in der metallverarbeitenden Industrie, dann hatte er von seiner Heimat genug und begann ein Studium in Berlin. Hier stieg wieder aufs Rad, wurde „Profi“





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– als Fahrradkurier. Nach diversen abgebrochenen Studien ist er in Berlin hängengeblie- ben, bezeichnet sich als “eher so der Freizeittyp“. Sowohl Konsum als auch Leistung wird von dem Kapitalismuskritiker weitestgehend verweigert. Nicht dagegen der Genuss von alkoholischen Drinks und dem ein oder anderen bewusstseinserweiternden Mittel. Mit sei- nem Nebenjob als radelnder Marihuana-Kurier für einen Motorradklub aus dem Umland bestreitet er de facto den Großteil seines alternativ-hedonistischen Lebenswandels. Außer- dem hat der begnadete Fummler den Rockern bereits das ein oder andere Schloss geöff- net, ohne Spuren zu hinterlassen. Richies Liebesleben besteht aus einer Aneinanderrei- hung loser Affären. In punkto „feste Beziehung“ verweigert er sich konsequent, scheut er doch Verbindlichkeit und Verantwortung, beides wird nach seiner Erfahrung (da mag die Affäre anfangs noch so zwanglos daherkommen) letztendlich immer gefordert - ein An- spruch, den Richie nicht erfüllen will, weil er es nicht kann. Er hat äußerst sensible Anten- nen und merkt schnell, wenn es ernst zu werden droht und er sich aus dem Staub machen sollte.

Richies langjährige Konstante ist sein Kumpel JOSEF (Richie nennt ihn Jupp). Der ist zwar Polizist bei der Fahrradstaffel der Berliner Polizei, aber dennoch sein bester Freund. Zwar will Josef nicht genau wissen, was sein Kumpel Illegales treibt, doch er ahnt genug, um ihm ins Gewissen zu reden, „mit der Scheiße aufzuhören“. Sind es diese ver- geblichen Apelle, oder hat das einst so feste Freundschaftsband durch Josefs Vaterschaft und Neuorientierung hin zum Familienvater erste Risse bekommen? Ein wenig neuer Schwung, das dämmert sogar Richie, würde seinem Leben ganz gut tun.

HANNE SCHUR (29)

Hannes erste bewusste Erinnerung ist die Trennung der Eltern. Die Mutter ließ mit dem gerade adoptierten Kind die Enge des Erzgebirges hinter sich, um die neue Reisefrei- heit zu genießen. Hanne verbrachte ihre Kindheit in diversen Hippie-Kommunen im Mittel- meerraum - von außen gesehen ein Paradies für Kinder, doch Hanne lernte auch die Schattenseiten von „Love and Peace“ kennen: den auch in der Gegenkultur herrschenden Gruppendruck, das haltlose Leben, geprägt von allenfalls losen Bindungen, die Drogen, denen ihre Mutter anheimfiel und die schließlich deren Ende bedeuteten – da war Hanne sieben Jahre alt. Die anschließende Suche nach dem Vater blieb erfolglos, denn er hatte sich nach dem Verlust von Frau und Kind in den Alkohol geflüchtet und ist irgendwann ver- schwunden.

Für Hanne begann eine Tournee durch zahlreiche Pflegefamilien quer durch die Re- publik. Mit jedem Umzug wurde sie „schwieriger“, flüchtete sich in Bücher, erwarb ein en- zyklopädisches Wissen, dann entdeckte sie die Informatik für sich. Als ihre „besten Freun- de“ fungierten fortan die zahllosen Rechner, mit denen sie sich umgab. Nach ihrem Studi- um in Aachen forscht sie am dortigen Institut für Luft- und Raumfahrt. Aufgrund ihres ge- hemmten Naturells gilt sie als stur und langweilig – in ihrem beruflichen Umfeld spricht man von Asperger, ansonsten bleibt sie unauffällig. Für soziale Kontakte hat sie keine Zeit, ver- gräbt sich lieber in ihrer Garage, wo sie sich um Computer jedweder Epoche kümmert und ansonsten still ihre eher humorvollen Hacker-Triumphe genießt. Wenn sie mal raus muss, um den Kopf freizubekommen, schnappt sie sich ihre Motocross-Maschine und nimmt auch das unwegsamste Gelände unter die Räder.





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Niemand weiß um Hannes wissenschaftliche Naturbegabung, die weit über das Maß ihrer Kollegen hinausgeht. Einer jedoch hat zumindest eine Ahnung von ihren gewaltigen kognitiven Fähigkeiten: Ihr letzter Projektleiter, JAKOB NEUHAUS, der ihr zuerst das Herz gestohlen - und dann gebrochen hat. Hanne hat mittlerweile die Schnauze voll. Randvoll. Sie sieht das „geerbte“ Projekt als potentiellen Neuanfang. Sie ersteht bei einer Internet- auktion einen Kostümfundus, und wappnet sich für ihr neues „Leben X.0“ mit phantasievol- len Emu-Outfits.
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Claire, Hanne und Richie haben eine gemeinsame Herkunft, von der sie noch nichts wissen. Sie entstammen dem Projekt Phoenix, ins Leben gerufen von Stasi-Granden und einer (offiziell nicht existenten) Delegation westdeutscher Pharma-Unternehmen. Ziel des genetischen Programms, das von Dr. Larionow aus der Sowjetunion geleitet wurde: einen körperlich wie geistig überlegenen Übermenschen zu kreieren. Larionow folgte dabei der Theorie des morphogenetischen Feldes und versuchte, die Zellentwicklung gezielt zu steu- ern, gleichsam lernfähige Zellen zu schaffen, deren Entwicklung nicht mit ihrer Spezifikation endet, sondern immer neu programmierbar bleiben. Ziel war ein Organismus, der immer wieder neu spezifiziert werden kann, weil er aus „lernfähig“ bleibenden Zellen besteht und sich immer wieder neu an veränderte Umweltbedingungen (sprich: Trainingsreize) anpas- sen kann. Neben gentechnischen und biochemischen Erkenntnissen kamen auch „exoti- sche“ Maßnahmen zum Einsatz: Die Kinder wurden mittels esoterischer und parapsycholo- gischer Behandlungen optimiert. Ob die Verfahren (und wenn ja: welche) erfolgreich waren, konnte nicht geklärt werden, denn als die Wende kam, wurde das Projekt hektisch einge- stampft, sollte aus der Geschichte getilgt werden. Larionow behielt seine Kenntnisse für sich. Keiner der damals Beteiligten ahnt, dass die Laboratorien damals nicht vollständig zerstört wurden – und dass jemand die Kinder in Sicherheit gebracht hat. Und zwar...

HILDEGARD MOSER-STÖLPEL (74)

Sie kam im Spreewald zur Welt, verlor ihre Eltern, als sie gerade ein Jahr alt war, wuchs auf bei ihrer Großmutter, manche Dorfbewohner hielten die Alte für eine Hexe. Als die Großmutter starb, musste Hildegard mit 17 erwachsen werden. Sie verschlug es nach Leipzig, wurde von der Stasi als Hostess „entdeckt“, mit dem Auftrag, westliche Messebe- sucher aus dem Westen auszuhorchen. Hildegard bewahrte sich aber selbst als Kurtisane der Staatsmacht relative Eigenständigkeit. Ihr Erfolg im Job gründete nicht primär auf ihrem durchaus aparten Äußeren und ihren sexuellen Fertigkeiten, sondern eher auf psychologi- schem Geschick. Ihre Wirkung auf die Männer war nicht nur sinnlicher, sondern schien zu- weilen übersinnlicher Natur. Mehr als einmal musste sie einem Kunden ausreden, mit ihr durchbrennen zu wollen. Auch mit den Mechanismen im Staatsapparat wusste sie umzu- gehen. Als sie sich zu alt für den Hostessenjob fühlte, bekam sie aufgrund ihrer mittlerweile hervorragenden Kontakte einen Spezialauftrag: als Amme für drei Babys, die im Rahmen des geheimen Projektes Phoenix zur Welt kamen, Hildegard war für die menschliche Zu- wendung zuständig. Und sie wunderte sich bald: Bildete sie sich das nur ein, oder bestand da wirklich eine fast schon unheimliche Verbindung zwischen den drei Säuglingen? Die





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Kleinen wirkten wie durch ein magisches Band verbunden. Sie schienen mittels üblicher Babylaute zielgerichtet zu kommunizieren, während sie in einer Apparatur festgeschnallt waren, die Füße mit einer Fahrradkurbel verbunden, um die Leistungsfähigkeit der Kleinen zu dokumentieren.

Als die Wende sich abzeichnete, war Hildegard klar, dass die Kinder in Gefahr schwebten. Und sie hatte recht: die Projektbetreiber – sowohl aus Ost als auch aus West - wollten verhindern, dass ihre Verstrickung in dieses offiziell nie existierende Projekt jemals ans Licht kommt. Der Endbefehl: sämtliche Hinweise auf das Programm sind zu zerstören – auch die Kinder, bei denen noch nicht geklärt werden konnte, ob sie wirklich über außer- gewöhnliche kognitive oder physische Anlagen verfügten. Hildegard sah das Überleben der Kinder auch langfristig in Gefahr, weil zwielichtige Kräfte zu viel Interesse an der Rezeptur für dieses mutmaßlich perfekte Menschenmaterial haben würden,

Um jegliche Spur zu verwischen, musste Hildegard sich von ihnen trennen - und die drei auseinanderreißen. Sie schleuste sie die Zweijährigen zu neuen Familien - über die Kontakte verfügte Hildegard aufgrund ihrer Hostessenkarriere in Leipzig. Hildegard hat nie wieder Kontakt zu den Kindern gesucht. Zum einen, um sie zu schützen, aber auch, um den eigenen Verlustschmerz und die quälende Sehnsucht nach „ihren“ Kindern zu verdrän- gen. Durch die vielen erzwungenen Abschiede in ihrem Leben ist Hildegards Herz vernarbt. Gefühlsregungen wären da nur Pein, deswegen hat sie sich ein schützendes Korsett aus Disziplin und Pragmatismus geschaffen, mit einer zynischen Sicht auf die Welt – der ideale Schutz vor weiteren Enttäuschungen. Nach der Wende wurde Hildegard Unternehmerin, setzte auf die boomende Esoterik-Branche – und war damit extrem erfolgreich, obgleich sie an diesen „Kram“ nicht glaubt. Sie zwingt sich zur Rationalität und hält die „Hexe“ (die sie längst verdrängt hat, aber durchaus in ihr steckt), somit unter Verschluss.

Hildegard glaubt nicht an die Liebe im romantischen Sinn, verfolgte eine äußerst er- folgreiche Heiratspolitik. Vor einiger Zeit hat sie erfahren, dass in ihrem Körper eine lebens- bedrohliche Zeitbombe schlummert: eine Krebserkrankung, die jederzeit ausbrechen kann und rapide zum Tod führen würde. Aber Hildegard hat noch einen letzten Strohhalm, an den sie sich klammern kann: „Ihre“ gentechnisch optimierten Kinder. Nach dem Tod ihres letzten Gatten, beschließt Hildegard, die drei mittels einer Erbschaft zusammenzuführen. Zweiter Teil des Plans: Mit Hilfe Dr. Larionows, den sie in einem Sanatorium in Russland aufspüren ließ, will sie die enormen Selbstheilungskräfte der Kinder auf ihren Körper über- tragen. Doch im tiefsten Grunde ihres Herzens treibt Hildegard ihre unbewusste Sehnsucht danach, die Kinder noch einmal vereint zu sehen. Ob deren außergewöhnliche Verbunden- heit die Jahre überstanden hat? Oder hat sie sich das damals nur eingebildet?

Hildegards einzig wirklicher Vertrauter ist ihr stummer Diener (Chauffeur und Leib- wächter) und ständiger Begleiter KUNO.

RAJA LARIONOWA (33)

Raja hat schon früh ihren Vater missen müssen, weil er kurz nach ihrer Geburt in die DDR abkommandiert wurde. Rajas Mutter war in ihrer Eitelkeit gekränkt, dass ihr Ehemann eher mit seiner Arbeit als mit ihr verheiratet war. Sie zahlte es ihm heim, indem sie sich sei- nem Cousin, dem Parteifunktionär Makarow zuwandte. In ihrem Leben als It-Girl hat Raja





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sich gut eingerichtet, Rechnungen werden von Makarow bezahlt, den sie mittlerweile als Vater angenommen hat – Tochtergefühle hat die Opportunistin nicht. Eine einzige, unty- pisch verschrobene Gegenleistung verlangt Makarow für das Luxusleben: Raja hat den leiblichen Vater in regelmäßigen Abständen zu besuchen, um doch noch irgendwie an des- sen verschollenen Aufzeichnungen zu gelangen. Für Raja ist klar, dass der sonst so auf Effizienz bedachte Makarow einem Hirngespinst nachhängt, tut sich aber brav die Besuche bei dem vor sich hindämmernden Larionow an. Bei einer Stippvisite aber wird Raja nach- denklich: offenbar hat sich jemand nach ihrem Vater erkundigt und ihm ein seltsames Paket geschickt. Darin eine Bilderserie - Aquarelle, Ölbilder, Abstraktes – jedoch immer mit dem- selben Motiv: wieder der gleiche Blick über einen Fluss. In den sonst so trüben Augen ihres Vaters flackerte plötzlich etwas auf. Als ihr Vater plötzlich spurlos aus dem Sanatorium ver- schwunden ist, fragt sie sich, ob am Ende doch etwas dran sein könnte an der Theorie ih- res Onkels. Sie macht sich nach Berlin auf, vordergründig zum Vergnügen, zieht in die Charlottenburger Wohnung Makarows. Dass sie auf eigene Faust nach den verschollenen Unterlagen ihres Vaters sucht, verrät sie ihrem Gönner nicht. Sollte sie fündig werden, wür- de sie das „Rezept für den perfekten Menschen“ gewinnbringend verkaufen können – ohne mit ihrem Onkel teilen zu müssen.

Raja ahnt noch nicht, dass sie in Berlin auf die „Brut“ treffen wird, die ihr Vater her- vorzubringen half.

SERGEJ MAKAROW (66)

Nach außen hin gibt er sich als kunstliebenden Philanthropen, aber hinter dieser Fassade versteckt sich ein lupenreiner Oligarch. Seine zum Teil skrupellosen, aber immer lukrativen Geschäfte führt er mit feinsinniger Hand und er wirkt wie ein melancholischer Phi- losoph, wenn er bedauernd die Kollateralschäden seines korrupten Handelns in Kauf neh- men „muss“. Makarow umgibt die gnadenlose, entspannte Aura eines Mannes, der ge- meinhin bekommt, was er will. Seine letzte Niederlage liegt mehr als 20 Jahre zurück. Da- mals gelang es ihm nicht, seinem Cousin Larionow Details über dessen Projekt in der DDR zu entlocken. Makarow wusste lediglich, dass es um genetische Optimierung ging. Lari- onow wurde daraufhin kaltgestellt und in eine psychiatrische Anstalt gesperrt. Makarow hat trotz seiner weitreichenden Kontakte vergeblich nach den Aufzeichnungen gefahndet. Aber er hat noch nicht ganz aufgegeben, behält Larionow über dessen Tochter im Auge, schickt sie hin und wieder in die Einrichtung. Er spekuliert darauf, dass Larionow doch noch einmal einen Hinweis auf den Verbleib seiner Dokumente fallen lassen könnte. Makarow weiß: das mutmaßliche Rezept des optimierten Menschen würde seine Macht und seinen Reichtum weiter nähren.





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Handlung





Rückblick

Am späten Abend des 9. November 1989 trifft in einem unterirdischen Bunker eine Handvoll Entscheidungsträger der Stasi zu einer Sitzung im Rahmen eines Notfallplans zu- sammen. Neueste Lage: soeben hat Schabowski faktisch die Reisefreiheit verkündet. Mit dem Ende der DDR droht ihr streng geheimes „Projekt Phoenix“ publik zu werden. In einer Abstimmung wird die Liquidation des Programms beschlossen - unverzüglich und zur Gän- ze; die Vorbereitungen dazu sind bereits erfolgt.

Die Versammlung löst sich auf. Ein Mann hat nicht mit abgestimmt und etwas abseits des Tisches gesessen. Er wirkt seltsam bedrückt und wird vor der Tür von einer Frau abgefan- gen, die ihm hilflos lächelnd eine Spieluhr überreicht. Als er die drei kleinen Hasen- Miniaturen der Uhr betrachtet, huscht der Hauch eines Lächelns über sein Gesicht. Ein sowjetischer Armeeangehöriger kommt dazu und mahnt zur Eile: „Dr. Larionow, der Hub- schrauber ist startbereit.“ Larionow nickt und geht, die Frau schaut ihm undurchdringlich nach.

Wenig später: Still liegt ein Betonmischwerk an der Spree, im Hintergrund hebt sich die sil- berne Kugel des Ostberliner Fernsehturms gegen den Nachthimmel ab. Nur das Geräusch eines gerade gestarteten Hubschraubers dringt gedämpft von fern herüber, wird plötzlich von dem dumpf-verschluckten Grollen einer Detonation übertönt. Der riesige Haufen Kies wird für einen Moment von einem Glimmen durchdrungen. Danach: Stille. Nur noch Qualm tritt träge aus dem Kiesberg.

Am Ufer der Spree steht einsam eine Frau und blickt dem Hubschrauber nach, des- sen Motorengeräusche langsam verstummen.

Überblendung zum Spreeufer am Morgen des 9. November 2017, der Molecular Man in der Spree, daneben ein Betonmischwerk. Die Kamera schwenkt Richtung Westen: wie eine zweite Sonne thront die silberne Kugel des Fernsehturms über der Stadt. Zu Fü- ßen des „Telespargels“ rast RICHIE in halsbrecherischer Manier auf seinem Rennrad über die Straße, hinter ihm ein Polizeiauto, mit Sirene und Blaulicht. Richie fährt adrenalinge- peitscht, aber nicht kopflos – offenbar keine ungewohnte Situation für ihn. Rechts, links, links, rechts, ab durch die Mitte - gerade so schlängelt er sich durch die Lücken zwischen den Fahrzeugen. Vor ihm beginnen sich Autos vor einer Ampel zu stauen. Richie überwin- det mit einem seitlich versetzten Sprung den Bordstein, hetzt auf dem Bürgersteig weiter. Auf der Gegenfahrbahn nähert sich ein Polizeiauto – sollte ihm das den Weg abschneiden, haben sie ihn... Aber Richie schafft es, dem sich querstellenden Polizeiwagen auszuwei- chen, schlüpft zwischen zwei sich entgegenkommenden Straßenbahnen hindurch und rast über den Alexanderplatz. Schon bald ist er von der Menschenmenge verschluckt. Die Poli- zei muss die Verfolgung aufgeben.

Brüssel:

CLAIRE beendet in ihrem Home-Office nach einem eindrucksvollen Schlussplädoyer eine 7







anstrengende Telefonkonferenz. Sie weist ihre Assistentin an, Termine zu verschieben. Offenbar ist die Assistentin auch mit der Organisation privater Dates betraut, sie nun ge- cancelt werden müssen. Claire beendet das Telefonat, nimmt einen Umschlag aus einer Tasche, wiegt den Brief nachdenklich in der Hand, während sie durch ihre Penthouse- Wohnung schreitet. Das durchgestylte Ambiente wirkt kalt, die zahlreichen Bilder und Plas- tiken vermitteln eher den Eindruck einer Galerie als den einer Wohnung. Jetzt, da sie allein ist, befällt eine Spur von Ratlosigkeit Claires makelloses Gesicht. Ihr Blick fällt auf eine Wandskulptur: ein bis zur Decke reichendes Konvolut aus Metallteilen. Erst als die Kamera aufzieht, erkennt man das Kunstradvelo, das als Gerüst des Kunstwerkes fungiert. Un- schlüssig betrachtet Claire das Kuvert. Offenbar hat sie den Brief bereits gelesen: das rote Siegel ist gebrochen - und zeigt ein Bild von drei im Kreis laufenden Hasen.

Aachen:

Das gleiche Siegel in Grün lugt gebrochen aus einer Tasche hervor, die am Rand zu einem Skater-Pool liegt, im Hintergrund geht die Sonne unter. HANNE balanciert auf ihrer Moto- cross-Maschine, mit dem sie Hindernisse wie Bänke und Geländer überwindet. Ein Moment des Innehaltens, dann visiert sie den Rand des Pools an – und fährt geradewegs darauf zu. Sie stürzt sich hinein, fällt aber nicht hin, sondern fegt durch die Steilkurven, vollführt immer gewagtere Kapriolen. Es wirkt, als wolle sie sich abreagieren, den Kopf freikriegen. Schließ- lich katapultiert sie sich spektakulär aus dem Pool, landet an dessen Rand, wirkt plötzlich wie festgefroren, während sie im Stand auf ihrem Motorrad balanciert. Ihren nachdenkli- chen Blick hat sie zielgenau auf das grüne Siegel geheftet.

Berlin, Tempelhofer Flugfeld:

Blaue Stunde auf dem Tempelhofer Flughafen, Richie betrachtet die Einladung zu einer Testamentseröffnung, kann sich keinen Reim darauf machen. Er zündet die Lunte seines Joints, steckt das Schreiben zurück in den Umschlag und schließt ihn wieder, streicht ge- dankenverloren über das blaue Hasensiegel. Nachdem er inhaliert hat, lässt Richie seinen Blick über das nächtliche Berlin schweifen – und fragt sich, ob er gerade wirklich eine Sternschnuppe gesehen hat.

Am nächsten Tag, im Morgengrauen:

HILDEGARD, steht an der Spree und blickt in Erwartung des Sonnenaufgangs gen Osten, verzieht keine Miene. Ihr Diener und Chauffeur KUNO kommt dazu und teilt ihr stumm mit, dass alles läuft. Hildegard nickt. Sie wendet sich um und blickt undurchdringlich auf das Betonmischwerk.





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(Re-)Union

Claire, Hanne, Richie – keiner der drei kann sich erklären, warum man von dem Erb- lasser, einem Berliner Großindustriellen, bedacht wurde. Als sie in einer Kanzlei aufeinan- dertreffen, sind Claire und Richie erst einmal ernüchtert, nicht allein begünstigt zu sein. Hanne beschäftigt eher die Frage nach einem logischen Grund, warum gerade sie drei, die in keiner Beziehung zueinander stehen, von einem jemand bedacht wurden, den keiner der drei kennt. Und das Erbe ist wahrhaft bizarrer Natur: jedem der drei winken 100.000 Euro, doch müssen sie dafür Betonmischwerk an der Spree abwickeln und den Rückbau organi- sieren. Sie haben dafür 100 Tage Zeit, dann läuft der Erbbaurechtsvertrag aus. Es gibt eine weitere, kuriose Bedingung: für die Dauer des Projektes haben sie zusammen zu wohnen, und zwar auf dem Grund und Boden des Werks. Diverse Containerelemente stehen bereits bezugsfertig auf dem Gelände und es gibt eine Apparatur zur Anwesenheitskontrolle. Nur wer bis zum Ende bleibt, kommt in Genuss der 100.000 Euro – sollte jemand aussteigen, fällt der Anteil an die/den Verbliebenen.

Richie kann das Geld gebrauchen, bedeutet es doch Unabhängigkeit von der Ro- ckergang, denen er dann nicht mehr jeden Gefallen tun muss, um weiter sorgenfrei durch sein Leben zu mäandrieren. Für Claire sind 100.000 Euro zwar Peanuts. Aber: Warum nicht mal eine Pause von ihrem üblichen Leben machen? Die Abwicklung ist für sie ein erfri- schend handfestes Projekt, das sie mit links erledigen wird. Hanne ist Geld generell relativ egal. Sie will einfach nur ihre Enttäuschungen und ihren Frust hinter sich lassen, endlich ihre Haut des unscheinbaren Sonderlings abstreifen. Diese WG in einer anderen Stadt sieht sie als willkommene Ausflucht aus der einsamen Tristesse. Sie unterstreicht den Be- ginn eines (wieder mal) neuen Lebens durch einen grundlegenden Stilwechsel und legt sich einen Fundus zu, aus dem sie Outfits kreiert, die bei ihren WG-Genossen Verwunderung hervorruft. Alle drei entscheiden sich, das Erbe anzutreten.

Mit der toughen, klar strukturierten Karrieristin Claire und dem chaotischen Leis- tungsverweiger Richie prallen zwei äußerst gegensätzliche Charaktere aufeinander. Richie sieht in Claire das Sinnbild für einen entfesselten Neoliberalismus, der dem Kapitalismus noch das Grab schaufeln wird. Claire kann darüber nur lachen, hält ihm den eigenen Ego- ismus vor, mit dem er sich parasitär im System eingenistet hat. Die Verschiedenheit der Charaktere spiegelt sich auch in der Wahl der Verkehrsmittel wider: Claire fährt Auto, Han- ne Enduro und Richie stellt die Fahrradfraktion dar,

Hanne ist, im Widerspruch zu ihrem exzentrischen Äußeren, der ausgleichende Fak- tor, der dem Trio so etwas wie Zusammenhalt verleiht. Sie will Spaß, eine gute Zeit – und zwar mit den anderen zusammen. Sie erkennt, dass Richie auf seine analoge Art ebenso ein Nerd ist wie sie im Digitalen. Und verkennt die Situation, versteigt sich zu der Frage, ob er ihr lang ersehnter „Märchenprinz“ sein könnte. Diese Hinwendung ist jedoch nur ein Vor- bote ihrer Ahnung, dass sie in den beiden WG-Genossen zum ersten Mal echte Freunde finden könnte, auch wenn das momentan eher nicht so aussieht.

Claire ist ihrerseits keineswegs auf der Suche nach Freunden, eher genervt von Hannes demonstrativen Zusammenhaltbemühungen. Sie kümmert sich vordringlich um die Abwicklung des Zementwerks – und als kleines „Bonbon“ gönnt sie sich ein wenig Abstand





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vom Sabbatical: sie kann es natürlich nicht lassen, in ihrem Business unterwegs zu sein. WG-Geselligkeit stört sie dabei nur, es reicht schon, dass sie mit den beiden anderen zu- sammenwohnen muss. Claire ist froh, dass sie weitgehend allein das Kommando bei dem Rückbau des Werks übernehmen kann. Nebenher recherchiert sie der Stiftung hinterher, an die das Grundstück fallen soll – und entdeckt Unregelmäßigkeiten. Gibt es nicht sogar eine Möglichkeit, selbst (und zwar allein) an das Grundstück zu kommen?

Richie genießt es, unbeirrt so weiterleben wie bisher – mit dem Unterschied, noch weniger zu arbeiten und ungestört einzig seiner Radleidenschaft zu frönen. Er glaubt, sich das in Erwartung der 100.000 Euro erlauben zu können.

Keiner der drei ahnt, dass sie von jemandem überwacht werden. Hildegard hat ihr erstes Etappenziel erreicht, indem sie die Drei ködern konnte. Angesichts des disharmoni- schen Zusammenlebens der WG kommen ihr langsam Zweifel, ob die mutmaßlich außer- gewöhnliche Verbundenheit der drei ehemaligen Ziehkinder nicht doch nur eine Illusion war. Sie sieht sich eher in ihrer rationalen Weltsicht bestärkt (wenn auch mit unbewusster Enttäuschung) und kümmert sich um die zweite Stufe ihres Plans: mit Dr. Larionow in Kon- takt zu treten. Mit seiner Hilfe wird sie die Selbstheilkräfte des „einen Kindes“ (es gibt nur ein erfolgreiches Exemplar, sie weiß aber nicht, welches) extrahieren und bei sich als letzte Waffe gegen den Krebs in Stellung bringen.

Hanne macht gegen den anfänglichen Widerstand ihrer WG-Genossen eine improvi- sierte Bar auf dem Gelände auf. Richie fühlt sich bestätigt, als die Gäste ausbleiben („Glaubst du, du kannst hier einfach aus der Provinz ankommen und hier einen Laden auf- machen? Dich kennt hier kein Schwein.“), Claire ist erleichtert, dass der Barbetrieb auf Sparflamme läuft und „ihre“ Organisation des Rückbaus nicht zusätzlich erschwert wird – es reicht schon, dass die letzten verbliebenen Mitarbeiter des Zementwerks sich nicht so ein- fach an die Luft setzen lassen wollen. Hanne schluckt die erste Enttäuschung über die feh- lende Gästeschar herunter, gibt sich damit zufrieden, als sie wenigstes vereinzelten Gästen eine verständnisvolle Barkeeperin und Beichtmutter sein kann. Sowenig sie ihr eigenes Le- ben auf die Reihe kriegt, schafft sie es doch, den Problembeladenen zu helfen.

Die WG-interne Stimmung bleibt angespannt. Richie schlägt eine gemeinsame Rad- tour als friedensstiftende Maßnahme vor. Claire will davon nichts wissen, Hanne kommt mit, sieht sich in ihren Verliebtheit bestätigt, doch am Ende der Tour wird ihr klar, dass sie sich Richie aus dem Kopf schlagen muss. Stattdessen beschleicht sie eine Ahnung, dass hin- gegen zwischen ihm und Claire mehr ist, als die sich eingestehen können. Hanne ahnt als erste, dass die latente Feindseligkeit zwischen den Beziehungsverweigerern Claire und Richie der Versuch ist, eine verstörende Anziehung zurückzudrängen.

Hildegard schafft es parallel dazu, Dr. Larionow aus dem Sanatorium, das sein Ge- fängnis ist, herauszuholen und nach Deutschland zu schaffen. Doch ist der Mann, mit dem sie während der gemeinsamen Berliner Zeit eine Affäre verband, ein Schatten seiner selbst, in dieser Verfassung wird er ihr hinsichtlich der erhofften Genesung keinen Deut weiterbringen. Hildegard setzt alle Hebel in Bewegung, ihn wieder aufzupäppeln und ihn aus der geistigen Umnachtung herauszuholen. Sie weiß nicht, dass Larionows Tochter Raja sich auf die Suche nach ihrem Vater macht.





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Neue Welten - geheimnisvolle Spuren –

Als Richie, angeschoben von einem spöttischem Kommentar Claires über seine Zö- gerlichkeit, den lang gehegten Traum von einer eigenen Fahrradmanufaktur in die Tat um- setzt, stößt er auf den versteckten Eingang zu einer riesigen Turnhalle, die irgendwann durch ein gewaltiges Feuer verwüstet wurde. Daraufhin entdecken sie, dass sich hinter der niedergebrannten Halle noch mehr verbirgt: ein weitverzweigtes unterirdisches Bunker- Labyrinth, dessen Zerstörung offenbar sabotiert wurde; verlassene Laboratorien, Sportstät- ten und Wohnräume. Sie erkunden das neu entdeckte Abenteuerland, erweitern Hannes Bar und errichten in der Sporthalle (der Rest des Labyrinths bleibt ihr WG-Geheimnis) eine Vagantenbühne, die Künstler rekrutiert Hanne in Form von Straßenmusikern, dabei merkt sie, dass der neu gefundene (von Richie und Claire oft belächelte) Kleidungsstil ihre Schüchternheit spürbar zurückdrängt.

Als Richie Claire und Hanne je ein selbstgebautes Rad schenkt, brechen sie doch noch vollzählig zu einer gemeinsamen Radtour rund um Berlin auf, und die WG-Genossen finden zumindest partiell einen Draht zueinander. Selbst Claire kann nicht verhehlen, dass ihr der wiederentdeckte Flow auf merkwürdige Weise gut tut. Richie wundert sich über die Leistungszuwächse der Damen, die schon bald mit ihm mithalten können – offenbar hat das Training bei ihnen einen erstaunlichen Effekt. Richie kommt das ganz recht: je höher das Tempo, desto größer sein Spaß. Die Harmonie, mit der sich die Gruppe auf ihren Zwei- rädern durch die Landschaft bewegt, ist dann doch überraschend. Und die drei entdecken eine weitere Gemeinsamkeit: ihr merkwürdiges Schlafverhalten. Alle drei kommen mit äu- ßerst wenig Schlaf zurecht. Doch wenn sie ihren Power-Nap nehmen, sind sie sediert, be- kommen absolut nichts mit - und sind dementsprechend wehrlos.

In weiteren Ausläufern des Labyrinths erhalten sie einen Hinweis auf die Eigentü- mergemeinschaft, an die das Gelände bald zurückfallen wird. Mittlerweile haben sie sich so an ihr neues Heim gewöhnt, dass sie auch nach dem Rückbau des Werkes nicht mehr weg wollen, sie suchen nach Möglichkeiten, ihr Refugium zu behalten, und malen sich schon aus, wie sie sich auf dem Gelände selbst verwirklichen könnten.

Doch bevor sie sich ihren Zukunftsplänen zuwenden können, entdeckt Hanne auf zu- rückgelassenen Rechnern Informationen über das Projekt PHOENIX, das in diesen Räu- men betrieben wurde. Die unbeschwerte Stimmung weicht bald einer beklemmenden An- spannung. Und dann sind da auch noch Richies alte Geschäftspartner, die nach seinen Diensten verlangen. Sie haben wenig Verständnis dafür, dass Richie ein neues Leben be- ginnen will. Zum Glück hat Richie auf dem WG Gelände einen Rückzugsort, von dem die Rocker nichts wissen - noch nicht.

Besuch der alten Dame

Mitten in dieser Zeit des Aufruhrs schleppt Hanne auch noch eine mittellose Rentne- rin an, in der sie ein Opfer der Gentrifizierung zu erkennen glaubt. Sie will sie in der Contai- ner-WG einquartieren, doch das sorgt für Protest bei Claire und Richie, die sich dann doch geschlagen geben. Es ist Hildegard, die sich inkognito einschleicht, ohne dass sie das zu- geben würde, spürt sie die Sehnsucht, wieder mit den Kindern zusammen zu sein, die sie damals versorgt hat und deren ungewöhnliche Verbundenheit sie so verblüffte. Vor sich





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selbst rechtfertigt Hildegard ihre Aktion damit, auf die Kinder aufzupassen, die ihre potenti- elle Lebensversicherung sein könnten. Und Hildegard ist geschockt, als sie mitbekommt, dass ihre ehemaligen Schützlinge auf Spuren des Projektes gestoßen sind, glaubte sie doch alle Räumlichkeiten zerstört. Gleichzeitig hofft die auf die Wiederherstellung Dr. Lari- onows. Es fällt ihr jedoch immer schwerer, die Kinder lediglich als Mittel zum Zweck für ihre eigene Genesung zu sehen, je mehr sie in die Rolle einer Großmutter wächst und sukzes- sive ihren selbstverordneten Zynismus ablegt.

Sogar Claire und Richie hinterfragen plötzlich ihr Einzelkämpferdasein und ihre zynische Einstellung zu dem, was gemeinhin „Liebe“ genannt wird. Sie spüren, dass sie ihre Kom- fortzone verlassen – und genau das macht ihnen Angst.

Hanne rekonstruiert unbeirrt weiter die Computer und versucht, das Projekt Phoenix zu ergründen, ihr naturwissenschaftliches Wissen kommt ihr dabei zugute. Für Hildegard zeichnet sich somit ein Plan B ab: sollte Larionow nicht mehr wiederhergestellt werden, kann sie vielleicht die von Hanne entschlüsselten Forschungsergebnisse dazu benutzen, wieder gesund zu werden.

Je tiefer sie in die Räumlichkeiten vordringen und ihrem wahren Ursprung auf die Spur kommen, desto mehr wächst ein undefinierbarer Druck. Liegt es an dem zugegebe- nermaßen unseriösen Lebensstil, dass in plötzlich auftretenden Rückblenden persönliche Traumata an die Oberfläche drängen? Prägende Erfahrungen aus den bisherigen familiä- ren Biographien der drei finden ihren Widerhall in den neu entstehenden quasi-familiären Strukturen der WG. Claire und Richie, die sich eigentlich viel zu auf- und abgeklärt fühlen, als sich und ihre Maximen in Frage zu stellen, sehen längst verdrängte Konflikte nun aus einem ganz anderen Blickwinkel. Ohne dass es ihnen bewusst ist, rutschen sie gegenüber Hanne immer wieder in den Part der Elternrolle - was wiederum Hanne ganz schön nervt. Für sie ist es weniger von Belang, ihre persönliche Familiengeschichte umschreiben zu müssen, hat sie doch im Gegensatz zu Claire und Richie „Familie“ nie als festes Biotop und sicheren Hafen abgespeichert; das Gefühl nicht richtig dazuzugehören (wie damals in den zahlreichen Pflegefamilien) steigt wieder in ihr auf. Sie fühlt sich Hanne gegenüber Richie und Claire irgendwie außen vor – auch wenn die beiden noch weit von der Einsicht entfernt sind, dass sie zusammengehören. Hannes scheinbarer Lichtblick ist RAJA, die sich von einem Stammgast zu einer Freundin entwickelt – misstrauisch beäugt von Hildegard, der langsam schwant, dass ihre Erbschaftsaktion weitere Kreise zieht als beabsichtigt, erkennt sie doch Raja als Tochter ihres damaligen Geliebten Larionow. Hildegard beschließt, sich wie gehabt mit ihrer Offenbarung zurückzuhalten, gibt sich gegenüber Raja neutral. Claire und Richie aber sind sich ungewohnt einig in der Ablehnung des Hausgastes.

Trouble in Paradise

Raja wiederum glaubt, ihren Ohren nicht zu trauen, als Hanne ihr von den Entde- ckungen hinsichtlich des Projektes Phoenix erzählt - ist vielleicht doch etwas dran an die- sem Märchen vom deutsch-deutschen Übermenschen, an das ihr Onkel glaubt? Sie ermu- tigt Hanne, weiter zu forschen – um das „Geheimrezept“ auf eigene Faust verkaufen zu können. Um sie an sich zu binden, becirct sie Hanne. Und diese fragt sich: War ihre Suche nach dem Richtigen so erfolglos, weil sie eigentlich auf Frauen steht? Hanne bietet ihren ganzen, kapitalen Sturkopf auf, um sich gegen Claire und Richie durchzusetzen und Raja





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auf dem Gelände einziehen zu lassen. Raja benutzt nicht nur Hanne, sie macht Richie ebenso raffinierte Avancen wie auch Claire, und schafft es, für Verwirrung und Eifersucht nicht nur zwischen den beiden, sondern auch in der WG zu sorgen.

Wer sind wir?

Durch Claires Bestrebungen, die Eigentümerfrage aufzuwerfen, weckt sie schlafende Hunde: die Stasi-Bosse von damals wollen sich mit dem Grundstück an der Spree im Nachhinein belohnen; Claires Untersuchungen gefährden diesen Plan. Die Stasi-Oberen improvisieren: die damaligen Verbündeten sollen ihnen helfen, die unliebsamen Gäste los- zuwerden. Und sie spekulieren richtig: die Pharmafirmen wollen unter allen Umständen vermeiden, dass ihre Beteiligung an dem Projekt Phoenix publik wird. Hildegard sind „ihre“ Kinder mittlerweile so ans Herz gewachsen, dass sie ihnen reinen Wein einschenkt, um sie vor der sich zusammenbrauenden Gefahr zu warnen. Sie klärt Hanne, Claire und Richie über deren wahren Ursprung auf, ebenso über ihre eigene Verstrickung in das Schicksal der drei. Fragen kommen auf: Sind wir genmanipulierte Mutanten? Hatten wir deswegen immer das unterschwellig-verknackste Gefühl, anders als die Anderen zu sein, niemals an- kommen zu können? Hildegard kann ihnen keine detaillierten Antworten über das ihnen zugrunde liegende Rezept liefern (ist sie doch selber auf der Suche danach), klärt sie aber darüber auf, dass damals wirklich alle Möglichkeiten zur Optimierung der Zucht ausge- schöpft wurden. Die Kinder wurden sogar von Schamanen aus verschiedenen Kulturen „behext". Die parapsychologische Behandlung wird von den Dreien belächelt – von Hilde- gard ebenso, aber sogar deren Überzeugung wankt, dass es nichts Übersinnliches gibt auf dieser Welt.

Es häufen sich die Indizien, dass die übersinnlichen Maßnahmen vielleicht doch nicht ganz folgenlos geblieben sind. So schwören Hanne und Claire Stein und Bein, Richie während einer gemeinsamen Yoga-Session beim yogischen Fliegen beobachtet zu haben. Richie will von dem Hokuspokus nichts wissen – andererseits wäre die Manipulation der Schwerkraft eine Erklärung für seine in Grenzsituationen zum Vorschein kommende enor- me Schnelligkeit auf dem Rad. Und dann zeigt sich doch eine erstaunliche Vernetzung der drei, die offenbar über Entfernungen hinweg telepathisch miteinander kommunizieren kön- nen – ein ebenso faszinierender wie bedrohlicher Gedanke.

Hanne fühlt sich herausgefordert und entwickelt Theorien, welche Reize gesetzt werden müssten, um ihre außergewöhnlichen kognitiven, körperlichen und telekinetischen Fähigkeiten zu aktivieren und auszubilden. Oder ist es nur der Glaube, der hier Berge ver- setzt?

Crunch Time

Inmitten der Krise werden Richie und Claire tatsächlich schwach und landen nach einer ausschweifenden Nacht im Bett – nur weiß keiner der beiden mehr, was wirklich pas- siert ist. Sie sind noch nicht bereit, sich einzugestehen, dass sie ineinander verliebt sind, können sich dieser Verletzlichkeit (noch) nicht ausliefern. Davon abgesehen müssen sie ihre Rollen neu definieren: Claires Firma wird mit Insidergeschäften in Verbindung ge- bracht, ihre Rücklagen werden im Zuge der Ermittlungen eingefroren.





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Weiterhin rückt Richie die Rockerband auf die Pelle, er soll noch einmal einen wich- tigen Job als „Türöffner“ bei einer verfeindeten Gang erledigen. Richie weigert sich - und macht sich damit die früheren Geschäftspartner endgültig zum Feind. Als er die Rocker während einer Verfolgungsjagd abschüttelt, fragt er sich, ob es wirklich übermenschliche Fähigkeiten sind, die ihn da gerettet haben. Oder war es das von Hanne getunte Rad in Verbindung mit seiner herausragenden Kenntnis des Straßennetzes? Vielleicht auch ein- fach mehr Glück als Verstand? Auch zwischen den Dreien tut sich etwas, das sie an ihrer eigenen Vernunft zweifeln lässt: in einer Situation, in der sie überfordert das Weite vonei- nander gesucht haben, verhindert ein nahezu telepathischer Kontakt zueinander, dass sie ihre gemeinsame Zukunft aufs Spiel setzen.

Hildegard Gesundheitszustand verschlechtert sich drastisch. Sie erzählt von Dr. La- rionow, den sie in der Hinterhand behalten hat, der aber offenkundig der Demenz anheim- gefallen ist. Es ist Hanne, der es gelingt, Larionow mittels seiner eigenen Forschungser- gebnisse von damals wieder ins Leben zurückzuholen. Er kann Hildegard nicht helfen, of- fenbart aber: Die drei sind nicht Geschwister, sondern Hanne ist die „zweite Generation“ des Experiments - eine Mixtur von Richie und Claire. Die beiden sind, obwohl gleichaltrig, Hannes biologische Eltern. Eine Tatsache, die sich in der Gruppenkonstellation bereits ab- zeichnete.

Am Ende ist Raja das Zünglein an der Schicksalswaage. Sie hat es in der Hand, ihre Gastgeber ans Messer zu liefern. Doch letztendlich hat die verschworene Gemeinschaft auf sie „abgefärbt“ und ihren Egoismus sowie ihren Hass auf die „unnatürlichen“ Kinder des Vaters aufgeweicht. Sie ist berührt von dem Zusammenhalt der drei, den sie nie für möglich oder gar erstrebenswert gehalten hätte. Sie kapiert, dass ihr Vater ein Opfer Makarows ist, und kann ihm verzeihen. Makarow hingegen ist ihr auf die Schliche gekommen und drängt sich in den anberaumten Deal zwischen Raja und den asiatischen Pharmagiganten. Sie spielt ihren Onkel gegen die Rocker aus und findet in dem vernichtenden Schlagabtausch der beiden Parteien den Tod. Mit geschickt gestreuten Informationen schafft sie es post- hum, Hanne, Claire und Richie aus der Schusslinie zu bringen, indem sie das Projekt Phoenix als gescheitert erscheinen lässt – eine erfolglose Spinnerei der deutsch-deutschen Geschichte.

Claire, Richie und Hanne machen den ehemaligen Betreibern von Phoenix einen Strich durch die Rechnung, indem es ihnen gelingt, die damaligen Initiatoren (und jetzigen Möchtegern-Investoren) gegeneinander auszuspielen, um selbst das Grundstück zu ergat- tern.





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Hallo @Vanessa1777

herrjemine. Da ist beim Hochladen etwas schief gelaufen … Schau mal über die Formatierungen und die Silbentrennung.

Lieben Gruß
Aurelia

 

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