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Typisch Samstag
An diesen 'typischen Samstagen' klettere ich, wohl um der senilen Bettflucht ihren eisernen und unbarmherzigen Willen zu lassen, auf allen Vieren aus dem Bett, ramme programmgemäß auf dem Weg ins Badezimmer die Kommode (das Familienfoto anlässlich Omas 80. Geburtstag braucht übrigens dringend einen neuen Rahmen), um mir dann - vom Badezimmerspiegel (wohlgemerkt: Badezimmerspiegel und nicht dreiteiliger Alibert, denn so ein Anblick, noch dazu dreifach und gut ausgeleuchtet, übersteigt meine morgendlichen Fähigkeiten um ein Vielfaches) abgewandt - die Zähne zu putzen und mir dabei einmal mehr zu schwören, dass der nächste Abend beim Italiener eindeutig weniger Averna und Memphis sky 100 beinhalten wird.
Unter der warmen Dusche erwachen dann nach und nach auch meine Lebensgeister, die sich aber gleich darauf, nämlich auf dem Weg zum Schrank, zumindest zurück in die Tiefschlafphase begeben, denn dort begegne ich - nach dem Blick in den Badezimmerspiegel - meinem zweiten Riesenproblem des 'typischen Samstags': Was soll ich denn bloß anziehen? Ich habe einen Schrank voll nichts zum Anziehen! Gramgebeugt und den ersten koketten Gedanken an Selbstmord verwerfend, entscheide ich mich letztendlich - wie üblich - für Jeans und schwarzen Ripprolli (dass der Lieblings-Ripprolli natürlich gerade in der Wäsche ist... Jessas! Die Wäsche!) und mache mich samt meinen mauloffen gähnenden Lebensgeistern auf den Weg ins Einkaufszentrum.
Bereits auf der Treppe beschleicht mich das eigentümliche Gefühl, irgendetwas Lebensnotwendiges vergessen zu haben, um - nachdem ich nach intensiver Nachdenkphase und minutenlanger zielloser Suche mein Auto doch gefunden habe - sämtliche gezählten 92 Stiegen wieder hinauf zu hasten und den vergessenen Autoschlüssel zu holen.
Kaum im Auto mutieren sämtliche anderen Verkehrsteilnehmer zu Tieren. So viele Hornochsen und dämliche Ziegen auf einem Fleck lassen mich vermuten, dass diese Ihren Führerschein entweder im Lotto gewonnen, beim Otto-Versand bestellt oder als Beigabe in der Cornflakes-Packung erhalten haben. Meine immer noch müden Lebensgeister sitzen dösend auf dem Beifahrersitz und lassen sich nicht einmal durch die Aussicht auf ein Hupkonzert wecken.
Im Einkaufszentrum ergattere ich durch ein waghalsiges Wendemanöver den letzten freien Parkplatz (den unfreundlichen Herren mit Schnauzbart und Space-Wagon habe ich mit einem entwaffnenden Lächeln bedacht) und mache mich, am Einkaufswagen, bei dem garantiert das linke Vorderrad blockiert, festhaltend, auf den Weg ins Gewühle. Meinen biblischen Wünschen, es Moses gleich zu tun und wie er das Meer die Menschenmassen zu teilen, nachhängend, fahre ich schnurstracks meinen Einkaufswagen meinem Vordermann in die Hacken (er will mich - Gottseidank - nicht auf Schmerzensgeld verklagen, denn die Geschichte mit dem blockierenden Vorderrad konnte ich ihm glaubhaft unterbreiten) und reihe mich anschließend in das lebhafte Getümmel der Kaufwütigen ein, um Dinge zu erstehen, die garantiert keiner braucht.
Meinen latenten Hang zu Kosmetika einer bestimmten Marke möchte ich nicht unerwähnt lassen (dass mein Badezimmer dahingehend besser sortiert ist, als die dm-Filiale ums Eck, verschweige ich aber schamhaft), auch die neue Wimperntusche, die ich unbedingt haben musste, nicht, aber - glauben Sie mir - die alte Wimperntusche war eh schon bröckelig und fast leer und so gesehen ist dieser Kauf moralisch sogar vertretbar. Meine Lebensgeister stehen mittlerweile auf wackeligen Beinen in der Gegend herum und beschäftigen sich ausdauernd damit, sich den Schlaf aus den Augen zu reiben.
Wieder zuhause und alle Einkäufe verstaut - die vielen Viecher waren auf dem Rückweg übrigens immer noch unterwegs, jaja, der Herdentrieb - überkommen mich hausfrauliche Gefühle (JESSAS! Die Wäsche!!!), aber bevor ich mich ihnen hingebe, muss ich noch unbedingt meine Haare waschen und drei Augenbrauen links und zwei rechts gehören dringend entfernt und eine Gesichtsmaske wäre auch von Vorteil und die Zehennägel gehören frisch lackiert... Der weibliche Teil meiner Lebensgeister jubelt triumphierend, während ich mir ein Schaumbad der de-luxe-Klasse einlasse (man gönnt sich ja sonst nichts) und eine halbe Stunde später sitzen wir - krebsrot und in Frottee gewickelt - zusammen auf der Couch und durchforsten gut gelaunt und entspannt das Fernsehprogramm.
Dem schlechten Gewissen, das sich angesichts der ignorierten hausfraulichen Gefühle (JESSAS!!! DIE WÄSCHE!!!) meldet, stopfe ich mit einer Tafel Erdbeer-Rahm-Schokolade das Maul und nehme hingebungsvoll Anteil am Liebesleid der beneidenswert schlanken Serienheldin und stelle - auf der Suche nach den neulich verschmähten Keksen - selbtzufrieden fest, dass auch schöne, schlanke Filmmenschen ihr tägliches Elend zu bewältigen haben.
Meine Lebensgeister wischen sich noch ein paar Kekskrümeln aus dem Gesicht und signalisieren mir mit erhobenem Daumen ihre Bereitschaft für einen Abstecher zum Italiener...