Un- und Wahrheiten über Fisch
Mir war nach Fisch.
Der Körper gibt einem ja immer so seine ganz eigenen Signale.
Ist dir nach was süßem, bist du eventuell unterzuckert, leicht müde - was übrigens eine Erklärung, aber noch lange keine Entschuldigung für diejenigen ist, die sich morgens pfundweise Zucker in den Kaffee kippen - und unkonzentriert.
In diesem Fall fährt man sich am besten flugs einen Snickers (Nuts, Mars, Milky Way, Twix) zwischen die Zähne, und alles ist wieder gut. Oder man tut das nicht - dann kommt möglicherweise so etwas wie dieser Text hier dabei heraus.
Wo war ich?
Signale des Körpers, richtig.
Kann auch sein, man hat einen Heißhunger auf Fleisch, auf ein richtig saftiges Steak. In diesem Fall will der Körper sagen, dass es ihm an Proteinen fehlt.
Oder aber auch, dass es an der Zeit ist, mal wieder mit Blondie auszugehen. Obwohl das dann auch ein Signal dafür sein kann, dem Körper mal wieder etwas Fleisch zu gönnen, welches nicht in essbarer Form gefordert ist. Bisschen knabbern, ja, aber nicht kauen und schlucken.
Obwohl...
Aber das ist ein anderes Thema und gehört hier nicht hin.
Vielleicht ist einem ja auch plötzlich einfach mal nach etwas saurem zumute. Vor dem geistigen Auge manifestiert sich dann beispielsweise eine Gewürzgurke, Citrusfrüchte - oder diese schrecklich sauer-klebrigen Fruchtgummibrombeeren aus dem Süßwarenregal im Penny, die dafür sorgen, dass trotz intensivster Händewascherei noch Tage nach dem Genuss wirklich alles an den Fingern kleben bleibt, was man auch nur ansatzweise berührt.
Kann zwar in peinliche Situationen abdriften, aber es riecht immerhin lecker beim blamieren.
Wie bitte?
Ach ja, Signale!
Ist einem also nach etwas Saurem zumute, dürstet es dem Körper nach Vitaminen. Dieses Bedürfnis sollte, gerade wenn es auf den Herbst zugeht, schleunigst befriedigt werden.
Es sei dann, man ist eine Frau. Dann benötigt man vielleicht trotzdem Vitamine - ist aber, unter Umständen, möglicherweise auch einfach nur schwanger.
In beiden Fällen helfen übrigens die Gummibeeren vom Penny nicht wirklich.
Nimm Obst (oder beim nächsten Mal ein Kondom)!
Mir war nun aber nach Fisch.
Ich vermute mal, mein Körper wollte mir damit sagen, er sei Phosphor-unterversorgt.
Das kann sein; und da Phosphor ja wichtig für's Gehirn ist, wäre auch das dann eine mögliche Erklärung für diese Geschichte - die jetzt übrigens mal langsam erzählt werden sollte.
Eigentlich, und das kommt mir jetzt gerade noch so in den Sinn, bevor es los geht, ist es auch möglich, dass mir mein inneres Ich lediglich sagen wollte, der alltägliche Mittags-Mainstream aus Bratnudel-Burger-Sandwich (neudeutsch: Sub) Kram könne mal wieder eine Abwechslung vertragen, einfach nur um den Magen nicht zu langweilen - denn Langeweile führt ja bekanntlich zu Antriebslosigkeit, innerer Leere und Überfettung. Im Interesse der Gesundheit, und auf den Magen bezogen, ist so ein Zustand natürlich zu vermeiden.
Näher betrachtet allerdings ist mir, als bekennendem Anhänger der "Nichts geschieht ohne höheren Zweck" Pseudo Esotherik, diese Erklärung schlichtweg zu profan. Ich hinterfrage die Dinge lieber, statt mich mit "so einfach ist das" abzufinden, auch wenn mich das immer wieder in heikle Lagen bringt.
Aber erstens ist das in diesem Zusammenhang völlig uninteressant, und zweitens beschränkt sich das Ausmaß der heiklen Lage in diesem speziellen Fall lediglich darauf, nun endlich ein Nordsee Restaurant finden zu müssen.
Eine Konsequenz, mit der ich vorerst leben kann.
Übrigens verwende ich den Begriff "Restaurant" im Zusammenhang mit der Marke "Nordsee" eher ungern. Ich tu's trotzdem, um Streitigkeiten mit dem Unternehmen aus dem Weg zu gehen. Ein Restaurant ist dann ja in meinen Augen doch eher die Geschichte, die mir weiter oben kurz in den Sinn gekommen ist, als ich einen winzigen Gedanken an Steak und Blondie verschwendete. Beziehungsweise an das, was gerne mal dem vorangeht, an das ich den Gedanken im Endeffekt verschwendete.
"Nordsee" bezeichnet seine Imbissbuden, oder neudeutsch "Food Points", eben als Restaurant - und da die dargebotenen Speisen meistens schmecken und, immerhin, auf echten Tellern angerichtet werden, übernehme ich die vorgegebene Bezeichnung für das anheimelnde Arrangement aus Speisezubereitungs/ausgabetresen und billigen Möbeln im Mc Donalds Stil einfach ungefiltert und mit lediglich unterschwelliger Kritik, des lieben Friedens halber.
Hm?
Ach so - worum es jetzt eigentlich geht?
Mir war also nach Fisch. Immer noch.
Der Weg treibt mich folglich durch die Einkaufspassage, vorbei an der sonst oft frequentierten Ecke mit türkischen, asiatischen und hausmannsköstlichen Leckereien in Richtung des ersehnten Nordsee-Fischerlebnisses. Ein paar Meter weiter lockt der Burger King mit leckerem Grillgeruch, rechter Hand hat die kulinarische Ecke des Karstadtkonzernes ihren Platz eingenommen und das Strandcafé bietet mir den Anblick der berühmten belegten Brote (die wirklich empfehlenswert sind).
Aber nein - ich will Fisch.
Nur welchen?
Fast orientierungslos stehe ich vor der Auslage, mir läuft das Wasser im Mund zusammen ob des Meeresgetieres, welches sich in Anbetracht meiner Gelüste mit Freuden nacktgestrippt und auf Eis wohlig selber angerichtet hat. Suchend wandert mein Blick von rechts nach links. Pazifisches Schollenfilet, Alaska Seelachs, Kabeljau an Senfsoße, Krabben und Garnelen. Die Thekenbedienung wird ein wenig ungeduldig, zumindest entnehme ich das ihrer fordernd gestellten Frage, was es denn sein solle. Irritiert antworte ich:
"Fisch".
Hier lag jetzt der Fehler, glaube ich im Nachhinein. Durch meine, mit leeren Augen und Sabber im Mundwinkel, etwas unpräzise formulierte Antwort begründet, muss sie irgendwie der falschen Annahme aufgesessen sein, es hier mit einem völlig verblödeten zu tun zu haben. Was sich, im weiteren Verlauf des Gespräches nicht wirklich verbessert haben dürfte.
"Wie wäre es denn mit Limandes?" fragt sie mich, offensichtlich davon überzeugt, mit Fremdwörtern bei mir leichtes Spiel zu haben. "Ich weiß nicht", entgegne ich, "wie ist der denn so?" - "Der ist sehr lecker, und er ist gesund!" erwidert sie euphorisch und zeigt mit dem Finger auf die Reste eines, offensichtlich in einem Teigmantel erstickten Tieres.
Verwirrt wandert mein Blick von ihrem Finger auf den Fisch, von dort zurück, ihren Arm empor, bleibt einen Moment an ihren Augen haften und begibt sich zurück zum Objekt dieser Konversation. Konzentriert bereite ich mich auf den entscheidenden Schlag vor.
"Wieso gesund - der ist doch tot" sage ich, mit triumphierendem Grinsen.
Jaja, unterschätzt mich ruhig, umso lustiger wird es für mich...
Geschmeckt hat das Viech, trotz des erbarmungswürdigen Gesundheitszustandes, dann doch. Als Entschädigung für das Auflaufen lassen habe ich auch noch eine Cola dazubestellt - und komme gerne wieder.
Wenn mir danach ist.