Und morgen wieder
Und da waren sie wieder, die Blicke der anderen. Halb mitleidig, halb belustigt. Aber ehrlich gesagt machte sie sich nichts aus ihnen. Denn, schon immer schauten die Menschen sie so an, wenn sie sich wieder alle Mühe gab.
Sie wollte es schaffen. Unbedingt.
Irgendwie glaubte sie, dass die Menschen um sie herum gar nicht anders schauen konnten, wenn sie sie bei ihren Bemühungen beobachteten.
Jeden Tag, immer wieder probierte sie es auf’s Neue. Und immer wieder schaffte sie es nicht, oder besser gesagt, schaffte sie es fast nicht.
Sie gab nicht auf. Und sie war sogar stolz auf das, was sie bisher schon erreicht hatte. Als sie ihr Ziel ins Auge gefasst hatte, war sie sich sicher gewesen: eines Tages würde auch sie das können was alle, naja, fast alle um sie herum konnten.
Für die anderen schien es gar nichts Besonderes zu sein. Ihre Bewegungen waren so harmonisch, so sicher, man sah ihnen an, dass sie diese Fertigkeit schon lange besassen, schon hundert Mal, tausend Mal benutzt hatten, um das zu erreichen, wonach sie so sehnsüchtig strebte. Auch sie wollte das können, was die anderen konnten.
Eigentlich hatte sie diesen Wunsch erst vor Kurzem zum ersten Mal verspürt. Vorher war es ihr wohl irgendwie nie bewusst geworden, dass auch sie im Grunde genommen nicht anders war als die Menschen um sie herum, und dass auch sie das Recht hatte, Dinge zu tun, die ihrem Leben mehr Selbständigkeit verliehen. Und wer sollte sie daran hindern?
Tja, wer? In der Tat gab es immer wieder Menschen um sie herum, die ihr die Mühe abnahmen, und ihr damit zu verstehen gaben, dass sie sie wohl nicht als ebenbürtig anerkannten.
Warum denn nur? Warum konnten sie nicht einsehen, dass doch auch sie dazu gehören wollte?
Vielleicht war der ein oder andere ganz einfach neidisch auf ihre Willenskraft, ihre Zielstrebigkeit.
Vielleicht, so dachte sie, erinnerte sie die anderen an Momente in ihrem Leben, in denen auch sie sich so unermesslich anstrengen mussten, um die ihnen gesteckten Ziele zu erreichen, und in denen sie, aus Zaghaftigkeit, aus Faulheit, oder auch ganz einfach nur
aus Bequemlichkeit aufgegeben hatten.
Nun wie auch immer. Sie würde nicht aufgeben. Sie nicht.
Denn, schon in wenigen Tagen würde sie drei Jahre alt werden, und vielleicht schon in wenigen Tagen würde sie endlich an den Lichtschalter in der Küche herankommen.