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Und nur noch Stille...

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03.10.2004
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Und nur noch Stille...

Die Sonne beendete gerade ihren Halbkreis am Horizont und schickte sich an, hinter ihm zu versinken, um dem Sternenhimmel Platz zu machen, der Nacht und dem Mond, der in ihr gerade genug Licht spendete, dass man sich in vertrautem Umfeld zurechtfinden konnte. Das Zirpen der Grillen war laut zu hören, wie das gespenstische Heulen der Wölfe, das so mancher noch in einigen Meilen Entfernung vernahm. Eigentlich war es ein Moment der Stille und der völligen Ruhe, ein Moment, der einem viel zu kurz vorkommt und doch so lange, dass man anfangen konnte, ihn zu genießen. Konzentriert man sich aber (ich möchte niemanden dazu verleiten, in einem Moment wie diesem die Oberhand über seine Sinne zu ergreifen und sich vollends auf seinen Verstand zu konzentrieren, aber nehmen wir einmal an, wir würden es tun), so würde man bemerken, dass es kein Moment der Stille ist, sondern ein Moment des letzten wachen und lebhaften Regens an diesem Tag. Wenn dieser doch so lebhafte Moment vergeht, so schnell wie das Feuer einer Kerze erlischt wenn man sie ausbläst und gleichfalls so langsam wie der Rauch, der langsam in Schwaden verweht und in den Himmel hinauf steigt, dann tritt sie wirklich ein, die Stille.
Es war einer dieser Momente, in denen der Mann auf seiner Veranda saß, wie er es jeden Abend tat. Einer dieser Momente, die er selbst nur schwer beschreiben konnte. Er war kein begabter Mann; das Schreiben lag ihm noch nie und auch gelesen hatte er nie gerne. Ihm fehlten die Worte, um einen Moment zu beschreiben, der so leer schien, so frei von Lärm und Unruhe und so frei von jeglichen Regungen. Aber es war ein Moment, der voll war von Leben, das wusste der Mann. Er wusste es, tief drinnen, denn dass er das, was er fühlte nicht beschreiben konnte, schloss noch lange nicht aus, dass er ein Romantiker war.
Der Mann saß auf seiner Veranda und blickte hinaus in die Natur, die bereits begann von ihrer rotbraunen Färbung während des Sonnenuntergangs schieferblau zu werden und die Nacht kündigte sich an. Die Falten an seinen Augen waren schon tiefer, als dass man sie einfach als Krähenfüße bezeichnete, vielmehr bildeten sie das Mississippidelta. Die einzelnen weißen Haare unter den dunkelgrauen auf seinem Kopf, blitzten silbern hell in der Dunkelheit. Hals und Wangen des Mannes waren nicht mehr straff, seine Wangen rau von den harten Bartstoppeln der letzten Tage.
Der Mann sah alt aus. Mancher mochte diesen Mann als verbraucht ansehen, als gebrochen und verlebt. Er selbst würde dies aber nie tun, denn er fühlte sich gut. Er wusste, dass er nicht mehr jung war, das war nicht zu leugnen, alt fühlte er sich aber noch nicht. Wollte es nicht, wollte es nicht zulassen. Gebrochen war er auch nicht, denn seine stahlblauen Augen verrieten, welche Kraft noch in ihm steckte, welcher lebendige Geist. Adlersaugen. Er hatte sie schon damals gehabt, als er loszog mit seiner Flinte und zurückkam mit einem Bündel erlegter Fasane oder Hasen, auf die sich schon seine Mutter und seine Schwester freuten. Fast mit keinem seiner Schüsse hatte er sein Ziel jemals verfehlt, seit er die Kunst des Schie-ßens erlernt hatte.
Es knackte im Gestrüpp, ein Zweig brach laut in der angehenden Stille, in der fast nur das Rascheln der Blätter zu hören war, die an den Baumästen hingen. Ein Lied, gespielt vom Wind, die Bäume sein Instrument. Musik der Natur. Das mochte der Mann.
Es war ein Reh, das versuchte, leise und heimlich durch das Gestrüpp zu gehen, dann aber auf einen Zweig getreten war und die Ruhe für einen Augenblick gestört hatte. Das Reh verschwand so plötzlich wieder, wie es aufgetaucht war. Der Mann konnte es in der Dunkelheit nicht mehr erkennen. Er nahm den Strohhalm, den er schon lange gekaut hatte, aus dem Mund und warf ihn hinaus ins trockene Gras. Er hätte ihn nicht mehr finden können, wäre er aufgestanden, um ihn zu suchen. Zu gleich war er in der Menge der Gräser, zu unbedeutend und klein.
Der Mann fasste nach dem Glas Whiskey, das er neben sich auf dem Boden stehen hatte, und führte es an seinen trockenen Mund. Erfrischend strömte der goldbraune, kühle Whiskey seinen Rachen hinunter und verbreitete eine Welle der Wärme. Sie war angenehm. Daraufhin nahm er die Zigarre in den Mund, sie wartete schon lange auf diesen Moment, und entzündete ein langes Streichholz. Das Zischen war laut zu hören, der Schein der kleinen Flamme erhellte sein Gesicht und ließ die Falten und Furchen noch tiefer erscheinen, ihre schwarzen Schatten noch dunkler. Langsam erwärmte er die Zigarre am Feuer, er drehte sie und begann schließlich behutsam an ihr zu ziehen, bis sie vorne aufglühte und begann abzubrennen. Genussvoll blies er die Rauchwolke hinaus in die Nacht, wo sie sich, zuerst euphorisch wirbelnd, am Ende doch ziellos verlor.
In diesem Genuss schwelgend blickte der Mann hinaus in die Dunkelheit, konzentrierte sich aber auf nichts Bestimmtes. Schon bald driftete er mit seinen Gedanken ab in die Vergangenheit.
Bis zu der Zeit, als er als ungebildeter Junge vom Land versuchte, einen akzeptablen Beruf in der Stadt zu bekommen. Einige Zeit arbeitete er in einer Kommission, ein Beamter unter vielen, deren einzige Aufgabe darin bestand, noch mehr Beamte zu kontrollieren und zu überschauen. Er behielt diesen Beruf nicht lange, da er nicht rechnen konnte. Damals schien es ihm dennoch eine gute Idee gewesen zu sein, dies bei seinem Bewerbungsgespräch zu verheimlichen. Bis dahin war er mit seiner Strategie auch ganz gut gefahren. Aus Mitleid gab man ihm immerhin noch eine Anstellung im Archiv, wo er mit seinen beschränkten Lesefähigkeiten Akten einsortieren konnte.
Der Mann überlegte, ob er in seiner späten Jugend und seinen frühen Jahren als Erwachsener, besonders in diesen Jahren, zu viel gearbeitet hatte. Genau genommen hatte er natürlich sein ganzes Leben lang gearbeitet, aber besonders in diesen Jahren, den Jahren in denen man Spaß hat, hatte er da etwas verpasst? Der Gedanke drängte sich ihm plötzlich auf. Er war schon da, bevor er ihn aussperren konnte. Er war sich nicht mehr sicher, ob er jemals wirklich Spaß gehabt hatte in seinem Leben. Wenn man es genau betrachtete, so war er doch nur ein Mensch unter vielen, einer unter Millionen. Hatte er jemals etwas bewirkt? Etwas besonderes erreicht, Veränderungen herbeigeführt? Der Mann konnte sich an nichts mehr erinnern. Sein Leben schien ihm plötzlich so unbedeutend wie der Grashalm, den er gerade unachtsam weggeworfen hatte und seine Augen trübten sich. Seine Freunde, die er schon seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatte, entweder weil sie gestorben waren oder weil sie auf der Suche nach einem besseren Leben in die Stadt gezogen waren, hätten ihn in dieser Situation vielleicht getröstet und ihm gesagt, dass er von Bedeutung war. Aber was sind schon wenige Momente, höchstens eine Handvoll, in all diesen Jahren? In all diesen Jahren, die sein Leben bildeten. Einmal hatte er sogar einem seiner Freunde, von dem er wusste, wohin er gezogen war, einen Brief geschrieben. Eine Antwort hatte er jedoch nie erhalten. Nicht ein Zeichen. Als er sich in diesem Moment, dem Moment der Ruhe, daran erinnerte, ging es ihm auf:
Als Mensch hatte er versagt. Er mag schon oft darüber nachgedacht haben, aber wahrscheinlich hatte er es immer wieder verdrängt. Er wollte die Gewissheit, ein sinnloses Leben geführt und sein Leben verschenkt zu haben, nicht wahrhaben und flüchtete vor ihr.
Der Wind begann stärker zu wehen und ein Sturm zog auf. Die Gräser und Bäume bogen sich unter einer Windböe und die Haare des Mannes tanzten wirr in der Nacht ihren aufgewühlten Tanz.
Der Mann versuchte in seinem Leben immer sein Bestes zu geben, strebend nach Wohlstand und danach, dass seine Familie es leichter hatte. Aber darüber hinaus hatte er vergessen, was im Leben sonst noch von Bedeutung war.
Wieder versuchte der Mann gegen diese Erkenntnis anzukämpfen und sie zu verdrängen. Er zog an seiner Zigarre und blies den Rauch energisch hinaus wie ein feuerspeiender Drache, aber sein Einwand wurde von seiner Vernunft endgültig weggeweht, so wie die Rauchschwade vom Wind.
Der Mond stand mittlerweile in der Mitte des Himmels und leuchtete unterstützt durch die Sterne hinunter auf das Fleckchen Natur, das der Mann gerade sah. Und während langsam die stählerne Stärke aus seinen Augen wich, schwang sich ein Falke vom Ast eines Baumes auf. Er warf noch einen Blick zurück auf den alten Mann, der auf seiner Veranda saß und stieg dann hinauf zu den Wolken. Das Reh, das vorhin die Gedanken des Mannes unterbrochen hatte, lief ruhig zur Veranda, legte sich davor und beäugte den Mann neugierig. Die Zigarre erlosch und im nächsten Augenblick war auch die letzte Rauchschwade davongetragen.

 

Hallo dodo1,

du verwendest viel Mühe und Zeit auf die Schilderung eines Mannes, der zu frieden vor sich hin sinnierend auf der Terasse seines Hauses sitzt, alt, aber lebendig bleiben durfte. Der Mann stirbt, und der Film des Lebens, der in diesem Minuten vor ihm ablaufen soll, streift nur ruhig einige Stationen.
Ich möchte einfach mal beschreiben, wann ich bei deinem Text unwillig wurde. Es war die Stelle, an der du dich in Allgemeinplätzen über den Sinn des Lebens verlierst.

Wenn man es genau betrachtete, so war er doch nur ein Mensch unter vielen, einer unter Millionen. Hatte er jemals etwas bewirkt?
Bis dahin hätte es noch eine exemplarische Schilderung eines Lebens sein können. Aber ab da hättest du damit jeden beliebigen Mann in der Midlife Krise beschreiben können. Da hätte ich mir gewünscht, du wärest näher an deinem Protagonisten geblieben.

Manchmal zuvor strapazierst du die Geduld des Lesers mit langen kunstvollen Sätzen, die in ihrer Beschreibung immer auch Gefahr laufen, zu langweilen. Grunsätzlich fand ich aber schön, dass du dir Zeit lässt für die detailierte Beschreibung deines Prot. Um so enttäuschender fand ich die Auflösung in Allgemeinplätzchen.

Einige Details:

Konzentriert man sich aber (ich möchte niemanden dazu verleiten, in einem Moment wie diesem die Oberhand über seine Sinne zu ergreifen und sich vollends auf seinen Verstand zu konzentrieren, aber nehmen wir einmal an, wir würden es tun), so würde man bemerken, dass es kein Moment der Stille ist, sondern ein Moment des letzten wachen und lebhaften Regens an diesem Tag.
Hier hat dich deine eigene Klammersetzung aus dem Satz gebracht. Die Klammer muss für sich stehen können. Dann müsste aber dein Satz auch im Konjuktiv beginnen (Konzentrierte man ...) um nach der Klammer mit "würde" weitergeführt zu werden.
Wenn dieser doch so leb-hafte Moment
Am besten deaktivierst du die automatische Silbentrennung bei deinem Schreibprogramm völlig. Hier führt sie zu merkwürdigen Beistrichen mitten im Text, aber auch Verlage mögen sie in Manuskripten überhaupt nicht.
Für diesen Text hier bitte ich dich, alle Beistriche zu entfernen.
denn seine stahlblauen Augen verrieten, welche Kraft noch in ihm steckte, welcher lebendige Geist.
würde hier einfach aus ästhetischen Gründen zu "welch lebendiger Geist" raten. Ist aber nur ein Gefühl. ;)
Adlersaugen
auf die sich schon seine Mutter und seine Schwester freuten.
würde das "schon" eher hinter "Schwester" platzieren
einen akzep-tablen Beruf in der Stadt zu bekommen
würde hier zu "eine akzeptable Arbeit" raten, da man einen Beruf erlernt.
Als Mensch hatte er versagt. Er mag schon oft darüber nachgedacht haben,
aber wahrscheinlich hatte er es immer wieder verdrängt.
Auc solche Zeilenumbrüche aus dem Schreibprogramm übernommen, ergeben in der Formatierung hier wenig Sinn.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo kariko und sim,

ich danke für eure kritischen Ausführungen!

kariko schrieb:
allerdings sind mir ein paar stilistische und inhaltliche mängel aufgefallen:
Mit diesen hatte ich schon gerechnet...
kariko schrieb:
ich persönlich bin keine freundin von zahlreichen adjektiven. sie können eine geschichte banal und gewollt erscheinen lassen.
Wirklich gewollt geschrieben empfinde ich die Geschichte nicht, das Schreiben ging mir leicht von der Hand. Dennoch werde ich die Zahl der Adjektive versuchen zu minimieren. Denn ich muss zugeben, dass ich, wenn ich eine Geschichte lese, auch kein Freund zu vieler Adjektive bin.
kariko schrieb:
m ersten absatz schreibst du von laut zirpenden grillen und wölfen, deren heulen noch meilenweit zu hören ist und im nächsten satz ist das alles "eigentlich" ein moment der stille. wenn du schon hier den mann auf der veranda ins spiel bringen würdest und schreiben, dass dies FÜR IHN ein moment der stille ist, wäre es plausibel. so wie du es beschreibst, ist es das für mich nicht.
Danke, das ist ein logischer Fehler, den ich schnellstmöglich beheben werde!
kariko schrieb:
das reh im letzten abschnitt läuft so ein bißchen ins leere. es ist etwas besonderes, wenn ein wildes reh einem menschen so nahe kommt. wie reagiert er darauf? hat es etwa für ihn gar keine bedeutung?
Wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke, hast du Recht. Dem Reh kommt in der Geschichte eine zu geringe Bedeutung zu. Ich werde sehen, ob ich ihm noch ein paar weitere Sätze widmen werde.
sim schrieb:
Manchmal zuvor strapazierst du die Geduld des Lesers mit langen kunstvollen Sätzen, die in ihrer Beschreibung immer auch Gefahr laufen, zu langweilen.
Langweilen möchte ich meine Leser natürlich nicht. Ich werde bei der Überarbeitung der Geschichte auch auf die Satzstruktur achten, damit diese nicht zu verschachtelt wird und die Sätze keine Überlängen erreichen.
sim schrieb:
Hier hat dich deine eigene Klammersetzung aus dem Satz gebracht. Die Klammer muss für sich stehen können. Dann müsste aber dein Satz auch im Konjuktiv beginnen (Konzentrierte man ...) um nach der Klammer mit "würde" weitergeführt zu werden.
Danke für die Verbesserung. Der Fehler ist mir beim Korrekturlesen nicht aufgefallen. Und auch die Klammer kommt mir nun sehr lang vor. Allerdings... könnte es nicht ein Hyperbaton sein ;)
sim schrieb:
Am besten deaktivierst du die automatische Silbentrennung bei deinem Schreibprogramm völlig. Hier führt sie zu merkwürdigen Beistrichen mitten im Text, aber auch Verlage mögen sie in Manuskripten überhaupt nicht.
Für diesen Text hier bitte ich dich, alle Beistriche zu entfernen.
Die Beistriche werde ich entfernen und dies bei meiner nächsten Geschichte auch gleich anfangs tun, wenn ich sie hier im Forum poste.
sim schrieb:
würde hier zu "eine akzeptable Arbeit" raten, da man einen Beruf erlernt.
Ein inhaltlicher Fehler, der behoben wird!
sim schrieb:
Auc solche Zeilenumbrüche aus dem Schreibprogramm übernommen, ergeben in der Formatierung hier wenig Sinn.
Ich sehe schon, das nächste Mal werde ich mehr Zeit auf die Neuformatierung für dieses Forum verwenden. Es leuchtet mir aber ein.

Ich danke euch nochmals für eure Meinungen und Hilfestellungen. Sie haben mir geholfen und ich werde sie bei der Neufassung meiner Geschichte natürlich berücksichtigen. Danke! Und ich bin immer noch offen für weitere Anregungen :)

Dominik

 

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