Und Schuld war......
Lange, lange vor unserer Zeit, als die ersten Menschen ihr Nomadendasein aufgegeben hatten und sich niederließen, wurde langsam aber sicher der Wunsch laut, etwas Abwechslung zum täglichen Bebauen der Felder und der Tierhütung zu bekommen.
Und so entstanden erste Wettkämpfe, Schaukämpfe und, sehr viele Jahrhunderte später die erste Bühne. Zuerst waren diese „Bühnen“ leere Plätze in der Landschaft, um die sich die Zuschauer scharten. Kostüme, wie wir sie heute kennen, gab es damals noch nicht.
Die Blüte des Theaters war in der Barockzeit. Protzige Bühnen wurden gebaut, Kostüme entworfen, Schauspieler in speziellen Schulen ausgebildet und Werke von berühmten Männern wie Shakespeare dargestellt.
Doch parallel dazu wurden auch Waffen entwickelt. Diese wurden im Laufe der Zeit immer effektiver, grausamer und schneller. Es kam zu unzähligen Kriegen, welche teilweise später romantisiert und auf der Bühne dargestellt wurden, neben den vielen imaginären Schlachten und Tragödien, die von Schriftstellern und später auch Drehbuchautoren und Regisseuren geschrieben und verfilmt wurden.
Nun kamen aber immer mehr minderbeschäftigte junge Leute, in erster Linie Vertreter des männlichen Geschlechts auf die Idee, virtuelle Computerspiel-Helden oder auch Stars, die in ihren berühmten Filmen Peng Peng machten und nachher mit coolem Grinsen den den rauchenden Colt in die Höhe hielten, nachzuahmen.
Vielleicht würden ihnen dann auch leicht bekleidete Bond-Girls in die Arme fliegen. Wer weiß?
Und so mussten einige unschuldige Seelen daran glauben. Vor allem Amokläufe wurden immer populärer.
Die Eltern waren empört.
Schafft gewalttätige Videospiele ab! Sie verderben die ach so unschuldigen Gemüter unserer Kinderchen!
Eine erste moralische Katastrophe kam im Jahre 1970 in Gestalt eines drogeneinwerfenden Beethoven-Dandys namens Alex, der in Stanley Kubricks „Uhrwerk Orange“ prügelnd und vergewaltigend durch die Straßen Londons zog. Fürsorgliche Eltern und Kritiker schrien empört auf; der gewaltverherrlichende Film sei ein verabscheuenswürdiges Machwerk der verdorbenen Filmindustrie, die den Menschen ja ohnehin immer nur Flausen in den Kopf gesetzt hatte. „Uhrwerk Orange“ musste geschnitten werden, bevor es die zarten Augen der Menschheit berühren durfte.
Es folgten immer mehr Videospiele, getreu dem Motto „Kill to win“ oder besser gesagt, „Knallst du alle ab, knackst du den Highscore“. Viele wurden unter entsetztem Buhgeschrei zum Markt genommen und tauchten nicht wieder aus ihrer Versenkung auf.
1999 kam „Matrix“ in die Kinos. Millionen wurden mit dem Streifen eingenommen. Doch einige zartbesaitete Gemüter erkannten in einigen Szenen Parallelen zu den Amokläufen an Schulen. Besonders die Szene, in welcher Neo und Trinity mit...ähem, etwas schwereren Kalibern in das Hochhaus eindringen und dabei unzählige Polizisten niedermetzeln, ist umstritten. Wer weiß, wie viele Kinder sich dieses Mal aus dem Haus schleichen mussten, um den Film im Kino zu sehen?
Doch dieses Mal wurden die kritischen Beobachter von der übergroßen Masse der Begeisterten niedergewälzt.
Doch wer ist wirklich schuld an der Gewalt in unserer Gesellschaft? Wenn ich Filme oder Videospiele beschuldige, der Auslöser von Gewalttaten zu sein, weil darin geschossen worden ist, müsste ich dann nicht mit derselben Logik behaupten, Schuld an dem Tod von Urlaubern aufgrund eines Flugzeugabsturzes ist der Reiseveranstalter, der die Menschen mit Bildern von Sonne, Strand und guten Hotels in die Maschine des Verderbens gelockt hatte?
Ich weiß es nicht. Diese Frage zu erörtern wäre wohl Sisyphosarbeit. Und da Sie jetzt so viel Zeit mit anstrengendem Lesen verbracht haben, gönnen Sie sich eine Pause. Bestellen Sie eine Pizza und setzten Sie sich vor den Fernseher. Und wenn sie sich mit der Pizza die Zunge verbrennen, verklagen Sie das Restaurant.
Welch hinterlistiges Attentat!
Und wenn Sie nach „From Dusk till dawn“ Mordgelüste verspüren und die halbe Stadt niedermetzeln, so brauchen Sie sich nicht vor der Polizei zu fürchten, denn Schuld war schließlich der Film. Er bedeckte Ihre unbefleckte Seele mit Schmutz und trieb Sie zu der Greueltat. Verklagen Sie Hollywood-der Sieg ist Ihnen sicher.