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Und sie holten ihn ein
Richard vefluchte das Wetter. Es war einer dieser Sommertage gewesen, die man im Freibad verbrachte, danach mit seinen Kumpels grillte und anschließend im tiefen Gras mit einem Partner seiner Wahl, den Abend abrundete.
Doch Richard befand sich auf der A-71 und ihm blieben nur Erinnerungen an solche Tage. Die Lehre lag hinter ihm und die Bundeswehr vor ihm. Die zwei Monate dazwischen, verbrachte er damit Konzerte und Freunde zu besuchen. Im Moment war er auf dem Weg zum Höhepunkt seiner Tour. Einem Metalfestival im grünen Herzen Deutschlands: dem Party.San.
Der alte Astra bahnte sich zuverlässig seinen Weg über die Autobahn, und bis auf ein paar unkontrolliert ausscherende Verkehrsteilnehmer hatte Richard eine unfallfreie Fahrt, fast.
Da war nichts! Die Göre war selbst Schuld!
Im Gehirn von Richard gab es eine Art Türsteher, der manche Gedanken gar nicht erst, zu der großen Party im Hauptrechner, durchließ. Seit drei Wochen hatte er jedoch alle Hände voll zu tun.
Der junge Mann war seit einer Stunde unterwegs und die Dämmerung machte sich schon daran, den Stab an den letzten Teilnehmer des täglichen Staffellaufes weiterzugeben.
Auf einem Parkplatz bei Mellrichstatt plante er eine kurze Rast.
Maria war froh, endlich aus ihrem Kaff in Baden-Württemberg raus gekommen zu sein. Sie war achtzehn Jahre alt und unterwegs. Mit einem Haufen Bargeld und fest entschlossen ihr Heimatland und seine Menschen kennen zu lernen, zog sie per Anhalter durch das Land. Das Abi, zu dem ihre verstorbene Großmutter sie gedrängt hatte, lag noch nicht lange zurück und mit dem Erbe im Rucksack, stand sie auf irgendeinem Parkplatz, an irgendeiner Autobahn.
Maria erlebte dies regelmäßig seit mittlerweile zwei Wochen und hatte sich dabei nie verloren gefühlt, sie glaubte fest an ihre eigene Version des abgewetzten Begriffs “Schicksal”.
Im Moment war sie überzeugt, dass irgendein Auto anhalten und sie ein Stück näher zu sich selbst und ihrem Platz in der Welt bringen würde. Vielleicht war es ja dieser grüne Astra, welcher mit einigen Rostflecken und Dellen garniert war, der gerade zehn Meter neben ihr eine Parklücke besetzte.
Maria saß auf der Lehne einer hölzernen Bank und beobachtete das Auto und den Fahrer, welcher gerade ausstieg. Sie sah einen jungen Mann, geschätzte 19 Jahre alt, der sich in der Dämmerung streckte. Ihr fielen seine langen Haare auf und sein T-Shirt: ein Mann in einem grauen Hemd und Verbänden an den Armen und um die Augen. Er hielt sich eine Pistole an die Unterseite seines Kinns und schoss sich den Kopf weg.
Maria fühlte sich kurz unwohl und musste, als sie die brutale Musik aus dem Inneren des Opels hörte, an Marilyn Manson denken. Wie er für das Schulmassaker in Columbine verantwortlich gemacht wurde und daran wie diese Theorie widerrufen wurde.
Sie schüttelte den Kopf um ihn wieder klar zu kriegen und sprang dann von der Bank, um ihr Glück zu versuchen, noch ein Stück weiter zu kommen.
“Hallo.”
Schlicht und einfach wurde Richard von der Fremden begrüßt. Er hielt inne bei dem Versuch sich eine Zigarette anzuzünden und sah die schöne Unbekannte an, mit großen Augen und langsam aufklappenden Mund. Die Zigarette wäre ihm beinahe aus dem Mundwinkel gefallen, bevor er sich wieder fing und antwortete:
“Auch Hallo.”
Er wendete seinen Blick nach rechts, dann nach links und als er kein anderes Auto auf dem Parkplatz sah, begann er sich zu wundern.
“Was machst du hier?”
Seine Stimme klang so verwundert, dass Maria kurz lachen musste, ein helles Lachen, das einem zum mitmachen animierte. Richard ließ sich davon anstecken, doch es war mehr ein nervöses Kichern.
“Entschuldigung. Ich heiße Maria”, sagte sie und streckte Richard die Hand entgegen. Dieser sah sie verwirrt an, als ob er aus ihrem Namen die Antwort auf seine Frage herauszufiltern versuchte.
Maria machte langsam kreisende Bewegungen mit der offenen Hand und Richard schien wieder richtig bei ihr zu sein. Ein verlegenes Lächeln zeigte, dass er sich wahrscheinlich extrem dämlich vorkam.
“Ich bin Richard”, sagte er, dann packte er ihre Hand mit Schwung und schüttelte sie mit viel Elan. Er wiederholte seine Frage noch einmal und schaffte es dann, sich seine Zigarette anzuzünden.
“Ich warte auf jemanden, der mich ein Stück mitnimmt.”
“Und wohin bist du unterwegs?”
Maria verdrehte lächelnd die Augen und zuckte mit den Schultern.
Kann ja ein tolles Gespräch werden, wenn die nur jede zweite Frage beantwortet. Und gleichzeitig kam Richard noch ein Gedanke, er erkannte was sie für eine Schönheit war.
Schlanke, lange Beine, die von einer engen Jeans bekleidet wurden. Ein ockerfarbenes Top spannte sich um kleine, straffe Brüste und eine schlanke Taille. Ihr Gesicht, welches auch ohne Make-Up bezaubernd war, wurde von langen schwarzen Haaren gerahmt, ein sattes Schwarz, wie in dem Schneewittchenmärchen.
“Ich bin zu einem Festival unterwegs”, sagte Richard in der Hoffnung auf eine Reaktion von Maria.
Vorbeifahrende Fahrzeuge zwangen Maria, ihre Frage zu schreien:
“Was gibt’s denn da zu hören?”
“Metal”, antwortete Richard selbstsicher und mit breitem Grinsen. Marias Stirn legte sich kurz in Falten, während sie überlegte.
“So etwas wie Metallica?”
Richard musste selber etwas nachdenken, um ihr sein bevorzugtes Genre, so einfach wie möglich zu erklären, aber er entschied sich für: “In etwa.”
Die jungen Leute schwiegen sich ein paar Momente an und lauschten dem Song, welcher aus Richards Wagen drang. Maria gefiel er. Die Musik war eine willkommene Abwechslung, ihre letzten Mitfahrgelegenheiten hörten Balladen und der Soundtrack von "Herr der Ringe" schlug ihr drei Tage lang um die Ohren.
"Welche Band ist das?"
Richard war erfreut, über das Interesse der Fremden.
"Das ist 'Children of Bodom'. Ein paar Finnen die gute Musik machen."
Ein weiteres Auto fuhr auf den Platz.
Der Oktavia ließ eine Parkbucht zwischen Richards Astra frei und laute Housemusik machte es den beiden schwer, noch den Finnen zuzuhören. Richard beschlich plötzlich eine Angst. Eine Angst, die er hasste. Sie gehörte in die Kategorie “unbegründet und saudämlich”.
Es war die Sorte Angst, die einen dazu brachte, einen dunklen Raum schneller, fast rennend, zu durchqueren, weil man sich an einen Horrorfilm erinnerte.
Obwohl Richard sich noch nicht entschlossen hatte Maria mitzunehmen, machte er sich Sorgen, dass sie zu dem Skoda ging und ihn hier einfach so stehen ließ.
Die Angst war unbegründet, ganz im Gegenteil.
Maria blickte mit hochgezogenen Augenbrauen zu dem anderen Fahrzeug, dann sah sie Richard in die Augen. Dieser warf seinen Zigarettenstummel, welcher größtenteils von alleine niedergebrannt war, auf den Boden. Als er sie wieder anblickte, sprach Maria mit fester, bestimmter Stimme:
“Ich weiß nicht ob du überhaupt Anhalter mitnimmst, aber ich bitte dich, mich wenigstens bis zum nächsten Rastplatz mitzunehmen.” Mit dem Kopf wies sie in Richtung der drei Männer, welche aus dem Oktavia ausstiegen.
“Ich hab keinen Bock mich mit den Typen rumzuärgern. Solche Gestalten, die sich für die coolsten Leute zwischen hier und der Arktis halten und glauben sie wären die größten Stecher seit Casanova.”
Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht. “Du könntest die Jungfrau vor dem bösen Drachen retten.”
Richard warf einen kurzen Blick nach links, auf Personen mit denen er nicht nur musikalisch nichts zu tun haben wollte.
“Spring rein.”
Maria nickte mit geschlossenen Augen und säuselte ein “Dankeschön”.
Wenige Minuten später rollte der Astra wieder über den Asphalt der A71.
“Wo willst du nun hin? Die Bitte mit dem Rastplatz kann ich dir nicht erfüllen, zwischen hier und Bad Berka gibt es nämlich keinen.”
Maria, welche bereits mit dem Gedanken spielte, sich dieses Festival anzusehen, fragte Richard: “Gibt es Zwischenstationen?”
“In Ilmenau werde ich übernachten, hab ‘nen Kumpel der in einem Hotel als Koch lernt, werd ihn mal besuchen und bei ihm übernachten. Da könnt ich dich rauslassen. Außerdem komm ich an der Landeshauptstadt vorbei, wenn du in Erfurt raus willst, würd’ ich den kleinen Umweg fahren.”
Maria vermisste das Angebot mit auf das Festival zu kommen.
“Ich überleg es mir unterwegs”, war ihre Stellungnahme.
Richard überholte ein paar LKW’s und fuhr weiter hinein, in diese herrliche Sommernacht, ohne die Ahnung wie sie sich noch entwickeln würde.
“Erzähl mal was von dir”, forderte er seine Beifahrerin auf.
“Ich bin Maria aus einem Kaff in Baden-Württemberg. Ich habe mittlerweile keine lebenden Verwandten mehr und bin auf der Suche.”
“Auf der Suche wonach?”, entgegnete Richard.
“Nach mir selbst”, erklärte Maria so, als ob dies jede Frage in diese Richtung beantworten könnte.
“Tu bitte so, als ob du mit jemanden reden würdest, der keine Ahnung hat, wovon du redest. Genaugenommen musst du nicht einmal so tun.”
Richard machte es Spaß Filmzitate oder Songtexte in abgewandelter Form in Gespräche einfließen zu lassen. Am meisten interessierte ihn, ob sein Gegenüber das Zitat überhaupt als ein solches wahrnahm. Maria tat es:
“Okay Riddick! Und da wir schon dabei sind, ich folge dem Ka.”
Richard verstand, auch er war einmal dem “Dunklen Turm” von King verfallen.
“Für Susanna hast du zu wenig Pigmente und zu viele Beine. Für die anderen fehlte dir in der Pubertät das Testosteron.”
Grinsend sah er Maria an, welche es erwiderte, bevor beide in Gelächter ausbrachen.
“Ich glaube, dass ich meinen Platz finden werde. Irgendwo, irgendwann. Ist vielleicht der beste Satz um das Wort ’Landstreicherin‘ zu umgehen. Aber ich bin sicher, dass einer wie du, mich dorthin bringt, wo ich hingehöre.”
“Einer wie ich?”, fragte Richard unsicher. Er wusste nicht genau, was er von der Aussage Marias halten sollte.
“Einer wie du. Einer der mich ein Stück weiter in Unbekanntes hinein führt.”
Richard war sich immer noch nicht sicher, ob er das Gesagte als etwas Gutes anerkennen sollte, glaubte aber, dass er es könne.
“Das mit der Jungfrau war übrigens nur bildlich gesprochen.”
Rich versuchte seine Stimme auf die Emotion “Enttäuscht” zu drehen:
”Echt? Das war der einzige Grund warum ich dich mitgenommen habe. Ich wollte mir schon immer einen Namen als Deflorator machen.”
Er setzte einen übertriebenen Schmollmund auf, um seine Aussage - und die Tatsache, das es ein Witz war - zu unterstreichen.
Wieder lachten sie.
“Nein, ich weiß mich sehr gut in der horizontalen zurechtzufinden. Oder in jeder anderen Position.”
Maria sagte das im vollen Ernst, ohne auch nur den Anflug von Spaß. Falls die Aussage als Scherz gemeint war, konnte sie es gut verbergen.
Richard wendete seinen Blick von der zweispurigen Fahrbahn ab und ließ sein Augenmerk auf Marias Gesicht ruhen. Sie lächelte verführerisch und nach einem langen Augenblick sah sie wieder zur Frontscheibe hinaus. Richard tat es ihr gleich. Sollte man, auch wenn man nur mit hundertzwanzig Sachen auf einer fast leeren Autobahn unterwegs war.
Richard überprüfte die Strecke vor sich nach roten Hecklichtern, als er keine sah, warf er einen scheuen Blick auf das Gesicht von Maria, sie blickte immer noch auf die Fahrbahn.
Seine Augen wanderten ihren Körper hinab und blieben kurz über ihren Knien hängen, bevor sie sich wieder langsam in die Gegenrichtung bewegten. An den straffen Oberschenkeln hinauf, bis sie , an dem verlockendem Dreieck zwischen ihren Schenkeln, hängen blieben.
Richard war schon seit längerer Zeit dabei sich einen netten, kleinen Beinfetisch zu züchten.
Tatsächlich hatte er nur einen Mann jemals sagen hören: ‘Das einzig schöne an Frauen, sind die Titten.’. Und dieser Mann war schwul gewesen.
Angesichts der Schönheit und der letzten Aussage von Maria, war er sich sicher, dass er dem Ritual mit seiner rechten Hand (welches immer wieder zum Leben erweckt wurde, wenn er Solo war), an diesem Tag nicht nachkommen werden müsse.
Er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als ihm Buck - und ich bin hier fur 'nen Fuck - einfiel. Rich konnte sich nicht vorstellen, "Dass die Fotze dieser Fotze trockener, als ein Eimer Sand" sein würde.
Richards Augen hatten sich mittlerweile wieder der Straße zugewandt und die Finnen klangen nur noch sehr leise aus den Boxen in der Heckablage.
“Warum hast du eigentlich keine Verwandten mehr?”, fragte Richard.
“Weil sie tot sind”, entgegnete Maria gelassen.
Richard wollte das Gespräch schon in eine andere Richtung lenken, weil er glaubte, dass dies ein Thema war, welches Maria nicht unbedingt Fremden anvertrauen wollte.
Für Maria gab es allerdings nur noch Fremde. Sie antwortete ausführlich und ohne ihren Blick von der Autobahn abzuwenden:
“Meine Mutter war eine Schlampe”, sagte sie, für solch eine Aussage viel zu gelassen. “Es ist eigentlich ein Wunder, dass sie sich, außer mir, nichts eingefangen hat. Allerdings tat sie dass dann doch. Es war ein Cocktail aus den verschiedensten Krankheiten, die man sich durchs Vögeln holen kann, der sie dahingerafft hat. Da war ich vier Jahre alt. Ich lebte sowieso bei meiner Oma, also hab ich nicht wirklich meine Mutter verloren, sondern eher eine gelegentliche Besucherin. Meine Oma, welche die Mutterrolle übernahm, starb vor kurzen an einem Schlaganfall. Ich hab sie gefunden, als ich von meiner letzten Abi-Prüfung kam.”
Maria erklärte das mit einer bedächtigen Ruhe, als ob sie von einem Film oder einem Buch erzählen würde. Richard konnte nicht verstehen, wie man so etwas, so ruhig erzählen konnte.
"Wie hast du das Ganze verkraftet?"
Maria versuchte eine Männerstimme zu immitieren.
"Man geht durch, nimmt es an und geht gestärkt daraus hervor."
Richard legte die Stirn in Falten, diese Worte hatte er schon vorher gehört.Maria sagte lächelnd: "Glaubst du, du bist der Einzige, der mit Zitaten umgehen kann?"
"Wenn du gerade einen echten Al Pacino darstellen wolltest, musst du noch etwas üben."
Für das, was er ihm nächsten Augenblick im Rückspiegel sah, konnte Richard jedoch keine Worte finden.
Ein blutiges Lächeln sprang ihm in die Augen. In der Heckscheibe des Astras konnte Richard den Kopf einer jungen Frau sehen. Er war grässlich zugerichtet.
Die linke Hälfte ihrer Kopfhaut hing an der Seite herab - inklusive der langen, blonden Haare - und präsentierte den elfenbeinweißen Schädelknochen, welcher stellenweise von einem blutigen Überzug bedeckt war.
Das Szenario auf dem Kopf machte den Eindruck, als hätte ein junger Indianer bei seiner ersten Skalpierung vollkommen versagt und sein Mentor ihn angewiesen aufzuhören, weil es nicht mehr zu retten wäre.
Auf dem weißen Knochen verlief ein halbkreisförmiger Riss, vom Hinterkopf kommend, über die Schläfe und dann wieder hinauf in Richtung Haaransatz der rechten Kopfseite. Die schmale Linie wirkte wie eine bizarre Sollbruchstelle. Die blonden Haare waren Blutverklebt und auch das Gesicht war in Rot getaucht.
Was diesen Anblick abrundete, war ihr Gesichtsausdruck. Ein bezauberndes Lächeln, welches an ihre frühere Schönheit erinnerte.
Richards Augen weiteten sich vor Entsetzen, bis sie schließlich nur noch aus Pupillen zu bestehen schienen. Er wollte sich herum drehen, konnte es aber nicht. Sein ganzer Körper war Starr vor Schreck, von den Augen bis hin zum Fuß auf dem Gaspedal.
Er beschleunigte.
Das blutbesprenkelte Grinsen wurde breiter, ließ Zähne blitzen, zwischen denen langsam Blut hervorquoll.
Richard schaffte es irgendwie, wenigstens seine Augen von der Starre zu befreien und erblickte eine schnell auf ihn zukommende Heckklappe eines Vierzigtonners.
Nun gehörte er selbst zu den unkontrolliert ausscherenden Verkehrsteilnehmern. Es war wahrscheinlich der letzte Moment, in dem das Überholen überhaupt noch möglich gewesen war. Der Opel schlingerte kurz während dem Manöver und Richard hörte Maria kreischen.
Richard schaffte es, das Auto wieder unter Kontrolle zu bringen und noch an den LKW vorbeizukommen.
Wieder auf der rechten Fahrspur, hing sein Blick an dem Rückspiegel. Alles was dieser zeigte, war der LKW, dessen Fahrer sich mit Hupe und Lichthupe beschwerte. Richard ließ seinen Kopf herum schnellen und das einzige was er sehen konnte, war die übliche Unordnung in seinem Wagen. Das Gesicht war weg.
War es jemals da gewesen?, dieser Gedankengang wurde schnell zur Party gelassen.
Richard drosselte seine Geschwindigkeit wieder auf die gemütlichen hundertzwanzig und begann die kreischende Maria wieder wahrzunehmen.
“Was soll denn der Scheiß?!”
Ihr Brustkorb hob und senkte sich heftig und schnell während sie ihn ansah. Doch Richard antwortete nicht, sondern fuhr einfach weiter als wäre nichts geschehen. Richards Gesicht bekam langsam wieder Farbe und auch Maria bekam sich wieder unter Kontrolle.
“Tut mir Leid.”, sagte Richard wehmütig.
“Ach, nicht so schlimm.”, antwortete Maria abwinkend.
Richard glaubte sich verhört zu haben und öffnete den Mund, hatte aber keine Ahnung was er sagen sollte. Maria ergriff das Wort.
“Schicksal. Heute Nacht ist nicht die Zeit für einen von uns gekommen, wie sich für mich gerade gezeigt hat. Du kannst fahren wie der Teufel und das Einzige, was du verlieren würdest, wäre dein Führerschein.”
Sie glaubt echt daran, fuhr es Richard durch den Kopf.
Und sie irrte sich.
Richard beruhigte sich ein wenig, aber er fühlte noch das Adrenalin, welches durch seine Adern pumpte.
“Im Handschuhfach sind Kippen, würdest du mir eine anzünden?”
Maria tat worum er sie bat und reichte ihm eine glühende Zigarette, bevor sie sich selber eine ansteckte.
War das die Radfahrerin?, das war ein unwillkommerner Gast. Er wurde rau angepakt und auf die Straße geworfen.
Roland lenkte sich von diesem Gedanken ab, indem er das Gespräch mit Maria suchte.
“Warum studierst du eigentlich nicht, da du ja Abi hast?”
“Weil ich Studenten hasse.”, sagte sie mit ehrlicher Verachtung, bevor sie fortfuhr:
“Das sind Typen, die spätestens sechs bekifft in ihrem Loch auf dem Sofa liegen, etwas von Bewusstseinserweiterung labern und am nächsten Tag wieder in ihre Vorlesungen gehen, um ihr Jurastudium voranzubringen. Es ist einfach heuchlerischer Scheißdreck!”
Richard hatte es auf diese Weise noch nie betrachtet und konnte ihr auch nicht wirklich zustimmen. Er kannte einfach keine Studenten, nur Azubis, Gesellen, Meister und Arbeitslose. Richard empfand die Meinung von Maria, als nicht mehr als ein dummes Vorurteil.
Vielleicht kann ja jemand wie ich, ihre Meinung ändern. Jemand, der eine Fremde ein Stück weiter, in Unbekanntes hineinführt.
Der alte Astra fuhr in einen Autobahntunnel, vor dem ein Schild stand - “Rennsteigtunnel” - hinein. Die sternenklare Nacht verschwand und statt eines Himmels wölbte sich eine Betondecke mit gelben Leuchten über den Reisenden.
Das kurze Schweigen wurde diesmal von Maria gebrochen:
“Jetzt bist du dran, die Antworten zu geben. Erzähl mal von deinen Sünden.”
Richard stockte der Atem und er zuckte kurz in seinem Sitz zusammen. Glücklicherweise schien Maria es nicht bemerkt zu haben.
“Ich meine so etwas wie Drogen, Sex im Krankenhausfahrstuhl. Eben alles was nicht so ganz normal ist.”
Bei dem Wort “normal”, machte sie mit den Finger die Geste für Anführungszeichen.
Richard beruhigte sich wieder, bevor er seine Zigarette ausdrückte und eine Antwort gab:
“Fast alle meine Cd’s sind Raubkopien. So, jetzt ist es raus.”
Er legte den Kopf in den Nacken und spielte einen befreienden Seufzer.
“Ein unglaublich gutes Gefühl, sein Gewissen zu erleichtern!”
Maria kicherte kopfschüttelnd, was er aus den Augenwinkeln wahrnahm.
“Ich meine doch nicht so was”, sagte sie, immer noch kichernd.
Rich ließ sich ein weiteres mal von Maria anstecken.
“Warum interessierest du dich so sehr für meine Sünden?”, fragte Richard, doch das Ende Seiner Frage war nur schwer zu verstehen. Das Kichern, mit dem er sich hat anstecken lassen, war während er geredet hatte, zu einem Lachen angeschwollen. Maria’s war hingegen verstummt.
“Weil sie viel über jemanden aussagen. Allein schon der Fakt, was jemand als nennenswerte Sünde betrachtet.”
Richard bemerkte zweierlei. Einmal, dass sein alter Astra das einzige Fahrzeug, in dem acht Kilometer langen Tunnel war. Und das mitten in der Woche.
Zum Zweiten, dass er mit der schönen, fremden Anhalterin auf ein ernsthaftes Thema kam.
Das blutige Gesicht im Rückspiegel hatte er bereits verdrängt. Er war ein Meister darin, unliebsame Geschehnisse gar nicht erst abzuspeichern. Schon seit seinem achten Lebensjahr, als er seine Eltern, bei Nummer 19 des Kamasutra, überrascht hatte.
“Und würden das, was jemand als Tugenden bezeichnen würde, nicht den selben Effekt haben?”
Maria war ein wenig erstaunt.
“Du kannst also nicht nur witzig sein. Nein, ich glaube nicht, dass es mit Tugenden so gut klappt. Die Menschen neigen zu Extremen. Entweder sie haben gar keine Tugenden, oder sie haben sie gepachtet. Zumindest reden sie so davon. Sünden haben irgendwie eine ganz andere Wirkung. Ich kanns auch nicht wirklich in Worte fassen.”
Richard hörte aufmerksam zu. Der Gedanke, Maria hätte wirklich Psychologie studieren können, drängte sich ihm auf. Sie fuhr fort:
“Kannst du dir nun vorstellen was ich von dir hören wollte? Etwas wie Hehlerei, ob du mal deiner Oma fünf Mark geklaut hast, ...”
Schon jemanden getötet?
Noch während Maria sprach, erschallten diese drei Worte in seinem Kopf. So als hätten sie nur darauf gewartet, dass ihnen die Bühne vorbereitet worden wäre. Sie klangen wie von einer Frau gesprochen, es war jedoch nicht die Stimme von Maria.
Richard war wie gelähmt und der Tunnel durch den er fuhr endete.
Es war nur ein kleine Unterbrechung, die für eine Abfahrt gebaut worden war. Nach ein paar hundert Metern verschwand der Opel wieder, unter dem Thüringer Wald. Doch auf diesen kurzen Stück, hatte die Welt ein seltsames Aussehen, irgendwie düster.
Richard fuhr noch ein paar Minuten, nun wieder in dem gelben Schein der Tunnelbeleuchtung, bis er merkte, dass das Gespräch verebbt war. Vielleicht hatte es ja auch, von jetzt auf gleich, einfach aufgehört. Er konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen und blickte kurz auf seinen Beifahrersitz, ob Maria ihn vielleicht, in Erwartung einer Antwort, ansah. Im selben Moment wünschte er sich, er hätte es nicht getan.
Nur einen kurzen Augenblick ruhten Richards Augen auf dem Platz neben ihm, bevor er sich wieder der Straße zuwendete. Nun mit Angstschweiß auf der Stirn.
Das blutige Lächeln war zurück.
Allerdings jetzt mitsamt dem dazugehörigen Körper. Das, was in seinem Beifahrersitz saß, war ein junges Mädchen, etwa sechzehn, zumindest war es das wohl mal gewesen.
Ihr T-Shirt war zerschlissen und mit einer Mischung aus Blut und Dreck gefärbt. Die Freizeithose bestand, von den Knien an abwärts, nur noch aus Fetzen. Der rechte Unterschenkel war gewölbt, als ob das Schienbein versucht hätte nach außen zu kommen, um dann auf halben Wege aufzugeben.
Wie leicht ist es gewesen, mich sterbend zurückzulassen?
Die Stimme war wieder in seinem Kopf. Sie hatte die Ohren umgangen und schien aus einem Lautsprecher zu kommen, der mitten auf seiner Großhirnrinde stand.
“Na sag schon.”
Das war wieder Marias Stimme. Richard traute sich noch einen Blick auf seinen Beifahrersitz. Dort saß die hübsche Anhalterin.
“Was ist los? Du siehst so blass aus.”
Maria klang ehrlich besorgt, als sie in das blasse, schweißnasse Gesicht von Rich blickte.
Dieser winkte ab.
“Ich bin nur etwas erschöpft. Eine Überdosis deutsche Autobahn.”
Das machte er nicht nur Maria weis, sondern versuchte auch, es sich selbst einzureden.
Der Türsteher, der in seinem Oberstübchen den unliebsamen Erinnerungen und Gedanken den Einlass verwehrte, schob heute massig Überstunden.
“Wie weit ist es noch bis zu deinem Freund? “
“Wenn wir aus dem Tunnel raus sind, noch etwa dreißig Minuten.”
Da Maria das Ende des Tunnels sehen konnte, war sie beruhigt, aber nur etwas.
Richard fuhr aus dem Tunnel heraus.
Die Nacht hatte ihr Gesicht verändert. Während der Astra unter dem Thüringer Wald war, hatten sich die Sterne verdunkelt. Nein, es war mehr als das.
Die Dunkelheit war erdrückend. Als ob der Opel durch flüssigen Teer fahren würde. Der Lichtkegel der Scheinwerfer wirkte trüb und surreal. Die Finsternis schien von allen Seiten nach dem Fahrzeug zu greifen.
Richard war mulmig zumute. Und als er neben sich sah, war sie wieder da.
Jetzt konnte er auch etwas riechen. Die Düfte von Autoabgasen, verbrannten Gummi und Schweiß stiegen ihm in die Nase.
Das mulmige Gefühl hatte die Bühne frei gemacht. Vorhang auf für die Panik.
Richard suchte nur noch einen Ausweg.
Weg von der Dunkelheit. Weg von der Autobahn. Weg von dem grässlichen Körper neben ihm.
Als er das letzte Mal nach Ilmenau fuhr, gab es etwa fünf Minuten nach dem Tunnel einen Parkplatz. An diesen Gedanken klammerte er sich jetzt. Erstmal weg von der Fahrbahn, dann um das Ding neben ihm kümmern, dann weitersehen.
“Der andere hat auch nicht angehalten.”
Die Gerüche reichten schon fast aus, um Richard in den Wahnsinn zu treiben. Doch nun konnte er sie auch noch hören. Tatsächlich hören, nicht als Stimme in seinem Kopf, sondern als eine reale Stimme, von einer realen Person. Von einer realen toten Person.
“Der Typ in dem Pick-Up war bis an die Mandeln zugedrönt. Aber du warst klar. Du hättest noch was tun können.”
Richard antworte nicht, er gab Gas.
“Wenn du vor mir fliehen willst, brauchst du ‘ne bessere Idee als das Gaspedal.”
Das Ding neben ihm drehte die Lautstärke des Radios massig hoch. Die Radfahrerin begann, ihren Kopf im Takt der Musik zu schütteln. Als sie so richtig in Fahrt kam, konnte er sehen, wie ihre abgetrennte Kopfhaut immer wieder gegen den Schädel schlug.
Dieses Bild war abscheulich.
Richard blickte nun starr ins dunkel, auf der Suche nach dem Schild “Parkplatz 500 m”.
In der unnatürlich dichten Dunkelheit fiel es schwer etwas zu erkennen, doch Rich sah das Schild, welches auf den Parkplatz hinwies, schon von weitem.
Was auch immer diese Dunkelheit verursachte, das gleiche Etwas wollte auch, dass er diesen Parkplatz erreichte.
Richard beschleunigte noch weiter und der Astra fuhr mit Höchstgeschwindigkeit auf den Parkplatz zu.
Die 100m-Barken flogen nur so an ihm vorbei, als er von der Autobahn flüchtete. Kurz bevor sein Auto auf das Kopfsteinplaster kam, sprang Richard auf Bremse und Kupplung.
Der Astra brach aus. Er vollführte mit quietschenden Reifen eine anderthalbfache Drehung.
Richard sprang aus dem Wagen, als der noch nicht einmal richtig zum Stillstand gekommen war. Er war umgeben von einer Art Zwielicht, welches ihm erlaubte, in dieser Dunkelheit wenigstens etwas zu erkennen.
Kurz danach stieg die tote Radfahrerin aus. Auch sie war von dem unheilvollen Schimmer umgeben.
Sie blickte in die Dunkelheit und konnte nach ein paar Augenblicken etwas durch die Luft fliegen sehen. Es traf sie mitten auf das Brustbein und warf sie nieder.
Richard schleuderte einen weiteren Pflasterstein, dieser verfehlte sein Ziel. Im nächsten Augenblick stand er über dem Mädchen, in der rechten Hand hielt er einen Stein fest umklammert.
Sie lachte.
“Wie oft willst du mich töten?”
Richard nahm die Frage kaum wahr. In seinem Kopf pulsierte es. Dieses Etwas lag auf dem Boden, doch das Lachen, welches diesem Leib entsprang, brachte ihn dazu den Arm zu heben, anstatt ins Auto zu steigen.
"Cause it gets more painful everytime I die", sang der Frontmann von "Children of Bodom". In diesen Augenblick hätte keine andere Textzeile besser gepasst.
Mit der rechten Hand hielt er sich den Stein über dem Kopf und hörte wie er ausgelacht wurde. Schnaubend und mit aufgerissen Augen stand er da, dann ließ er seinen Arm herunterschnellen und warf den Stein in ihr Gesicht.
Von irgendwoher konnte er einen panischen Schrei hören.
Als der Pflasterstein ihren Schädel traf, platzte er an der Stelle, an der die Kopfhaut herabhing, auf.
Ein fast handflächengroßes Stück Knochen trennte sich vom Rest des Schädels, mit einen lautem Knack.
Der Pflasterstein rollte durch die Lache aus Blut und Gehirn, während Richard zurück in seinen Wagen rannte.
Als er wieder auf der Autobahn war, war Richard völlig fertig. Verkrampft und mit Schweiß auf der Stirn, hielt er das Lenkrad umklammert. Der Türsteher in seinem Kopf ließ jemanden herein, der eigentlich Hausverbot hatte, die Erinnerung an die Radfahrerin:
Es war vor drei Wochen. Richard fuhr durch die Dunkelheit einer kleinen Ortschaft und alles was ihn wach hielt, waren Energydrinks. Er hatte zu kämpfen das er nicht einschlief.
So hatte er auch das Mädchen auf dem Fahrrad übersehen, welches von rechts auf die Straße einfuhr. Er nahm ihr die Vorfahrt. Sie bemerkte ihn jedoch und versuchte, da sie sowieso weit links fuhr, auf den Mittelstreifen auszuweichen.
Der Plan misslang, als Richard auf Höhe der Radfahrerin etwas auf der rechten Straßenseite zu sehen glaubte. Irgendetwas reflektierte die Lichter, des näherkommenden Pick-Ups. Er zog nach links um auszuweichen.
Richard fuhr viel zu schnell, der Pick-Up auch.
Als er nach links zog, erwischte er die Radfahrerin - das zertrümmerte rechte Bein.
Das Mädchen wurde in Richtung Pick-Up geschleudert und dieser traf ihren Kopf mit dem Bullenfänger - die Bruchstelle auf der linken Kopfseite.
Von dem zweiten Wagen wurde sie dann weggeschleudert und schrammte mit dem Kopf über den Bordstein - die halbe Skalpierung.
Der Unfall wirkte wie ein Volleyballspielzug: Richard gab die Vorlage und der andere schmetterte die Radlerin in die andere Spielhälfte.
Ein Verkehrsunfall, eine Tote, zwei Fahrerflüchtige.
Richard hatte den restlichen Weg nach Ilmenau den Unfall immer wieder vor seinem geistigen Auge gesehen. Dann kam er an eine Tankstelle, sie war geschlossen und als er ausstieg marterten ihn seine Gedanken.
Der Türsteher hatte gekündigt und nun konnte der unliebsame Gast Nr.1 herein. Die Stimme welche einem sagte, dass man richtig Scheiße gebaut hatte.
Ich habe jemanden getötet.
Meinst du wirklich, dass das alles ist?
Richard stieg aus und versuchte sich eine Zigarette anzustecken. Das Softpack zitterte in seinen Händen und er riss es komplett auf um eine herauszufischen. Die meisten Kippen fielen zu Boden, doch er schaffte es sich eine der verbleibenden anzuzünden.
Ich habe jemanden zweimal getötet.
Du Trottel! Man kann niemanden zweimal töten. Nur einmal pro Person, mehr geht nicht. Also, was hast du getan? Kleiner Tipp: was ist aus Maria geworden?
Die Erkenntnis traf ihn wie ein Blitz und aus seiner Kehle kam ein Laut, der irgendwo zwischen hysterischen Lachen und Kreischen lag.
Ein Zitat aus Taratinos "Pulp Fiction" drängte sich ihm auf: "Oh nein! Ich hab Marven ins Gesicht geschossen."
Richard hatte zwar einen Stein benutzt, doch der Gedanke führte auf das Gleiche hinaus.
Er begann zu frösteln.
In der glanzlosen Schwärze, die nicht von dieser Welt sein konnte, hörte Richard eine grässlich vertraute Stimme.
“Was meinst du? Schaffst du heute den Hattrick?”
Rich fuhr herum. Auf der anderen Seite der Zapfsäulen sah er wieder die Radfahrerin, diesmal mit halbseitig geöffneten Schädel. Er warf den Kippenstummel weg und zündete sich im selben Augenblick eine Neue an, während er langsam die Tankstelle überquerte.
Wen willst du diesmal erschlagen? Sieh genauer hin! Sie ist nicht real!
Richard hatte die halbe Strecke zurückgelegt, als er wirklich genauer hinsah. Er sah das Mädchen vor einem Van stehen, vor einem Polizeivan. Neben der Toten sah er einen Schatten mit menschlichen Umrissen. Ein dunkelgrauer Schatten auf schwarzen Grund.
Es musste irgendwie enden. Diesmal nicht mit einer Tötung. Richard stellte sich vor die Leiche und sah ihr in die Augen. Er konnte sie riechen. Er beichtete alles. Nicht diesem Etwas, von dem er das Gehirn sehen konnte, sondern der weltlichen Exekutive.
“Ich habe getötet. Vor drei Wochen habe ich im Saarland eine Radfahrerin bei einem Unfall umgebracht. Vor einer viertel Stunde auf dem Parkplatz, dort hinten eine Anhalterin.”
Richard gestikulierte in Richtung Autobahn. Dann sah er flehend in das grässlich zugerichtete Gesicht.
“Bitte glauben sie mir.”
Die Dunkelheit verflog. Es blickte nun wieder der klare Sternenhimmel auf ihn herab. Es war wieder eine Nacht, in der man am besten ein Schäferstündchen im Freien abhielt. Das Gesicht selbst verschwand und ließ statt dessen eine Polizistin erscheinen, die ihn mit Entsetzen ansah. Der graue Schatten gab sich als den Kollegen der Frau zu erkennen.
Die Polizeibeamten wussten nicht wie ihnen geschah, doch sie nahmen den jungen Mann fest. Seine blutbesprenkelte Kleidung unterstrich seine Aussage, doch es gab noch genug auf der Wache zu klären.
Während der Mann Richard die Arme auf den Rücken drehte und ihm Handschellen anlegte, sprach die Frau irgendeinen Text, den Richard nicht hören konnte. In seinem Kopf beanspruchte eine andere Stimme seine volle Aufmerksamkeit, die Stimme der Toten aus dem Saarland.
Glaub nicht, dass du mich zum letzten Mal gesehen hast.
Richard begann vor Verzweiflung zu weinen. Er hatte die Verantwortung für seinen Fehler übernommen. Er wusste nicht, was dieses Wesen noch wollte, aber er war sich sicher, dass er vollends dem Wahnsinn verfallen würde, wenn er sie auf dem Platz der Richterin im Gericht sehen würde.