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Und so setzte er sich vor den PC und schrieb um sein Leben.
Kritikerin:
Lieber Peter H.! Leider kann ich mich den Vorkritikern nicht anschließen. Dein Text hat mir nur bedingt gefallen. Die Idee der Geschichte finde ich eigentlich hervorragend – verwirrend, spannend, etwas philosophisch sogar - leider gefiel mir die Umsetzung, teilweise der Stil und auch die schleißige Schreibweise mit gezählten 74 Rechtschreib- und Grammatikfehlern überhaupt nicht.
Zur Idee: Die Idee der Geschichte ist relativ toll und hat mich dazu gebracht, sie bis zum Ende durchzulesen. Das ist endlich mal was Frisches hier.
Das Ende allerdings – und damit sind wir auch schon bei den negativen Punkten – hat mir dagegen überhaupt nicht gefallen, kein Stück. Es klingt so, als wärst du unter Zeitdruck gestanden und müsstest plötzlich den Aufsatz der Lehrerin abgeben oder so. Das geht echt gar nicht.
Ich meine da vor allem den letzten Satz: „Und so setzte er sich vor den PC und schrieb um sein Leben.“ Zum einen kann man nur vage vermuten, ob er sich schließlich befreien konnte und zum anderen ist „um sein Leben schreiben“ eine doch ziemlich abgekaute Redewendung. Vielleicht fällt dir da noch eine bessere Formulierung ein (außerdem hattest du im Original einen Beistrichfehler!). Und die Ausrede, dass offene Enden einfach so sind, lass ich hier nicht gelten.
Auch die Gewaltszenen im Gefängnis waren nicht so mein Geschmack und wirkten dahingehen eigentlich ziemlich plump.
Da deine Geschichte aber doch zumindest teilweise lesenswert ist, habe ich dir die Rechtschreibungskorrektur per Mail geschickt – sie war zu lange, um sie hier zu posten. Hier warst du wirklich sehr schleißig und es sieht fast so aus, als hättest du keine Lust gehabt, einen so langen Text gegenzulesen. Wenn du sie ausbesserst und evtl. noch ein wenig an deinem Stil feilst, kann sich dein Text vielleicht zu einer ganz passablen Geschichte mausern.
Kritikerin
Peter H.:
Hallo Kritikerin! Vielen Dank fürs Lesen und vor allem fürs Kommentieren der Geschichte. Es machen sich nicht viele die Mühe, einen so langen Text auch noch zu kommentieren, geschweige denn, nach Rechtschreibfehlern zu suchen. Ich hab mir die Geschichte echt sehr oft durchgelesen, aber irgendwie fällt es mir halt ein bisserl schwer, meine eigenen Geschichte zu korrigieren, irgendwas bleibt da immer hängen. Ich habe deine Verbesserungsvorschläge natürlich sofort umgesetzt.
Was das Ende betrifft (Spoiler!!! Bitte vorher die Geschichte lesen): Eigentlich gefällt es mir sehr gut, vor allem, wenn man sich den Anfang ansieht. Gregor wurde von Michael praktisch ruiniert. Er war ein netter, beruflich halbwegs erfolgreicher, sympathischer Kerl und Michael hat ihm da einfach so mir nichts dir nichts das Leben versaut, nur, weil gerade seine Freundin mit ihm Schluss gemacht hat. Aus purer Bosheit, sozusagen. Und dass hier dieser grelle Bildschirm am Schluss Gregors Leben retten könnte, fand ich als Pointe eigentlich ganz gelungen. Schließlich käme man zu Beginn der Geschichte nie darauf, dass ausgerechnet dieser Schritt der Ausweg aus dem ganzen Schlamassel sein könnte. Das fand ich eigentlich sehr ironisch von mir.
Danke nochmals fürs Kommentieren!
LG Peter
Kritikerin:
Lieber Peter. Ehrlich gesagt finde ich die Schluss-Pointe gar nicht so überraschend, wie gesagt, da verliert deine Geschichte en masse!
Viel einfallsreicher finde ich da noch die Art und Weise, wie du die Geschichten von Michael und Gregor zusammenfügst. Streng gesehen, erzählst du ja zwei getrennte Geschichten.
Da haben wir einerseits den Gregor, der der Leserin/dem Leser ja beinahe schon übertrieben sympathisch erscheint – als er da an seinem 30. Geburtstag aus der Bar wankt, laut singend und lachend, seinem besten Freund noch mal für die Überraschung dankt und so weiter. Und dann haben wir Michael auf der anderen Seite, der ja ein kompletter Versager ist: Seine Freundin hat ihn verlassen, weil er mit einer Kellnerin angebaggert hat, er hat keinen Job und darüber hinaus noch ein Alkoholproblem, und das einzige, was ihm so halbwegs antreibt, sind seine Texte, die anscheinend auch immer schlechter werden.
Dass Gregor dann am Schluss zu einem Textverarbeitungsprogramm als Geheimwaffe greift, finde ich wie gesagt zum Einschlafen. Vielleicht kannst du dir ja noch was dazu ausdenken. Was schreibt er denn da? Wie fühlt er sich, als er sich aus den bösen Machenschaften von Michael befreit und so weiter. Ich denke, das würde der Geschichte noch einigen Pepp geben. (Sonst weiß ich ehrlich gesagt nicht, was du dir dabei gedacht hast...)
Peter H.:
Wieso ist denn Michael ein Alkoholiker? Er trinkt halt gerne ab und zu ein Glas Wein zum Schreiben. Das Gleiche mache ich auch und ich bin da jetzt kein Alkoholiker oder so.
Aber du hast da schon irgendwie recht, ich habe Michael sehr versagerisch dargestellt, sozusagen. Derweil ist er wahrscheinlich mehr ein Durchschnittstyp als Gregor. Ich meine, ich kenne viel mehr Menschen, die verlassen wurden, keinen Job haben und abends alleine zu Hause sitzen, als Typen, die ständig fröhlich gelaunt mit einem Durchschnittsleben gesegnet sind. Wenn man genau ist, ist so ein Durchschnittsleben quasi ziemlich überdurchschnittlich.
Das eigentlich Besondere an der Geschichte – und das wirklich Negative an Michael - ist meiner Meinung nach eher, dass Michael sich Gregor als Opfer aussucht. Ich meine, da hätte er doch jeden nehmen können, einen Promi, einen Bekannten, seine Freundin und sowas. Aber nein, er nimmt da so einen komplett Fremden, um seiner Bosheit freien Lauf zu lassen.
Ich habe in der Geschichte folgenden Absatz geschrieben:
„Schließlich sieht er Gregor vor sich. Anfang 30, mit fliehendem Haaransatz und angehendem Bierbauch. Das genaue Gegenteil eines dynamischen Mannes, einem Manager, der drei Mal wöchentlich das Fitnesscenter aufsucht. Lieber sieht Gregor fern, trifft sich mit Freunden zum Playstation Spielen und Bier Trinken und würde lieber im Boden versinken, als eine fremde Frau anzusprechen. Und trotzdem umgibt ihm eine gewisse Aura, die schon mehr als Sympathie, aber noch nicht ganz Charisma ist, die Frauen anzieht wie ein Magnet.
Genau das ist der Richtige, denkt sich Michael und beginnt mit der Zerstörung.“
Eigentlich wollte ich damit sagen, dass Gregor so überdurchschnittlich durchschnittlich ist, dass er Michael schon beim bloßen Gedanken zur Weißglut treibt. Michael, der ja eigentlich so ein Manager-Macho sein wollte, daran aber vorerst quasi gescheitert ist. Und indirekt heißt das ja auch, dass jemand wie Gregor der Grund sein könnte, warum ihn seine Freundin verlassen hat. Genau weiß man das aber nicht, würde ich sagen, das hab ich da schon ein bisserl offen gelassen.
Kritikerin:
Naja, ganz so habe ich das nicht verstanden, um ehrlich zu sein. Gregor ist in deiner Geschichte eindeutig der Sympathieträger und Michael der Böse, wenn man so will. Wenn es anders gedacht ist, solltest du das vielleicht umschreiben.
Peter H.:
Nein, das stimmt schon so, wie du es sagst, liebe Kritikerin. Alles was ich sagen wollte ist, dass Michael wohl durchschnittlicher ist als Gregor, der einfach ein guter Mensch ist. Sowas ist nicht durchschnittlich, sozusagen. Darum macht es Michael ja auch so viel Spaß, ihm nach und nach zu zerstören.
Kritikerin:
Gut, ob jetzt Durchschnitt oder nicht, es ist halt der typische Kampf von Gut gegen Böse, denke ich. Und Michael ist jetzt eindeutig böse, überdurchschnittlich böse.
Ich meine, es beginnt ja an der Stelle, an der Gregor nach seiner Geburtstagsfeier, um 5 Uhr morgens pfeifend aus der Bar geht, sich noch mal bei seinem besten Freund bedankt und sich dann auf dem Heimweg macht. Und plötzlich „knackst er um“, was wohl sowas wie „umknöcheln“ ist, und schon findet er sich in einem Rettungswagen Richtung Krankenhaus wieder. Das ist doch pure Bosheit von Michael gewesen, das hat mit Durchschnitt nichts mehr zu tun.
Peter H.:
Ja, das stimmt, das war Michaels Bosheit, die aus ihm gesprochen hat, obwohl man an der Stelle ja noch gar nicht weiß, dass das Umknöcheln quasi von Michael kommt. Gregor hat zumindest in diesem ersten Absatz keine Ahnung. Das findet er erst später heraus.
Aber irgendwie hast du schon recht. Michael hat zumindest böse Absichten dem Gregor gegenüber, den er unbedingt zerstören möchte, quasi wegen Psychohygiene und so. Und dass das böse ist, dass wollte ich eigentlich auch mit den Absätzen danach ausdrücken (Mann, ich hasse es, wenn man seine eigenen Geschichten interpretiert... aber was soll’s!).
In seiner ersten Nacht jedenfalls bandelt er mit einer der Krankenschwestern an. Sie flirten ein bisserl, witzeln herum und so weiter. Sie ist wirklich hübsch. Quasi die typische Krankenschwester. Jedenfalls denkt sich der Gregor, dass das Umknacksen schließlich doch was Gutes hatte und so weiter, sonst hätte er sie wohl nie kennengelernt. Doch am nächsten Tag, ist die Krankenschwester verschwunden. Das fand ich eigentlich ganz gut, wie ich das so beschrieben hab.
Kritikerin:
Da lässt du auch keinen Zweifel, wer gut und wer böse ist. Du hast es finde ich sogar ein wenig überzeichnet. Michael hätte die Krankenschwester nicht gleich umbringen müssen und das mit dem Blut am Bett von Gregor fand ich schließlich auch ein wenig stupide. Schon klar, Michael ist das gewesen und wollte es dem Gregor so in die Schuhe schieben, aber trotzdem finde ich das ein wenig unpassend an dieser Stelle.
Außerdem finde ich deine Beschreibung des Charakters der Krankenschwester ein wenig zu „männlich“. Ich meine, schon klar, du wolltest sie hübsch beschreiben und so, aber das alles mit den großen Brüsten und dem eigentlich dümmlichen Dialogen, die zwischen den beiden passieren, passen wohl eher in einen Porno, als in eine Kurzgeschichte. Daran solltest du wohl noch arbeiten.
Peter H.:
Also zum einen finde ich persönlich die Stelle mit dem Blut gar nicht übertrieben. Schließlich weiß der Leser ja da schon, wie es Michael möglich ist, das alles zu bewerkstelligen. Da ist die Szene mit dem Blut, dem Geschrei und der Polizei eigentlich schon einleuchtend.
Und was die Krankenschwester angeht, vielleicht liegt die Beschreibung ja wirklich daran, dass ich ein Mann bin. Für uns Männer haben Krankenschwestern eben große Brüste, sind fürsorglich und einfach sexy. Das liegt wahrscheinlich an den Mutterkomplexen und dass Männer Frauen, die sich um sie sorgen quasi immer ein wenig idealisieren (Krankenschwestern, Hausmädchen, Kellnerinnen, Babysitter, usw...).
Kritikerin:
Du sagst also, für euch Männer haben ideale Frauen immer große Brüste und sind leicht dümmlich. Das ist mir beim Lesen der Geschichten auch schon aufgefallen, dass du so denkst. Während Frauen oft starke Frauen in ihren Geschichten vorkommen lassen, fehlt Männern die Eigenschaft, Frauen als emanzipiert darzustellen wohl ein wenig. Aber sei’s drum, so sind Männer wohl.
Was du über das Blut sagst stimmt auch schon ein wenig. Als LeserIn weiß man zu diesem Zeitpunkt schon, wie es zwischen Michael und Gregor steht - obwohl ich finde, dass du diese Pointe wohl auch weiter hinten hättest aufklären können. Das finde ich eigentlich viel spannender, als alles was danach kommt (da hab ich mich beim Lesen schon ein wenig zwingen müssen, um bis zum Ende durchzuhalten).
Leider hat die Geschichte dann einen stilistischen Bruch, wie Gregor in den Knast kommt und von den anderen Insassen fertig gemacht wird, wie er zusammengeschlagen wird und so. Als LeserIn hat man schon verstanden, auf was du hinaus willst. Der Rest ist eigentlich ziemlich langwierig. So viel Blut und Gewalt hätte nicht vorkommen müssen, meiner Meinung nach. Aber ich bin ja bloß ne Frau, was weiß ich schon.
Peter H.:
Also zuerst mal hab ich schon viele Geschichten geschrieben, in denen quasi starke, emanzipierte Frauen vorkommen. Das lass ich mir so nicht gefallen.
Und was die Gewalt in der Geschichte betrifft, das hat schon einen Sinn, hätte ich mir gedacht. Schließlich geht ja das alles von Michael aus und das Blut und die Gewalt symbolisieren ein wenig, was da in seinem Kopf so abgeht. Ich meine, wie krank muss man sein, um die Zerstörung von Gregor zu blutig und systematisch zu planen. Das fand ich schon sehr beschreibend in meiner Geschichte.
Kritikerin:
Ich habe deine Geschichten bezüglich Frauen gelesen und ich denke, du verwechselst manchmal emanzipierte Frauen mit Mannsweibern. So eine richtig starke, aber dennoch attraktive Frau hast du nirgends. Entweder dumm und sexy, oder stark und burschikos. Naja, wie auch immer...
Den Gefängnisteil deiner Geschichte fand ich eigentlich am langweiligsten, weil du immer nur beschreibst, wie Gregor fertig gemacht wird, welche Verletzungen er hat und wie verzweifelt er nicht ist. Da hätte wohl ein Absatz gereicht, um es der Leserin/dem Leser verständlich zu machen (generell scheinst du ein Problem mit Kürzen zu haben, daran solltest du noch arbeiten!).
Das ist ein bisschen die ewige Leier: Gregor passiert etwas Schlimmes, Michael freut sich darüber und macht Gregor weiterhin das Leben zur Hölle. Da hätten für die Gefängnisszene eigentlich wirklich ein paar Absätze gereicht (nicht vier Seiten!!!). Außerdem findet hier ein fast unerträglicher Bruch in der Geschichte statt. Plötzlich änderst du die ganze Grundstimmung, eigentlich sogar das Genre und driftest beinahe in Splatter-Literatur ab. Das geht meiner Meinung nach überhaupt nicht!
Nach diesem Gefängnisteil wird der Text aber auch nicht viel besser... bis zu dem Zeitpunkt jedenfalls, bis Gregor draufkommt, was eigentlich mit ihm passiert - obwohl das auch nicht so prickelnd ist, schließlich weiß die Leserin/der Leser das schon lange. Vielleicht hättest du die Michael-Gregor Beziehung besser erst hier lüften sollen, als ganz zu Beginn.
Wie dem auch immer sei, diese Szene fand ich gut, eigentlich das Highlight der Geschichte, wenn man so will.
Peter H.:
Ja, da habe ich lange überlegt. Dramaturgisch wäre es natürlich super gewesen, wenn man die Geschichten von Gregor und Michael halbwegs getrennt erzählt und es dem Leser nicht gleich auf die Nase bindet, wie Michael Gregors Leben so dermaßen beeinflussen kann.
Ich meine, Gregor wird aus seinem schönen Leben herausgerissen, kommt wegen Michael ins Gefängnis, nach zwei Wochen dann aus unerfindlichen Gründen wieder heraus und findet statt seinem sich mühsam erbauten Haus, eine abgebrannte Ruine wieder. Auch seine Freunde sprechen nicht mehr mit ihm. Es scheint, als hätte er wirklich alles verloren und das nur wegen dem Michael. In meiner ursprünglichen Fassung, die ich im Kopf hatte, sollte der Leser gemeinsam mit Gregor draufkommen, dass Michael hinter dem Ganzen steck. Das wäre quasi ein doppeltes Aha-Erlebnis gewesen, für Gregor und den Leser. Das wäre natürlich super gewesen.
Aber um ehrlich zu sein, hatte ich vor dieser Stelle ein wenig Angst. Wie hätte ich das alles so schreiben können, dass der Zusammenhang bis zuletzt ein Geheimnis bleibt, ohne unglaubwürdig zu sein, oder unverständlich zu schreiben, sodass der Leser nicht mal mehr bis zum Ende liest. Oder noch schlimmer: Der Leser kommt von Anfang an darauf, wer Michael wirklich ist und dann kommen Kritiken wie: Lieber Peter, die Pointe war die ganze Zeit so offensichtlich, dass ich schon ab dem 2. Absatz wusste, was da los ist.
Da hatte ich echt Angst davor und ich muss gestehen, dass ich das Geheimnis so früh verrate, ist eigentlich mehr Selbstschutz als dramaturgische Absicht.
Kritikerin:
Ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht, wie man das hätte anders schreiben können. Die beiden Geschichtsstränge hängen eben zu weit zusammen, als das man daraus ein Geheimnis machen könnte. Die geniale Idee, wie man das lösen könnte, fällt mir jetzt auch nicht ein…
Peter H.:
Okay, ja... Um die Wahrheit zu sagen, habe ich die Stelle schon so geschrieben gehabt, als dass der Gregor gemeinsam mit dem Leser drauf kommt, was passiert. Ich poste sie hier mal, vielleicht gefällt dir die Geschichte dann ja besser (obwohl ich sie so, wie sie ist, schon sehr gut finde).
Also die Szene kommt so ziemlich zu Beginn des dritten Drittels der Geschichte. Also der Gregor ist aus dem Gefängnis gekommen, sein Haus ist mit all seinen Wertsachen abgebrannt und auch seine Freunde wollen nichts mehr von ihm wissen. Seine letzte Möglichkeit war, in das Büro zu fahren, in dem er gearbeitet hat (ich weiß, die Stelle mit seiner Arbeit kommt in der finalen Version nicht vor, das hätte dann keinen Sinn gehabt). Natürlich tun all seine Arbeitskollegen so, als wäre nichts gewesen und als sei er noch der Alte und so weiter. Als ihn sein Boss aber dann schließlich feuert, ist es vorbei. Sein Job war so ziemlich das Letzte, was in seinem Leben noch Sinn gehabt hatte, nun hat er auch das verloren. Der letzte Faden, der den Sinn des Lebens mit seiner Existenz verbunden hat, ist gerissen, sozusagen. Die Szene hab ich geschrieben, als Gregor seine Sachen packt und ein letztes Mal seinen Computerbildschirm in seinem Büro betrachtet:
„Im flackernden Licht des großen Computerbildschirms, das so lange Zeit sein Leben ausgeleuchtet hatte, erlitt Gregor schließlich einen Nervenzusammenbruch. Völlig ruiniert ließ er seinen Tränen freien Lauf. Er hatte sich nie geschämt zu weinen, auch wenn er es in der Öffentlichkeit stets vermieden hatte. Doch diesmal war es anders. Scham spielte keine Rolle mehr. Nichts spielte noch eine Rolle. Noch vor wenigen Wochen war sein Leben heil gewesen, nun war nichts mehr davon übrig.
Er schluchzte laut, Tränen stoben wie die reißende Gischt des Meeres aus ihm heraus. Sein Körper krampfte und sein Gesicht war zu einer schrecklichen Fratze verzerrt. Sein Blickfeld war gebrochen, gerade so, als würde er durch einen kaputten Spiegel in die Welt blicken.
Und plötzlich bekam die Welt Risse. Zuerst dachte er, es wäre Einbildung und die Buchstaben seien nur das Spiegelbild des Monitors in seinen Tränen. Doch dafür waren sie zu deutlich.
Schlagartig hörte er auf zu weinen. Er wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und kniff die Augen zusammen. Konnte das sein? Er führte seine Hand ganz nahe an seine Augen. Er sah seine Finger, seine Handflächen, die Knöchel seiner Faust. Er sah noch genauer hin und sah die Falten, feine Härchen, winzige Poren. Er hatte seine Hand nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht und konnte nun noch kleinere Fältchen sehen, wilde Linien, die kreuz und quer über seine Haut liefen. Er konzentrierte sich stärker.
Und auf einmal sah er alles ganz genau. Es war keine Einbildung gewesen. Unter den Rillen und Poren seiner Haut konnte er Buchstaben erkennen. Winzige Wörter, die man aus der Ferne nicht sehen konnte. „Hand“ stand überall geschrieben. „Zeigefinger“ mischte sich unter die dominierenden „Hand“-Wörter auf seinem Zeigefinger. Er fand auch „Daumen“, „Knöchel“ und „Lebenslinie“. So als ob man sich eine Plakatwand aus der Nähe ansieht und merkt, dass das große Bild eigentlich nur aus winzigen, farbigen Punkten besteht, formten „Arm“ und „Handgelenk“ die Stelle unter seiner Uhr. Er betrachtete den Computerbildschirm, der sich aus winzigen „Monitor“ Lettern zusammensetzte. Sein Herz pochte hörbar. Er sah sich im Zimmer um. Er fand „Tisch“, „Kaffeetasse“, „Fenster“, „Kugelschreiber“, „Drucker“ und als er sich konzentrierte, sah er auch „Luft“ ganz deutlich vor sich.
Es brauchte einige unendlich lange Sekunden, bevor er herausfand, was sich ihm gerade wie ein Vorschlaghammer offenbarte. Seine ganze Umwelt, seine Sachen, sein Körper, ja sogar er selbst bestand lediglich aus Buchstaben, die irgendwer getippt haben musste. Seine Welt bestand aus Worten, sein Leben war nichts als eine einzige Geschichte. Eine Geschichte, geschrieben von einem unsichtbaren Autor, der ihn plötzlich nicht mehr mochte.
Und dann blieb alles um ihn herum stehen. Es gab keine Zeit mehr, keinen Raum, kein Leben. Nur noch er selbst, kein Mensch, sondern ein Protagonist an einem Schauplatz in einem Plot eines kranken Geistes.
Und da verschwand auch der Nervenzusammenbruch plötzlich. Wenn man schließlich dahinter kommt, dass seine ganze Existenz nur eine lange Erzählung ist, relativieren sich Probleme relativ schnell.“
Ich fand die Szene eigentlich so richtig gut, aber wie gesagt, ich war eben zu feige es so zu schreiben. Oder vielleicht zu einfallslos. Oder beides.
Jedenfalls relativieren sich seine Probleme so richtig schnell. Nüchterner als zuvor findet Gregor sogleich den Schritt zur Problemlösung: Er musste seinen Autor zeigen, dass er doch einen freien Willen hat.
Was meinst du dazu?
Kritikerin:
Ich finde die Szene eigentlich auch ganz gut. Nachdem ich sie gelesen habe, habe ich schnell meine Hand gecheckt, aber keine Buchstaben gefunden (lach, vielleicht braucht man dazu auch einen Nervenzusammenbruch).
Das Schöne an der Geschichte ist nun, dass sie ab dem letzten Drittel ganz neu erzählt wird. Gregor wird schnell vom Opfer zum Täter. Zumindest tut er etwas gegen sein Schicksal und lässt es sich nicht so einfach gefallen, von irgendeinem dahergelaufenen Autor einfach so herumgeschupst zu werden. Das finde ich eigentlich eine ganz passable Parabel zu unserem realen Leben, in dem man schon sehr oft sagt: „Wie’s kommt, so kommt’s!“ oder sowas. Gregor hat sich nichts gefallen lassen, obwohl er bemerkt hatte, dass er eigentlich nur eine Romanfigur ist. Das find ich eigentlich ganz, ja, eigentlich ganz gut.
Der weitere Geschichtsverlauf ist aber meiner Meinung nach ein wenig zu weit hergeholt. Ich meine: Wie soll eine Romanfigur es anstellen, über den Autor zu bestimmen, ihn sogar in seiner Wohnung aufzusuchen, ihn beim Schreiben zu beobachten und so weiter. Ich denke da eher an Stephen Kings Der dunkle Turm. Da war das ähnlich und meiner Meinung nach genauso aus der Luft gegriffen.
Peter H.:
Danke für das Lob der Szene. Es ist schön zu sehen, dass dir das, was ich aus der Geschichte gestrichen habe, am besten gefällt.
Und ja, Der dunkle Turm ist eines meiner Lieblingsbücher, obwohl ich beim Schreiben eher an Sophies Welt gedacht habe. Aber naja, im Endeffekt ist es meine Geschichte und aus.
Und dass Geschichtsfiguren ihre Autoren beeinflussen, ist überhaupt nicht weit hergeholt. Viele meiner Geschichten enden eigentlich ganz anders, als ich sie ursprünglich geplant hatte und das einfach deshalb, weil sich die Figuren so benehmen wie sie sich benehmen. Wenn sich ein Protagonist in einen Helden verwandelt, dann kann er am Schluss nicht Selbstmord begehen und wenn eine Figur unsympathisch wird, dann muss sie am Schluss verlieren (oder eben gerade deshalb gewinnen, je nach Absicht quasi).
Meiner Meinung nach finde ich es überhaupt nicht unlogisch.
Kritikerin:
Naja, darüber kann man streiten. Wenn man es so wie du ausdrückt, dann macht es vielleicht sogar Sinn. Witzig ist eben die Tatsache, dass der Protagonist selbst draufkommt, dass er nur eine Figur ist und kein wirklicher Mensch. Wäre ich eine erfundene Figur, würde ich glaube ich nie draufkommen (und es auch gar nicht wollen).
Peter H.:
Oje, da fallen wir jetzt aber in eine Interpretation, die ich von Anfang an vermeiden wollte. Diese ganzen Naja-vielleicht-sind-wir-ja-alle-nur-Figuren-in-einer-Geschichte-Diskussionen widern mich quasi ganz schön an. Das sieht sehr nach einer Rechtfertigung zur Selbstaufgabe aus und das wollte ich auf keinen Fall mit meiner Geschichte vermitteln.
Im Gegenteil, der Gregor schafft es ja schließlich sogar, in die Welt von Michael, seinen grausamen Schöpfer, wenn man so will, vorzudringen und ihn zu beobachten. Wie er schläft, wie er tippt und so weiter. Die Wahrheit über seine Existenz hat ihn dazu befähigt, sich über alle Grenzen hinwegzusetzen. Vielleicht hält uns Gott ja darum an der kurzen Leine und sagt alles nur so in Rätseln, damit wir die ganze Wahrheit nie verstehen und nicht zu ihm aufbegehren können. (Hab ich schon mal erwähnt, dass ich Eigeninterpretationen hasse?)
Kritikerin:
Ok, ich denke, dass lassen wir hinter uns (du schweifst schon ganz schön von der eigenen Geschichte ab – tust du das nur, um von gewissen Logiklücken abzulenken??? ).
Und im letzten Teil der Geschichte änderst du wieder die Grundstimmung: Gregor wird vom Opfer zum Jäger und macht Jagt auf seinen Autor. Der Einfall, dass Michael immer ein Blackout hat, wenn Gregor in seine Welt vordringt, finde ich nicht nur einen schönen, dramaturgischen Schachzug, sondern zeigt auch den psychischen Verfall von Michael, der sich ja mittlerweile nur noch zu Hause einsperrt und krampfhaft an der Geschichte, seinem Rachefeldzug gegen alle Durchschnittstypen auf der Welt, schreibt. Dadurch trinkt er mehr, isst und schläft weniger. Er ist besessen von seinem Text. Und da kommen eben auch die Blackouts dazu, nach denen er ständig verwundert feststellen muss, dass mehr Text auf dem Monitorbildschirm flackert, als er sich erinnern kann, geschrieben zu haben. Und da liest er von Gregors Ausflügen in Michaels Welt.
Das fand ich eigentlich ganz gut. Man weiß nämlich gar nicht mehr so genau, ob Gregor nun wirklich eine Figur ist, die sich rächen möchte, oder ob sich Michaels Verstand einfach selbstständig macht, um ihm einen Spiegel vorzusetzen und ihm zu zeigen, zu was er mittlerweile geworden ist. In den Texten liest er nämlich ständig von einem „ausrangierten Mann, der aussieht und riecht wie ein Sandler“. Was immer ein Sandler auch sein mag.
Peter H.:
Oh, ein Sandler ist ein Obdachloser, oder besser gesagt ein Penner, wie man in Deutschland sagt. Ich habe lange überlegt, ob ich das Wort drinlassen soll, da es ja nicht wirklich politisch korrekt ist, aber ich habe es dann doch gelassen, weil man es im Sprachgebrauch eben auch so benutzt. Es ist einfach nur ein Ausdruck dafür, wie heruntergekommen Michael mittlerweile ist. Wie du geschrieben hast: wenig Schlaf, viel Alkohol, wenig Essen... und darüber hinaus wäre mehr Waschen auch nicht gerade von Nachteil gewesen.
Für die Geschichte war es aber wichtig. Schließlich gelingt es Gregor nur so, sich ein Bild von seinem Schöpfer zu machen. In Wahrheit ist Michaels Text gar keine Geschichte mehr, sondern ist von einer Erzählung zu einem Kampf gegen seinen Protagonisten mutiert.
Auch diese Stelle gefällt mir ganz gut. Ich muss ehrlich sagen, liebe Kritikerin, je mehr ich meine eigene Geschichte hier verteidige und selbst interpretiere, desto besser gefällt sie mir.
Kritikerin:
Ja, ich hab ja auch nicht geschrieben, dass dein Text schlecht ist, er ist von der Idee her gut, aber von der Umsetzung hapert es eben noch ein bisschen.
Und da sind wir mal wieder beim Schluss, der viel zu abrupt und unlogisch kommt. Ich meine, da dringt Gregor so weit in Michaels Welt vor und statt dass es schließlich zu einer tatsächlichen Begegnung kommt (alle Ausflüge in Michaels Welt geschahen bisher ja nur durch den Text, den Michael manchmal mehr, manchmal weniger bewusst geschrieben hat), schriebst du einfach nur, dass der Ausweg aus Gregors Schlamassel sein Computer ist und er anfängt „um sein Leben zu schreiben“.
Das ist finde ich der große Knackpunkt und schließlich versaut das alles – zumindest meiner bescheidenen Meinung nach.
Peter H.:
Danke für deine ehrlichen Worte dahingehend.
Was hättest du dir denn erwartet? Soll Gregor plötzlich in Michaels Welt real werden und ihn umbringen oder sich sonst wie in sein Leben einmischen? Ich denke eher, dass das unlogisch ist. Schließlich bleibt er eine Romanfigur. Da kann man sowas nicht machen. Hast du etwa eine bessere Idee? Kann ich mir nicht vorstellen.
Kritikerin:
Ich sag ja nicht, dass ich eine bessere Idee habe, ich sag nur, dass dein Ende ein wenig armselig ist. Wieso setzt er sich an einen Computer? Wieso ist Schreiben seine Rettung? Das klingt eher nach einem Notende, weil es aus dem Plot keinen vernünftigen Ausweg gibt. Mehr sag ich ja gar nicht.
Das, und dass die Geschichte am Ende eben verliert. Das kann man als LeserIn nur schwer hinnehmen.
Peter H.:
Tja, vielleicht schreibt Gregor ja einen Brief an den Autor seines Autors (huch, das bin ja ich!) und bittet ihn, Michael zu ermorden... :-/
Nein, das stimmt natürlich nicht. Ich habe ein Ende im Kopf, ich weiß natürlich was Gregor da schreibt. Aber ich denke, das sollte jeder Leser selbst herausfinden.
Kritikerin:
Gut, dann glaube ich eben, dass er einen Brief an dich schreibt, und dich bittet, doch noch ein Ende zu schreiben, damit diese Geschichte nicht so bescheuert endet.
Peter H.:
Ha ha, ich wusste gar nicht, dass du Humor hast... Obwohl, irgendwie stimmt das ja schon. Das Gute am Autorendasein ist ja, dass man eigentlich Gott spielen kann. Man kann mit seinen Figuren machen, was man will, schließlich sind das seine eigenen Figuren, da kann sich keiner dreinmischen.
Das offene Ende macht aber wiederum den Leser zum Herrscher der Figuren, schließlich kann er bestimmen, was dann passiert (ja nach Vorstellungsgabe halt). Darum liebe ich offene Enden so – man bekommt da ein sehr wertvolles Geschenk vom Autor.
Kritikerin:
Das ist ja alles schön und gut, aber wenn man beim Lesen denkt, dass der Autor sich einfach nur vom Acker machen wollte, weil er nicht wusste, wie er die Geschichte beenden soll, dann find ich das ehrlich gesagt nicht so schön – und genau dieses Gefühl hat man als LeserIn bei deiner Geschichte.
Das würde mich aber echt interessieren, wenn du sagst, du wüsstest, was mit den Protagonisten passiert, was war das in deiner Vorstellung, lieber Peter?
Peter H.:
„Liebe“ Kritikerin,
irgendwie nervst du ja schon ein bisschen. Jetzt habe ich schon fast neun Seiten hindurch meine Geschichte zerpflückt und selbst interpretiert und irgendwie ist sie mittlerweile zu etwas geworden, das ich so gar nicht vorgehabt hatte. Aber sei’s drum.
Ich werde dir jetzt sagen, wie die Geschichte ausgeht (und da will ich dann keinen Widerspruch von dir hören, schließlich bin ich der Autor und was ich schreibe gilt für immer und ewig):
Gregor schreibt um sein Leben und während er schreibt, bricht Michael zusammen und stirbt in seiner Wohnung Flüssigkeitsmangel. Dadurch mischt sich auch keiner mehr in Gregors Leben ein und er ist endlich frei.
So – nun habe ich die Verantwortung über den Schluss vom Leser in die Hände von Gregor gegeben, der nun wieder sein altes Leben führen kann. Ich hoffe, du bist zufrieden.
Hugh, der große Über-Autor hat gesprochen!!!
Mit einem Lächeln las Gregor die neun Seiten durch, die er gerade geschrieben hatte. Michael war tot. Keiner würde sich mehr in sein Leben einmischen, das wusste er jetzt.
Er blickte auf seine Hand: Er sah seine Finger, Poren, Linien, winzige Härchen. Er sah noch genauer hin, doch seine Augen taten ihm so weh, dass er sie schließen musste. Mit den letzten drei Rufzeichen seines Textes, war jedes Wort aus seiner Hand verschwunden.